Die SPD hat immer über einen linken Flügel verfügt. Heute aber verfügt der linke Flügel über die SPD. Aber das paßt nicht zur Taktik díeses Wahljahres. In der Person des Kanzlerkandidaten kristallisiert sich dieses Dilemma.
Himmel hilf, grad im Radio ein Ausschnitt aus Steinmeiers letzter Rede gehört ... ich dachte zuerst, Schröder ist am Mikro. Hat sich echt so angehört. Hat Frank-Walter bei Gerd Stimmenimitation geübt? Puh. Ach ja, im Anschluss durfte Frau Drohsel kommentieren. Sie fand die Rede toll, aber naja, eigentlich müsse man ja mehr tun, gegen die "marktradikalen Ideologen" die derzeit alles dominieren. Uff! Marktradikale Ideologen sind in Deutschland am Ruder? Wo, verdammt?
Ein aktueller schöner Beitrag von Wolfram Weimer zum Zustand der SPD findet sich übrigens auf der Achse des Guten
Auszug daraus: "In der SPD halten darum viele die Bundestagswahl schon für verloren. Müntefering mahnt zwar, man solle in einem hitzigen Saloon nicht auf den Mann am Klavier schießen. Doch das befolgt keiner mehr. Vor allem die Parteilinke schießt unter den Tischen aus allen Revolvern gegen „den letzten Schröderianer“. Steinmeier solle jetzt „die Abschlussquittung für die Agendapolitik“ kassieren, und dann stehe der Generationenwechsel ins Haus. Vor allem Wowereit, Nahles und Gabriel bereiten sich schon auf die Zeit nach Müntefering, Struck und Steinmeier vor. Hinter den Kulissen des Willy-Brandt-Hauses geht es bereits um die innerparteiliche, nach links drängende Macht nach dem 27. September."
Ich weiß jetzt irgendwie gar nicht, ob er recht behalten soll, damit der Laden erstmal zusammenbricht (und sich dann reorganisieren kann), oder ob die linke Machtergreifung in der SPD (im Sinne des demokratischen Ausgleichs in der Mitte) lieber ausbleiben soll.
Gestern bei Anne Will, wurde eine Umfrage gezeigt nach der 77% der Bevölkerung gegen Staatshilfe für Arcandor sind. In Interviews mit dem "kleinen Mann auf der Strasse" wurde dabei meiner Ansicht erstaunlich qualifiziert und in einem Ausmaß wie es nicht für möglich gehalten habe bemängelt, dass die REttung Arcandors Sache der Eigentümer und Großaktionäre sei. Ist das das Deutschland, das ich kenne, wenn ich Medien lese und mir die SPD anschaue? Offenbar nicht.
Auch Norbert Röttgen hat mir ausserordentlich gut gefallen. Ruhig, souverän, sachlich und alles auf dem Punkt gebracht: "Wenn der Eigentümer und die großen Gläubiger nicht bereit sind, Risiken zu übernehmen, also selber nicht mehr an das Geschäftsmodell glauben, ist es dem Steuerzahler auch nicht zuzumuten" Das macht Hoffmung.
Achja und STeinmeier wird und wurde im Heute Journal gefragt wie er denn mit der FDP koalieren wolle, wenn sie doch achso böse neoliberale Positionen vertrete. Es gab eine seltsam ausweichende Antwort "Ach wissen Sie, Herr Seibert, in der Politik geht es um Auswahl" Häh? Den Eiertanz führt hier nicht die FDP auf sondern die SPD. Gut so!
Zitat von dirkGestern bei Anne Will, wurde eine Umfrage gezeigt nach der 77% der Bevölkerung gegen Staatshilfe für Arcandor sind. In Interviews mit dem "kleinen Mann auf der Strasse" wurde dabei meiner Ansicht erstaunlich qualifiziert und in einem Ausmaß wie es nicht für möglich gehalten habe bemängelt, dass die REttung Arcandors Sache der Eigentümer und Großaktionäre sei. Ist das das Deutschland, das ich kenne, wenn ich Medien lese und mir die SPD anschaue? Offenbar nicht.
