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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 7 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.04.2009 17:32
Zitat des Tages: Intellektuelle und Gewalt Antworten

Nicht alle, aber doch erstaunlich viele Intellektuelle neigen zur Sympathie für Gewaltsamkeit. Natürlich nur, wenn sie von Revolutionären, Islamisten usw. ausgeht.

Darauf macht in dieser Woche im Nouvel Observateur Jacques Julliard in einem klugen Kommentar aufmerksam, in dem er den Frühsozialisten Proudhon würdigt.

conrad Offline



Beiträge: 89

29.04.2009 22:52
#2 RE: Zitat des Tages: Intellektuelle und Gewalt Antworten
"Wenn es denn jemals so etwas wie einen freiheitliche Idee von Sozialismus gegeben hat, dann fand sie sich gewiß nicht bei dem intellektuellen Tyrannen Marx, sondern bei von ihm (und von den heutigen Marxisten) Verachteten wie Bakunin."

Lieber Zettel,

in meiner Jugend, das ist schon ein paar Jahre her, habe ich mit dem Anarchismus sympathisiert. Man möge es mir verzeihen. In dieser Zeit habe ich einiges von Bakunin gelesen. Und es wirklich eine Tatsache, dass Bakunin schon sehr früh geschrieben hat, dass wenn der Marxismus sich durchsetzt, es eine furchtbare Diktatur geben wird. Ich habe leider diese Bücher nicht mehr. Eines davon ist damals bei Rowohlt in der Reihe "Schriften des Sozialismus und Anarchimus" erschienen. Ich meine, es hiess "Gott und der Staat, und sonstige Schriten". Ich kann mich nur noch blass an seine Aussagen erinnern, aber einen Satz habe ich nie vergessen. Nach meiner leider immer schlechter werdenden Erinnerung sagte er: "Es gibt nichts, was mehr korrumpiert als absolute Macht"

Eine nachträgliche Korrektur: Nach einigen Nachdenken meine ich mich erinnern zu können, dass er sagte, dass nichts so korrumpiert, wie Macht und Geld.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.04.2009 23:04
#3 RE: Zitat des Tages: Intellektuelle und Gewalt Antworten

Zitat von conrad
Und es wirklich eine Tatsache, dass Bakunin schon sehr früh geschrieben hat, dass wenn der Marxismus sich durchsetzt, es eine furchtbare Diktatur geben wird. Ich habe leider diese Bücher nicht mehr. Eines davon ist damals bei Rowohlt in der Reihe "Schriften des Sozialismus und Anarchimus" erschienen. Ich meine, es hiess "Gott und der Staat, und sonstige Schriten". Ich kann mich nur noch blass an seine Aussagen erinnern, aber einen Satz habe ich nie vergessen. Nach meiner leider immer schlechter werdenden Erinnerung sagte er: "Es gibt nichts, was mehr korrumpiert als absolute Macht"
Eine nachträgliche Korrektur: Nach einigen Nachdenken meine ich mich erinnern zu können, dass er sagte, dass nichts so korrumpiert, wie Macht und Geld.

Und ich habe etwas von Bakunin in Erinnerung, was ich eben zu verifizieren versucht habe, aber ich habe es auf die Schnelle nicht gefunden. Er sagte über sich und Marx ungefähr dies: Marx hält mich für einen hoffnungslosen Idealisten, und er hat Recht. Ich halte ihn für einen bösartigen, machtbesessenen Tryrannen, und ich habe auch Recht.

So ungefähr, aus dem Gedächtnis. Vielleicht finde ich es noch im Wortlaut. Irgendwo muß ich auch die beiden Bände "Gespräche mit Marx und Engels" haben, wo das, glaube ich, stand.

