Es gibt in diesem Forum bereits einen - von Nola eröffneten - Thread zum Tod von Robert Enke. Ich habe mich an dortigen Diskussion nicht beteiligt und auch in ZR nichts dazu geschrieben, weil ich zum einen keine eigene Betroffenheit empfand und weil ich zum anderen nichts wußte, was ich gedanklich hätte beitragen können.
Wenn ich jetzt doch zur heutigen Trauerfeier einen Artikel geschrieben habe, dann deshalb, weil mir das Ausmaß der öffentlichen Betroffenheit, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte, einige Überlegungen wert zu sein schien.
Sicherlich ist der Tod Enkes äußerst tragisch, aber man muß sich auch mal die Gedanken darüber machen, wie die Medien einen wahnsinnigen Wahn veranstalten. War die Berichterstattung am Tag 1 nach Enkes Selbstmord noch gerechtfertigt, ist es zu einer wahren Obsession ausgebrochen, wie auch schon bei Michael Jackson. Es erinnert mich in gewisser Weise an Orwells' Haßwoche, mit einem anderen Hintergrund.
Ich habe das Gefühl, es entsteht oder besteht eine breite Masse in der Bevölkerung, die nur auf neue Hypes aus der Medienwelt wartet. Eine Gruppe, die darauf erpicht ist, sich als trauernde darzustellen. Dies geht einher mit der allgemeinen Bewegung him zum narzisstischen und voyeuristischen. Diese Menschen, so scheint es mir, verhalten sich allem gegenüber gleichgültig, wenn es nicht von den Medien zum nächsten großen Staatsereignis wird.
Wenn man sich die Entwicklung von Jackson zu Enke anschaut, frage ich mich, wo dieser kollektivistische Trauerwahnsinn enden wird.
Und wenn ich ganz ehrlich sein darf, muß ich mich fragen, ob Robert Enke diese Trauer überhaupt verdient hat. Sie haben vor wenigen Monaten ein Kind adoptiert wider besseren Wissens, wenn Enke doch schon seit Jahren depressiv gewesen sein soll. Jetzt überläßt Enke seiner Frau dem Schicksal, als ob sie nicht genug durch den Verlust des ersten Kindes zu leiden hätte. Hinzu kommt noch die Art des Selbstmordes. Das Springen vor einen Zug ist kein heroischer letzter Akt, sondern eine Aktion, die mehr als nur sich selbst betrifft und schädigt.
Zitat von NumpySicherlich ist der Tod Enkes äußerst tragisch, aber man muß sich auch mal die Gedanken darüber machen, wie die Medien einen wahnsinnigen Wahn veranstalten. War die Berichterstattung am Tag 1 nach Enkes Selbstmord noch gerechtfertigt, ist es zu einer wahren Obsession ausgebrochen, wie auch schon bei Michael Jackson.
Stimmt schon, lieber Numpy. Aber mir scheint, daß die Medien immer nur etwas verstärken können, was schon da ist.
Die Kunst der Journalisten von "Bild" besteht zum Beispiel darin, genau das bündig und oft witzig überzeichnet auszudrücken, was viele Menschen empfinden. "Gott hat mitgebohrt", "Wir sind Papst".
Zitat von NumpyIch habe das Gefühl, es entsteht oder besteht eine breite Masse in der Bevölkerung, die nur auf neue Hypes aus der Medienwelt wartet. Eine Gruppe, die darauf erpicht ist, sich als trauernde darzustellen. Dies geht einher mit der allgemeinen Bewegung him zum narzisstischen und voyeuristischen. Diese Menschen, so scheint es mir, verhalten sich allem gegenüber gleichgültig, wenn es nicht von den Medien zum nächsten großen Staatsereignis wird.
Ich habe mit dem Begriff der "breiten Masse" meine Schwierigkeiten. Wer von uns gehört denn nicht dazu?
