Hubert Maessen ist einer der wenigen politischen Redakteure des WDR- Hörfunks, die die rotgrüne Gleichschaltung bisher überstanden haben. In einem bemerkenswerten klaren Kommentar, dem ich das Zitat des Tages entnommen habe, sagt er, was Sache ist: Wenn die Mehrheit nach dem 27. September da sein sollte und die Grünen sich nicht zieren, dann wird die SPD die Volksfront versuchen.
Ich war bisher skeptisch, daß Steinmeier das mitmachen würde. Aber nach dem (in dem Artikel verlinkten) Interview mit der "Rheinischen Post" habe ich meine Meinung geändert. Dort hätte er Gelegenheit gehabt, eine Koalition mit den Kommunisten auszuschließen. Er hat es nicht getan.
Das Argument, eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei scheitert für die SPD an deren außenpolitischen Vorstellungen ist ja ohnehin totaler Quatsch.
Außenpolitisch ist die Linkspartei doch wesentlich näher am deutschen Mainstream als innenpolitich. "Raus aus Afghanistan" ist zwar nicht mein persönliches Motto. Aber ich sehe bei jemandem mit dieser Meinung keine prinzpielle Regierungsunfähigkeit. Sie deckt sich doch ziemlich mit der Grünen Sicht (zumindest vor deren Realitäts-Schock ab 1998). Und auch vor 1998 galten die Grünen der SPD durchaus als bündnistauglich.
Und auch die Mehrheit der SPD-Basis wäre wahrscheinlich froh, wenn man sich von der Linkspartei einen Rückzug aus Afghanistan abfordern lassen könnte.
Und es ist schon sehr bedenklich, dass der SPD kein innenpolitisches Argument einfällt, warum sie mit der Linkspartei nicht koalieren möchte.
Zitat von FlorianUnd es ist schon sehr bedenklich, dass der SPD kein innenpolitisches Argument einfällt, warum sie mit der Linkspartei nicht koalieren möchte.
Wenn das noch die alte SPD wäre, dann müßte sie sagen: Eine Partei, deren Delegierte regelmäßig mit großer Mehrheit die bekennende Kommunistin Sarah Wagenknecht in ihren Vorstand wählt, ist zumindest in Teilen kommunistisch. Eine Partei, deren Vorsitzender zugleich Vorsitzender fast aller europäischer Kommunisten ist, wird man zumindest als enge Verbündete von Kommunisten einstufen müssen. Eine solche Partei kommt für eine demokratische Partei als Partner nicht in Betracht.
Nur kann man das nicht sagen, weil man ja längst mit den Kommunisten verpartnert ist. Und da sie nun einmal akzeptiert hat, mit den Kommunisten zu koalieren, sollte die SPD endlich mit dem Eiertanz aufhören und sagen, daß sie das selbstverständlich auch im Bund tun wird, wenn es denn numerisch geht. Da hat Maessen meines Erachtens völlig Recht.
In Antwort auf:Ein Bündnis mit der Partei „Die Linke“ schließen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf Bundesebene für die gesamte nächste Legislaturperiode aus. Wir werden auch keine Minderheitsregierung bilden, die von der Linkspartei geduldet wird. Unser Land braucht in der schwierigen Zeit, die vor uns liegt, Stabilität und Erfahrung. Beides kann die Linkspartei nicht gewährleisten.
Das ist noch klarer als damals die Absage in Hessen, insbesondere in Bezug auf die Option Minderheitsregierung.
Es ist natürlich schwer zu sagen, wie verläßlich man die SPD überhaupt noch einschätzen kann. Aber eine direkte Linksfront nach der Wahl traue ich ihr doch nicht zu.
Etwas völlig anderes wäre aber ein Kurswechsel nach ein/zwei Jahren. Wenn es z. B. zu einem größeren Streit in der erneuerten großen Koalition gäbe (sehr gut möglich, weil die SPD in einer deutlich schwächeren Position dort wäre), dann könnten Nahles/Wowereit und Co. durchaus sagen, die Lage hätte sich grundlegend geändert und die Aussage könne nicht mehr gelten.
Trotz der z.Z. guten Umfragewerte für Schwarz-Gelb: Strukturell gibt es längst eine (wenn auch knappe) Mehrheit des linken/grünen Lagers (als Komplementmenge zu schwarz-Gelb) wie schon die letzten Bundestagswahlen gezeigt haben.
Allerdings gibt es (noch) keine Mehrheit für eine "Volkfront" da eine Regierungsbeteiligung der Kommunisten für den noch verbleibenden, halbwegs bürgerlich/demokratisch gesinnten Teil des linken Wählerspektrums (also den Bereich "knapp links der Mitte") dann doch noch nicht wählbar ist.
Aus diesem Grund müssten CDU und FDP eng zusammenstehen und SPD und Grüne in einen scharf polarisierenden Lagerwahlkampf zwingen.
Sonst läuft es bestenfalls wieder auf ein Patt mit großer Koalition hinaus....
