Eigentlich war es als eine einzige Folge dieser Serie gedacht; aber beim Schreiben ist das Manuskript wieder einmal zu lang geworden.
Also geht es in der Folge 6 erst einmal um zwei Bücher zum Thema: Das von Jutta Ditfurth über Ulrike Meinhof, schon nicht mehr ganz neu; das von Götz Aly über die Achtundsechziger; auch schon gut ein Jahr alt. Aber anders als die dafür bezahlten Kollegen brauche ich als Blogger ja nicht darauf zu achten, daß die Bücher, für die ich mich interessiere, frisch auf den Bestseller-Listen stehen.
Was ich aus dem Buch von Aly gelernt habe - darum wird es dann in der nächsten Folge gehen.
In Antwort auf:Die vertikale bestand darin, daß im chronologischen Ablauf aus einer diffus- antiautoritären, oft auch fröhlich- anarchistischen Bewegung Gruppen mit einen fest umrissenen politischen Programm hervorgingen.
.. und wenn das politische Programm auch nur aus der "harmlosen" Sympathie für sozialistische Diktaturen und für die Gewalt militanter westlicher Bewegungen bestand. Mit diesen dürren Worten möchte ich einen dürren Kommentar meinerseits zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit Aspekten unserer Jugend einleiten, dessen einziger Zweck ist, dir lieber Zettel aufmunternd auf die Schultern zu klopfen, insbesondere was den Kurs betrifft:
In Antwort auf:Aber doch - so schien es auch mir, als ich die Serie "Wir Achtundsechziger" geschrieben habe - nicht als deren konsequente Fortsetzung, sondern als ihre Entartung.... Das war ein Irrtum.
Klar, im Alter neigt man dazu die Jugend zu verklären. Schwamm drüber. Damals in der Jugend haben wir das allerdings auch schon so gemacht, denn es durfte ja nicht sein, was nicht sein sollte. Die "Alten" haben uns damals ja immer vor den langhaarigen Revoluzzern gewarnt. Doch wir wussten besser. Bis sich dann der Kerl gegenüber vor meinen Augen vor Schmerzen krümmte. Auf dem Turkey wäre er - antwortete man auf meine Nachfrage. Nichts ahnend fragte ich die Leute um mich herum, was denn ein Turkey wäre. Entzugsymptome, Opiat, antwortete man mir. Da fiel mir die grosse Klappe runter. Könnte es sein, daß die "Alten" doch recht hatten und wir nicht besser, sondern alles viel viel dümmer wussten?
Aus heutiger Sicht entpuppt sich das Erlebnis mit dem Junky als wahrer Glückstreffer, denn es geschah ziemlich am Anfang meiner Rebellion gegen die "Alten". Fortan ging ich auf Distanz und fing an zu beobachten. Zettel, es waren unglaublich viele Jugendliche damals, die auf dem Turkey waren und es waren auch nicht nur Peter Green und Syd Barrett, die sich mit "Acid" um den Verstand brachten. Ebenso waren es auch sehr viel mehr Jugendliche damals, die Sympathien für sozialistische Diktaturen und gewaltsame militante westliche Bewegungen entwickelten, als es uns die verklärende Erinnerung suggerieren möchte.
Veranstaltungen zur Solidarität mit den politischen Gefangenen der RAF wurden nicht nur vom Cohn und dem Joschka besucht, sondern es waren Hunderte, welche anschliessend auf die Strasse gingen und explodierende und nicht explodierende "Pflastersteine" warfen. Es war die Ideologie, welche tatsächliche Mißstände masslos überzeichnete und diesen Leuten derart den Hass auf das Establishment diktierte und ihnen zugleich das Bewusstsein vermittelte den "Durchblick", dh. immer und in jedem Fall Recht zu haben.
Ein Weltbild bestimmt das Handeln, gleich ob es durch offene Gewalt oder durch Sympathie für eine solche geprägt ist. Militante Politikaster und fixende Junkies waren keine "Entartung" einer diffus- antiautoritären, oft auch fröhlich- anarchistischen Bewegung, sondern nur die am weitesten mutig voranschreitenden Vertreter dieser alles Etablierte ablehnenden Jugendkultur. In den Augen vieler junger Menschen waren sie Helden, welche das taten, zu dem sie selbst zu feige waren und umgekehrt schauten die Helden mit Verachtung auf die Feiglinge herab und so entstand ein gewisser Zwang, wenigstens durch die Solidarität mit den Politverbrechern einen Hauch Heldentum abzukriegen. Darin ist auch der rote Faden zu sehen.