Mir scheint, daß die Menschen, die von diesem Tod tief erschüttert waren, nur eine natürliche menschliche Empfindung hatten. Warum diese so tief war, das habe ich ja in dem Artikel zu erklären versucht.
Zitat von NumpyUnd wenn ich ganz ehrlich sein darf, muß ich mich fragen, ob Robert Enke diese Trauer überhaupt verdient hat. Sie haben vor wenigen Monaten ein Kind adoptiert wider besseren Wissens, wenn Enke doch schon seit Jahren depressiv gewesen sein soll. Jetzt überläßt Enke seiner Frau dem Schicksal, als ob sie nicht genug durch den Verlust des ersten Kindes zu leiden hätte. Hinzu kommt noch die Art des Selbstmordes. Das Springen vor einen Zug ist kein heroischer letzter Akt, sondern eine Aktion, die mehr als nur sich selbst betrifft und schädigt.
Ja, das kann man alles demjenigen vorwerfen, der so verzweifelt ist, daß er sich das Leben nimmt. Ich kann das nicht.
Zitat von zettelJa, das kann man alles demjenigen vorwerfen, der so verzweifelt ist, daß er sich das Leben nimmt. Ich kann das nicht.
Ich auch nicht. Ich finde auch nicht das man das tun sollte. Als hätte sich der Mann darüber keine Gedanken gemacht. Er wird das abgewogen haben; und am Ende hat er entschieden das es eben nicht mehr geht. Die Depressionen müssen wirklich sehr schlimm gewesen sein, denn es gibt mittlerweile sehr wirksame Medikamente dagegen.
Zitat von NumpyUnd wenn ich ganz ehrlich sein darf, muß ich mich fragen, ob Robert Enke diese Trauer überhaupt verdient hat. Sie haben vor wenigen Monaten ein Kind adoptiert wider besseren Wissens, wenn Enke doch schon seit Jahren depressiv gewesen sein soll. Jetzt überläßt Enke seiner Frau dem Schicksal, als ob sie nicht genug durch den Verlust des ersten Kindes zu leiden hätte. Hinzu kommt noch die Art des Selbstmordes. Das Springen vor einen Zug ist kein heroischer letzter Akt, sondern eine Aktion, die mehr als nur sich selbst betrifft und schädigt.
Zitat von ZettelJa, das kann man alles demjenigen vorwerfen, der so verzweifelt ist, daß er sich das Leben nimmt. Ich kann das nicht.
Ich kenne nicht alle Abgründe, in die man geraten kann. Es ist aber sinnvoll, denke ich, zumindest die Erwartung aufrechtzuerhalten, daß man sich auch in einer solchen Situation über die Folgen seines Tuns im Klaren sein soll. Etwas mehr von dieser Sekundärtugend "Pflichtbewustsein", die ja laut Lafontaine insbesondere für Lagerkommandanten erforderlich sein soll, wäre nicht schlecht. Und um noch gleich eine schlimme "Gender-Sünde" zu begehen - insbesondere von Männern würde ich das erwarten.
Das Wort "Vorwurf" trifft es aber nicht, Erwartung, Enttäuschung und ein Fragezeichen für das Unbekannte würde für mich zutreffen.
Zitat von UngeltIch kenne nicht alle Abgründe, in die man geraten kann. Es ist aber sinnvoll, denke ich, zumindest die Erwartung aufrechtzuerhalten, daß man sich auch in einer solchen Situation über die Folgen seines Tuns im Klaren sein soll.
Das sind diejenigen, die sich selbst töten, ja in der Regel. Sie sind trotzdem so verzweifelt, daß sie sich töten.
Sie tun es, weil sie nicht mehr weiterleben können. Und jetzt sollen wir den moralischen Zeigefinger heben?
In Antwort auf:Wer als Torwart von Hannover 96 nicht depressiv wird, der muss einen ernsthaften Schaden haben.
Ach Jottchen. Witze dieses Kalibers können Sie hundertfach im Web finden. Hier wünsche ich mir etwas mehr Substanz.