In Antwort auf:Ein Bündnis mit der Partei „Die Linke“ schließen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf Bundesebene für die gesamte nächste Legislaturperiode aus.
Wir werden auch keine Minderheitsregierung bilden, die von der Linkspartei geduldet wird. Unser Land braucht in der schwierigen Zeit, die vor uns liegt, Stabilität und Erfahrung. Beides kann die Linkspartei nicht gewährleisten.
Das ist noch klarer als damals die Absage in Hessen, insbesondere in Bezug auf die Option Minderheitsregierung.
Vielen Dank, lieber R.A. Diese Passage kannte ich nicht. Ob Steinmeier sie kennt?
Interessant übrigens, daß hier nicht außenpolitische Gründe genannt werden, sondern das Fehlen von "Stabilität und Erfahrung". Was nun allerdings lustig ist, denn keine Partei hat so viel Regierungserfahrung wie die Kommunisten (vierzig Jahre ohne Unterbrechung), und an Stabilität werden sie es gewiß nicht fehlen lassen. Kaum eine Koalition arbeitet so geräuschlos wie die Volksfront im Land Berlin.
Zitat von R.A.Etwas völlig anderes wäre aber ein Kurswechsel nach ein/zwei Jahren. Wenn es z. B. zu einem größeren Streit in der erneuerten großen Koalition gäbe (sehr gut möglich, weil die SPD in einer deutlich schwächeren Position dort wäre), dann könnten Nahles/Wowereit und Co. durchaus sagen, die Lage hätte sich grundlegend geändert und die Aussage könne nicht mehr gelten.
Allerdings gilt für diesen Fall die obige Festlegung ja ausdrücklich auch ("für die gesamte nächste Legislaturperiode").
Wenn der Beschluß so eindeutig ist - warum hat dann Steinmeier in dem Interview sich so vage ausgedrückt? Ich hatte das (offenbar falsch) so interpretiert, daß die SPD sich doch die Option Volksfront auch schon jetzt offenhalten will. Es könnte natürlich aber auch sein, daß sie nur keine Diskussion über ihren Beschluß will, in der unweigerlich an Ypsilantis "Garantie" erinnert werden würde.
Diese Diskussion wird aber am 31. August beginnen, so oder so. Es sei denn, Müller und Althaus erhalten doch Mehrheiten zusammen mit der FDP.
Zitat von ZettelInteressant übrigens, daß hier nicht außenpolitische Gründe genannt werden, sondern das Fehlen von "Stabilität und Erfahrung". Was nun allerdings lustig ist, denn keine Partei hat so viel Regierungserfahrung wie die Kommunisten (vierzig Jahre ohne Unterbrechung)
Aber ob Krenz noch als Staatsra ... äh Kanzlerkandidat zur Verfügung steht?
Während Schwaz-Gelb die Chance leider zu verpassen scheint, dem Gegner einen Lagerwahlkampf aufzuzwingen, macht jetzt die SPD genau das: nur mit umgekehrtem Vorzeichen in dem die "böse neoliberale" schwarz-gelb-Herrschaft heraufbeschworen wird.
"Spiegel Online" heute:
In Antwort auf: Also formulieren die SPD und ihr nahe stehende politische Ethnien die Frage ein klein wenig um. Wollt ihr wirklich "Schwarz-Gelb"? fragen sie dann mit einem Tremolo in der Stimme, als habe jemand vor, den Auslöseknopf einer A-Bombe zu drücken - aus Unverstand und weil er nicht richtig über den Atompilz danach nachgedacht hat.
Naja, Sie zitieren den Spiegel da jetzt doch etwas sinnentstellt. In dem Artikel geht es darum, dass die SPD zwar das Schwarz-Gelbe Gespennst an die Wand malt, aber die Alternative Schwarz-Rot ist.
In Antwort auf: In dem Artikel geht es darum, dass die SPD zwar das Schwarz-Gelbe Gespennst an die Wand malt, aber die Alternative Schwarz-Rot ist.
Das ist ja genau der Punkt: Sie stellt natürlich nicht die Volksfront als Alternative hin (genau das müsste aber umgekehrt das bürgerlichen Lager tun, würde es seinerseits den Lagerwahlkampf provozieren) ... Obwohl von den nüchternen Machtverhältnissen her in Wirklichkeit eben doch die Volksfront die Alternative ist, wie am Ende des SPON-Artikels dezent angedeutet.
nun ja. Aus Sicht der SPD lautet die Alternative: Schwarz-Gelb oder "kein Schwarz-Gelb".
"Kein Schwarz-Gelb" würde für die SPD bedeuten (immer vorausgesetzt sie spielt hier ehrlich): -am liebsten Ampel (was wohl an der FDP scheitern würde) -oder weiter große Koalition (was an der Union sicher NICHT scheitern würde).
D.h. die SPD kann durchaus eine plausible Macht-Alternative ohne Beteiligung der Linkspartei aufzeigen.
