Nein, Daniel Cohn-Bendit hat sich nie einen sexuellen Übergriff zuschulden kommen lassen; jedenfalls ist nichts dergleichen bekannt. Die unappetitlichen Vorwürfe, die in dieser Hinsicht aus der rechtsextremen Szene gegen ihn erhoben wurden, werden - da bin ich sicher - in diesem Thread keine Rolle spielen.
In dem Artikel geht es nicht um die sexuelle Freizügigkeit der Achtundsechziger, sondern um die Vergewaltigung eines Kindes. Und dazu hat Cohn-Bendit erfreulich klare Worte gefunden.
Ich frage mich auch die ganze Zeit ob die Reaktionen vergleichbar wären, hätten jetzt nicht ausgerechnet die USA den Auslieferungsantrag gestellt... Bei Kindesmissbrauch kennt die Öffentlichkeit kein in der Regel Erbarmen, und im Gegensatz zu der Geschichte in der Türkei ist der Fall nun wirklich ziemlich klar.
Zitat von EltovIch frage mich auch die ganze Zeit ob die Reaktionen vergleichbar wären, hätten jetzt nicht ausgerechnet die USA den Auslieferungsantrag gestellt... Bei Kindesmissbrauch kennt die Öffentlichkeit kein in der Regel Erbarmen, und im Gegensatz zu der Geschichte in der Türkei ist der Fall nun wirklich ziemlich klar.
Nein, ist er nicht. Zum einen stellt sich die Frage, ob das Geständnis überhaupt noch verwendet werden darf, da der Richter den Deal gebrochen hat - Fruit of the forbidden tree. Polanski wurde mit dem Versprechen einer sehr, sehr milden Strafe, einer regelrechten Sonderbehandlung, zum Geständnis gelockt. Als er es unterschrieben hatte, wollte der Richter nichts mehr vom Deal wissen, sondern ein pressewirksames und seine Wiederwahl unterstützendes Urteil über 50 Jahre Haft fällen. Polanskis Recht auf einen fairen Prozeß wurde aus niedrigen Beweggründen massiv verletzt. Er wurde hereingelegt.
Das ändert natürlich nichts an der Gültigkeit des Haftbefehls. Es ändert auch nichts daran, daß der entsprechende Staatsanwalt ein Verfahren gegen ihn führen muß. Aber "klar" ist der Fall damit eben nicht.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
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*seufz* Sarkasmus und Forenteiträge mitten in der Nacht mal wieder, ich sollte vielleicht wirklich noch einen Kaffe trinken und den verdammten server fertig machen :/
Was ich eigentlich meinte ist folgendes: Es gibt weitaus mehr Fakten die für seine Schuld sprechen als für eine mediale Hinrichtung normalerweise erforderlich wären. Stattdessen erfährt er eine Welle der Sympathie. Zu den Tatsachen an sich habe ich wenig zu sagen, mir fällt halt auf das hier völlig anders Berichtet wird als es normalerweise bei Vorwürfen bezüglich Kindesmissbrauch der Fall ist.
Die Vorgänge werden meines Wissens Polanski nicht bloß "vorgeworfen". Sie sind in einem Gerichtsverfahren beleuchtet und von Polanski auch eingestanden worden. Dem Urteil hat er sich dann durch Flucht entzogen. Dass Polanski in Europa allerlei Verteidiger findet, die ihm offenkundig einen "Genie-Bonus" zubiligen, zeigt nur, in welch degenerierten Zuständen wir leben. Wer die Vorgänge jedenfalls im Ansatz kennt, wird ihn wohl kaum mehr verteidigen wollen.
Ich finde es erstaunlich, dass Sie Cohn-Bendit für eine Haltung loben, die außerhalb der linken Kultur-Mafia eigentlich völlig selbstverständlich sein sollte. Auch er sagt zur Sache nichts, sondern verlangt nur etwas mehr Zurückhaltung des Justiziministers. Und was die gleich im ersten Post putativ abgewehrten Vorwürfe an Cohn-Bendit selbst angeht: Die kommen mit Sicherheit nicht nur aus der "rechtsextremen Ecke" (mal nebenbei - Ihr Blog linkt immer noch auf PI, richtig?). Auch wenn er sich selbst nicht juristisch strafbar gemacht haben sollte, wird man doch nach der geistigen Zurechnungsfähigkeit von Menschen fragen dürfen, die 5-jährigen zum "freien, selbstbestimmten Ausleben ihrer Sexualität verhelfen" woll(t)en.