Herzlich, Zettel
Ich finde eigentlich, dass derartige Witze im Angesicht des medialen Overkills der letzten Tage und angesichts der von allerlei Journalisten aus allerlei höchst unterschiedlichen Gründen und Motivlagen heraus geschändeten Leiche des Robert E. enorme Substanz haben. Sie können jedenfalls das Feuer, das in den letzten Tagen aus allen Kanälen kam, kaum im Niveau unterbieten.
Aber mir scheint, daß die Medien immer nur etwas verstärken können, was schon da ist.
Die Kunst der Journalisten von "Bild" besteht zum Beispiel darin, genau das bündig und oft witzig überzeichnet auszudrücken, was viele Menschen empfinden. "Gott hat mitgebohrt", "Wir sind Papst".
Die Formulierung, die Medien könnten "immer nur etwas verstärken", scheint mir zweifelhaft zu sein. Es besteht keine Beweisnot, wenn es darum geht, Beispiele zu nennen, wo Medien Stimmungen herbeigeführt haben, die in dieser Form nicht "schon da" waren. Nehmen wir das noch gut erinnerliche Beispiel des Todes von Michael Jackson und die daraus entstandene massenmediale Inszenierung: Natürlich hatte Jackson einen weltweiten Stamm treuer Fans, auch lange nachdem seine künstlerische Blütezeit vorbei war. Und natürlich respektieren ihn viele Musikliebhaber bis heute als eine kontroverse, herausragende Persönlichkeit des Musikgeschäfts.
Aber dass das "Trauerpotential" schon als kollektive Trauerhysterie angelegt gewesen sei, halte ich für, sagen wir, eine sehr gewagte These. Die Medien verstärken nicht nur, indem sie für eine Tendenz Partei ergreifen; in manchen, oftmals gewichtigen Fällen vermögen sie auf den Lauf der Dinge Einfluss zu nehmen, d.h. die Richtung zu bestimmen. Die Voraussetzung für dieses Phänomen medialer Einflussnahme ist die unkritische Medienhörigkeit allzu vieler Bürgerinnen und Bürger. Aber das ist ein Thema, das gesondert zu diskutieren wäre.
Die Möglichkeit medialer Hysterieproduktion ist meines Erachtens auf Ereignisse mit politischer Tragweite ebenso anwendbar wie auf die Selbsttötung eines deutschen Fußballers.
Denn was sich im Rahmen der Trauerfeier für Robert Enke und der ebendiese Trauerfeier umrankenden Berichterstattung abspielt, ist unzweifelhaft als hysterisch zu bezeichnen. Ich empfinde diese Aufbauschung einer privaten Tragödie zu einer kollektiven Trauerangelegenheit nicht nur als unpassend, sondern als Ausdruck mangelnden Respekts gegenüber einem Toten.
Die Selbsttötung Robert Enkes ist eine private Tragödie. Es ist schön und rührend, wenn sich Fans und ehemalige Mitspieler mit netten Worten von ihm verabschieden. Und dass nunmehr ins Gedächtnis gerufen wird, dass der gesellschaftliche Umgang mit psychischen Erkrankungen verbesserungswürdig ist, kann ich ebenfalls nur begrüßen. Darüber hinaus sollte man Robert Enke endlich seinen letzten Wunsch erfüllen: Ihn in Frieden ruhen zu lassen.
Zitat von PhilippDie Formulierung, die Medien könnten "immer nur etwas verstärken", scheint mir zweifelhaft zu sein. (...) Nehmen wir das noch gut erinnerliche Beispiel des Todes von Michael Jackson und die daraus entstandene massenmediale Inszenierung: (...) Aber dass das "Trauerpotential" schon als kollektive Trauerhysterie angelegt gewesen sei, halte ich für, sagen wir, eine sehr gewagte These. Die Medien verstärken nicht nur, indem sie für eine Tendenz Partei ergreifen; in manchen, oftmals gewichtigen Fällen vermögen sie auf den Lauf der Dinge Einfluss zu nehmen, d.h. die Richtung zu bestimmen.
