Die FDP verdankt ihr exzellentes Wahlergebnis Wechselwählern, die sie von der Union, aber auch der SPD gewonnen hat. Diese sind aber zugleich - darauf weist Detmar Döring hin, dessen Kommentar das Zitat des Tages entnommen ist - eine Wählergruppe, die die FDP langfristig an sich binden kann: die "Mitte der Gesellschaft"; die Leistungsträger vom Facharbeiter bis zum Selbständigen.
Ich sehe das Wahlergebnis optimistischer als viele andere: Es kann gelingen, diesen Gruppen der Leistungsträger wieder zu der gesellschaftlichen Dominanz (und damit auch der Dominanz im öffentlichen Diskurs) zu verhelfen, die sie seit 1998 verloren hatte.
Also laut der Linken, hat sich die Wählerbasis der FDP nicht verändert. Es sind noch immer die Besserverdienenden, nur gehören inzwischen auch die Facharbeiter mit Durchschnittsgehalt dazu.
Aber ernsthaft, es ist eine gute Entwicklung, die die FDP in den letzten Jahren genommen hat, und sollte sie in der Lage sein, nur die Hälfte dessen, was sie im Wahlkampf versprochen haben, durchzusetzen, sollte die Entwicklung, und die damit einhergehende Vergrößererung der Wählerbasis, weiter zunehmen. Allein, ich habe meine Zweifel.
Die Frage ist auch, in welchem Gebiet die FDP ihre Wahlversprechen "brechen" kann, bzw. wo sie Kompromisse eingehen kann ohne an den Pranger gestellt zu werden. Ich befürchte, die FDP wird in den Bürgerrechten einknicken, um ein paar wirtschaftliche Reformen durchzukriegen, wie sie es immer getan hat. Aber vielleicht dieses mal nicht, schließlich würde es die Entwicklung der letzten 10 Jahre schlagartig zu nichte machen.
Die inhaltlichen Ziele des "Projekts 18" wurden offenbar erreicht. Die FDP ist nicht mehr im 5% Ghetto, sie wird nicht als Aerzte-Anwaelte-Apothekerpartei wahrgenommen (Kann es sein, dass Anwaelte eher bei der SPD zu finden sind/waren?). Die Zahl 18 wurde zwar nicht erreicht, aber '18' war nur der Aufhaenger einer (politischen) Strategie. Und ja, warum bei 18 (bzw. 15) verweilen? Mal sehen, ob die FDP-Fuehrung soviel politisches Geschick (oder zumindest gute Berater) hat, um ihre Position weiter auszubauen.
P.S. Ich halte es durchaus fuer moeglich, dass es in den Koalitionsverhandlungen Nebenvereinbarungen oder stille Ubereinstimmungen gibt, die nicht oeffentlich kommuniziert werden und erst nach der Wahl in NRW in Angriff genommen werden. Allerdings halte ich die SPD bis dahin nicht fuer Kampangefaehig.
Die FDP ist momentan die einzige Partei, die "die Mitte der Gesellschaft" zu vertreten verspricht. Sie hat dafür genau vier Jahre Zeit. Wenn sie es jetzt verbockt, gibt es keine wählbare Partei mehr.
Die Linke sammelt die frustrierten "Verlierer" jeglicher Couleur auf; die Grünen die gutmeinenden Besserverdiener (gerne staatsnah beschäftigte "LOHAS"); die SPD ihre eigenen Mitglieder und die müden Traditionswähler. Die Union kann sich auch nur noch auf ihre Traditionswähler, frustrierte Konservative, Christen und strategisch wählende Mitbürger verlassen.
Hoffnung sehe ich wirklich nur noch bei der FDP ... man wird halt sehen, ob die Hoffnung trägt, oder man da auch enttäuscht wird.
Gruß, Calimero
---------------------------------------------------- ... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.
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Zitat von CalimeroDie Linke sammelt die frustrierten "Verlierer" jeglicher Couleur auf; die Grünen die gutmeinenden Besserverdiener (gerne staatsnah beschäftigte "LOHAS"); die SPD ihre eigenen Mitglieder und die müden Traditionswähler. Die Union kann sich auch nur noch auf ihre Traditionswähler, frustrierte Konservative, Christen und strategisch wählende Mitbürger verlassen.
Hoffnung sehe ich wirklich nur noch bei der FDP ... man wird halt sehen, ob die Hoffnung trägt, oder man da auch enttäuscht wird.
So sehe ich das auch, lieber Calimero.
Wir stehen meines Erachtens vor einem dritten Umbruch unseres Parteiensystems.
In den ersten Jahren der Bundesrepublik gab es ein Vielparteiensystem, wie es für das Verhältniswahlrecht typisch ist. Im ersten deutschen Bundestag waren neben der Union, der SPD und der FDP auch die KPD, die konservative Deutsche Partei (DP), das Zentrum, die Bayernpartei und die Wirtschaftliche Wiederaufbau-Partei (WAV) vertreten, aus der dann der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) hervorging. Wie man hier sehen kann, gingen damals fast alle Direktmandate aus Altbayern an die Bayernpartei; die DP eroberte einen großen Teil Niedersachsens; die FDP hatte rund ein Dutzend Direktmandate, vor allem in Nordhessen.
