Das milde Aufsehen, welches das Dekolleté-Plakat Vera Lengsfelds ausgelöst hat, wäre vielleicht für sich noch keine Marginalie wert gewesen. Aber da ist noch, im selben Berliner Wahlbezirk Friedrichshain-Kreuzberg, das Plakat des Kandidaten Ströbele.
Und über den Unterschied zwischen diesen beiden Plakaten und die Reaktionen auf diese kann man schon ein wenig ins Sinnieren kommen.
Das Wahlplakat von Ströbele könnte ohne Weiteres als Satire oder Kampagne der politischen Gegners durchgehen; ein wirres, völlig sinnfreies Sammelsurium von Linkskampfsymbolen und -parolen... ...wer den Kerl wählt, kann sich doch selbst nicht mehr ernst nehmen, oder?
Auch wenn ich das CDU-Plakat nicht gerade witzig finde, ist es mir doch sehr sympathisch. Kann auch sein, dass es daran liegt, dass ich Vera Lengsfeld sehr schätze.
Das Plakat von Ströbele weckt allerdings Zorn in mir. Abgesehen von der infantilen "Revolutionspose" muss ich da ein Schild erblicken, auf welchem steht: "Schluss mit der Plünderung der Staatskassen!"
Ausgerechnet die Grünen! Hallo? Wer verballert denn unsere Steuergelder am liebsten für die eigene Klientel und irgendwelche abstrusen Gutmenschenprojekte? Schon das Wort "Staatskassen" regt mich da auf. Grrrh!
Ströbele? Doppelplusungut!
Gruß, Calimero
---------------------------------------------------- ... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.
Inhaltlich ist das Ströbele-Plakat wirklich ekelhaft. Zettel hat die wesentlichen Punkte schon genannt. Besonders störend ist natürlich die selbstverliebte Revoluzzer-Pose in der sich Ströbele da abbilden lässt. Die Haltung könnte eins zu eins auch aus einem Stalin-Kunstwerk sein. Aber geschenkt: Wir wissen ja alle, wes Geistes Kind dieser Mann ist.
Einige Punkte am Ströbele-Wahlkampf finde ich allerdings sehr beachtenswert und z.T. auch sehr positiv: Auf dem Plakat gibt es keinen Hinweis auf seine Partei. Da ist wirklich mal ein Direktkandidat, der für seiner Selbst willen gewählt werden will und nicht nur als Partei-Anhängsel. So etwas tut der Parlaments-Demokratie sicher gut. Auch auf seiner Homepage sehe ich übrigens nirgendwo einen Verweis auf seine Partei. Soweit ich sehe existiert zu den Grünen nicht einmal eine Verlinkung. Geschweige denn, das irgendwo das Partei-Logo sichtbar wäre. Die Homepage enthält auch nicht (wie sonst bei Abgeordneten üblich) irgendwelche Partei-Positionen. Unter "Bundestag" finden sich hingegen Ströbeles eigene Anträge, Reden, etc. Finde ich sehr positiv, dass sich ein Abgeordneter nicht einfach hinter der Parteilinie versteckt sondern klar zu erkennen gibt, für was er selbst ganz persönlich steht. Auch das Engagament für seinen Wahlkreis scheint mir gut zu sein (die "interaktive Kiez-Karte" ist zum Beispiel sehr gut).
Das Wahlplakat gefällt mir aus 2 Gründen auch gestalterisch gut: Erstens setzt es sich rein optisch/graphisch sehr schön vom sonstigen Politiker-Einerlei ab. Zweitens gibt es einen sehr guten Überblick darüber, welche Positionen Ströbele inhaltlich vertritt. Zwischen diesem Plakat und den üblichen Politikergesichtern mit Null-Aussage liegen Welten.
Insgesamt also eine sehr vorbildliche Kommunikation des Herrn Ströbele.