Für mich geht es in diesem Fall um drei Punkte: - Der Staat verfolgt gewisse Verbrechen, auch wenn das (überlebende) Opfer keine Anzeige erstattet. - Manche dieser Verbrechen verjähren in manchen Ländern nicht. - Und, weniger wichtig, in diesem Fall die zwischenstaatliche politische Komponente.
Den ersten Punkt halte ich für unstrittig. Es gibt gute Gründe dafür, daß Kapitalverbrechen auch ohne Anzeige verfolgungspflichtig sind.
Doch man könnte darüber nachdenken, ob nach einer gewissen Zeit, zum Beispiel zwanzig Jahren, der Staat von der Verfolgung absieht, wenn das Opfer keine Verfolgung mehr wünscht. Menschen verarbeiten Erlebnisse, Menschen ändern sich. Das staatliche PflichtRecht zur Strafverfolgung ist auch ein Recht im Dienste der Bürger und kein abstraktes Absolutum. Bei den alten NS-Tätern ist es so, daß es Opfer oder Verwandte von Opfern gibt, denen ein Prozess ein Anliegen ist. Bei vielen Mordern wollen die Angehörigen auch nach jahrzehnten noch, daß der Täter schuldig gesprochen wird. Doch wieso soll der Staat die Pflicht haben, etwas zu verfolgen, was das Opfer unstrittig als abgeschlossen ansieht, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, daß die Gesellschaft vom Täter weiter bedroht ist?
In diesem Fall ist die politische Komponente auch wichtig. Es ist ja nicht nur so, daß viele öffentliche Stimmen sich gegen die Auslieferung aussprechen, weil der Täter berühmt ist. Er wurde überhaupt nur verhaftet, weil er berühmt ist.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
Zitat von automatDie Vorgänge werden meines Wissens Polanski nicht bloß "vorgeworfen". Sie sind in einem Gerichtsverfahren beleuchtet und von Polanski auch eingestanden worden.
Zitat von Kaa Doch wieso soll der Staat die Pflicht haben, etwas zu verfolgen, was das Opfer unstrittig als abgeschlossen ansieht ...
Da sollte man nicht vergessen, daß das Opfer von Polanski viel Geld bekommen hat. Was ja erst einmal positiv ist. Aber es darf eben nicht sein, daß man sich so von Strafverfolgung freikaufen kann - schwere Delikte werden vom Staat um ihrer selbst willen verfolgt.
Zitat von ZettelDie unappetitlichen Vorwürfe, die in dieser Hinsicht aus der rechtsextremen Szene gegen ihn erhoben wurden, werden - da bin ich sicher - in diesem Thread keine Rolle spielen.
Welche Vorwürfe meinen Sie? Könnten Sie das vielleicht ausführen?
Davon abgesehen: Wer, wenn nicht der politische Gegner, sollte ein glaubhaftes Interesse daran haben Verfehlungen aufzuzeigen? Die Fraktion der Grünen im Europarlament jedenfalls wohl kaum...
In Antwort auf:Zitat von Zettel -------------------------------------------------------------------------------- Die unappetitlichen Vorwürfe, die in dieser Hinsicht aus der rechtsextremen Szene gegen ihn erhoben wurden, werden - da bin ich sicher - in diesem Thread keine Rolle spielen. --------------------------------------------------------------------------------
Welche Vorwürfe meinen Sie? Könnten Sie das vielleicht ausführen?
Davon abgesehen: Wer, wenn nicht der politische Gegner, sollte ein glaubhaftes Interesse daran haben Verfehlungen aufzuzeigen? Die Fraktion der Grünen im Europarlament jedenfalls wohl kaum...
Lieber Hajo, hier Ausschnitte aus dem Kapitel «Little Big Men», veröffentlicht auf Seite 139 bis 147 des Buchs von Daniel Cohn-Bendit. Ich weiß nicht wieso daß was mit rechtsextremen Vorwürfen zu tun haben soll, wenn man sich selbst outet.
Mein ständiger Flirt mit allen Kindern nahm bald erotische Züge an. Ich konnte richtig fühlen, wie die kleinen Mädchen von fünf Jahren schon gelernt hatten, mich anzumachen. Es ist kaum zu glauben. Meist war ich ziemlich entwaffnet. (...)