Herzlich, Zettel

conrad Offline



Beiträge: 89

29.04.2009 23:39
#4 RE: Zitat des Tages: Intellektuelle und Gewalt Antworten

Ich habe tatsächlich das Buch von Bakunin doch noch gefunden, in einem Brief an die Commune von Paris schreibt er über den Marxismus:

"...Ein solches System würde, wie ich schon sagte, unvermeidlich zur Errichtung eines neuen Staates führen und folglich zur Bildung einer regierenden Aristokratie, d. h. einer Klasse von Leuten, die mit der Masse des Volkes nichts gemein haben, sondern ganz gewiss wieder beginnen würden, das Volk auszubeuten und untertänig zu machen unter dem Vorwand des allgemeinen Wohls oder, um den Staat zu retten..."

In der Kürze der Zeit war ich nicht der Lage dieses Buch nochmal ganz zu lesen. Einen anderen Artikel "Beziehungen zu Marx" will ich mir morgen mal durchlesen. Ich denke da gibt es bestimmt einige interessante Ansichten. Marx und Bakunin kannten sich ja persönlich, ohne sich sonderlich zu mögen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.04.2009 00:35
#5 RE: Zitat des Tages: Intellektuelle und Gewalt Antworten

Zitat von conrad
Ich habe tatsächlich das Buch von Bakunin doch noch gefunden, in einem Brief an die Commune von Paris schreibt er über den Marxismus:
"...Ein solches System würde, wie ich schon sagte, unvermeidlich zur Errichtung eines neuen Staates führen und folglich zur Bildung einer regierenden Aristokratie, d. h. einer Klasse von Leuten, die mit der Masse des Volkes nichts gemein haben, sondern ganz gewiss wieder beginnen würden, das Volk auszubeuten und untertänig zu machen unter dem Vorwand des allgemeinen Wohls oder, um den Staat zu retten..."
In der Kürze der Zeit war ich nicht der Lage dieses Buch nochmal ganz zu lesen. Einen anderen Artikel "Beziehungen zu Marx" will ich mir morgen mal durchlesen. Ich denke da gibt es bestimmt einige interessante Ansichten. Marx und Bakunin kannten sich ja persönlich, ohne sich sonderlich zu mögen.

Sehr interessant. Bakunin war schon sehr hellsichtig. Vielen Dank, lieber Conrad.

Ich habe mal a bisserl gegoogelt und bin auf Marx' Anmerkungen zu Bakunins Buch über Staat und Anarchie gestoßen. Vermutlich gibt es sie auch irgendwo im Web auf Deutsch, aber ich habe sie jetzt nur auf Englisch gefunden. Marx zitiert jeweils eine Passage von Bakunin (ich habe das kursiv gesetzt) und kommentiert sie dann, meist ätzend. Besonders entlarvend diese Passage:
Zitat von Karl Marx
(pp.277,278).

"We have already expressed our deep aversion to the theory of Lassalle and Marx which recommends to the workers, if not as an ultimate ideal, at least as the principal intermediate objective, the establishment of a people's state which, as they put it, will be nothing other than the proletariat "raised to the level of the ruling estate".

The question is, if the proletariat is to be the ruling class, over whom will it rule? This means that another proletariat will remain which will be subject to this new domination, this new state."


It implies that as long as the other classes, above all the capitalist class, still exist, and as long as the proletariat is still fighting against it (for when the proletariat obtains control of the government its enemies and the old organisation of society will not yet have collapsed), it must use forcible means, that is to say, governmental means; as long as it remains a class itself, and the economic conditions which give rise to the class struggle and the existence of classes have not vanished they must be removed or transformed by force, and the process of transforming them must be accelerated by force.

Marx hatte ein ausgesprochen positives Verhältnis zur Gewalt. Was Lenin und Stalin, was Mao und Castro veranstalteten, entsprach genau seinen Vorstellungen für die Zeit nach der Revolution. Es ist ein fundamentaler Irrtum, zu meinen, der real existierende Sozialismus hätte Marx mißbraucht. Die kommunistischen Diktaturen haben geradezu buchstabentreu das ausgeführt, was Marx verlangt hatte.

