Wenn Sie in linken Kreisen verkehren, dann kennen Sie sicher dieses ängstliche Bemühen, nur ja keinen politisch bedenklichen Witz zu machen. Auf Kosten der Gierigen, der Reichen, der Amerikaner, des Papstes darf man lachen. Aber nicht auf Kosten von Sozialhilfeempfängern, Moslems oder gar Behinderten.
Das Lachen ist, mit anderen Worten, für Linke eine Frage der Moral. Dazu ein Hinweis auf einen trefflichen Artikel von Jan Fleischhauer.
"Auf Kosten der Gierigen, der Reichen, der Amerikaner, des Papstes darf man lachen. Aber nicht auf Kosten von Sozialhilfeempfängern, Moslems oder gar Behinderten."
Ja, so ist es; noch wichtiger ist vielleicht, dass Linke - zumindest nach meiner Erfahrung - nicht über sich selbst lachen können, obgleich die Fähigkeit, die eigene Person auf die Schippe zu nehmen, für mich nicht nur zum Humor untrennbar gehört, sondern geradezu sein Wesen ausmacht. Möglicherweise hängt die Unfähigkeit zur Selbstironie mit der auch von Ihnen mehrfach angesprochenen manichäischen Grundhaltung Linker zusammen: sie selbst sind so unbestreitbar und unkritisierbar die Guten, wie Rechte ganz klar die Bösen sind, und über Makellose hat man noch weniger zu lachen als über Moslems.
P.S. Ich freue mich, dass ich neben unserer gemeinsamen Liebe zu Karl May einen weiteren Gleichklang der Herzen feststellen darf, nämlich die Begeisterung für die längst untergegangene Zeitschrift "Pardon". Ich habe mir damals sämtliche Nummern besorgt, so weit mir das als Heimzögling möglich war, der eigentlich kein eigenes Taschengeld besitzen durfte. Besonders gern erinnere ich mich an die spätere Beilage "Welt im Spiegel" (kurz auch "WimS" genannt und mit dem schönen Motto "Pro bono - contra malum" versehen), in der absurder, von jedem Gift gegen andere freier Humor besonders gut zu Ausdruck kam. Einige Beispiele dafür habe ich noch immer im Kopf, etwa die Unterschrift unter einer Zeichnung: "Das ist Herr Schnabel mit seinem Sabel. Was ist an diesem Satz falsch? Antwort: Es muss heißen: Das ist Herr Schnäbel mit seinem Säbel" oder auch "Tee auf die Schnelle mit der Mehrzweckkelle" (dabei handelte es sich um ein Besteck, das aus Löffel und Sieb an beiden Seiten eines einzigen Stils bestand) und schließlich wertvolle Hinweise auf die Wirklichkeit wie "Wussten Sie schon, dass pro Kopf der Bevölkerung von Nordrhein-Westfalen zwei Augen und zwei Ohren kommen, aber nur eine Nase?" oder "Wussten Sie schon, dass der Biss eines einzigen Pferdes für eine Hornisse tödlich sein kann?"
Zitat von Friedel B.P.S. Ich freue mich, dass ich neben unserer gemeinsamen Liebe zu Karl May einen weiteren Gleichklang der Herzen feststellen darf, nämlich die Begeisterung für die längst untergegangene Zeitschrift "Pardon". Ich habe mir damals sämtliche Nummern besorgt, so weit mir das als Heimzögling möglich war, der eigentlich kein eigenes Taschengeld besitzen durfte. Besonders gern erinnere ich mich an die spätere Beilage "Welt im Spiegel" (kurz auch "WimS" genannt und mit dem schönen Motto "Pro bono - contra malum" versehen), in der absurder, von jedem Gift gegen andere freier Humor besonders gut zu Ausdruck kam. Einige Beispiele dafür habe ich noch immer im Kopf, etwa die Unterschrift unter einer Zeichnung: "Das ist Herr Schnabel mit seinem Sabel. Was ist an diesem Satz falsch? Antwort: Es muss heißen: Das ist Herr Schnäbel mit seinem Säbel" oder auch "Tee auf die Schnelle mit der Mehrzweckkelle" (dabei handelte es sich um ein Besteck, das aus Löffel und Sieb an beiden Seiten eines einzigen Stils bestand) und schließlich wertvolle Hinweise auf die Wirklichkeit wie "Wussten Sie schon, dass pro Kopf der Bevölkerung von Nordrhein-Westfalen zwei Augen und zwei Ohren kommen, aber nur eine Nase?" oder "Wussten Sie schon, dass der Biss eines einzigen Pferdes für eine Hornisse tödlich sein kann?"
Sie wecken Erinnerungen, lieber Friedel. Und ich staune über die Genauigkeit Ihres Gedächtnisses.
Ja, die "Wußten Sie schon?"- Serie lief ja längere Zeit; aber an ein konkretes Beispiel hätte ich mich jetzt nicht erinnert. Und das praktische Gerät stammt, glaube ich, aus einem Beitrag von F.K. Waechter, "Zweckermann macht's möglich".