Die Bevölkerungsmehrheit ist eben nicht sozialistisch, sondern weiß, was man an der Marktwirtschaft hat. Weshalb wohl jammert man in der linken Szene ständig, die Bevölkerung werde verblödet, und man habe ja gar keine Demokratie? Weil sie nicht akzeptieren können, daß sie Loser sind. Daß man sie nicht an der Macht haben will. Daß die Bevölkerung gegen sie ist.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
So hatte ich diesen Parteitag nicht verstanden. Natürlich, Steinmeier hat geäußert, er wolle die Mitte nicht räumen, einverstanden, aber was er genau für die Mitte tun möchte, ist er weiterhin schuldig geblieben. Für mich hörte sich das wie eine Pflichtschuldige Behauptung an, die womöglich an Leute gerichtet ist, die sich keine zwei Minuten mit ihrer Wahlentscheidung befassen werden. Wirklich mittig aber, so habe ich es jedenfalls verstanden, hat sich die SPD keineswegs positioniert.
Zitat von califaxDie Bevölkerungsmehrheit ist eben nicht sozialistisch, sondern weiß, was man an der Marktwirtschaft hat. Weshalb wohl jammert man in der linken Szene ständig, die Bevölkerung werde verblödet, und man habe ja gar keine Demokratie? Weil sie nicht akzeptieren können, daß sie Loser sind. Daß man sie nicht an der Macht haben will. Daß die Bevölkerung gegen sie ist.
Ich bin da weniger optimistisch, lieber Califax.
Daß man gegen Staatshilfe für Arcandor ist, kann ja durchaus auch aus einer antikapitalistischen Haltung entspringen: Die Familie Schickedanz und Co. haben das Unternehmen in Schwierigkeiten gebracht; jetzt sollen sie auch löhnen. Generell sehen viele Leute nicht ein, warum Großunternehmen geholfen wird, den vielen Kleinen aber nicht. Das muß nicht aus einer Bejahung der Marktwirtschaft resultieren.
Sodann haben wir eine linke strukturelle Mehrheit. In den Umfragen hat seit 2005 die Volksfront meist knapp vor Schwarzgelb gelegen. Im Augenblick gibt es einen Vorsprung von 50:44 für Schwarzgelb, aber das ist eine Momentaufnahme. Noch vor gut zwei Wochen, am 29. Mai, lagen beispielsweise bei der Forschungsgruppe Wahlen beide Lager gleichauf.
Und die Tendenz läuft gegen die Marktwirtschaftler. Der Anteil der Transferempfänger und der im staatlichen Sektor Beschäftigten wächst. Der Anteil derer, die Geld erwirtschaften, schrumpft.
Letztlich werden Wahlen unter solchen Bedingungen durch momentane Stimmungen entschieden. Ein paar Prozent der Wähler, die dafür empfänglich sind, entscheiden.
1998 hat die SPD gewonnen, weil man von Kohl genug hatte; man wollte ihn einfach nicht mehr sehen. 2002 hat Schröder mit seinem Friedensgerede die Stimmung gedreht, und dann kam auch noch die Große Flut. 2005 hätte er es mit dem Schüren von Sozialneid fast noch einmal geschafft. Wie es diesmal am Ende ausgehen wird, weiß niemand.
Zitat von CalimeroHimmel hilf, grad im Radio ein Ausschnitt aus Steinmeiers letzter Rede gehört ... ich dachte zuerst, Schröder ist am Mikro. Hat sich echt so angehört. Hat Frank-Walter bei Gerd Stimmenimitation geübt? Puh.
Ja, wie er räuspert und wie er spuckt, das hat er ihm glücklich abgeguckt.
Begünstigt wurde das durch die gemeinsame Herkunft aus Ostwestfalen. Aber die Imitation geht ja viel weiter. Steinmeier ist Schröders Mann gewesen, seit er überhaupt die Uni verlassen hat. Bis 2005 kannte er überhaupt nichts anderes, als Schröder zuzuarbeiten. Das prägt halt.
Es ist ein Treppenwitz, daß diese Graue Eminenz, diese Verkörperung des Manns im Hintergrund, des grauen Bürokraten, jetzt den mitreißenden Redner und künftigen Kanzler spielen muß.
Was mich bei der SPD eigentlich am meisten überrascht ist, wie wenig es sich bei dieser Partei noch um eine "Arbeiterpartei" handelt.
Hätte die SPD das Wohl der arbeitenden Bevölkerung im Fokus, dann müssten höhere Abgaben eigentlich deutlich kritischer hinterfragt werden, als das passiert.