Es ist mir mehrmals passiert, dass einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln. Ich habe je nach den Umständen unterschiedlich reagiert, aber ihr Wunsch stellte mich vor Probleme. Ich habe sie gefragt: "Warum spielt ihr nicht untereinander, warum habt ihr mich ausgewählt und nicht andere Kinder?" Aber wenn sie darauf bestanden, habe ich sie dennoch gestreichelt.»
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Zu den ersten, die auf die pädophile Vergangenheit des Europa-Parlamentariers Cohn-Bendit aufmerk- sam geworden sind, gehörte der frühere deutsche Aussenminister Klaus Kinkel. Der Schwabe kämpft seit Jahren gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern.
In einem am 31. Januar 2001 in der Berliner Tageszeitung «B.Z.» publizierten offenen Brief an Cohn- Bendit verlangte Kinkel «eine deutliche Klarstellung, dass es in Kontakt mit den Kindern nie zu unsitt- lichen Berührungen bei Ihnen oder durch Sie gekommen ist». Die Art und Weise, wie sich Cohn-Bendit mit dem so sensiblen Thema, bei dem es um eine zentrale Frage der Moral geht, auseinandersetzt, lasse sich, so Kinkel, «weder mit der damaligen Situation der antiautoritären Kindererziehung noch mit Naivität erklären».
In Antwort auf:Zum einen stellt sich die Frage, ob das Geständnis überhaupt noch verwendet werden darf, da der Richter den Deal gebrochen hat
Der vermutlich schriftlich geschlossen wurde, wie es bei Deals üblich ist.
In Antwort auf:Polanskis Recht auf einen fairen Prozeß wurde aus niedrigen Beweggründen massiv verletzt. Er wurde hereingelegt.
Zunächst mal macht in aller Regel kein Richter Versprechungen, sondern der D.A. Und der darf soviel hereinlegen, wie er will. Wenn die Aussage richtig ist, dass Polanski ein niedriges Urteil als Gegenleistung für sein Geständnis versprochen wurde, dann wird sich das sicher schriftlich beweisen lassen. Und selbst dann wäre der Richter nicht daran gebunden. Allerdings würde ich vermuten das überhaupt nichts schriftliches vorliegt. Denn dann wäre Polanski damals schon nicht gerannt.
Interessant ist dabei auch die Frage inwieweit ein solcher Deal, so er denn überhaupt existierte, heute noch angeführt werden kann, da Polanski ihn ja durch Flucht gar nicht eingefordert hat. Auch die Flucht dürfte sich strafverschärfend auswirken.
In Antwort auf:Doch wieso soll der Staat die Pflicht haben, etwas zu verfolgen, was das Opfer unstrittig als abgeschlossen ansieht, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, daß die Gesellschaft vom Täter weiter bedroht ist?
Weil Strafe und Sanktion ebenso aus Abschreckungsgründen verhängt werden. Es gibt drei Motive für Strafverfolgung: Gerechtigkeit, Abschreckung und Schutz. Selbst wenn das Opfer keine Gerechtigkeit mehr einfordert und keine Bedrohung mehr vorliegt, bleibt das Abschreckungsmotiv. Und ich für meinen Teil meine, das man Menschen, die auch nur daran denken ein Kind unter Drogen zu setzen und zu vergewaltigen, immer eine deutliche Botschaft vor Augen halten sollten, was darauf steht. Und nicht, dass sie damit davonkommen, wenn sie nur berühmt genug sind.
Zitat von automatDie Vorgänge werden meines Wissens Polanski nicht bloß "vorgeworfen". Sie sind in einem Gerichtsverfahren beleuchtet und von Polanski auch eingestanden worden. Dem Urteil hat er sich dann durch Flucht entzogen.
Stimmt.
Zitat von automatDass Polanski in Europa allerlei Verteidiger findet, die ihm offenkundig einen "Genie-Bonus" zubiligen, zeigt nur, in welch degenerierten Zuständen wir leben. Wer die Vorgänge jedenfalls im Ansatz kennt, wird ihn wohl kaum mehr verteidigen wollen. http://www.independent.co.uk/opinion/com...id-1794717.html
Aber zumindest in Frankreich wird er eben verteidigt. Man kann vermuten, daß da manches Schema eine Rolle spielt - aufgeklärte Europäer vs. bornierte Amrikaner, wildgewordene Sheriffs usw.