Besonders gern habe ich immer die Beiträge von Lützel Jeman gelesen; Gernhardt konnte ebenso brillant stricheln wie schreiben. Erinnern Sie sich noch an "Aus der Redaktion" oder so ähnlich, wo der Redaktionsbote Dr. Bolz auftrat und der Leihbischof Klamm? Dann die Berichte des nach Kalau (?) entsandten Korrespondenten, in denen dieser unbestimmt-raunende Stil von Auslandskorrespondenten ("aus Regierungskreisen ist zu hören", "man munkelt") auf die Schippe genommen wurde. Dann die "Rothbart-Gedichte" und die Serie "Das Tiergedicht" ("Der Kragenbär, der holt sich munter/einen nach dem andern runter"). Und natürlich Schnuffi. Und Jochen. Aber genug, ich gerate ins Schwärmen ...
Als es mit "Pardon" abwärts ging, gab es einen eingehefteten Mittelteil mit Comix und Karikaturen; wenn ich mich richtig erinnere, ist WimS in den integriert worden und dann bald eingegangen.
Ich habe Gernhardt damals nur für einen genialen Spaßmacher gehalten; daß er auch ein bedeutender Lyriker und Erzähler war, wurde mir erst allmählich klar. Und vor allem ein großer Maler.
war's nicht Dr. Golz? Und dann gab's noch Cavanna, "Ich und der Liebe Gott meinen...". Unvergeßlich war mit Wächters' "Seht nur die Linien auf dem Felde - irgendwo müssen doch die dicken Striche herkommen!"
Zitat von Friedel B.Besonders gern erinnere ich mich an die spätere Beilage "Welt im Spiegel" (kurz auch "WimS" genannt und mit dem schönen Motto "Pro bono - contra malum" versehen),
2001 hat einen wunderbaren Sammelband mit allen WimS-Beiträgen herausgebracht.
Zitat von Friedel B.Besonders gern erinnere ich mich an die spätere Beilage "Welt im Spiegel" (kurz auch "WimS" genannt und mit dem schönen Motto "Pro bono - contra malum" versehen),
2001 hat einen wunderbaren Sammelband mit allen WimS-Beiträgen herausgebracht.
Ja, ein toller Band! Rot und schwer. Nicht nur Reprints aller WimS-Ausgaben, sondern auch jede Menge Bonusmaterial. Zum Beispiel ein Interview mit Bernstein, Waechter, Jeman u.a. über die Arbeitsweise der Gruppe: Man traf sich beim Bier oder Äbbelwoi oder was immer, gab ein Thema vor, und dann begannen alle drei zu stricheln. Oder eine Sammlung von Zeitungsausschnitten, die Anregungen für WimS-Beiträge enthielten.
Pardon war ja im Grunde ganz zeitgeistig: Erst die Sexwelle, dann die Politisierung. Aber WimS hat da nie mitgemacht. Drei echte Liberale! (Und Henscheid nicht zu vergessen, auch wenn der meines Wissens nicht für WimS geschrieben hat; er begann damit, für ein noch nicht geschriebenes Buch Geld zu sammeln, damit er es schreiben könne. Ich glaube, es war "Die Vollidioten", der erste Teil der Trilogie).
Zitat von ZettelUnd ich glaube inzwischen, daß er auch nicht Redaktionsbote war, sondern Bürobote.
Na, jedenfalls war er der einzige Akademiker, der dort auftauchte!
Ja, und in angemessener Position. Über die Ausbildung des Chefredakteurs Zirfeld und des Leihbischofs Klamm allerdings wurde meines Wissens nie Genaueres mitgeteilt, erst recht blieben der Orbi und der Urbi doch recht schemenhaft. Also wer weiß, ob da nicht doch noch mehr Akademiker in der Redaktion saßen?
In Antwort auf:(Und Henscheid nicht zu vergessen, auch wenn der meines Wissens nicht für WimS geschrieben hat; er begann damit, für ein noch nicht geschriebenes Buch Geld zu sammeln, damit er es schreiben könne. Ich glaube, es war "Die Vollidioten", der erste Teil der Trilogie).
Herzlich, Zettel
Lieber Zettel,
genau, das waren "Die Vollidioten", Henscheids erster veröffentlichter Roman. Henscheid hat damals tatsächlich einige Geldgeber in seinem privaten und beruflichen Umfeld gefunden. Zum Dank wurden die Spender mit größeren oder kleineren Auftritten im Roman bedacht, manchmal unter ihrem Klarnamen, manchmal leicht verfremdet. Hinter der Figur des Herrn Domingo verbirgt sich zum Beispiel ein nicht ganz unbekannter deutscher Schriftsteller. Robert Gernhardt taucht, so weit ich mich erinnere, unter seinem richtigen Namen auf. Ebenso zahlreiche Mitglieder der Pardon-Redaktion. (Aus Elsemarie Maletzke wurde das Fräulein Czernatzke.) Außerdem - als Kameen - Alfred Edel, Daniel Cohn-Bendit, Alice Schwarzer und Max Horkheimer. (Ob die allerdings alle gespendet haben, bezweifle ich.)