Nur einmal ein krasses Beispiel: "Wirtschaftspolitische Sprecherin" der SPD ist eine Frau Ute Berg. Sicher eine anständige Person. Ihr Lebenslauf: Von 1975 bis 2002 Lehrerin, jetzt Bundestagsabgeordnete. Natürlich erwarte man von der SPD keinen gestandenen Unternehmer als wirtschaftspolitischen Sprecher. Ein gestandener Siemens-Betriebsrat wäre in dieser Partei für so ein Amt schon vorstellbar. Aber ausgerechnet eine Lehrerin? Also eine Person, die in ihrem gesamten Leben nie Kontakt mit der freien Wirtschaft hatte?
Auch sonstige arbeitsscheue Gestalten wie Nahles (Beruf mit Mitte 40: "Studentin") sind in der "Arbeiter-Partei" SPD mittlerweile massiv in Führungspositionenen.
Die SPD entfernt sich da auf ihrer Funktionärsebene in atemberaubender Geschwindigkeit von ihrer Kernwählerschaft. Das kann nicht gut sein.
Zitat von FlorianWas mich bei der SPD eigentlich am meisten überrascht ist, wie wenig es sich bei dieser Partei noch um eine "Arbeiterpartei" handelt.
Ich habe, lieber Florian, diesen Wandel miterlebt. Als ich in den siebziger Jahren in der SPD aktiv war, gab es zumindest noch Unterbezirke, in denen sie noch eine Arbeiterpartei war. In meinem damaligen Ortsverein waren überwiegend Arbeiter; wir wohnten freilich auch in einer Arbeitergegend.
Dann zogen wir um, und ich lernte eine ganz andere SPD kennen: Eine Partei, die von Lehrern, Studenten, Sozialhelfern aller Art, öffentlich Bediensteten dominiert wurde. Mit Frauenquote. In dem neuen Ortsverein war kein einziger Arbeiter aktiv.
Woran liegt es? Ich sehe hauptsächlich drei Gründe.
Erstens braucht man Zeit, um sich in einer Partei zu engagieren. Wer hart arbeitet, hat diese Zeit nicht. Sitzungen gehen oft bis spät in den Abend. Wer zur Frühschicht muß, der kann da nicht mithalten.
Zweitens möchten die meisten ja von ihrer Parteiarbeit auch etwas für sich persönlich haben. Wer in der freien Wirtschaft arbeitet, hat das selten als SPD-Mitglied. Dann schon eher ein Engagement in der Gewerkschaft und/oder dem Betriebsrat. Im Öffentlichen Dienst hat man aber erhebliche Vorteile. Da weiß jeder Genosse genau, wer Genosse ist. Ich hab's an Unis erlebt, wie solche Netzwerke funktionieren.
Und drittens haben die Studenten, die Ende der sechziger, anfang der siebziger Jahre in die SPD drängten, dort einen Stil eingeführt, dem die meisten Arbeiter einfach nicht gewachsen waren oder sind. Antragsdiskussionen, Strategiediskussionen, Geschäftsordnungsdiskussionen.
Die SPD hat schon in den siebziger Jahren angefangen, sich immer mehr mit sich selbst zu beschäftigen. Der jetzige Durchmarsch der Linken ist der vorläufig letzte Schritt in dieser Entwicklung. Sie dominieren die Partei, nicht weil sie die Meinung in der Mitgliedschaft ausdrücken, sondern weil sie ab der unteren Funktionärsebene ihre Leute in den Positionen haben.
In Antwort auf: Und die Tendenz läuft gegen die Marktwirtschaftler. Der Anteil der Transferempfänger und der im staatlichen Sektor Beschäftigten wächst. Der Anteil derer, die Geld erwirtschaften, schrumpft.
Genau das ist der springende Punkt !
Nüchtern betrachtet stimmen die meisten Menschen eben einfach nach persönlichem Vorteil ab. Und der persönliche Vorteil dieser Gruppe (Transferempfänger, Staatsbedienstete, ebenso wie Studenten, Rentner etc.) besteht natürlich in möglichst viel staatlicher Umverteilung, woraus eben ihr Einkommen besteht.
Die kritische Masse ist überschritten, sobald der Anteil dieser Gruppe 50% der Wählerstimmen signifikant überschreitet ...
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