Geeint wurden Helden und Feiglinge durch den ideologisch vermittelten Haß auf das Establishment, welcher zugleich als selbsterhöhende tiefe Erkenntnis fungierte und damit den Jugendliche den elitären Anspruch vermittelte, sich über den demokratischen Willensbildungsprozeß stellen zu können.
Entsprechend warf Dutschke damals der SPD vor, den Sozialismus nicht offensiv zu propagieren. Dabei fragten er und seine Anhänger und Rivalen sich erst gar nicht, ob sich dafür überhaupt eine Mehrheit bei Wahlen finden würde. Eine Mehrheit bei Wahlen zu erreichen interessierte die Jugendlichen damals überhaupt nicht, weil sie sich im Besitz der absoluten Wahrheit fühlten. Der Wählerwille wurde doch nur als Ausdruck der angeblichen "Tatsache" begriffen, daß die Mehrheit der Bürger nur willenlose Marionetten der Bourgeoisie wären. So kam auch die von Aly geschildeten Berliner Machtergreifungsphantasien zustande, an denen, falls mich meine Erinnerung nicht trügt, auch Rudi Dutschke beteiligt war.
Es war gerade der Marxismus in ausnahmslos allen Schattierungen, inkl. der mittlerweile zu höchsten demokratischen Weihen gelangten kritisch theoretischen, welcher den jungen Menschen den Glauben an die Zugehörigkeit zu einer alles besser wissenden Elite vermittelte. Aly weist diesbezüglich explizit auf den der Frankfurter Schule dazugehörigen kritischen Theoretiker Marcuse hin - was auch höchste Zeit wurde. Im Rahmen des Schwanengesangs der damaligen neuen Linken wurde der Zusammenhang nach ausgiebiger Lektüre der frazösischen Neuen Philosophen auch begriffen und in Studenten- und Linksintellektuellekreisen populär gemacht. Zu spät, denn das Mordkonto der Meisterdenker und Menschenfresser hatte sich schon wieder erhöht, aber immerhin besser zu spät denn nie!
Nichts davon ist geblieben. Mit der deutschen Einheit kam die SED und mit ihr wurden die letzten Erkenntnisse linker Schuld am Massenmord geradezu brutalst möglich zertrampelt. Dem Marxismus wird völlig unkritisch seines totalitären Wesens gehuldigt und es wurden bereits organisatorische Maßnahmen unternommen, um ihn wieder unter Studenten populär zu machen. Schon glühen die Augen der Erleuchteten wieder, die der festen Meinung sind, die Wahrheit einzig für sich gepachtet zu haben.
Die Konfrontation mit der Erinnerung an die Mauer löst längst nicht mehr die Anstrengung des Begriffs aus, den Zusammenhang Marxismus, Sozialismus, Diktatur, Freiheitsberaubung und Mord zu erforschen, sondern die Bemühungen der Volkserzieher aus eigenen Gnaden den willenlosen Marionetten der Bourgeoisie zu erklären, wie aus der Diktatur keine wird und wie man sich ungeniert weigert, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Letzteres artistisches Kunststück macht uns Ramelow gerade vor (http://www.focus.de/politik/deutschland/...aid_375271.html).
Lieber Zettel, ich sage jetzt nicht: Laß unsere Jugend Vergangenheit sein, sondern laß uns bitte den Schritt von der Vergangenheit zur Gegenwart und Zukunft wagen!
Die kritische Reflexion der Vergangenheit ist nur dann von Interesse, wenn sie unsere Schwerter im Kampf um unsere Gegenwart und unsere Zukunft schärft. Wir stehen nicht über den Dingen, sondern wir befinden uns mitten drinnen. Scharfe Schwerter brauchen wir, denn im nächsten Bundestag wird die Partei Die Linke mit tödlicher Sicherheit wieder vertreten sein und der Albtraum Rotrotgrün ist leider auch noch nicht "ausgeträumt". Solange die Partei Die Linke auch nur in einer Regierung sitzt, und sei es nur im letzten Kuhdorf weit im Osten und solange in der SPD auch nur noch ein Ganove sitzt, der von Rotrotgrün träumt, müssen die Hiebe sitzen und zwar perfekt, messerscharf und gegenwartsbezogen.
das Erschreckende ist ja, daß diese damals junge Generation voller Vorwürfe gegen ihre Eltern und Großeltern war. Fest davon überzeugt, diesen Generationen himmelweit überlegen zu sein, was die moralische Integrität angeht. Und im Rückblick sieht man, daß sie das überhaupt nicht war.