Herzlich, Zettel

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

30.04.2009 07:59
#6 RE: Zitat des Tages: Intellektuelle und Gewalt Antworten
Zitat von Zettel
Und ich habe etwas von Bakunin in Erinnerung, was ich eben zu verifizieren versucht habe, aber ich habe es auf die Schnelle nicht gefunden. Er sagte über sich und Marx ungefähr dies: Marx hält mich für einen hoffnungslosen Idealisten, und er hat Recht. Ich halte ihn für einen bösartigen, machtbesessenen Tryrannen, und ich habe auch Recht.
Bakunin und Marx begegneten einander 1844 in Paris. In einem unveröffentlichen Manuskript von 1871 erinnerte sich Bakunin an diese Zeit:
Zitat von Bakunin
Nous fumes assez amis. [...] Nous nous vîmes assez souvent, car je le respectais beaucoup pour sa science et pour son dévouement passionné et sérieux, quoique toujours mêlé de vanité personnel, à la cause du prolétariat, et je recherchais avec avidité sa conversation toujours instructive et spirituelle, lorsqu'elle ne s'inspirait pas de haine mesquine, ce qui arrivait hélas! trop souvent. Jamais pourtant il n'y eut d'intimité franche entre nous. Nos tempéraments ne se comportaient pas. Il m'appelait un idéaliste sentimental, et il avait raison; je l'appelait un vaniteux perfide et sournois; et j'avais raison aussi.

(Rapports personnels avec Marx. Pièces justificatives No. 2, décembre 1871, in: Bakounine, Oeuvres complètes sur CD-ROM, Amsterdam 2000.)

Wir waren ziemlich befreundet. [...] Wir trafen uns ziemlich oft, denn ich achtete ihn sehr seiner Wissenschaft und seiner ernsten und leidenschaftlichen Hingebung an die Sache des Proletariats wegen, obgleich dieselbe immer mit persönlicher Eitelkeit vermischt war, und ich suchte begierig Gespräche mit ihm, die immer lehrreich und geistreich waren, wenn sie nicht kleinlicher Haß beseelte, was leider nur zu oft der Fall war. Aber es bestand nie eine offene Intimität zwischen uns. Unsere Temperamente vertrugen sich nicht. Er nannte mich einen sentimentalen Idealisten, und er hatte recht; ich nannte ihn einen perfiden und tückischen eitlen Menschen, und ich hatte auch recht.

(Michael Bakunin, Gesammelte Werke, Band 3, Verlag "Der Syndikalist", Berlin 1924.)

Über diese Zeit informiert W. Eckhardt, Bakunin, Marx und George Sand, in: W. Eckhardt, Von der Dresdner Mairevolution zur Ersten Internationale, Verlag Edition AV, Lich 2005, S. 50-141.

A propos vanité personnel: Wer Lust hat, einen langen Aufsatz von mir über Bakunin und Marx in der 1. Internationale zu lesen:
http://www.bibliothekderfreien.de/bakuni...x.html#reinhold

Mehr von mir an dieser Stelle am Wochenende, wenn ich - hoffentlich - dazu komme.

Gruß,
Kallias
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.04.2009 12:31
#7 RE: Zitat des Tages: Intellektuelle und Gewalt Antworten

Vielen Dank, lieber Kallias! Da hatte ich also aus dem vaniteux perfide et sournois einen bösartigen, machtbesessenen Tyrannen gemacht.

Ganz interessant, wie in solchen Fällen die Erinnerung funktioniert: Das, was man weiß oder zu wissen vermeint, überlagert die Gedächtnisspur. Schematisierung, Akzenturierung.

Wenn ich Ihren Aufsatz gelesen habe, melde ich mich nochmal.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

30.04.2009 13:21
#8 RE: Zitat des Tages: Intellektuelle und Gewalt Antworten

Zitat von conrad
Nach meiner leider immer schlechter werdenden Erinnerung sagte er: "Es gibt nichts, was mehr korrumpiert als absolute Macht"

Erinnern Sie sich da vielleicht an Lord Acton?
Zitat von Lord Acton
All power tends to corrupt and absolute power corrupts absolutely.

http://en.wikiquote.org/wiki/Lord_Acton

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

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