Der Tod von Jackson, lieber Philipp, entspricht genau dem Schema, vielleicht dem Archetryp, das ich in dem Artikel skizzoert habe: Der verehrte Held hat eine dunkle Seite, und er stirbt in jungen Jahren.
Zitat von PhilippDenn was sich im Rahmen der Trauerfeier für Robert Enke und der ebendiese Trauerfeier umrankenden Berichterstattung abspielt, ist unzweifelhaft als hysterisch zu bezeichnen. Ich empfinde diese Aufbauschung einer privaten Tragödie zu einer kollektiven Trauerangelegenheit nicht nur als unpassend, sondern als Ausdruck mangelnden Respekts gegenüber einem Toten.
Das kann ich überhaupt nicht sehen. Was soll daran hysterisch sein, daß man erschüttert von einem Tod ist? Nola hat diese Reaktion in dem anderen Thread, den ich verlinkt habe, sehr schön geschildert.
Sie sprechen von einer privaten Tragödie und einer kollektiven Trauerangelegenheit. Meinen Sie damit, daß die Trauer der Fans nicht echt war? Meinen Sie, daß die Trauer von Millionen nicht echt war, als Kennedy ermordet wurde?
In Antwort auf:Das kann ich überhaupt nicht sehen. Was soll daran hysterisch sein, daß man erschüttert von einem Tod ist? Nola hat diese Reaktion in dem anderen Thread, den ich verlinkt habe, sehr schön geschildert.
Lieber Zettel,
Was mich an der massenmedialen Inszenierung der Selbsttötung Enkes stört, ist nicht, dass Menschen ihrer Trauer und ihrer Anteilnahme Ausdruck verleihen wollen. Das ist selbstverständlich legitim. Mich stört die Dramatisierung, die keine Rücksicht auf die Gefühle der unmittelbar Betroffenen nimmt.
Enkes Frau hat mittlerweile ein emotionales Interview gegeben. Ich wage zu behaupten, dass sie nicht aus eigenen Stücken diesen Schritt gesetzt hat. Die Selbsttötung Robert Enkes hat eine mediale Druckwelle auf den Weg gebracht, welche die Situation der hinterbliebenen Familie Enkes, die sich ohnehin in einer Ausnahmesituation befindet, potentiell zusätzlich destabilisiert.
Und auch Michael Ballack und die anderen Nationalmannschaftskollegen Enkes haben wohl nicht aus eigenem Antrieb eine Trauerfeier vor 40000 Zuschauern in die Wege geleitet.
Jeder darf trauern, um wen und wie er will. Aber man sollte sich schon auch, trotz aller Emotionen fragen, ob man es nicht doch ein wenig übertreibt und im Sinne derjenigen, die dem Toten tatsächlich persönlich nahestanden, einfach mal sinnvoll wäre, ein bisschen Trauerdynamik rauszunehmen (Und genau an dieser Stelle kommen natürlich die Medien und alle anderen, die ein Interesse an der Aufbauschung eines singulären Ereignisses haben, ins Spiel.)
Auch das sollte meines Erachtens Bestandteil eines verantwortungsbewussten, die Konsequenzen abwägenden Handelns sein.
Ein respektvolles Innehalten wäre momentan in Bezug auf die Selbsttötung Enkes in meine Augen ganz einfach angebracht. Über die psychischen Implikationen von Leistungsdruck kann man auch in einer Woche noch diskutieren. Nur vermute ich, dass es genau dann, wenn sich der hochgeschaukelte Trubel gelegt haben wird, einigen von denen, die jetzt herzzerreißend um Robert Enke trauern, schon wieder wichtiger sein wird, die eigene Mannschaft auf Teufel komm raus zum Sieg zu brüllen, als über die gesellschaftlichen Bezugspunkte einer privaten Tragödie zu diskutieren.