Aus diesem Vielparteiensystem wurde in der Folgezeit ein Dreiparteiensystem, mit den übermächtigen Volksparteien Union und SPD und einer schwachen FDP, die meist unter zehn Prozent lag, manchmal nur knapp über fünf Prozent. Das war der erste Umbruch in unserem Parteiensystem.
Der zweite, kleinere Umbruch, war das Auftauchen der Grünen. Nun gab es zwei große und zwei kleine Parteien und damit zwei "Lager" aus je zwei Parteien. Die Großen waren immer noch Volksparteien und die Kleinen Klientelparteien (der "Besserverdienenden", der Ökos).
Mit dem Erstarken der Kommunisten und als Folge der vergangenen Großen Koalition hat sich das geändert; wir haben jetzt den dritten Umbruch. Er führt zurück zu einem Vielparteiensystem; die Volksparteien sind Vergangenheit.
Wer sich in Zukunft wieviel von dem jetzt neu zu teilenden Kuchen abschneidet, ist völlig offen; zumal es in der Logik der jetzigen Entwicklung läge, daß eine konservative Partei rechts von der Union auftritt. Eine entsprechende Parteigründung hätte meines Erachtens exzellente Chancen. (Nur müßte es eine Neugründung sein, in der untadelige Demokraten wie, sagen wir, Meinhard Miegel und Friedrich Merz vertreten sind und die jede Nähe zum Rechtsextremismus so eindeutig ausschließt, wie das zB für die konservativen Parteien in Frankreich selbstverständlich ist).
Die FDP hat in dieser neuen Parteienlandschaft die Chance, zur Partei des Mittelstands zu werden; zur Partei der Leistungsorientierten.
Herzlich, Zettel
Nachtrag: Inzwischen habe ich diesen Beitrag für den aktuellen Artikel in ZR kannibalisiert.
Jetzt nur mal wild gesponnen folgendes FDP-Optimal-Szenario:
Schritt 1: Die SPD verhält sich so blöd wie angekündigt und positioniert sich inhaltlich deutlich linker als bislang. Die "Mitte" gibt sie damit auf. Schritt 2: Die Union erkennt ihre Chance und rückt ihrerseits nach links um dadurch für das "bürerliche Lager" die Mehrheiten zu sichern. Schritt 3: Die FDP bleibt in etwa wo sie ist und ist damit die einzige "nicht-sozialdemokratische Partei". Mit dieser Alleinstellung wird sie noch stärker.
Insgesamt wird durch diese Manöver die Union in etwa weiter gleich viele Stimmen bekommen, die SPD wird schrumpfen, die FDP wird weiter wachsen.
Schritt 4: Bei der nächsten oder übernächsten Bundestagswahl landet die FDP mit 22% leicht vor der SPD mit 21,5%. Union 32%, Grüne scheitern an der 5%-Hürde, Linkspartei 11%.
Daraufhin einigen sich FDP und SPD auf eine Koalition. Die FDP darf als stärkere Partei den Kanzler stellen.
Unwahrscheinlich? Sicher. Aber nicht unmöglich. Spannende Zeiten...
Zitat von FlorianSchritt 4: Bei der nächsten oder übernächsten Bundestagswahl landet die FDP mit 22% leicht vor der SPD mit 21,5%. Union 32%, Grüne scheitern an der 5%-Hürde, Linkspartei 11%. Daraufhin einigen sich FDP und SPD auf eine Koalition.
Naja, in Ihrem Szenario hätten FDP und SPD ja noch weniger miteinander gemein als jetzt. Ich denke, wir müssen mit dem ersten FDP-Kanzler schon darauf warten, dass die FDP die CDU überholt. Das kann auch noch kommen.
-- Las ideas tontas son inmortales.
Cada nueva generación las inventa nuevamente. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
"Naja, in Ihrem Szenario hätten FDP und SPD ja noch weniger miteinander gemein als jetzt. "
Richtig. Aber man muss auch die Anreizsituation sehen: Die FDP wäre Kanzlerpartei statt Juniorpartner der Union. (Und beide Parteien wären aus FDP-Sicht lediglich verschiedene sozialdemokratische Schattierungen). Und die SPD wäre Regierungspartei statt Oppositionspartei.
Ist natürlich trotzdem nur eine wilde Spekulation. Aber irgendwie witzig, dass solch ein Szenario mittlerweile zumindest denkbar geworden ist.
Zitat von Florian"Naja, in Ihrem Szenario hätten FDP und SPD ja noch weniger miteinander gemein als jetzt. " Die FDP wäre Kanzlerpartei statt Juniorpartner der Union. (Und beide Parteien wären aus FDP-Sicht lediglich verschiedene sozialdemokratische Schattierungen).
"Schattierungen" ist gut. Die SPD steuert mit ihrem Jusokader stramm auf einen gemäßigt-kommunistischen Kurs zu. Da sind dann Stützpfeiler beider Seiten - Stamokap, staatliche Lohnfestlegungen und Planwirtschaft auf der einen und freie Marktwirtschaft auf der anderen - so unvereinbar, daß diese Koalition mindestens den einen oder den anderen, vermutlich aber beide, schwer schädigen würde.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
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