Ich habe mich vor kurzem an der Uni mit einer Exil-Iranerin unterhalten (wobei dieser Begriff hier wohl nicht ganz zutrifft, da sie mit nicht mal zwei Jahren nach Deutschland kam, seit geraumer Zeit die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und auch akzentfrei Deutsch spricht). Ihre Eltern waren nach Ausbruch des Iran-Irak-Krieges nach Deutschland ausgewandert. Nach ihren Worten wurde Khomeinis Revolution vor allem von der ungebildeten und teils stark religiösen Unterschicht unterstützt, während die Mittel- und Oberschicht eher säkular war und mit dem Regime des Schahs keine nennenswerten Probleme hatte. Paradoxerweise sind ihr zufolge auch die meisten Perser im Gegensatz zu ihrer Regierung eher pro-Amerikanisch eingestellt und konsumieren freudig amerikanische Produkte wie Hollywood-Filme. Bleibt also zu hoffen, dass es zu keinem Krieg mit dem Iran kommt, der diese Sympathien verspielen könnte, sondern dass das Ayatollah-Regime auf andere Weise gestürzt wird. In diesem Fall hätte Persien auch aufgrund seiner Isolation von den arabischen, sunnitischen Ländern sicher Potential als Verbündeter des Westens.
Zitat von ShinIch habe mich vor kurzem an der Uni mit einer Exil-Iranerin unterhalten (wobei dieser Begriff hier wohl nicht ganz zutrifft, da sie mit nicht mal zwei Jahren nach Deutschland kam, seit geraumer Zeit die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und auch akzentfrei Deutsch spricht). Ihre Eltern waren nach Ausbruch des Iran-Irak-Krieges nach Deutschland ausgewandert. Nach ihren Worten wurde Khomeinis Revolution vor allem von der ungebildeten und teils stark religiösen Unterschicht unterstützt, während die Mittel- und Oberschicht eher säkular war und mit dem Regime des Schahs keine nennenswerten Probleme hatte.
Das entspricht auch meiner Kenntnis. Der Schah betrieb eine Modernisierungspolitik, die Persien in ein Industrieland verwandeln sollte. Das führte zum einen zu kulturellen Konflikten mit der rückständigen und unter der Kontrolle des Klerus stehenden Landbevölkerung. Zum anderen kam es, ähnlich wie in Europa im 19. Jahrhundert, zu einer Wanderungsbewegung vom Land in die Städte; zur Entstehung eines Industrieproletariats. Viele dieser Menschen waren mit ihrem Los unzufrieden.
Zitat von ShinParadoxerweise sind ihr zufolge auch die meisten Perser im Gegensatz zu ihrer Regierung eher pro-Amerikanisch eingestellt und konsumieren freudig amerikanische Produkte wie Hollywood-Filme. Bleibt also zu hoffen, dass es zu keinem Krieg mit dem Iran kommt, der diese Sympathien verspielen könnte, sondern dass das Ayatollah-Regime auf andere Weise gestürzt wird. In diesem Fall hätte Persien auch aufgrund seiner Isolation von den arabischen, sunnitischen Ländern sicher Potential als Verbündeter des Westens.
Die wahre Stimmung der Bevölkerung in einer totalitären Diktatur ist ja immer schwer zu beurteilen. (Ich hätte zB bis 1989 nicht gedacht, welche große Mehrheit der DDR-Bevölkerung die dortige Diktatur ablehnte).
Das Problem mit der Atomrüstung des Iran ist, glaube ich, daß sie viel für das nationale Selbstwertgefühl bedeutet. Auch Persien gehört ja, wie der Irak, wie Ägypten, zu jenen Ländern, die auf eine glorreiche nationale Geschichte zurückblicken können; bis zurück zu Xerxes und Dareios. Ein Land mit einer hochgebildeten Oberschicht, mit einer reichen Kultur. Für solch ein Land war und ist es eine Kränkung, als Land der "Dritten Welt" sozusagen mit Bolivien oder dem Kongo auf eine Stufe gestellt zu werden. Eine "Atommacht Iran" - das dürfte auch bei vielen Iranern Zustimmung finden, die weder das Regime schätzen noch gar die Auslöschung Israels wollen.