In Antwort auf:Sie sprechen von einer privaten Tragödie und einer kollektiven Trauerangelegenheit. Meinen Sie damit, daß die Trauer der Fans nicht echt war? Meinen Sie, daß die Trauer von Millionen nicht echt war, als Kennedy ermordet wurde?
Ein mediales Trauerereignis folgt dem nächsten. Und wenn gerade keines bei der Hand ist, wird eben eines inszeniert. Was an dieser Trauer wirklich noch "echt" ist, wissen einige Trauernde wahrscheinlich oft nicht einmal mehr selbst.
Den Tod Kennedys mit jenem von Enke zu vergleichen, halte ich für nicht zielführend. Die Umstände sind sehr unterschiedlich. Kennedy starb auch in seiner Staatsfunktion als amerikanischer Präsident. Mit ihm waren politische Ideale und Visionen verbunden. An ihm hingen Erwartungen, die über das Bundesligaspiel am nächsten Wochenende hinausgingen. Und Politiker entscheiden sich ganz bewusst dafür, ihr privates Leben ein Stück weit für eine Sache hintanzustellen, die den Bürgerinnen und Bürgern eines Staates dienen soll.
Aus dem Tod eines (ehemaligen) Staatsmannes muss man kein Staatsereignis machen, weil es sich qua Natur des Sachverhalts um ein solches handelt.
Ich möchte eienn weiteren spekulativen Punkt hinzufügen. Es ist ja nicht die Trauer über das eine tragische Ereignis, die bewegt sondern auch die Trauer der anderen über eben jenes Ereignis. Als ich Oliver Bierhoff habe weinen sehen, war ich mit einem Male berührt. Dadurch ist irgendwann ist eine kritische Masse erreicht, die eine Flut von Tränen als eine Art Kettenreaktion auslöst. (Bei Merckle fehlte es an eben diesen "Reflektoren") Überhaupt eine sehr sonderbare Erscheinung, denn traurige Menschen scheinen mir zumindest immer im ganz besonderem Licht. Man nimmt sie sofort als fühlende Wesen, als Menschen, wahr und nicht als die Rolle in der sie Stecken, sei es Funktionär, Sportler, Chef, Sexualobjekt oder sonst etwas. Es ist als mache Trauer Menschen in gewissen Sinne "schöner". Und so nimmt man nun die ganze Nationalmanschaft auf eine ganz andere, auf surreale Art und Weise als bisher wahr. (Wie in einem Traum)
In Antwort auf:Das kann ich überhaupt nicht sehen. Was soll daran hysterisch sein, daß man erschüttert von einem Tod ist? Nola hat diese Reaktion in dem anderen Thread, den ich verlinkt habe, sehr schön geschildert.
Lieber Zettel, Was mich an der massenmedialen Inszenierung der Selbsttötung Enkes stört, ist nicht, dass Menschen ihrer Trauer und ihrer Anteilnahme Ausdruck verleihen wollen. Das ist selbstverständlich legitim. Mich stört die Dramatisierung, die keine Rücksicht auf die Gefühle der unmittelbar Betroffenen nimmt. Enkes Frau hat mittlerweile ein emotionales Interview gegeben. Ich wage zu behaupten, dass sie nicht aus eigenen Stücken diesen Schritt gesetzt hat. Die Selbsttötung Robert Enkes hat eine mediale Druckwelle auf den Weg gebracht, welche die Situation der hinterbliebenen Familie Enkes, die sich ohnehin in einer Ausnahmesituation befindet, potentiell zusätzlich destabilisiert. Und auch Michael Ballack und die anderen Nationalmannschaftskollegen Enkes haben wohl nicht aus eigenem Antrieb eine Trauerfeier vor 40000 Zuschauern in die Wege geleitet. Jeder darf trauern, um wen und wie er will. Aber man sollte sich schon auch, trotz aller Emotionen fragen, ob man es nicht doch ein wenig übertreibt und im Sinne derjenigen, die dem Toten tatsächlich persönlich nahestanden, einfach mal sinnvoll wäre, ein bisschen Trauerdynamik rauszunehmen (Und genau an dieser Stelle kommen natürlich die Medien und alle anderen, die ein Interesse an der Aufbauschung eines singulären Ereignisses haben, ins Spiel.) Auch das sollte meines Erachtens Bestandteil eines verantwortungsbewussten, die Konsequenzen abwägenden Handelns sein. Ein respektvolles Innehalten wäre momentan in Bezug auf die Selbsttötung Enkes in meine Augen ganz einfach angebracht. Über die psychischen Implikationen von Leistungsdruck kann man auch in einer Woche noch diskutieren. Nur vermute ich, dass es genau dann, wenn sich der hochgeschaukelte Trubel gelegt haben wird, einigen von denen, die jetzt herzzerreißend um Robert Enke trauern, schon wieder wichtiger sein wird, die eigene Mannschaft auf Teufel komm raus zum Sieg zu brüllen, als über die gesellschaftlichen Bezugspunkte einer privaten Tragödie zu diskutieren.