Man hat das Etikett gewechselt. Man war nicht mehr rechts, sondern links. Man kämpfte nicht mehr gegen das Weltjudentum, sondern gegen den weltweiten Kapitalismus. Man sah sich nicht mehr als Teil der großen Volksgemeinschaft, sondern als Teil der großen Gemeinschaft der "Verdammten dieser Erde".
Aber die Selbstgerechtigkeit, die ideologische Verbohrtheit, die Intoleranz, die Bereitschaft, für die eigenen politischen Ziele Gewalt anzuwenden, war dieselbe.
Man war halt Kind seiner Eltern.
Viele Deutsche waren durch die Reeducation zu Demokraten geworden. Diese Anführer der "Studentenbewegung" waren es nicht geworden. Sie waren in ihrer Haltung zur Politik auf dem Stand der Nazis stehengeblieben. Und natürlich dem der Kommunisten.
Zitat von PeterCoyoteVeranstaltungen zur Solidarität mit den politischen Gefangenen der RAF wurden nicht nur vom Cohn und dem Joschka besucht, sondern es waren Hunderte, welche anschliessend auf die Strasse gingen und explodierende und nicht explodierende "Pflastersteine" warfen. Es war die Ideologie, welche tatsächliche Mißstände masslos überzeichnete und diesen Leuten derart den Hass auf das Establishment diktierte und ihnen zugleich das Bewusstsein vermittelte den "Durchblick", dh. immer und in jedem Fall Recht zu haben.
Die "Folterkampagne" gehörte zu den erfolgreichsten Kampagnen politischer Desinformation im Zwanzigsten Jahrhundert. Ich bin zu einem Zeitpunkt auch darauf hereingefallen - als Holger Meins sich zu Tode gehungert hatte und man die erschütterten Bilder von seiner ausgemergelten Leiche sah. Da habe ich sogar einmal einen "Aufruf gegen Folter" oder so ähnlich unterschrieben.
Die Taktik war perfide: Wurden die Häftlinge zwangsernährt, dann schrie man "Folter". (Noch jetzt wurde die Zwangsernährung von Hungerstreikenden in Guantánamo als Folter bezeichnet). Ließ man die Gefangenen verhungern, dann konnte der Staat erst recht als unmenschlich vorgeführt werden.
Es war ein Appell an das Mitleid der Menschen. Die Häftlinge, die - wenn sie sich der Haftordnung gefügt hätten - wie jeder Gefangene behandelt worden wären, wollten den Staat "vorführen", ihn "entlarven". Dieselbe Taktik wurde im Prozeß in Stammheim angewandt.
Von Seiten der Staatsanwaltschaft und der Richter war ein fairer, normaler Prozeß vorgesehen. Die Angeklagten aber verhielten sich wie die Rowdies. Die (meisten) Vertrauensanwälte konspirierten mit den Gefangenen, halfen ihr "Kommunikationssystem" organisieren usw.
Darauf konnte der Staat nur mit Repression reagieren, wenn er sich nicht selbst aufgeben wollte. Also wurden Angeklagte des Saales verwiesen, wurden Anwälte durchsucht. Was die RAF wieder wunderbar für den "Nachweis" verwenden konnte, daß dies ein "faschistischer" Staat war.
Es war perfide. Aber es war auch eine kühle, leninistische Taktik. Und jeder, der darauf hineinfiel, war selbst schuld.
In dieser siebten Folge der Serie befasse ich mich mit dem, was mir an dem Buch von Götz Aly besonders wichtig erscheint: Mit Dokumenten, aus denen hervorgeht, welche Ziele Dutschke, Rabehl und Genossen hatten.
Sie wollten die Revolution in Westberlin innerhalb von fünf bis zehn Jahren. Sie wollten Parlamente, die Justiz, die Polizei abschaffen. Überflüssige Menschen sollten - jedenfalls forderten das einige manchmal - deportiert werden.
Gewalt wurde nicht ausgeschlossen, um dieses revolutionäre Ziel zu erreichen. Die Gewalt in Bürgerkriegen in Asien und Lateinamerika wurde ausdrücklich unterstützt.
Gewalt, die bis zur Tötung von Menschen geht, haben die damaligen Revolutionäre nicht verlangt, vermutlich auch für Deutschland nicht ins Auge gefaßt.
In diesem Punkt ist die RAF über sie hinausgegangen: Sie hat das, was Dutschke und Genossen wollten, mit Mitteln angestrebt, die diese in Vietnam und in Bolivien für richtig hielten.