Zitat von automatIch finde es erstaunlich, dass Sie Cohn-Bendit für eine Haltung loben, die außerhalb der linken Kultur-Mafia eigentlich völlig selbstverständlich sein sollte.
Kouchner und Mitterand sind Minister im Kabinett Sarkozy; zuständig für Äußeres und für Kultur.
In Antwort auf:Doch wieso soll der Staat die Pflicht haben, etwas zu verfolgen, was das Opfer unstrittig als abgeschlossen ansieht, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, daß die Gesellschaft vom Täter weiter bedroht ist?
Weil Strafe und Sanktion ebenso aus Abschreckungsgründen verhängt werden. Es gibt drei Motive für Strafverfolgung: Gerechtigkeit, Abschreckung und Schutz. Selbst wenn das Opfer keine Gerechtigkeit mehr einfordert und keine Bedrohung mehr vorliegt, bleibt das Abschreckungsmotiv. Und ich für meinen Teil meine, das man Menschen, die auch nur daran denken ein Kind unter Drogen zu setzen und zu vergewaltigen, immer eine deutliche Botschaft vor Augen halten sollten, was darauf steht. Und nicht, dass sie damit davonkommen, wenn sie nur berühmt genug sind.
Ich freue mich, lieber Llarian, daß wir beide einmal völlig einer Meinung sind. Das müßte eigentlich gefeiert werden.
Zitat von LlarianUnd ich für meinen Teil meine, das man Menschen, die auch nur daran denken ein Kind unter Drogen zu setzen und zu vergewaltigen, immer eine deutliche Botschaft vor Augen halten sollten, was darauf steht. Und nicht, dass sie damit davonkommen, wenn sie nur berühmt genug sind.
Ja, und irgendwann muß etwas verjähren. Soweit ich weiß verjährt in Deutschland alles bis auf Völkermord.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
Welche Tatbestände innerhalb welcher Fristen verjähren sollten, ist innerhalb der jeweils gültigen Rechtsordnung zu beurteilen. Vergewaltigung verjährt in Kalifornien offenbar gar nicht, oder die Frist ist länger als 32 Jahre. Bei uns hingegen wäre der Fall bereits verjährt. Für beide Regelungen lassen sich sicherlich Argumente finden; man mag die eine oder andere für richtig halten. Dass Vergewaltigung unbedingt verjähren muss, wie Sie apodiktisch feststellen, sehe ich nicht.
Eine Frage noch an die Mitdiskutanten: Die USA hätten, so schreibt die englische Wikipedia zu dem Fall, eine Strafverfolgung Polanskis in Frankreich beantragen können, scheinen dies aber nicht getan zu haben. Kann sich jemand erklären, warum nicht? Welche Stellen hätten einen solchen Antrag an wen stellen müssen?
In Antwort auf:Ja, und irgendwann muß etwas verjähren.
Ähhhh, warum ?
Thomas Wolf hat es ja gerade auf den Punkt gebracht, in den USA ist dem offensichtlich nicht so. Und ich kann daran nichts schlimmes erkennen. Ich frage mich, warum überhaupt ein Verbrechen gegen Leib und Leben jemals verjähren sollte. Ich meine das "sollte" im Sinne von: Warum muss das so sein ? Verjährungen schaffen Sicherheit in der Rechtsordnung, aber warum sollte man jemandem, der Verbrechen gegen Leib und Leben eines anderen begeht, jemals diese Sicherheit verschaffen ? Ich sehe dafür einfach keinen Grund. Und das Argument oben möchte ich auch noch einmal aufgreifen: Was für eine Botschaft sendet denn das ? Man muss nur lange genug entkommen, dann muss man sich mit solchen Lappalien wie der Vergewaltigung eines Kindes nicht mehr auseinandersetzen ?