In Antwort auf:Sie sprechen von einer privaten Tragödie und einer kollektiven Trauerangelegenheit. Meinen Sie damit, daß die Trauer der Fans nicht echt war? Meinen Sie, daß die Trauer von Millionen nicht echt war, als Kennedy ermordet wurde?
Ein mediales Trauerereignis folgt dem nächsten. Und wenn gerade keines bei der Hand ist, wird eben eines inszeniert. Was an dieser Trauer wirklich noch "echt" ist, wissen einige Trauernde wahrscheinlich oft nicht einmal mehr selbst. Den Tod Kennedys mit jenem von Enke zu vergleichen, halte ich für nicht zielführend. Die Umstände sind sehr unterschiedlich. Kennedy starb auch in seiner Staatsfunktion als amerikanischer Präsident. Mit ihm waren politische Ideale und Visionen verbunden. An ihm hingen Erwartungen, die über das Bundesligaspiel am nächsten Wochenende hinausgingen. Und Politiker entscheiden sich ganz bewusst dafür, ihr privates Leben ein Stück weit für eine Sache hintanzustellen, die den Bürgerinnen und Bürgern eines Staates dienen soll. Aus dem Tod eines (ehemaligen) Staatsmannes muss man kein Staatsereignis machen, weil es sich qua Natur des Sachverhalts um ein solches handelt.
Lieber Philipp, ich kann nur versuchen, auf einige Punkte aufmerksam zu machen, die man vielleicht nicht gleich bedenkt, bei aller Kritik.
Vielleicht ist der eigentliche Diskussionsansatz eher im gesellschaftlichen Verhalten zu finden. Das der Tod Robert Enkes überall mit Pro und Contra diskutiert wird und erst recht das WIE, kann ich gut verstehen.
Ich habe nur den Eindruck, dass einige aus Unverständnis heraus, auch in Unkenntnis des Sportlers Enke, zuerst einmal die Medien verdammen, weil das passt ja immer. (Auch ich bin da immer sofort dabei) Aber ich glaube hierbei sind selbst die Medien überrumpelt worden, in dem sie den Menschenmassen nur noch folgen konnten.
Ich glaube auch nicht an Hysterie von tumben Bürgern, die nichts besseres zu tun hätten.
In einer Zeit, die für viele keine Erfolgserlebnisse mehr bietet, man also umsomehr an den Erfolgen der Anderen teilnimmt z. B. Sport und Fußball sowieso, führt ein Scheitern, ein urplötzliches Ende, ein nicht absehbarer eklatanter Tod eines Idols zu großen Emotionen. Hinzukommt, dass Robert Enke ein geachteter Mensch gewesen ist. Ein Spitzensportler ohne jegliche Allüren. Ein Mensch der durchaus unseren Respekt und Zuneigung verdient hatte.