Die Frage dieses Beitrags - Worum ging es den Demonstranten? - halte ich für sehr verdienstvoll. Vielen heutigen Zeitgenossen muß man einfach erklären, wie es damals war, allein, um einer neuerlichen Mythenbildung vorzubeugen.
Genau das bringt mich aber auch auf etwas abweichende These: Der Schah selbst - wie auch alle Akzidenzien, Persien, Mossadegh, der Pfauenthron oder Soraya - war reine Nebensache! Beim "Schah", gegen den dort demonstriert wurde, handelte es sich vielmehr um einen vollkommen virtuellen, einen konstruierten "Schah". Antiliberale bauen sich seit jeher solche Strohmänner, je farbenprächtiger, desto besser. Daß an jenem Tag gerade Reza Pahlevi als Buhmann dienen mußte, war reiner Zufall, und gestürzt hat ihn dann ja auch sicher nicht die deutsche APO. Für die ging es um die Machtfrage in Deutschland, und ihr Etappensieg war der Rücktritt Albertz'.
Die einzelnen Motive solcher Tagesdebatten zu entblättern, ist ein mühsames, aber verdienstvolles Geschäft, will man im Streit mit Antiliberalen standhalten und schwankende Geister vor deren Manipulationen bewahren. Ihre Auflistung, lieber Zettel, zeigt lebhaft, wieviel sich mit Sachkenntnis und analytischem Verstand dabei herausholen läßt! Ein "Rechtbehalten" in einer solchen Diskussion wird diese freilich nicht beenden können, die Schimäre wechselt dann einfach ihre Gestalt. Insofern sind auch Rufe nach einem "Umschreiben der Geschichte" im Anschluß an die Kurras-Enthüllungen müßig; die Feinde der Freiheit werden immer einen Weg finden, die Wirklichkeit zu leugnen. Aufklärung als Sisyphosarbeit...
Eine Frage, die sich mir aufdrängt, ist allerdings, warum man dieser Person seinerzeit soviel Aufmerksamkeit seitens der Bundesregierung gewidmet hat. Wenn man sich heute z. B. in der Wikipedia das umfangreiche Programm des Besuchs ansieht, dann drängt sich schon ein wenig der Eindruck auf, daß der Schah von der Bundesregierung geradezu hofiert wurde - oder war ein derartiger Aufwand damals üblich?
Zitat von jopaEine Frage, die sich mir aufdrängt, ist allerdings, warum man dieser Person seinerzeit soviel Aufmerksamkeit seitens der Bundesregierung gewidmet hat. Wenn man sich heute z. B. in der Wikipedia das umfangreiche Programm des Besuchs ansieht, dann drängt sich schon ein wenig der Eindruck auf, daß der Schah von der Bundesregierung geradezu hofiert wurde - oder war ein derartiger Aufwand damals üblich?
Soweit ich mich erinnere, lieber Jopa, hat man in Persien damals vor allem einen Zukunftsmarkt gesehen. Deutschland hing ja damals wie heute vom Export ab, und auch damals spielte der Export von Industrieausrüstungen eine besonders große Rolle. Der Schah wollte sein Land im Rekordtempo industrialisieren; es erschien also als ein sehr attraktiver Markt.
Ein anderes Motiv könnte gewesen sein, daß damals die Hallstein-Doktrin in der deutschen Außenpolitik eine große Rolle spielte. Ulbricht hatte einen Staatsbesuch in Ägypten machen dürfen, die DDR errichtete in etlichen Ländern Handelsvertretungen mit diplomatischem Status. Man befürchtete eine Welle von Anerkennungen der DDR, die dazu geführt hätte, daß der Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik und damit die gesamte Wiedervereinigungspolitik gefährdet sein würden.
Da war es wichtig, die Beziehungen zu Ländern wie dem Iran zu stärken, von denen man erwartete, daß sie noch am ehesten dem Werben der DDR standhalten würden.
Der Damm hielt übrigens nur noch ein paar Jahre. 1968 war eine der ersten Maßnahmen der Baath-Partei des Irak nach ihrem Putsch die Anerkennung der DDR. Saddam Hussein war damals noch nicht an der Spitze, aber der zweitmächtigste Mann.