Betrachten wir es mal abseits von allem Rechtsklamauk und zwischenstaatlichen Verträgen: Hier hat jemand ein Kind vergewaltigt und sich der Verfolgung per Flucht entzogen. Und jetzt bekommt man ihn nach vielen Jahren. Wenn etwas daran skandalös ist, dann doch eher die Tatsache, dass er so lange Sicherheit genoss und auch noch mit Ruhm überschüttet wurde. Wir sprechen doch hier nicht von einem Taschendieb, herrschaftszeiten.
es liegt doch in der Natur der Diskussion, dass man nur den Dissenz sieht. Gestehen Sie mir die Schwäche zu, es in den unzähligen Fällen, wo wir der selben oder ähnlichen Meinung sind, einfach schweigend und innerlich nickend hinzunehmen. Das wir in letzter Zeit einen etwas dickeren Dissenz über den inneren Aufbau des Rechtsstaates haben, sollte nicht darüber hinwegtäuschen.
Weil es nicht immer so ist, einmal ein Mörder, immer ein Mörder, einmal ein Vergewaltiger, immer ein Vergewaltiger. Gerade junge Menschen begehen Taten, teilweise auch Verbrechen, die sie sich zehn Jahre später nicht einmal mehr vorstellen können, getan zu haben. Sie haben sich verändert. Und auch ältere Menschen verändern sich manchmal.
Der Täter, auch in diesem Fall hat sich ein Leben aufgebaut, vielleicht ein gutes Leben. Andere Menschen sind in dieses Leben involviert, anderen Menschen ist er wichtig. Woher nimmt sich ein Staat das Recht, in einem Fall wo keine Gefahr der Widerholung mehr besteht, so schwerwiegend in dieses Leben einzugreifen, wenn es kein Betroffener mehr will. Das einzige Argument das bestehen bleiben kann, ist die Abschreckung - daß niemand hoffen kann, wenn er das tut, hat er überhaupt die Chance damit davonzukommen. Das Argument will ich in diesem Beitrag nicht diskutieren, denn darum geht es mir jetzt nicht.
Besonders schlimm finde ich es, einen alten Menschen für viele Jahre ins Gefängnis zu stecken. Ein junger oder mittelalter Mensch kann die Perspektive haben, daß er noch ein draußen erleben kann. Ein alter Mensch wird aller Wahrscheinlichkeit nach im Gefängnis sterben. Für etwas, daß er gemacht hat, als er noch ein anderer war. Das weiß ich bei Polanski nicht, doch darum geht es nicht. Es sieht so aus, als hätte er nicht mit dem Vergewaltigen weitergemacht. Aber wie kann man als Mensch zustimmen, das Recht, gar die Verpflichtung einem anderen Menschen für eine lange vergangene Tat im Gefängnis sterben zu lassen einem Abstraktum zu übergeben, aufzutragen?
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
Zitat von Llarianes liegt doch in der Natur der Diskussion, dass man nur den Dissenz sieht. Gestehen Sie mir die Schwäche zu, es in den unzähligen Fällen, wo wir der selben oder ähnlichen Meinung sind, einfach schweigend und innerlich nickend hinzunehmen. Das wir in letzter Zeit einen etwas dickeren Dissenz über den inneren Aufbau des Rechtsstaates haben, sollte nicht darüber hinwegtäuschen. In diesem Sinne.
Sie gehören, lieber Llarian, zu denen, mit denen ich am liebsten und also am hartnäckigsten diskutiere. Weil ich Ihre Position nachvollziehen kann, weil sie ja in meinem liberalkonservativen Vermittlungsausschuß eine der Stimmen ist.
Die Fruchtbarkeit einer Diskussion als Funktion der Nähe/Ferne der Position ist wohl eine umgekehrt U-förmige Funktion. Wenn man einig ist, ist es langweilig. Wenn man in verschiedenen politischen Lagern steht, ist es meist unersprießlich. Dazwischen ist es spannend.
Zitat von KaaBesonders schlimm finde ich es, einen alten Menschen für viele Jahre ins Gefängnis zu stecken. Ein junger oder mittelalter Mensch kann die Perspektive haben, daß er noch ein draußen erleben kann. Ein alter Mensch wird aller Wahrscheinlichkeit nach im Gefängnis sterben. Für etwas, daß er gemacht hat, als er noch ein anderer war. Das weiß ich bei Polanski nicht, doch darum geht es nicht. Es sieht so aus, als hätte er nicht mit dem Vergewaltigen weitergemacht. Aber wie kann man als Mensch zustimmen, das Recht, gar die Verpflichtung einem anderen Menschen für eine lange vergangene Tat im Gefängnis sterben zu lassen einem Abstraktum zu übergeben, aufzutragen?