Außerdem kannten ihn alle Fußballbegeisterten im Land, und dass sind ja bekanntlich nicht wenige. Damit erklärt sich dieses überproportionale Interesse bzw. die Anteilnahme.
Das Frau Enke im Interview den wahren Hintergrund bekannt gab, kürzte Spekulationen und noch mehr intensive Recherche der Medien mit immer neuen Erkenntnissen ab. Das war der einzig richtige Weg. Das das nun Anlaß zu neuer Diskussion um Psyche und Leistung gibt, ist zwangsläufig.
An eine Vermarktung – etwa eines Michael Jackson – ist hierbei überhaupt nicht zu denken.
Wie oft haben wir die Geschichten um Oliver Kahn oder um die Effenbergs in den ÖR sehen müssen, dass war eine ganz andere Kategorie von Berichterstattung, die man uns aufgezwungen hat.
Aber wie Zettel schon schrieb, der Mythos um einen jungen Mann ist da, der durch Krankheit sein Leben verlor und der von ganz vielen gemocht, wirklich gemocht wurde.
Vielleicht ist gerade das, das Traurige. Das ein Mensch in seiner Krankheit die große Zuneigung nicht sehen oder glauben oder fühlen kann, die ihm zuteil wird.
Zitat von Nola Das Frau Enke im Interview den wahren Hintergrund bekannt gab, kürzte Spekulationen und noch mehr intensive Recherche der Medien mit immer neuen Erkenntnissen ab. Das war der einzig richtige Weg. Das das nun Anlaß zu neuer Diskussion um Psyche und Leistung gibt, ist zwangsläufig.
Vor allem hat sie die Herrschaft über die Familienberichterstattung an sich gerissen, ehe irgendwelches Gesindel der Familie "auf dem Schulweg" auflauern konnte. Ich habe den starken Verdacht, daß hinter der Entscheidung auch psychologischer Rat stand. Solange sie unter Schock stand, konnte sie den Mist einigermaßen aufrecht durchziehen und damit das Bild von ihrer Familie prägen. Das wird sie schützen. Nach diesem sehr würdevollen Auftritt will vermutlich niemand Dreckberichterstattung über die Familie sehen. Sie hat Bilder geschaffen, die die gesamte Berichterstattung dominieren werden und für die Familie erträglich sind. Und wenn der Schmerz erstmal durch den ersten Schock durchdringt, sind rationale Handlungen rund um das Unglück kaum noch möglich.
-- Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.
Ich habe nur den Eindruck, dass einige aus Unverständnis heraus, auch in Unkenntnis des Sportlers Enke, zuerst einmal die Medien verdammen, weil das passt ja immer. (Auch ich bin da immer sofort dabei) Aber ich glaube hierbei sind selbst die Medien überrumpelt worden, in dem sie den Menschenmassen nur noch folgen konnten.
Ich glaube auch nicht an Hysterie von tumben Bürgern, die nichts besseres zu tun hätten.
Liebe Nola,
Ich gebe ihnen insofern Recht, als vorschnelle Medienkritik niemandem weiterhilft. Das ändert jedoch nichts an meiner Überzeugung, dass die Medien gerade in solchen sensiblen Fällen wie der Selbsttötung Enkes für einen Moment innehalten sollten; nicht zuletzt deshalb, weil Enke ein solch angesehener und respektierter Mitmensch mit Vorbildfunktion war. Wahrscheinlich ist diese meine Meinung naiv. Aber diese Naivität will ich mir dann nicht nehmen lassen.
Vielleicht, und das will ich durchaus selbstkritisch anmerken, entspringt meine Ablehnung gegenüber der massenmedialen Inszenierung auch einem Reflex gegen eine hintergründige Widersprüchlichkeit der Berichterstattung, die mir dieser Tage immer wieder sauer aufgestoßen ist. So thematisierte beispielsweise auch der heutige "Doppelpass" das Thema der Stunde ausführlich, und das auch mit gar nicht üblen Stellungnahmen von Udo Lattek, Peter Neururer und anderen.