Zitat von AbendlaenderDer Schah selbst - wie auch alle Akzidenzien, Persien, Mossadegh, der Pfauenthron oder Soraya - war reine Nebensache! Beim "Schah", gegen den dort demonstriert wurde, handelte es sich vielmehr um einen vollkommen virtuellen, einen konstruierten "Schah". Antiliberale bauen sich seit jeher solche Strohmänner, je farbenprächtiger, desto besser. Daß an jenem Tag gerade Reza Pahlevi als Buhmann dienen mußte, war reiner Zufall,
Ja, der Schah wurde als Buhmann aufgebaut, ohne Frage. Aber er eignete sich eben auch dazu. Das war wie jetzt bei Präsident Bush - fromm, konservativ, und dann auch noch ein Liebhaber von T-Bone-Steaks und Texasstiefeln. Über so etwas freut sich jeder Propagandist.
Beim Schahbesuch kamen aber auch Zufälle zusammen: Daß gerade das Buch von Nirumand erschienen war; daß dieser leibhaftig in Berlin war und Vorträge vor Tausenden hielt. Dann die Pose des Schah, die wirklich aufreizend wirkte. Er ließ sich die Hand küssen, wenn ich mich recht erinnere. Dann die Prügelperser, die ja bewiesen, wie brutal der SAVAK war. Es paßte halt alles.
Zitat von Abendlaenderund gestürzt hat ihn dann ja auch sicher nicht die deutsche APO. Für die ging es um die Machtfrage in Deutschland, und ihr Etappensieg war der Rücktritt Albertz'.
Der Mehrzahl der Studenten ging es aber nicht darum; die fanden Albertz ganz sympathisch; ein linker Pastor. Daß die SDS-Führung tatsächlich nichts wenier plante als die Errichtung einer Räteherrschaft in Westberlin, ahnte kaum jemand.
Zitat von Abendlaender... die Feinde der Freiheit werden immer einen Weg finden, die Wirklichkeit zu leugnen. Aufklärung als Sisyphosarbeit...
Wohl wahr. Aber angenehmer als die Arbeit des armen Sisyphos.
Es wurde hier die Tudeh Partei angesprochen. Der korrektere Namen wäre wohl "Kommunistische Partei Iran" gewesen. Es ist sehr interessant ihre weitere Zukunft zu beobachten.
Sie haben es tatsächlich geschafft zusammen mit den Islamisten unter der Führung von Khomenie Ende der 70er den Schah zu stürzen. Aber die Konsequenzen waren wohl doch nicht so, wie es sich das die Kommunisten vorgestellt hatten. Nachdem Khomenie und die Islamisten fest im Sattel sassen, wurden alle führende Tudeh Leute hingerichtet. Das sollte vielleicht als Warnung dienen für alle Linke, die glauben sie könnten mit Hilfe der Moslems den demokratischen Rechtsstaat abschaffen.
Islamisten mögen mit Sicherheit keine gläubigen Christen. Aber was atheistische Kommunisten angeht, so haben diese Menschen nach ihrer Ansicht das Recht zu leben verwirkt.
Zitat von conradEs wurde hier die Tudeh Partei angesprochen. Der korrektere Namen wäre wohl "Kommunistische Partei Iran" gewesen. Es ist sehr interessant ihre weitere Zukunft zu beobachten. Sie haben es tatsächlich geschafft zusammen mit den Islamisten unter der Führung von Khomenie Ende der 70er den Schah zu stürzen. Aber die Konsequenzen waren wohl doch nicht so, wie es sich das die Kommunisten vorgestellt hatten. Nachdem Khomenie und die Islamisten fest im Sattel sassen, wurden alle führende Tudeh Leute hingerichtet. Das sollte vielleicht als Warnung dienen für alle Linke, die glauben sie könnten mit Hilfe der Moslems den demokratischen Rechtsstaat abschaffen. Islamisten mögen mit Sicherheit keine gläubigen Christen. Aber was atheistische Kommunisten angeht, so haben diese Menschen nach ihrer Ansicht das Recht zu leben verwirkt.
Danke für diese Ergänzung, lieber Conrad. Übrigens ging es den Kommunisten nicht nur im Iran so, sondern auch in den arabischen sozialistischen Diktaturen. Diese ließen sich zwar bis zum Ende des Kommunismus gern von der UdSSR alimentieren; im Inneren aber verfolgten sie die Kommunisten.