Lieber Zettel, in diesem Zusammenhang muss man ja auch noch berücksichtigen, dass Revolutionen in der Realität meist viel brutaler ablaufen als es die Revolutionäre vorher geplant haben. Meist sinkt die Arbeitsproduktivität, es müssen Sündenböcke gefunden werden usw. Außerdem gibt es oft interne Querelen, die blutig ausgefochten werden. Erinnern Sie sich noch aus dem US-Wahlkampf an Bill Ayers? Der war Mitglied einer US-amerikanischen Terrorgruppe. Hochgekocht ist das, als rauskam, dass er früher mit Obama befreundet war. Was immer man davon hält, klar ist wohl, dass auch diese Organisation, die aus dem amerikanischen sds hervorging, Pläne hatte, nach ihrer Macht- ergreifung etwa 25 Millionen "die hard capitalists" in Umerziehungslager zu stecken. http://pajamasmedia.com/blog/eyewitness-...ers-revolution/
Lieber Zettel, also ich habe mir das heute Morgen nochmals durchgelesen. Es gibt ja Götz Aly's vorzügliche Schilderung der damaligen Sachlage sehr gut wieder. Ich beschäftige mich zur Zeit nicht mit dem Thema, stehe mit beiden Beinen inmitten industrieller Wirklichkeit und betrachte die Sache aus grosser Distanz. Wollen sie wissen, wie das Handeln der damaligen Revoluzzer bei mir ankommt?
Nun, das ist der reine Wahnsinn!
In meinem letzten Beitrag habe ich darauf hingewiesen, daß die Ideologie die Leute zum besagten Handeln verführte. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Der Marxismus selbst ist aus Sicht eines aufgeklärten modernen Menschen vollkommen inakzeptabel. Man kommt meines Erachtens nicht daran vorbei, die Bereitschaft der Beteiligten aus der (sozial-)psychologischen Perspektive heraus zu betrachten, also die subjektiven Dispositionen zu erkennen, aus denen sich die Akzeptanz des marxistischen Glaubensgebäudes überhaupt erst ergibt.
Im Gegensatz zu den heutigen Genossen der Linkspartei mit Ostbio kann man nicht einfach darauf verweisen, daß die damaligen Revoluzzer es nicht anders gelernt haben. Es ist also schwieriger. Man müsste sich mit dem familiären und sonstigen Umfeld beschäftigen, in dem diese Wahnsinnigen aufwuchsen.
ich lese gerne Autobiographien, ist so eine Marotte von mir. In letzter Zeit waren es viele aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, in denen die Erlebnisse während des Krieges eine große Rolle einnehmen. Wer eine Begabung dafür besitzt, ich besitze sie leider, kann sie aus der geographischen und zeitlichen Ferne erleben und miterleben. Das schmerzt. Wenn man auf so eine Biographie eines Menschen zurückblickt, was für ein Irrsinn. Was hat man diesen Menschen angetan, was haben sie anderen Menschen angetan und was haben sie zulassen müssen, was ihnen und anderen Menschen angetan wurde. Was für ein Elend. Vor der Leiche des Lieblingsbruders, des besten Freundes, eines Kindes, einer Frau stehen zu müssen. Viele Leichen zu sehen, zerfetzt und zerrissen. Kann das noch ein Mensch ertragen? Zweifelsohne, sie überlebten. Der 1. Weltkrieg endete, der 2. Weltkrieg endete und das Leben in den Trümmern der Gebäude, der Menschen und ihrer Seelen begann von Neuem. Aufgearbeitet wurden diese Erlebnisse nicht, man lebte mit ihnen. Man erlebte sie neu und immer wieder in Träumen, manchmal jede Nacht. So habe ich es bei meinem Vater erlebt, der das Ticket Berlin/Moskau hinrück gelöst hatte, Endstation Halbe, alles Aussteigen. Den Wundbrand überlebt ohne Antibiotika, aber gezeichnet am ganzen Körper, da der Chirurg das abgestorbene Gewebe entfernt hatte. Sein Körper sah aus wie ein Trümmerfeld. Nur so sein Körper? Er funktionierte, gewiss, war beruflich erfolgreich. Offiziell endete der Krieg im April 1945, aber glauben Sie mir, der Krieg endete erst mit dem Tod der Menschen, die ihn erlebt haben. Schwerwiegende Erlebnisse zu verdrängen, Erlebnisse die man mit vielen Menschen teilt, besänftigt nicht das Unheil, im Gegenteil, es schafft nur neues Unheil. Vor diesem Hintergrund sehe ich diese Gewalttätigkeit und dieses zur Tat verführende Denken in Gewalttätigkeiten. Man kann nicht Menschen über Jahre hindurch schinden und glauben, die Schinderei hört mit dem Ende solcher widerwärtigen Kriege auf. Schinderei gebiert immer neue Schinderei.