Aber es ist nun einmal widersprüchlich, wenn gerade jene Medien, die normalfalls jedes noch so kleine Schwächezeichen bekannter Fußballer oder Trainer auseinandernehmen und zu Geschichten über angebliche Form- und Leistungsprobleme aufbauschen, nach einem tragischen Fall wie jenem Robert Enkes plötzlich darauf hinweisen, dass Spitzensportler an der permanenten Bewertung ihrer Leistung auch zugrunde gehen könnten. Das ist ein wenig so, als stiftete ich jemanden an, Menschen über eine Klippe zu stoßen, um sodann andere Passanten davor zu warnen, dass sich jemand herumtreibt, der Menschen über Klippen stößt.
In Antwort auf:Zitat Philipp: Aber es ist nun einmal widersprüchlich, wenn gerade jene Medien, die normalfalls jedes noch so kleine Schwächezeichen bekannter Fußballer oder Trainer auseinandernehmen und zu Geschichten über angebliche Form- und Leistungsprobleme aufbauschen, nach einem tragischen Fall wie jenem Robert Enkes plötzlich darauf hinweisen, dass Spitzensportler an der permanenten Bewertung ihrer Leistung auch zugrunde gehen könnten. Das ist ein wenig so, als stiftete ich jemanden an, Menschen über eine Klippe zu stoßen, um sodann andere Passanten davor zu warnen, dass sich jemand herumtreibt, der Menschen über Klippen stößt.
Ja stimmt, lieber Philipp, daß ist genau der Punkt, warum auch ich so einen Medienverdruß habe. Das ist eine im Grunde unehrliche Haltung.
In Antwort auf:Zitat Philipp: Aber es ist nun einmal widersprüchlich, wenn gerade jene Medien, die normalfalls jedes noch so kleine Schwächezeichen bekannter Fußballer oder Trainer auseinandernehmen und zu Geschichten über angebliche Form- und Leistungsprobleme aufbauschen, nach einem tragischen Fall wie jenem Robert Enkes plötzlich darauf hinweisen, dass Spitzensportler an der permanenten Bewertung ihrer Leistung auch zugrunde gehen könnten. Das ist ein wenig so, als stiftete ich jemanden an, Menschen über eine Klippe zu stoßen, um sodann andere Passanten davor zu warnen, dass sich jemand herumtreibt, der Menschen über Klippen stößt.
Ja stimmt, lieber Philipp, daß ist genau der Punkt, warum auch ich so einen Medienverdruß habe. Das ist eine im Grunde unehrliche Haltung.
Da gibt es nur zwei Dinge zu beachten: Berichterstattung ist die Aufgabe der Journalisten. Über Feinheiten der sportlichen Konkurrenz ebenso wie über Trauerfeiern.
Und zweitens ist "die Medien" nicht der Name einer einzelnen Person, der man dann moralische Inkonsequenz vorwerfen könnte.
-- Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.
In Antwort auf:Zitat Califax: Da gibt es nur zwei Dinge zu beachten: Berichterstattung ist die Aufgabe der Journalisten. Über Feinheiten der sportlichen Konkurrenz ebenso wie über Trauerfeiern.
Und zweitens ist "die Medien" nicht der Name einer einzelnen Person, der man dann moralische Inkonsequenz vorwerfen könnte.
Auch richtig, Berichterstattung ist ihre Aufgabe. Aber es ist eben oft das "wie", wie ich finde.
Zitat von Nola Auch richtig, Berichterstattung ist ihre Aufgabe. Aber es ist eben oft das "wie", wie ich finde.
Das "wie" kann ich nicht beurteilen, da ich die entsprechende Berichterstattung ignoriert habe. Wenn es der üblichen Qualität in den öffentlich-rechtlichen entspricht, ist mir einiges an Laientheater erspart geblieben.
-- Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.
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