Manfred von Ardenne, übrigens der Enkel der wirklichen Effi Briest, war seit der Volljährigkeit ohne Abitur und nur als Gasthörer selbständiger Erfinder. Patente hatte er schon vorher erhalten. Sein väterlicher Mentor und finanzieller Mäzen dürfte in den ersten Jahren Siegmund Loewe von Loewe Opta gewesen sein. Ardennes Autobiographie kann man lesen, vor allem die Jugendstreiche. Stromdiebstahl und Diebstahl und Anwendung eines schweren Maschinengewehres gegen ein Schulgebäude. Sein Vater war ja auf dem Truppenübungsplatz Tempelhof tätig, daher kannte er das Gelände. Sehr interessant sind auch seine Erinnerungen an Nobelpreisträger Otto Warburg. Kreativität kann man ihm nicht absprechen, politisches Urteilsvermögen vollständig. Man weiss manchmal nicht, was man sagen soll. Ein Peter Pan, ein Parzifal.Oder ein Augenverschliesser. Auf jeden Fall ein Mensch, der von seinen Eltern und Förderern frühzeitig ermuntert und ermutigt wurde. Vatern war darüber gut geeignet. Ein Unangepaßter, muß an dessen Mutter liegen, der die Ungnade (des Kaisers) wählte, wo Gehorsam nicht Ehre brachte.
Die Betriebe und Institute, die Ardenne er hinterlassen hat, sind erfolgreich und mit Preisen ausgezeichnet.
Elisabeth von Plotho, seine Großmutter, die er in seiner Biographie mehrfach erwähnt, war übrigens eine bis ins höchste Alter, sie wurde 99!, bemerkenswerte Frau. Ein richtiges Wildwasser in der Jugend und kühne Alterssportlerin. Der alte Bush springt jetzt noch Fallschirm, sie begann mit 70. Ein bemerkenswertes Leben.
Nachtrag zur politischen Einstellung
Manfred von Ardenne war mit seinem Institut ein Freiberufler, mußte also sehen, wo er finanzielle Mittel herbekam. 1933, als junger Mann, waren es die Nazis, genauer gesagt Postminister Ohnesorge. Wer das Buch von Karlsch gelesen hat, weiss, daß die deutsche Atomphysik die Atombombe sehr wohl versuchte, aber schon aufgrund der begrenzten Mittel scheiterte. Ardenne hat dabei eine technologisch wichtige Rolle gespielt, wie auch nach dem Kriege bei den Russen. Er hätte das gleiche auch für die Amerikaner gemacht. Auch Werner von Braun ist ja sehr anpassungsfähig gewesen.
Tja, politisch naiv, Nichtsehenwollend oder bedenkenlos. Schwer zu sagen.
Eine Biographie eines ehemaligen Mitarbeiters gibt weitere Informationen, geht aber nach Meinung des Rezensenten nicht weit genug
Barkleit, Gerhard Titel: Manfred von Ardenne. Selbstverwirklichung im Jahrhundert der Diktaturen Rez. NEG: G. Barkleit: Manfred von Ardenne - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher Rezensent Wolfgang G. Schwanitz http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=9246
Libero
PS: Gerhard Barkleit hat verschiedene Bücher beim Hannah Arendt Institut verfasst. wie z.B. Verfolgte Schüler - gebrochene Biographien, zum Erziehungs- und Bildungssystem der DDR
v. Ardenne ist einerseits, wie Sie es schildern, ein Beispiel für Wissenschaftler, die halt Geld und Aufträge von dorther nehmen, woher sie das bekommen. Man kann das sehr unterschiedlich bewerten - als Opportunismus, oder als Ausdruck dessen, was man englisch "dedication" nennt und wofür mir jetzt keine gute Übersetzung einfällt - irgendwas zwischen Hingegebensein, Besessenheit vom eigenen Werk und Glauben an dieses.
Andererseits ist er aber auch ein Beispiel für die Art von großbürgerlichen Intellektuellen, denen die Kommunisten in der DDR ein wunderschönes Leben bereitet haben. Oft aus altem kommunistischem Adeln, wie die Gysis. Karl-Eduard von Schnitzler ist ein Beispiel, Stefan Hermlin.
Zitat von ZettelAndererseits ist er aber auch ein Beispiel für die Art von großbürgerlichen Intellektuellen, denen die Kommunisten in der DDR ein wunderschönes Leben bereitet haben. Herzlich, Zettel
Lieber Herr Zettel
der Mensch ist schwer für mich zu greifen. Ich glaube inzwischen, er verfolgte Projekte und es war ihm bis zu einem gewissen Grade nicht wichtig, welchen Menschen er sich andiente und welche Auswirkungen seine Projekte hatten. Er ist in dem Punkt Wernher von Braun und Albert Speer sehr ähnlich.
Ein Zitat aus der verlinkten Rezension: Hätte Ardenne zum Beispiel die Sowjets in den unmittelbaren Nachkriegstagen abgewiesen und ihnen nicht beim Bau ihrer Atombombe geholfen, so wäre ihm höchstwahrscheinlich wenig geschehen, zumal der Weg vom deutschen Osten in den Westen noch offen war. Er konnte oder wollte aber die Natur des sowjetischen Regimes nicht erkennen.