Vielleicht fehlt Ihnen einfach die Ader dafür. Dann danken Sie Gott, das er Ihnen diese Last ersparte. Oder Ihrer Robustheit,, Schicksal, was immer Sie statt Gott nennen würden
Herzliche Grüße Libero
Man sollte vorsichtig sein in der Wahl seiner Feinde: Früher oder später wird man ihnen ähnlich.
Ich würde das gar nicht so verkomplizieren. Die Geschichte zeigt, wenn auch etwas diffus, daß, wenn man den Menschen die Möglichkeit gibt, sich über "den Rest", "die Masse" etc. moralisch zu erheben, was dem Menschen ein sehr grundliegendes Bedürfnis zu sein scheint, dies auch meistens wahrgenommen wird. Nunja, und nach dem Krieg war es natürlich nicht allzu schwer einen Aufhänger dafür zu finden. Diese Phase haben wir bis heute nicht überwunden und es wird ja bis heute in dieser Form ausgeschlachtet. Vielleicht am pointiertesten von unserem Professor Fischer, der seinerzeit einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führen mußte, nur um "ein neues Auschwitz" zu verhindern. Diese Rechtfertigung Gewalt auszuüben, im edlen Sinn, um noch größeres Leid zu verhindern, ist doch so alt wie die Menschheit selbst und entsprechend bewährt. In dieses Schema passen, wenigstens für mein Verständnis, auch die von Zettel dargestellten Aktivitäten hinein.
Zum Thema Wahnsinn: Nun, wenn sie vom Willen beseelt sind etwas wundervolles für die Menschheit zu leisten, wie etwa sie von den Fesseln der Unterdrückung, auch allen Zwängen insgesamt zu befreien, ein neues goldenes Zeitalter anzubrechen, ich frage Sie, sind da nicht alle Mittel recht? Kurz: Je edler das Ziel, desto wahlloser erfolgt der Mitteleinsatz. Kann man heutzutage sehr schön am edlen Kampf gegen Rechtsextremismus bewundern, wo regelmäßig mit den gleichen Methoden operiert wird, die man eigentlich zu bekämpfen sucht. Ach, ich schweife schon wieder ab. Verzeihung.
was Sie über Kriegsbiografien schreiben, erscheint mir sehr einleuchtend. A bisserl war ich ja auch noch "Betroffener". Meine allererste Kindheitserinnerung ist, daß Nachts die Sirenen heulten und wir in den Luftschutzkeller mußten. Laut meinen Eltern war das fast jede Nacht so; wir schliefen angezogen, um sofort in den Keller aufbrechen zu können. Zugleich mit den ersten Wörtern lernte ich es, die Sirene nachzuahmen.
Ich träume noch jetzt davon - von dem Lärm, den Blitzen, die durch die Fenster kamen, der Atmosphäre der Angst. Auch von diesen Pritschen, auf denen man saß oder lag.
Meine Großeltern haben erzählt, daß immer wieder Verwundete in den Keller geschleppt wurden. Die Luftbomben zerrissen den Menschen die Lunge; viele waren wohl sofort tot. Diese Szenen des Todes habe ich später in Märchenbüchern als Illustrationen wieder gefunden und mich sehr entsetzt.
Zitat von LiberoVielleicht fehlt Ihnen einfach die Ader dafür. Dann danken Sie Gott, das er Ihnen diese Last ersparte. Oder Ihrer Robustheit, Schicksal, was immer Sie statt Gott nennen würden.
Zitat von HajoDiese Rechtfertigung Gewalt auszuüben, im edlen Sinn, um noch größeres Leid zu verhindern, ist doch so alt wie die Menschheit selbst und entsprechend bewährt. In dieses Schema passen, wenigstens für mein Verständnis, auch die von Zettel dargestellten Aktivitäten hinein.
Ja, das ist sicher wahr. Ein Zitat in meinem Artikel, von Dutschke und Salvatore, sagt ja genau das: Der revolutionäre Krieg sei fürchterlich, aber er müsse geführt werden, damit Kriege abgeschafft werden.
Was für eine Selbstgerechtigkeit, aber auch was für eine Naivität! Überhaupt hat mich, als ich mir dieses Material angesehen habe, die Realitätsblindheit dieser Leute fast noch mehr erschreckt als ihre Entschlossenheit zur Revolution.
