Bei der Analyse von Umfragedaten spielen Unterschiede zwischen Ost und West heute meist nur noch eine geringe Rolle. Dabei sind sie so massiv wie eh und je.
Ja, ich schäme mich ein bissl für meine Mitbürger, obwohl die eigentlich sehr nette Zeitgenossen sind. Das die "Ost-CSU -> die Linke" hier so gut die Stimmen abgreift, ist mir nach 40 Jahren Unfreiheit in der DDR immer noch ein Rätsel. Beim Betrachten dieser Grafik in der Welt nach der Europawahl kam mir sprichwörtlich der Kaffee hoch.
Gruß, Calimero
---------------------------------------------------- ... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.
Berücksichtigt man, dass über 20% der Ostbevölkerung aus dem Osten ausgewandert sind, wundert mich die Entwicklung im Osten nicht. Interessant wäre zu wissen, wie die Abgewanderten wählen.
Geht man davon aus, dass die Abgewanderten dynamischer und erfolgreicher sind als die Daheimgebliebenen, und damit ein distanzierteres Verhältnis zu den Kommunisten, dann gäbe es eine Selektion im Osten. Hinzukommt, dass ohne die Abgewanderten die Dynamik im Osten verloren gegangen ist, was die Hoffnungslosigkeit so mancher Wähler verstärkt. Linke und Rechte müssen nur einsammeln gehen.
In Antwort auf:Die alte Bundesrepublik hat auch jetzt wieder ihre liberalkonservative Mehrheit wie zur Zeit Konrad Adenauers und Helmut Kohls.
Was die Umfragen angeht, ist das richtig. Aber man darf nicht vergessen, wie sehr sich die Parteien seitdem verändert haben. Man muss da die einzelnen Themen für sich betrachten, aber im allgemeinen kann man schon sagen, dass das politische Spektrum insgesamt nach links gerückt ist. Bei der CDU kann man das einmal an Heiner Geissler festmachen. 2005 hat die CDU dann gemerkt, wie wenig Stimmen sie im sogenannten "urbanen Millieu" bekommen hat, also relativ gebildete jüngere Leute in Großstädten, die ja für die Meinungsbildung insgesamt wichtiger sind als ihre zahlenmäßige Stärke verrät. Daraufhin übernahm die Partei viele Positionen der SPD und der Grünen, anscheinend geht man davon aus, die konservativ Stammwähler würden sie sowieso wählen. Dieser Misserfolg von 2005 ist für den relativ links-liberalen Kurs unter Merkel viel wichtiger gewesen als der Umstand, dass sie in einer Koalition mit der SPD regiert. Für diese These spricht jedenfalls, dass in Ländern wie NRW und Niedersachsen schwarz-gelbe Bündnisse ähnliche Politik machen. Was die Wähler der SED/PDS angeht: Zahlenmäßig mag sich nicht allzu viel geändert haben und ich habe auch mal gelesen, dass die Wähler der Kommunisten überdurchschnittlich gebildet und erfolgreich sind. Aus meiner persönlichen Erfahrung kenne ich aber auch einige, welche diese Partei als Verteidigerin ihrer Biografie wählen, sie haben den Eindruck, Kritik an der DDR richte sich gegen sie persönlich. Auf der anderen Seite waren viele Leute früher aus Opportunismus in der SED, die sich heute gar nicht mehr für Politik interessieren oder aber auch anders wählen. Viele Grüße, Chr.
Zitat von Martin Geht man davon aus, dass die Abgewanderten dynamischer und erfolgreicher sind als die Daheimgebliebenen, und damit ein distanzierteres Verhältnis zu den Kommunisten, dann gäbe es eine Selektion im Osten. Hinzukommt, dass ohne die Abgewanderten die Dynamik im Osten verloren gegangen ist, was die Hoffnungslosigkeit so mancher Wähler verstärkt. Linke und Rechte müssen nur einsammeln gehen.
Das ist, wie alle Pauschalisierungen, ein schiefes Bild. Es gehen nicht die Dynamischen, sondern vor allem die Jungen (und da auch nicht alle Dynamiker). Kaum ein Mensch möchte unbedingt seine Heimat verlassen, so ist der Weggang immer ein schwerer Schritt, der genau überlegt sein will.
Man muss das mal so betrachten: Die akademischen High-Potentials müssen vielleicht schon fürs Studium an eine Uni, die sich in einem anderen Bundesland befindet. Da, und auch bei der Arbeitgeberwahl danach ist man eh auf wenige Anbieter beschränkt und findet sich evtl. in der Schweiz, oder den USA wieder. Das ist in Ost und West gleich.