Dem würde ich widersprechen. In dieser Zeit wurden im Osten beinahe täglich Menschen willkürlich verhaftet, angeklagt, eingekerkert oder in die Sowjetunion entführt. Ich bin nicht sicher, ob eine Persönlichkeit wie Ardenne die Möglichkeit gehabt hätte, heimlich in den Westen zu verschwinden.
Ich habe seit meiner Kindheit und Jugend hier in Dresden viel über Ardenne gehört und wohne auch nicht weit von den Orten, an denen er gewirkt und gelebt hat. Durch den Roman »Der Turm« (in dem Ardenne eine Rolle spielt) kommen nun wieder viele Erinnerungen zurück.
Zitat von stefanolixEin Zitat aus der verlinkten Rezension: Hätte Ardenne zum Beispiel die Sowjets in den unmittelbaren Nachkriegstagen abgewiesen und ihnen nicht beim Bau ihrer Atombombe geholfen, so wäre ihm höchstwahrscheinlich wenig geschehen, zumal der Weg vom deutschen Osten in den Westen noch offen war. Er konnte oder wollte aber die Natur des sowjetischen Regimes nicht erkennen. Dem würde ich widersprechen. In dieser Zeit wurden im Osten beinahe täglich Menschen willkürlich verhaftet, angeklagt, eingekerkert oder in die Sowjetunion entführt. Ich bin nicht sicher, ob eine Persönlichkeit wie Ardenne die Möglichkeit gehabt hätte, heimlich in den Westen zu verschwinden.
Gerade weil es Zugriffe auf "Spezialisten" gab ("Du Spezialist, komm mit!" war damals ein geflügeltes Wort in der Sowjetzone; meine Eltern haben es mir erzählt), sind ja viele in den Westen gegangen.
Das war kein Problem. Vor Gründung der DDR konnte man zwar nicht ohne Formalitäten, aber doch ohne größere Schwierigkeiten von einer Zone in die andere umziehen; mehr war das ja nicht.
Das kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, weil meine Eltern es so gemacht haben. Sie waren beide Ärzte, und es gab zunehmend Fälle, wo Ärzte von der Russen kassiert und in die UdSSR verbracht wurden. Meine Eltern sind deshalb 1946 aus Thüringen in den Westen gegangen. Wir setzten uns in den Interzonenzug, überquerten bei Bebra die Grenze und waren im Westen. Kontrolliert von sowjetischem Militär natürlich; aber absolut legal.
Dann habt Ihr ja großes Glück gehabt und eine richtige Entscheidung getroffen. Aber bei allem Respekt: Deine Familie hieß nicht »von Ardenne«;-) Ardennes Name war damals schon ziemlich bekannt und ich kann mir gut vorstellen, dass ihn der sowjetische Geheimdienst beobachtet oder bewacht hat. Ich kann mir auch vorstellen, dass sie ihn aus dem Zug herausgeholt hätten. Ich kann aber dafür jetzt keine Quelle nennen oder meine Vermutung belegen.
Zitat von stefanolixDann habt Ihr ja großes Glück gehabt und eine richtige Entscheidung getroffen. Aber bei allem Respekt: Deine Familie hieß nicht »von Ardenne«;-)
Nein, sie hieß natürlich "Zettel".
Zitat von stefanolixArdennes Name war damals schon ziemlich bekannt und ich kann mir gut vorstellen, dass ihn der sowjetische Geheimdienst beobachtet oder bewacht hat. Ich kann mir auch vorstellen, dass sie ihn aus dem Zug herausgeholt hätten. Ich kann aber dafür jetzt keine Quelle nennen oder meine Vermutung belegen.
Eher würde ich vermuten, lieber Stefanolix, daß es für Prominente noch einfacher war, in den Westen zu wechseln. Brecht zum Beispiel hat es zwar nicht getan, aber sich immer die Option offengehalten. Er hat zu diesem Zweck einen Teil seiner Tantiemen auf ein Konto in der Schweiz überweisen lassen.
Nur war es so, daß in den ersten Nachkriegsjahren Intellektuelle in der Ostzone oft besser gelebt haben als in den Westzonen. Mir ist das erstmals so richtig deutlich geworden, als ich das "Deutsche Tagebuch" von Alfred Kantorowicz gelesen habe. Er hatte, in die USA emigriert, in New York eine gute Stelle gehabt, wollte aber unbedingt nach Deutschland zurück. In Hamburg lebte er in ärmlichsten Umständen, bis er nach Ostberlin reisen konnte, wo er als alter Kommunist sofort alle Privilegien bekam - Wohnung, Lebensmittel, was man damals eben so brauchte.
Sie erlauben, das ich widerspreche. Ihre Eltern waren Ärzte, zweifelsohne in einem örtlichen Netzwerk eingebunden, aber nicht unbedingt in einem beruflichen Netzwerk. Bei größeren beruflichen Netzwerken, z.B. den Belegschaften der Flugzeugwerke (ich denke da an das Werk in Dessau) war die Entscheidung, zu gehen, wesentlich schwieriger. Ich glaube nicht, das Ardenne unglücklich gewesen wäre, wenn ihn die Amerikaner angesprochen hätten. Soweit sind sie mit ihrer operation paperclip aber nicht gekommen.
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