Ich kann Ihre Argumente durchaus nachvollziehen. Aber erstens ist es überhaupt nicht klar, dass Polanski tatsächlich eine lange Haftstrafe bekommen wird. Zweitens hätte er sich genau diese Gedanken des "in der Haft sterben" 32 Jahre lang machen und sich stellen können. Und drittens: stimmt, es ist schlimm, einen alten Menschen für viele Jahre ins Gefängnis zu stecken. Aber deutlich schlimmer finde ich es, ein Mädchen von 13 Jahren unter Drogen zu setzen und zu vergewaltigen. Das sollte man hier nicht aus den Augen verlieren.
-- Las ideas tontas son inmortales.
Cada nueva generación las inventa nuevamente. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von GorgasalUnd drittens: stimmt, es ist schlimm, einen alten Menschen für viele Jahre ins Gefängnis zu stecken. Aber deutlich schlimmer finde ich es, ein Mädchen von 13 Jahren unter Drogen zu setzen und zu vergewaltigen. Das sollte man hier nicht aus den Augen verlieren.
Und was ist Ihr Part? Und der aller hier, die Ihrer Meinung sind? Sie wollen, daß der Staat die Aufgabe für Sie erledigt. Nocheinmal: Es gibt keinen menschlichen Grund dafür, weil das Opfer es nicht will. Es kann also nur noch den Grund der Abschreckung geben. Und ich lese hier bei den meisten Befürwortern etwas anderes heraus, einen persönlichen Grund. Es scheint mir, als stecke da auch drin, daß sie möchten, daß der Staat für sie rächt.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
das sind alles Fragen, zu denen ich keine abgeschlossene Meinung habe. Fragen der Abwägung, auch des Konflikts zwischen Werten.
Zitat von KaaWeil es nicht immer so ist, einmal ein Mörder, immer ein Mörder, einmal ein Vergewaltiger, immer ein Vergewaltiger. Gerade junge Menschen begehen Taten, teilweise auch Verbrechen, die sie sich zehn Jahre später nicht einmal mehr vorstellen können, getan zu haben. Sie haben sich verändert. Und auch ältere Menschen verändern sich manchmal.
Wahrscheinlich gibt es auch viele Täter, die schon am Tag nach der Tat vor dem erschaudern, um den altmodischen Begriff zu verwenden, was sie getan haben.
Ist jemand am nächsten Tag noch derselbe? Wie steht es überhaupt mit diesem Konstrukt des verantwortlichen Ich, das dieselbe Substanz bleibt, wie sehr auch die Akzidenzien sich ändern?
Substanz und Akzidenz: Das sind Schlüsselbegriffe der abendländischen Philosophie seit Aristoteles. Das, was unveränderlich ist, was Bestand hat. Und das, was sich daran heftet. Was besteht und verschwindet, was mal so und mal so ist.
Ich weiß das nicht. Ich kann mir schwer vorstellen, daß ich jemals jemanden wie Polanski sympathisch finden kann; ich glaube nicht, daß jemand, der sich ein Kind durch Rauschgift sexuell gefügig gemacht hat, sich so ändern kann, daß er ein anderer wird.
Aber unser Recht unterscheidet nicht zwischen Substanz und Akzidenz. Jemand ist grundsätzlich sein Leben lang für alles verantwortlich, was er jemals getan hat. Verjährung hat, glaube ich, weniger mit Verantwortlichkeit zu tun als damit, daß irgendwann kein Beweis mehr zu erbringen ist.
Zitat von KaaBesonders schlimm finde ich es, einen alten Menschen für viele Jahre ins Gefängnis zu stecken.
Ja, diese Frage habe ich mir auch bei Demianuk gestellt. Auch bei Erich Priebke.
Es gibt einen Punkt, wo die Gerechtigkeit ins Absurde umschlägt. Pierre Laval hatte versucht, sich das Leben zu nehmen. Ihm wurde der Magen ausgepumpt, und er wurde halbtot zur Exekution geschleppt.
Ich weiß nicht, liebe Kaa, wo da die Grenze zwischen Gerechtigkeit und Mitleid liegt. Mir scheint nur, daß im Fall Polanski diejenigen, die sich für ihn einsetzen, nicht aus Mitleid handeln.
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