Forschungsprogramme, bei denen Detektivarbeit zu leisten ist, haben mich schon immer fasziniert; wie ja überhaupt der Beruf des Wissenschaftlers viel Ähnlichkeit mit dem des Kriminalisten hat.
Diesmal geht es um einen Schuldigen im Wortsinn, nämlich den Erreger der Schweinegrippe H1N1. Ich berichte in dem Artikel über Untersuchungen, die seinen Ursprung und seine Karriere aufzudecken versuchen.
Ich war unschlüssig gewesen, ob ich "Neues aus der Forschung" als Rubrik (Wie z.B. "Zettels Meckerecke") oder als Serie (wie z.B. "Gedanken zu Frankreich") gestalten sollte. Jetzt habe ich mich doch zur Serie entschlossen, weil diese Art von Artikeln ja inhaltlich und nicht durch die Publikationsform definiert ist. Deshalb habe ich der jetzigen Folge ihre Nummer gegeben und die beiden bisherigen nachträglich numeriert. Hier im Forum habe ich die beiden Threads aber nicht nachträglich mit Nummern versehen.
Lieber Zettel, Ihre Wortwahl bringt Sie näher an Frankenstein, als es es wollten. Sie machen Angst, Sie unterstellem den Virus bewusst böswilliges Handeln.
In Antwort auf:Denn ein Virus, das sich nicht ändert, ist bald ein Opfer der Immunabwehr. Nur Änderung sichert ihm einen Vorsprung vor dieser, bis sie aufgeholt und die passenden Antikörper entwickelt hat. Denn ein Virus, das sich nicht ändert, ist bald ein Opfer der Immunabwehr. Nur Änderung sichert ihm einen Vorsprung vor dieser, bis sie aufgeholt und die passenden Antikörper entwickelt hat.
Diese Aussage unterstellt, dass ein Virus einen Willen hat, einen Überlebenswillen. Und dass es vorausschauend weiss, dass es sich und wie es sich gegen die Immunabwehr wappnen muss. Es muss also sozusagen mehr wissen über den Menschen als der Mensch selbst ... und das während es beim Schwein wohnt.
In Antwort auf:Aber mit jeder Mutation kann die Pathogenität drastisch zunehmen.
Oder auch nicht. Eine Mutation kann auch zum Aussterben eines Virus führen. Die Ergebnisse von Mutationen sind Zufallsergebnisse, es sei denn, Sie unterstellen dem Virus vorsätzliches Handeln. Von den vermutlich Millionen von Viren, die sich selbst in den Tod mutiert haben, wissen wir nur eben nichts, weil sie uns nicht interessieren.
Zitat von vivendiLieber Zettel, Ihre Wortwahl bringt Sie näher an Frankenstein, als es es wollten. Sie machen Angst, Sie unterstellem den Virus bewusst böswilliges Handeln.
Er handelt ja auch böswillig. Aber natürlich nur in dem nichteigentlichen Sinn, in dem, um das Beispiel von Kallias zu verwenden, der böse Faden nicht durch die Öse will.
Oder, lieber Vivende, ein Beispiel für Sie als Naturwissenschaftler: Ein Himmelskörper strebt die Kugelform an, wenn Gravitation und Kohäsion das erlauben. Aber natürlich ist "Ansreben" nicht im eigentlichen Sinn gemeint, als ein bewußtes Streben.
Zitat von vivendi
In Antwort auf:Denn ein Virus, das sich nicht ändert, ist bald ein Opfer der Immunabwehr. Nur Änderung sichert ihm einen Vorsprung vor dieser, bis sie aufgeholt und die passenden Antikörper entwickelt hat.
Diese Aussage unterstellt, dass ein Virus einen Willen hat, einen Überlebenswillen. Und dass es vorausschauend weiss, dass es sich und wie es sich gegen die Immunabwehr wappnen muss. Es muss also sozusagen mehr wissen über den Menschen als der Mensch selbst ... und das während es beim Schwein wohnt.
Neinein, lieber Vivendi. Das ist eben nur verkürzte, uneigentliche Redeweise. Die Sache ist ganz simple die, daß Viren, die keine Mutationen hervorbringen, eher durch die Immunabwehr an der Vermehrung gehindert werden, also sich nicht ausbreiten, also verschwinden. Wenn sie sich aber ändern, dann haben sie eine bessere Chance, sich zu vermehren und also als diese Variante erhalten zu bleiben.
Warum verursachen so viele Viren eigentlich Husten und Schnupfen? Weil sie dadurch ausgeschieden werden und zu anderen Organismen gelangen, in denen sie sich vermehren können. Natürlich "wollen" die das nicht; nur gibt es diejenigen, die das nicht machen, halt nicht mehr.
Zitat von vivendi
In Antwort auf:Aber mit jeder Mutation kann die Pathogenität drastisch zunehmen.
Oder auch nicht. Eine Mutation kann auch zum Aussterben eines Virus führen. Die Ergebnisse von Mutationen sind Zufallsergebnisse, es sei denn, Sie unterstellen dem Virus vorsätzliches Handeln. Von den vermutlich Millionen von Viren, die sich selbst in den Tod mutiert haben, wissen wir nur eben nichts, weil sie uns nicht interessieren.