Bei den akademischen Massenfächern (BWL und Laberfächer) stehen die besten Absolventen sicherlich vor der Frage, ob sie "in der Nähe" bleiben wollen, oder ob sie dem Geld hinterher ziehen. Beim großen Rest wird diese Frage wohl eher durch Elternhausnähe entschieden. Wer dann hier nix findet muss sich auf den Weg machen ... es sind also nicht zwingend die Dynamischsten und Besten, die den Osten verlassen.
Bei der betrieblichen Ausbildung wirds dann vollends unübersichtlich. Ich habe auch oft Azubis und ausgelernte Jungfacharbeiter in meiner Schicht. Und die sind die Besten der Besten, da sich mein Betrieb die Leute aussuchen kann. Wenn ich mir so manche Berichte durchlese, in denen "Westbetriebe" über die Qualität ihrer Azubis jammern, kann ich das nicht nachvollziehen. Wir kriegen echt nur "good Stuff" hier im Osten.
Leider können wir nicht allen eine unbefristete Stelle anbieten, aber für die Besten von ihnen haben wir in den letzten Jahren immer was gefunden. Für manche von ihnen auch in unseren West-Dependancen. Glücklich waren die darüber aber meist erstmal nicht.
Zuletzt noch meine Beobachtungen aus Skiurlauben in Österreich: Teilweise halbe Hotelmannschaften kommen aus den Ost-Ländern und sind dort auch beliebte Angestellte. Ich habe die Unterbringung in WG-artigen Quartieren unterm Dach gesehen. Die sind dort nicht gelandet, weil sie dynamisch sind, sondern weil sie in Meck-Pom z.B. einfach nix gefunden haben. Die wollten aber alle, wenn irgend möglich, zurückkommen.
Gruß, Calimero
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ich wollte nicht ein Vorurteil pflegen, dass im Osten keine Dynamik herrscht. Trotzdem haben wir hier im Südwesten beispielsweise eine Menge gut ausgebildeter Ingenieure, die aus dem Osten zugewandert sind, und die - wie Sie richtig bemerken - ihre Ausbildung teilweise bereits an Westunis bekommen haben (ein Kollege in Ilmenau).
Ich erinnere mich aber noch gut einige Jahre zurück, als süddeutsche Betriebe verzweifelt Auszubildende suchten, und Schnuppertouren für Jugendliche aus dem Osten anboten. Mit offensichtlich geringer Resonanz. Das habe ich damas schon auf wenig Dynamik zurückgeführt. Da ich seit zehn Jahren regelmäßig im Brandenburgischen vor Ort die Situation beobachten kann, habe ich schon den Eindruck, dass es - im Schnitt! - eine Selektion gibt. 'dynamisch' mag nicht das passende Adjektiv sein, aber im Vergleich zu hier hängen da deutlich mehr Arbeitsfähige herum.
ich glaube ihnen, dass sie ihre Beobachtungen wirklich am "lebenden Objekt" gemacht haben und daher keine Vorurteile pflegen wollen. Wenn vor (wievielen Jahren?) Azubis nicht auf "Schnuppertouren" südwestdeutscher Konzerne angesprungen sind, finde ich das zumindest merkwürdig, wenn nicht sogar verurteilenswert (wie gesagt, ich glaube ihnen - wirklich!).
Mein Problem bei diesen Ost-Betrachtungen von Westen aus, ist immer das, dass ich sowas selbst nie sehe. Ich kenne (und sehe) ja zum Beispiel keine Nazis, obwohl die hier ja angeblich tonangebend sind. Ich kenne (und sehe) auch keine "rumhängenden" Kids, die sich einer ordentlichen Ausbildung (egal wo) verweigern würden.
Mein Bild ist natürlich nur auf die paar Quadratkilometer beschränkt, in denen ich so unterwegs bin (familiär bedingt ca 50 km südlich von Berlin, arbeitstechnisch bedingt bis kurz vor die sächsische Landesgrenze). Vielleicht sehe ich sowas nicht, weil es mich (und meine Familie) nicht betrifft, vielleicht treibe ich mich nur in der "besseren Gesellschaft" rum ... ich sehe diese Undynamik jedenfalls nicht.
Spontan müsste ich mich gegen die Äußerung, dass "im Brandenburgischen" deutlich mehr Arbeitsfähige "herumhängen", jedenfalls absolut verwehren. Ich habe allerdings nicht ihre Erfahrungen und Informationen. Falls sie mal wieder hier sind können sie mich aber gern kontaktieren, dann gehen wir mal Asis gucken. Mal schauen, ob wir welche finden. ^^
Beste Grüße, Calimero
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