Sie wollten allen Ernstes, daß die Arbeiter in den Fabriken wohnen, aber nur drei bis fünf Stunden arbeiten und den Rest der Zeit politisch aktiv sind!
Sie glaubten allen Ernstes, daß sie ihre Räterepublik in Westberlin "erkämpfen" konnten - wo doch mit den Händen zu greifen war, daß von den zwei Millionen Westberlinern allenfalls ein paar Tausend eine solche Räteherrschaft wollten.
Sie bildeten sich ein, mit "Assoziationen" von jeweils ungefähr dreitausend Menschen, die gemeinsam leben und produzieren sollten, ein international konkurrenzfähiges Staatsgebilde schaffen zu können.
Sie wollten die Menschen erziehen und notfalls deportieren, rechneten aber offenbar nicht mit deren Widerstand; denn Polizei und Justiz sollten ja abgeschafft werden!
Sie machten sich sogar Gedanken darüber, wie Westberlin mit dem Ausbleiben von Subventionen nach der Revolution fertigwerden sollte. Dieses Geld könne locker eingespart werden, wenn man einfach die Bürokratie abschaffen würde. Die Universitäten sollten ebenfalls verschwinden und durch Stätten gemeinsamen Lernens aller Werktätigen ersetzt werden. Die dafür ja Zeit haben würden, weil sie eben nur drei bis fünf Stunden am Tag zu arbeiten brauchten.
Das war, lieber Hajo, alles derart hirnverbrannt, daß man sich fragt, wie erwachsene Menschen solch einen Stuß glauben konnten. Die glaubten das aber, weil sie ihre Nase in Marx und Engels gesteckt, aber nie eine Fabrik von innen gesehen hatten. Es waren ungebildete, unreife Menschen, die es mit der großen Attitüde des Wissenden fertig brachten, nicht nur ihre Mitstudenten ins Bockshorn zu jagen, sondern ja auch das halbe "Establishment".
Der kluge und sonst immer skeptische Rudolf Augstein hat mit Dutschke diskutiert und ihn gefördert. Günter Gaus hat ihn geradezu zuvorkommend interviewt. Daß der Mann unglaublichen Quark redete, schien niemandem aufzufallen.
Mir ist es richtig auch erst aufgefallen, als seine Dissertation erschien und ich sie gelesen habe. Was für ein Gedankenwirrwarr!
Zitat von HajoZum Thema Wahnsinn: Nun, wenn sie vom Willen beseelt sind etwas wundervolles für die Menschheit zu leisten, wie etwa sie von den Fesseln der Unterdrückung, auch allen Zwängen insgesamt zu befreien, ein neues goldenes Zeitalter anzubrechen, ich frage Sie, sind da nicht alle Mittel recht? Kurz: Je edler das Ziel, desto wahlloser erfolgt der Mitteleinsatz.
Und offenbar hat das edle Ziel nicht nur Hemmungen beseitigt, sondern auch den Denkapparat außer Kraft gesetzt.
In Antwort auf:Die Geschichte zeigt, wenn auch etwas diffus, daß, wenn man den Menschen die Möglichkeit gibt, sich über "den Rest", "die Masse" etc. moralisch zu erheben, was dem Menschen ein sehr grundliegendes Bedürfnis zu sein scheint, dies auch meistens wahrgenommen wird.
gestatten sie mir eine etwas detailierte Kritik. Nehmen sie es bitte nicht persönlich. Ich denke nämlich nicht, daß es "den Menschen" gibt und von daher kann es auch kein "grundliegendes Bedürfnis" geben, sich über die Masse moralisch oder sonstwie zu erheben. Es ist auch mitnichten der Fall, daß die Herrschsucht gleichmässig über alle Menschen aller Kulturen gestreut ist und es trifft auch nicht zu, daß es nach dem Krieg in der von der gesamten freiheitlichen Welt hoch angesehenen BRD allzu leicht war, einen Aufhänger dafür zu finden, sich über "die Masse" moralisch zu erheben. Sie insistieren anscheinend auf den angeblichen Antifaschismus der damaligen neuen Linken. Götz Aly hat denselben umfassend demaskiert und ich kann sein Urteil durch meine Erfahrungen nur bestätigen.