Ja, genauso ist es. Die meisten Mutationen verschlechtern die Überlebenschancen. Übrigens nicht nur bei Viren. Auch in der Evolution der Tiere und Pflanzen sind die meisten Lose, die man durch Mutation zieht, Nieten. Aber wenn man gar nicht an der Lotterie teilnimmt, kann man mit Sicherheit keinen Treffer ziehen.
Lieber Zettel, ich habe schon verstanden, was sie sagen wollten. Es geht mir um Ihre Formulierung, die Ursache und Wirkung vertauscht und als Ursache sozusagen einen Willen unterstellt. Ich weiss auch, dass ich vom eigentlichen Thema abweiche. Mich erstaunt nur, dass Sie ein Phänomen demystifizieren möchten, dazu aber mysteriöse "Absichten" ins Spiel bringen.
In Antwort auf:Ein Himmelskörper strebt die Kugelform an, wenn Gravitation und Kohäsion das erlauben. Aber natürlich ist "Anstreben" nicht im eigentlichen Sinn gemeint, als ein bewußtes Streben.
Die wissenschaftlich korrekte Formulierung wäre eher: "Die Form eines Himmelskörper wird von der Gravitation und der Kohäsion bestimmt. Das kann u. a. die Kugelform sein." Der Himmelskörper strebt gar nichts an, seine Form (Wirkung) ist ihm völlig gleichgültig, er wäre auch in kubischer Form glücklich und zufrieden. Die Gravitation und die Kohäsion erlauben gar nichts, sie bewirken (Ursache) etwas.
Zitat von vivendiLieber Zettel, ich habe schon verstanden, was sie sagen wollten. Es geht mir um Ihre Formulierung, die Ursache und Wirkung vertauscht und als Ursache sozusagen einen Willen unterstellt.
Aber das tue ich doch nicht!
Es wäre doch albern und abwegig, das zu tun.
Man redet nur in vielen Wissenschaften so, daß es möglichst einfach ist. Und jeder versteht das richtig - außer den Philosophen.
Ich habe, lieber Vivendi, viel interdisziplinär gearbeitet. Naturwissenschaftler reden fast immer locker, weil ja klar ist, daß sie mentalistische Formulierungen nicht wörtlich meinen. Nur die Philosophen erheben dann den Zeigefinger.
Ein Kollege, mit dem ich mal zusammengearbeitet habe, untersuchte zum Beispiel, wie Insekten laufen. Welche Neurone steuern das wie? Und er sagte in einer interdisziplinären Diskussion "The neuron tries to persuade another neuron not to fire...", womit er natürlich meinte, daß das eine Neuron Impulse aussandte, die ein anderes Neuron hemmten. Und flugs meldete sich ein Philosoph uns merkte klug an, daß aber ein Neuron doch ein anderes nicht überzeugen könne.
Ebenso ist es mit dem "Anstreben". Es ist ein vernünftiges Kürzel, zu sagen, daß Himmelskörper (in der Regel, nämlich wenn sie groß genug sind) die Kugelform "anstreben". Niemand, der kein Philosoph ist, wird das so verstehen, daß da ein bewußtes Streben am Werk ist. Oder - ich glaube, dieses Beispiel habe ich schon mal verwendet - zwei Flüssigkeiten unterschiedlicher Konzentration, die durch eine permeable Membran getrennt sind, streben eine homogene Konzentration an.
Also, ich finde, man sollte da nicht beckmessern. Kritisch wird es nur, wie in dem anderen Thread erläutert, wenn die Gefahr besteht, daß man nicht weiß, ob eine eigentliche oder eine uneigentliche Redeweise gemeint ist.
hier muss ich Zettel verteidigen, denn gerade in einem Blogbeitrag, in dem ja auch Aspekte der Unterhaltung und Anschaulichkeit eine Rolle spielen, ist die Funktion der Sprache ja nicht nur die eines "syntaktisch und semantisch vollständig und korrekten Computerprogramms oder Gesetztestext mit Aussagen im Stile von
In Antwort auf: Die wissenschaftlich korrekte Formulierung wäre eher: "Die Form eines Himmelskörper wird von der Gravitation und der Kohäsion bestimmt. Das kann u. a. die Kugelform sein."
Daher bin ich froh über jeden wissenschaftlich gebildeten Autor, welcher es versteht, die trockenen Fakten etwa mit Metaphern "sprachlich zu illustrieren" (ein (Sprach-)Bild sagt mehr als tausend Worte) ... Man denke nur etwa an Richard Dawkins geniales Bild vom "Egoistischen Gen".
Ich würde Ihrer Kritik ja sofort zustimmen, wenn es hier etwa um einen Artikel in der Bildzeitung ginge, wo solche Assoziationen wie "das Virus will ..." tatsächlich missverstanden werden könnten.
Aber hier unter uns Lesern von ZR, denke ich doch, dass diese Gefahr nicht ansatzweise besteht.
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