Zitat von Ingo_WayHenscheid hat damals tatsächlich einige Geldgeber in seinem privaten und beruflichen Umfeld gefunden. Zum Dank wurden die Spender mit größeren oder kleineren Auftritten im Roman bedacht, manchmal unter ihrem Klarnamen, manchmal leicht verfremdet. Hinter der Figur des Herrn Domingo verbirgt sich zum Beispiel ein nicht ganz unbekannter deutscher Schriftsteller. Robert Gernhardt taucht, so weit ich mich erinnere, unter seinem richtigen Namen auf. Ebenso zahlreiche Mitglieder der Pardon-Redaktion. (Aus Elsemarie Maletzke wurde das Fräulein Czernatzke.) Außerdem - als Kameen - Alfred Edel, Daniel Cohn-Bendit, Alice Schwarzer und Max Horkheimer. (Ob die allerdings alle gespendet haben, bezweifle ich.)
Ich hatte nur das mit Maletzke gewußt. Aber es scheint ja nach dem, was Sie schreiben, ein wahrer Schlüsselroman zu sein.
Jetzt weiß ich, welches Buch ich mir heute als Bettlektüre hole. Seit Jahrzehnten nicht mehr gelesen, aber damals fand ich's sehr lustig. Auch die Fortsetzung - das war doch der Teil mit dem Tepppichladen und den Sechsämtertropfen, oder? Sowieso, genau.
der zweite Teil der Trilogie des laufenden Schwachsinns - "Geht in Ordnung – sowieso – – genau – – –" - ist fast noch besser als die "Vollidioten". Anders als der Vorgänger spielt er in der Provinz, im fränkischen Amberg - dort, wo Henscheid sein Häuschen hat - rund um den ANO-Teppichladen, in dem regelmäßig Zechgelage mit Sechsämtertropfen abgehalten werden. Die dort auftretenden Figuren sollen nach Auskunft glaubwürdiger Zeugen ebenfalls sämtlich reale Vorbilder haben. Das Modell für den Teppichhändler Hans Duschke ("Zeig mir deine Büchs!") wurde nach dessen Tod vor einigen Jahren enthüllt: Es handelte sich um einen gewissen Hans Toschke. Auch die geheimnisvollen Schönheiten Sabine und Susanne sollen tatsächlich exisitert haben bzw. wohl noch heute irgendwo existieren, ebenso wie der Kerzenhändler Lattern, der wie Lenin aussieht.
Der Schriftsteller, der bei Henscheid Wilhelm Domingo heißt, war ebenfalls eine zeitlang Pardon-Redakteur und wurde einige Jahre nach den "Vollidioten" selbst mit einer Romantrilogie bekannt, die vor nicht allzulanger Zeit wiederveröffentlicht wurde. Er ist Büchner-Preisträger und hat in den letzten paar Jahren noch einige ebenso melancholische wie komische Romane geschrieben. (Ich könnte Ihnen den Namen natürlich auch einfach sagen, aber so macht mir das mehr Spaß.)
Zitat von Ingo_WayDer Schriftsteller, der bei Henscheid Wilhelm Domingo heißt, war ebenfalls eine zeitlang Pardon-Redakteur und wurde einige Jahre nach den "Vollidioten" selbst mit einer Romantrilogie bekannt, die vor nicht allzulanger Zeit wiederveröffentlicht wurde. Er ist Büchner-Preisträger und hat in den letzten paar Jahren noch einige ebenso melancholische wie komische Romane geschrieben. (Ich könnte Ihnen den Namen natürlich auch einfach sagen, aber so macht mir das mehr Spaß.)
Na, Wilhelm Genazino natürlich.
Seine Artikel damals in Pardon haben mir übrigens gar nicht besonders gefallen. Daß er einmal so ein berühmter Mann werden würde, hätte ich nicht gedacht.
Und schon gar nicht, daß er damals das Geld hatte, um Henscheid mit zu alimentieren.
Julia Enckes Rezension bestätigt aufs Schönste Fleischhauers Sicht auf die Linke: Encke befaßt sich kaum mit dem Inhalt des Buchs (Was erfährt jemand aus der Rezension darüber, mit welchen Themen sich Fleischhauer eigentlich beschäftigt? So gut wie nichts). Überwiegend dient die Rezension dazu, den Autor persönlich herabzuwürdigen. Nicht, ob Fleischhauer Recht oder Unrecht hat, interessiert die Rezensentin, sondern aus welchen persönlichen Gründen er das Buch geschrieben habe.
Nach ziemlich langer Erfahrung mit Linken, lieber Eltov, glaube ich das sagen zu können: Die allermeisten versuchen nicht, sich mit Nichtlinken fair auseinanderzusetzen; sondern sie wollen sie denunzieren, herabsetzen, fertigmachen.
Dieses sofortige, dieses ständige Personalisieren jeder Diskussion hat übrigens mehrfach dazu geführt, daß ich den Versuch, in einem linken Blog mitzudiskutieren, bald wieder aufgegeben habe.
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