Wie Sloterdijk sagte, dient der nachträglich konstruierte Antifaschismus rein der Selbstamnestie einer Reihe der damaligen linken Subkultur entprungener und zu Rang und Namen gekommener Politiker, Medienfuzzis und Intellektueller. Die von diesen Leuten verbreiteten Mythen bestimmen heute das Bild von der damaligen Jugend. In Wirklichkeit trat der Antifaschismus damals deutlich gegenüber der revolutionären Zielsetzung zurück. Um Kommunismus und Sozialismus ging es den damaligen Jungspunden!
Ich würde auch die Bedeutung der Generation 68 auch nicht überbewerten. Einzelne Wichtigtuer konnten den ein oder anderen Auftritt im Fernsehen ergattern, wilde junge Männer mit langen Mähnen konnten sich zum Schreckgespenst aller Eltern entwickeln und attraktive junge Kommunardinnen zogen sicherlich auch das Interesse der Männer auf sich, jedoch von sich moralisch über "die Masse" erheben zu reden, halte ich für übertrieben.
Mit der marxistischen Entwicklung war die Erfolglosigkeit der "Bewegung" sozusagen endgültig vorprogrammiert. Zugegeben, aus Cohn-Bendit und Ströbele wurden bekannte Politiker. Dennoch sind selbst in dieser Partei die späteren Generationen quantitativ und qualitativ stärker repräsentiert. Im öffentlich wahrgenommenen Problembewusstsein jedoch nicht.
Bei der Gelegenheit möchte ich noch ein anderes Mißverständnis ausräumen. Es betrifft das Moralisieren. Natürlich neigten die damaligen Revoluzzer auch zum Moralisieren. Das soll nicht bestritten werden. Allerdings war das Moralisieren offiziell verpönt. Es gab sogar eine eingebaute Selbststeuerung in der linken Subkultur. Insbesondere die linken(!) Profs disziplinierten die linken Studenten in diesem Sinne. Die damaligen Revoluzzer verfolgten keinen moralischen, sondern einen wissenschaftlichen Ansatz. Der von Friedrich Engels gefeierte "wissenschaftliche Sozialismus" kam ihnen entgegen, weil er dem Anspruch zu genügen schien. So verwendete Karl Marx den Begriff Ausbeutung auch nicht im moralisierenden Sinn der Lafontaine und Wagenknechts, sondern er glaubte mit der Arbeitswertlehre tatsächlich den Aspekt der privaten Aneignung gesellschaftlich produzierten Mehrwerts bewiesen zu haben.
Die angebliche Wissenschaftlichkeit der eigenen Parolen, was die Überlegenheit des eigenen Glaubens meint, dient einzig dem Willen, seine eigenen Willen über den der Mehrheit zu stellen. Erst mit dem Zusammenbruch des Marxismus verlor es sich zugunsten höherer Instanzen und schlussendlich dem Geduselm von der Gerechtigkeit. Damit erst gewann das Moralisieren die heute bekannte Bedeutung. Die damals noch vorhandene Selbststeuerung gibt es nicht mehr. Aber vielleicht ändert es sich mit den Anstrengungen, welche die Linkspartei zur Verankerung des Marxismus unternimmt. Dann wird der Sozialismus ganz gewiss wieder wissenschaftlich werden. Es wird dann auch wieder ganz offiziell nur die eine Wahrheit geben, in deren Namen Millionen Menschen gemordet wurden und es immer noch werden.
In Antwort auf:Nun, wenn sie vom Willen beseelt sind etwas wundervolles für die Menschheit zu leisten, wie etwa sie von den Fesseln der Unterdrückung, auch allen Zwängen insgesamt zu befreien, ein neues goldenes Zeitalter anzubrechen, ich frage Sie, sind da nicht alle Mittel recht?
In der Tat wurden und werden die größten Verbrechen stets im Namen des Guten begangen. Doch korrespondiert den Erlösungsphantasien stets auch die Darstellung des Bösen, also die Gesellschaftskritik genannte völlig überzeichnete Darstellung tatsächlicher oder angeblicher Mißstände. Der Kampf für das Gute kann durchaus hinter der sogenannten Kritik als dumpfe Ahnung kommender Erlösung von dem Bösen zurückstehen. Seit Marx ist dem auch so, dh. die Gesellschaftskritik erfolgt wesentlich detailierter, als die Präsentation der "konkreten Utopie".