Übrigens auch Saddam Hussein. Nach seinem Sturz wurde nah der iranischen Grenze eine Art Lager oder Stadt für zuvor verfolgte Kommunisten eingerichtet. Vor ein paar Jahren wurde ich einmal vor unserer Uni von zwei Männern angesprochen, die für diese Leute "sammelten"; dh sie wollten mich verleiten, ohne weitere Informationen einen Überweisungsauftrag für eine Spende zu unterzeichnen.
Zitat von MarriexDie UB Tübingen hat eine schöne Sammlung grauer Literatur aus der Zeit der Islamischen Revolution in Iran. Darunter findet sich: Wer ist Khomeini? : die Tudeh-Partei unterstützt die Linie des Imam Khomeini / [Hrsg.: ZK der Tudeh-Partei, Teheran]. - [S.l.], [um 1980]
Sehr interessant, lieber Marriex. Die Kommunisten haben ja in vielen Ländern diese Strategie verfolgt, irgendwelche "revolutionären" Bewegungen zu unterstützen, in der Hoffnung, nach deren Revolution dann selbst die eigentliche Revolution hinzulegen; nach dem Prinzip Kerensky-Lenin.
Wenn ich mich recht erinnere, haben ja zB die Kommunisten im Irak auch den Umsturz Kassems unterstützt; aber das wissen Sie ungleich besser als ich, lieber Marriex.
"...Wenn ich mich recht erinnere, haben ja zB die Kommunisten im Irak auch den Umsturz Kassems unterstützt.."
ich meine das auch gelesen zu haben. Nachdem Saddam die absolute Macht hatte, wurden alle erschossen. Die Sowjetunion hat es damals hingenommen, weil sie im Nahen Osten keinen anderen Verbündeten hatten.
Es gibt da einen gespenstischen Film vom einem Parteitag der Baath-Partei, wo während der Sitzung Saddam den Versammelten eröffnet, dass sich viele Verschwörer und Verräter unter ihnen befinden würden, und fing an alle Namen zu nennen, und fast zeitgleich wurden die fassungslosen Beschuldigten aus dem Versammlungsraum von Sicherheitskräften herausgeholt und kurz danach exekutiert. Das hat noch nicht mal Stalin fertiggebracht.
In Antwort auf:Zitat Shin: (...) Bleibt also zu hoffen, dass es zu keinem Krieg mit dem Iran kommt, der diese Sympathien verspielen könnte, sondern dass das Ayatollah-Regime auf andere Weise gestürzt wird. In diesem Fall hätte Persien auch aufgrund seiner Isolation von den arabischen, sunnitischen Ländern sicher Potential als Verbündeter des Westens.
Dienstag, 26. Mai 2009 http://www.n-tv.de/politik/meldungen/Fra...icle306343.html Erstmals seit Ende der Kolonialzeit Französisches Militär am Golf Frankreich baut seine Präsenz am Persischen Golf aus. Präsident Sarkozy weiht in Abu Dhabi den ersten französischen Militärstützpunkt in der Region ein.
An der strategisch wichtigen Meerenge zwischen der arabischen Halbinsel und dem Iran werden künftig französische Soldaten ständig präsent sein. (...) Die Straße von Hormus ist zudem ein bedeutender Wasserweg. Durch das nur etwa 50 Kilometer breite und über 200 Kilometer lange Nadelöhr zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman transportieren Tanker etwa 40 Prozent des weltweit benötigten Öls - hauptsächlich nach Westeuropa, Japan und in die USA.
"An der strategisch wichtigen Meerenge zwischen der arabischen Halbinsel und dem Iran werden künftig französische Soldaten ständig präsent sein."
Ich finde es gut, dass auch Europa dort präsent ist. Schliesslich sind wir auch vom Öl abhängig. Und lieber noch die Franzosen, als die Briten, die sich so in das Spinnennetz der pc eingewoben haben, dass sie militärisch völlig nutzlos sind. Siehe auch ihre trostlose Performance im Irak-Krieg.
Ich bin mit Sicherheit kein Fan von Sarkozy, aber im Vergleich zu Gordon Brown ist er eine Lichtgestalt.
Da hat Sarkozy zur richtigen Zeit den richtigen Standpunkt vertreten. Sicherlich nicht uneigennützig, aber immerhin. Ansonsten teile ich Ihre Meinung über Sarkozy und insbesondere über die Briten.
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