Es macht diesen Mann in meinen Augen zwar nicht wählbarer. Aber die Kommunikation verdient Anerkennung.
"Die CDU ist ganz entspannt und findet das witzig. Nur die Linke, also der politische Gegner, regt sich auf", habe ich in dem Artikel Vera Lengsfeld zitiert. Eigene Quellen für diese Aufregung in der Linken hatte ich aber nicht.
Jetzt habe ich nachgesehen. Ergebnis: Lengsfeld hat Recht.
In der TAZ zum Beispiel schreibt Ines Kappert unter der Überschrift "Aha, Titten":
Zitat von TAZ Ströbele ist hier eine Ikone. Zwei Direktmandate hat er bereits für die Grünen geholt. Hat Lengsfeld jenem unermüdlichen Juristen nichts anderes entgegenzuhalten als ihre Weiblichkeit? Das wäre erbärmlich.
Wer ein politisches Duell auf die Geschlechterdifferenz reduziert - der ist tatsächlich nicht ernst zu nehmen. Und es ist ganz sicher kein gelungener Ausweis eines neuen weiblichen Selbstbewusstseins, dem Chauvinismus in der Politik den eigenen Busen oder - wie Halina Wawzyniak (Die Linke) es auf ihrem Plakat tut - den eigenen Po entgegenzuhalten.
Der Kommentar von Ulrike Oertel im kommunistischen "Neuen Deutschland" stellt den Bezug zur Zeit von Vera Lengsfeld als Dissidentin in der DDR her; Botschaft: Sie hat schon immer provoziert:
Zitat von Neues Deutschland... dass die Frauen-Union ihrer Partei nicht begeistert ist und von Effekthascherei und Profilierungsversuch spricht, hat sich die Philosophin vermutlich von vornherein ausrechnen können. Aber Provokation war immer das Geschäft von Vera Lengsfeld. Ob am Rande der Liebknecht- Luxemburg- Demonstration 1988, ob mit der 1991er »Schweige-Rede« vorm Bundestag gegen den zweiten Golfkrieg, ob mit dem Parteiübertritt 1996 aus Protest gegen abnehmende grüne Berührungsängste zur PDS ... Wie sehr jetzt ihre »Enthüllung« hilft, das CDU-Wahlergebnis in der bisherigen »Ströbele«-Hochburg – 2005 waren es ganze 12,4 Prozent – aufzuhübschen, wird sich zeigen. Vielleicht sind die Friedrichshainer und Kreuzberger ja tatsächlich geradezu geil auf Politiker, die ihren Brustansatz, oder – wie Wawzyniak – ihren »Arsch in der Hose« im Wahlkampf zeigen.
Zitat von Süddeutschte ZeitungEs gebe "kein besseres Mittel gegen Depressionen" als den Busen, merkte einst der französische Arzt Dominique Gros an. Er war ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet - und hat zwei viel beachtete Fachbücher über die weibliche Brust geschrieben.
Wenn die ständigen Misserfolge der CDU im Berliner Wahlbezirk Friedrichshain-Kreuzberg womöglich Depressionen auslösen, dann hat die christdemokratische Direktkandidatin Vera Lengsfeld ganz in Gros'scher Tradition jetzt zur Selbsthilfe gegriffen. Als Anti-Depressiva in den Medien wirken sollen ihr eigener Busen - und vor allem der der Kanzlerin.
Stmmtischwitze? Frauenfeindliche Häme? Bewahre! Das gibt es bei Linken doch nicht.
hre Vorliebe für Angela Merkel in allen Ehren, aber leider ist das Aussehen geschweige denn das Dekolleté von Frau Merkel doch eine ästhetische Beleidigung ... was natürlich eine sehr subjektive Meinung meinerseits ist
... hat mich allerdings, dass Ströbele nun für ein verbot der Neuverschuldung eintritt. Auf einem der Transparente heißt es "Schluss mit der Plünderung der Staatskassen!" Ein U-Boot der FDP?