Und dafür gibt es auch einen guten Grund. Ich möchte es am Beispiel des Machtmenschen Karl Marx erläutern. Im Gegensatz zu den sich gerade mit der detaillierten Darstellung der Utopie angreifbar gemacht habenden sogenannten sozialistischen und kommunistischen Vorgänger verlor sich Karl Marx auf vage Andeutungen seiner Utopie, welche er, völlig losgelöst des eigenen Wollens, zum Resultat des mit geradezu naturgesetzlicher Notwendigkeit verlaufenden Geschichtsprozeß erklärte. Betrachten wir das Ganze Machttheoretisch. Derart ist es durchaus von Vorteil durch Vorenthaltung seiner eigenen Ziele dieselben gegen Kritik zu immunisieren und sich auf die grosse Anklage der Mißstände zurückzuziehen. Man wird derart selbst unangreifbar.
Dennoch wurden alle am Marxismus ausgerichteten Strömungen der linken Subkultur im Verlauf der Geschichte angreifbar, weil der Marxismus auf Praxis drängt, die somit entsteht, sowohl im blutigem "Klassenkampf" und insbesondere in den sozialistischen Ländern. Das freiheitsfeindliche Wesen des Marxismus und mit ihm des übrigens in der Wolle antisemitisch gestrickten Sozialismus schlechthin lässt sich bereits auf theoretischer Ebene nachweisen, doch wirkt die Praxis auf alle Beteiligten überzeugender.
Angreifbar wird die bundesrepublikanische Linke nämlich wieder seitdem die Linkspartei zur vorherrschenden Strömung wurde. Die hohe Zeit der sich des Mittels der Anklage ökologischer und bürgerrechtlicher Sünden bedienender Postlinken ist längst Vergangenheit. Das sich die Dinge derart entwickelt haben, ist für uns freiheitliche Kräfte von nicht zu unterschätzendem Vorteil, denn dieser Linken korrespondiert eine Praxis aus deren Verantwortung es ihr niemals gelingen wird zu entkommen. Es ist die Praxis uneinlösbarer Versprechungen, der wirtschaftliches Versagen, Freiheitsberaubung, Mauer und Todesschützen notwendig folgen.
Alle Proteste hatten nichts genützt. Am Ende behielt die Bezirksverordnetenversammlung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg vor Gericht recht.
Die Zusammensetzung dieser Bezirksverordnetenversammlung ist hier zu sehen. Die Volksfront hat (Grüne 22, SPD 14, Kommunisten 10, WASB 2) 48 Vertreter. CDU und FDP haben zusammen 7 Vertreter in der Bezirksversammlung.
Hier ist also der Sozialismus schon eingekehrt, von dem Dutschke geträumt hatte; wenn auch noch nicht in Form einer Räterepublik.
Die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße geht übrigens auf eine Kampagne der "taz" zurück. Ein Beispiel dafür, wie auf der als demokratisch geltenden Linken Sympathien für Befürworter von Illegalität und Gewalt bestehen.
Zitat von Chripain diesem Zusammenhang muss man ja auch noch berücksichtigen, dass Revolutionen in der Realität meist viel brutaler ablaufen als es die Revolutionäre vorher geplant haben. Meist sinkt die Arbeitsproduktivität, es müssen Sündenböcke gefunden werden usw. Außerdem gibt es oft interne Querelen, die blutig ausgefochten werden.
Ja, das stimmt. Der Verlauf einer Revolution ist nie steuerbar, darin liegt ja geradezu das Wesen von Revolutionen. ("Die Revolution frißt ihre Kinder")
Zitat von ChripaErinnern Sie sich noch aus dem US-Wahlkampf an Bill Ayers? Der war Mitglied einer US-amerikanischen Terrorgruppe. Hochgekocht ist das, als rauskam, dass er früher mit Obama befreundet war. Was immer man davon hält, klar ist wohl, dass auch diese Organisation, die aus dem amerikanischen sds hervorging, Pläne hatte, nach ihrer Macht- ergreifung etwa 25 Millionen "die hard capitalists" in Umerziehungslager zu stecken.
Und Bill Ayers ist heute Professor, so wie Bernd Rabehl Professor werden konnte. Heute ist er wie Horst Mahler bei den Rechtsextremen gelandet, tritt jedenfalls auf Veranstaltungen der NPD auf. Im Januar hielt er sogar eine der Festreden auf dem Neujahrsempfang der Fraktion der NPD im Sächsischen Landtag.
Die Wikipedia zitiert einen Satz von Rabehl, der vielleicht am besten die Aktivitäten des SDS in den Jahren 1967 bis 1970 beleuchtet: "In letzter Konsequenz bin ich meinem Denken von damals treu geblieben, nur daß sich inzwischen die politischen Positionen verschoben haben. Was früher als ‚links‘ angesehen wurde, gilt heute als ‚rechts‘".
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