Wollte die Union einen "echten" Lagerwahlkampf führen, müsste sie eine Fortsetzung der großen Koalition ausschließen. NUR dann kann sie plausibel die Alterative Schwarz-Gelb oder Linksfront aufbauen. D.h. für diesen Lagerwahlkampf wäre zuerst einmal eine Abgrenzung durch die Union nötig.
Es ist aber sehr offensichtlich, dass eine solche harte Abgrenzung für die Union ungeschickt wäre. Warum sollte sie sich auf diese Weise ggf. die Möglichkeit für 4 weitere Jahre Merkel-Kanzlerschaft abschneiden? (Zumal es erkennbar unfair ist, der SPD ein Bündnis mit der Linkspartei vorzuwerfen, wenn man seinerseits nicht bereit war, die SPD als Juniorpartner in einer großen Koalition zu akzeptieren).
Zitat von Florian "Kein Schwarz-Gelb" würde für die SPD bedeuten (immer vorausgesetzt sie spielt hier ehrlich):
Das "ehrliche Spiel" kann man spätestens seit Hessen-Lügilanti eben nicht mehr voraussetzen.
Daher riskiert jeder Wähler, dessen Stimme nicht an Schwarz-Gelb geht, über kurz oder Lang tatsächlich die Linksfront.
Auf diesen einfachen Nenner müssten CDU/FDP ihre Wahlkampfaussage bringen und würden damit viele "noch demokratisch/bürgerlich" gesinnten Menschen des "rechten Flügels" der rot-grünen Wählerschaft auf ihre Seite ziehen.
(Analog zu den "SPD-Abweichlern" welche Ypsilantis Linksfront in Hessen verhindert haben)
Zitat von Bernd314Das "ehrliche Spiel" kann man spätestens seit Hessen-Lügilanti eben nicht mehr voraussetzen. Daher riskiert jeder Wähler, dessen Stimme nicht an Schwarz-Gelb geht, über kurz oder Lang tatsächlich die Linksfront. Auf diesen einfachen Nenner müssten CDU/FDP ihre Wahlkampfaussage bringen und würden damit viele "noch demokratisch/bürgerlich" gesinnten Menschen des "rechten Flügels" der rot-grünen Wählerschaft auf ihre Seite ziehen.
Problem dabei: wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, muss die CDU wohl oder übel zurück in die Große Koalition. Und wenn man zuvor die SPD ausführlich als nicht verlässlich beschrieben hat, wird es schwierig, mit ihr zu koalieren und eine solche Koalition zu rechtfertigen. Es ist vielleicht besser, diese Brücken nicht zu früh abzubrechen.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von Bernd314Das "ehrliche Spiel" kann man spätestens seit Hessen-Lügilanti eben nicht mehr voraussetzen. Daher riskiert jeder Wähler, dessen Stimme nicht an Schwarz-Gelb geht, über kurz oder Lang tatsächlich die Linksfront.
Auf diesen einfachen Nenner müssten CDU/FDP ihre Wahlkampfaussage bringen und würden damit viele "noch demokratisch/bürgerlich" gesinnten Menschen des "rechten Flügels" der rot-grünen Wählerschaft auf ihre Seite ziehen.
Das Problem ist - ceterum censeo - daß die SPD ja glaubhaft sagen kann, daß ihr Wahlziel die Ampel ist. Eine Zeitlang, im Frühjahr, wurde das laut propagiert, inzwischen ist es in den Hintergrund getreten. Aber es bleibt das Ziel.
Hätte die FDP im Mai in Hannover per Parteitagsbeschluß die Ampel ausgeschlossen, dann wäre dieses Ziel unglaubhaft. Jeder interessierte Wähler müßte sich dann in der Tat fragen, wie Steinmeier denn Kanzler werden will, wenn nicht mit den Kommunisten.
Es gibt übrigens einen Präzendenzfall: Den Wahlkampf von Johannes Rau im Jahr 1987. Die FDP war damals fest mit der Union verbündet. Johannes Rau konnte also nur hoffen, in einer Koalition mit den Grünen Kanzler zu werden. Diese galten damals aber als nicht koalitionsfähig; übrigens mit exakt derselben Begründung wie heute die Kommunisten: In den Ländern könne die SPD mit den Grünen koalieren. Im Bund sei das aber wegen deren außenpolitischen Zielen ausgeschlossen.
Rau wurde also immer wieder gefragt, wie er den vom Kanzlerkandidaten zum Kanzler werden wolle. Und er hat stereotyp geantwortet, eine Koalition mit den Grünen sei ausgeschlossen und die SPD strebe eine "eigene Mehrheit" an; das war seine Formulierung.
Kaum jemand nahm es Rau ab, daß die SPD eine absolute Mehrheit würde erringen können. Man mußte also entweder davon ausgehen, daß Rau bereits verloren hatte, oder daß er sein Wort brechen und doch mit den Grünen koalieren würde.
Die Folge war das schlechteste Wahlergebnis der SPD im Bund seit 1961. Es waren 37,0 Prozent - ein Wert, von dem die SPD heute nur träumen kann, damals aber ein Desaster.
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