Zitat von FlorianAuf dem Plakat gibt es keinen Hinweis auf seine Partei. Da ist wirklich mal ein Direktkandidat, der für seiner Selbst willen gewählt werden will und nicht nur als Partei-Anhängsel.
Der Grund ist einfach, lieber Florian: Nur mit den Stimmen der Grünen-Wähler kann er kein Direktmandat bekommen. Und nur daran ist er interessiert, denn es verleiht ihm innerparteilich eine Sonderstellung.
Die fehlenden Stimmen braucht er von Kommunisten, Autonomen usw. Die haben oft nichts mit den Grünen am Hut, denn die sind ja überwiegend nicht mehr für die Revolution. Aber mit Karl Marx, Che Guevara und "Venceremos" kann Ströbele diese Klientel gewinnen.
Herzlich, Zettel
PS: Wenn man genau hinguckt, dann findet man schon einen Hinweis auf die Grünen: Den kleinen Igel nahe dem rechten Fuß von Ströbele.
es ist in der Tat sehr bedenklich, dass ein Plakat mit einem Inhalt, der darauf deutet, dass es jemand mit unserer Verfassung nicht so ernst meinen könnte, keinerlei Aufregung hervorruft - es scheint so, als ob die Deutschen das völlig in Ordnung finden-,ein Plakat mit einem Dekollete indes für "Empörung" sorgt.
Es gibt aber betreffend des Vera Lengsfeld Plakates noch einen weiteren Punkt. Ich war ehrlich entsetzt, als ich die aggressiven Kommentare auf ihrem Blog las. Sexismus wurde ihr vorgeworfen und im gleichen Atemzug mit abfälligen Begriffen ihre weiblichen Attribute beschrieben. Auf eine abfällige Art und Weise, gern auch mit Hinweis auf ihr Alter, das mir der Atem stockte. Männer schrieben, dass dieses Dekollete eine Zumutung für die Augen sei, es wurden Begriffe verwandt wie "Glocken, Titten" etc., die eindeutig despektierlich im Zusammenhang gemeint waren. Sie schrieben neulich einen Beitrag zur Verrohung der Sprache. Das was auf dem Blog stattfand, war einfach nur roh und Sexismus in reinster Form, von denen praktiziert, die Vera Lengsfeld selbst Sexismus vorwarfen. Daher ist klar um was es da geht, den politischen Gegner fertig zu machen, aber auch ohne Grenzempfinden eine Frau persönlich zu beleidigen in dem Wissen, das Internet macht es möglich, die Sau raus zulassen. Ihr zu sagen, ihr Busen sei hässlich, sie habe kein Hirn etc. und das alles unter dem Tenor, das Plakat entbehre sachlichen Inhalt.
Ich für meinen Teil war sprachlos, wie die Meute unter allem Niveau agierte. Der grundsätzliche Respekt vor einem Menschen, die Würde des Menschen, das Einhalten bestimmmter Grenzen, was man einem Gegenüber sagt, war bei vielen offensichtlich einfach nicht gegeben. Es ging nur darum fertig zu machen und war menschenverachtend.
hre Vorliebe für Angela Merkel in allen Ehren, aber leider ist das Aussehen geschweige denn das Dekolleté von Frau Merkel doch eine ästhetische Beleidigung ... was natürlich eine sehr subjektive Meinung meinerseits ist "
Dann gucken Sie doch einfach nicht hin und schon hören die Beleidigungen auf.
Sie müssen ja toll aussehen, wenn Sie meinen sich erlauben zu können, anderen vorzuwerfen, Sie mit ihrem Aussehen zu beleidigen.
Zitat von StefanieIch für meinen Teil war sprachlos, wie die Meute unter allem Niveau agierte. Der grundsätzliche Respekt vor einem Menschen, die Würde des Menschen, das Einhalten bestimmmter Grenzen, was man einem Gegenüber sagt, war bei vielen offensichtlich einfach nicht gegeben. Es ging nur darum fertig zu machen und war menschenverachtend.
Ich erspare mir, liebe Stefanie, seit langem die Lektüre solcher "Kommentare". Das Niveau ist ja fast überall ähnlich jämmerlich - selbst bei Kommentaren zu Artikeln in seriösen Zeitungen wie der "Welt".
Ich denke, da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle.
Ein Moment ist wohl, daß viele Menschen sonst keine Gelegenheit haben, ihre Vorurteile, ihre Ressentiments, oft ja auch ihren schieren Haß auszudrücken. Allenfalls in der Kneipe nach genügend Alkohol; und selbst da müssen sie mit Widerspruch rechnen und damit, daß man sie stehen läßt, wenn sie zu schimpfen anfangen.
Ein zweiter Faktor ist wohl die Anonymität. Insofern gleichen manche "Kommentare" gewissen Toiletteninschriften - entstanden aus der sicheren Situation heraus, nicht erwischt werden zu können.
Vielleicht kommt als ein dritter Faktor das hinzu, was man den "Protest des kleinen Mannes" nennen könnte.
Bis zur Erfindung der Internet-Foren und dann vor allem der Kommentare zu Artikeln, zu Blogs waren die Medien weitgehend Einbahnstraßen. Allenfalls konnte man vielleicht einmal beim Rundfunk anrufen oder einen Leserbrief schreiben, der aber oft nicht veröffentlicht oder bearbeitet wurde.
Mit den Kommunikationsmöglichkeiten des Web ist das radikal anders geworden. Jeder darf - auch wenn er noch nicht einmal der deutschen Orthographie mächtig ist - in gewisser Weise "publizieren".
Und da schafft sich dann der (geistige) Prolet sozusagen seine Enklaven; nach dem Motto: Ihr da oben labert hochgestochen rum, und ich sage jetzt mal, was Sache ist.
Und das sagt er dann - mit umso größerer Überzeugtheit, je weniger er nachgedacht hat. Argumentiert wird ja in der Regel nicht, sondern es werden Überzeugungen mitgeteilt; meist stark affektiv gefärbte.
Das Web hat eine gewaltige Demokratisierung der Medien mit sich gebracht. Und damit in großen Teilen halt auch eine geistige Verprollung. Wie sollte es auch anders sein?
>Dann gucken Sie doch einfach nicht hin und schon hören die Beleidigungen auf. --> Zur Demokratie gehört, dass man zu allem eine Meinung haben kann und diese sogar äußern darf.
>Sie müssen ja toll aussehen, wenn Sie meinen sich erlauben zu können, anderen vorzuwerfen, >Sie mit ihrem Aussehen zu beleidigen. --> Eigentlich nicht, deswegen verzichte ich auch auf ein Dekollete
Zitat von F.AlfonzoDas Wahlplakat von Ströbele könnte ohne Weiteres als Satire oder Kampagne der politischen Gegners durchgehen; ein wirres, völlig sinnfreies Sammelsurium von Linkskampfsymbolen und -parolen...
Aber wie Florian schon schrieb: immerhin haben diese Plakate Inhalt, im Gegensatz zu "Politikerbild + Parole".
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
bemerkenswert finde ich ein Wahlplakat der Grünen, an dem ich heute vorbeigefahren bin. Es zeigt die Erde mit der Überschrift "ES GEHT UMS GANZE!": http://www.gruene.de/typo3temp/pics/faad0a982c.jpg Es drückt das Selbstverständnis aus, denn sie fühlen sich offenbar dazu berufen, die ganze Welt zu retten. Darunter geht es nicht. Ob ihnen mal jemand sagen kann, daß es nicht um die Wahl einer Weltregierung geht? Kann einem Angst machen, möglicherweise von Leuten regiert zu werden, die sich und ihre Mission für derart wichtig halten ...
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