Meinen Kommentar zu Zettels Beitrag über die Nullerjahre habe ich etwas bearbeitet und in Zettels Raum gestellt. Mir scheint, es lassen sich doch einige Gesichtszüge des Jahrzehnts namhaft machen, und führe beispielshalber einen gegenwartsorientierten Realismus sowie ein grün träumendes Nachtgesicht an.
ich finde Ihre Analyse sehr gelungen, möchte aber aus der Perspektive des Jüngeren, der seine intellektuelle, politische und ökonomische Sozialisation genau am Wendepunkt dieser Jahrzehnte erlebt hat (ich bin 1978 geboren) ein paar Anmerkungen machen.
Ich bin mit dieser Beobachtung nicht einverstanden:
Zitat von KalliasDer raben schwarze Pessimismus der Jüngeren dürfte ebenfalls damit zu tun haben, daß sie sich die Probleme genauer ansehen und weniger für selbstverständlich nehmen als früher. Die deutsche Industrie verdient im Ausland ganz von alleine Unsummen, die man nur noch edlen Zwecken dienstbar machen muß? So einfach denken heute nur noch wenige.
So scheint mir also das letzte Jahrzehnt ein Zeitalter des Umsichsehens gewesen zu sein: In was für einer Welt befinden wir uns heute? Und was folgt daraus für uns? Fragen wie diese haben die früheren abgelöst: Wer sind wir? Und welche guten Taten warten nur darauf, daß wir sie als erste tun?
So ist das Taggesicht der Nullerjahre: sehr wach, sehr illusionslos.
1. Ich finde nicht, dass sich die Jüngeren die Probleme im analytischen Sinne ansehen, sondern lediglich konstatieren, dass es Probleme gibt, und sehr schnell eine Schuldzuweisung vornehmen (USA, Kapitalismus, Westen an sich). Es stimmt zwar, dass man die deutsche Industrie nicht mehr für einen Selbstläufer hält, aber nur auf faktischer Ebene. Dass man es gewöhnt ist und dass es eigentlich so sein sollte, davon hat man sich nie verabschiedet. Und es könnte ja auch immer noch so sein, wenn nicht die Globalisierung und die gierigen Bänker und und und..
2. Die heutige Frage lautet aus meiner Sicht: Wer sind wir, und welche bösen Taten haben uns zu dem geführt, wo wir jetzt sind? Die Vergangenheitsbewältigung wendet sich jetzt nur einem anderen Gegenstand zu. Nicht mehr: "Wie viele Juden hat mein Opa auf dem Gewissen?" sondern "Wie viele Liter Sprit hat das Auto meines Papas verbraucht?". Um es auf eine einfache Formel zu bringen: In den 90ern wurden ethische Fragen ästhetisch behandelt (man konnte sich gerade noch auf den Minimalkonsens einigen, dass das zu unterlassen sei, was irgendeinem anderen schaden könnte). Nun ist es umgekehrt, Fragen die eigentlich rein ästhetischer Natur sind, werden moralisch relevant.
3. Rabenschwarzer Pessimismus ist niemals wach und illusionslos. Warum spricht man nur dann von Illusionen, wenn diese als Vorstellung einer Wendung zum Guten auftreten?
Zitat von Meister PetzEs stimmt zwar, dass man die deutsche Industrie nicht mehr für einen Selbstläufer hält, aber nur auf faktischer Ebene. Dass man es gewöhnt ist und dass es eigentlich so sein sollte, davon hat man sich nie verabschiedet.
Schade. Hoffen wir auf's nächste Jahrzehnt.
Zitat von Meister Petz2. Die heutige Frage lautet aus meiner Sicht: Wer sind wir, und welche bösen Taten haben uns zu dem geführt, wo wir jetzt sind? Die Vergangenheitsbewältigung wendet sich jetzt nur einem anderen Gegenstand zu. Nicht mehr: "Wie viele Juden hat mein Opa auf dem Gewissen?" sondern "Wie viele Liter Sprit hat das Auto meines Papas verbraucht?".
Das ist mir ganz neu! (Gut, daß ich auf den Busch geklopft habe.) Das schlechte Ökogewissen meiner Generation (Jg. 1962) war immer an das eigene Verhalten geknüpft: "Es sind ja nicht nur die westlichen Kapitalisten, die den Süden ausbeuten - wir selbst beteiligen uns mit unserem Verhalten an der Zerstörung der Erde" usw. Wir waren wirklich zerknirscht.
Zitat von Meister PetzUm es auf eine einfache Formel zu bringen: In den 90ern wurden ethische Fragen ästhetisch behandelt (man konnte sich gerade noch auf den Minimalkonsens einigen, dass das zu unterlassen sei, was irgendeinem anderen schaden könnte). Nun ist es umgekehrt, Fragen die eigentlich rein ästhetischer Natur sind, werden moralisch relevant.
Diese Bemerkungen verstehe ich nicht so recht. Von welchen ästhetischen Fragen sprechen Sie?
Zitat von Meister Petz3. Rabenschwarzer Pessimismus ist niemals wach und illusionslos.
Das stimmt. Daher meine zaghafte, windelweiche Formulierung: "dürfte etwas damit zu tun haben".
Zitat von Meister PetzWarum spricht man nur dann von Illusionen, wenn diese als Vorstellung einer Wendung zum Guten auftreten?
Berechtigte Frage. Die Propaganda der Pessimisten war in dieser Hinsicht offenbar erfolgreich.
Mir fällt zum vergehenden Jahrzehnt vor allem der Wandel in der Informationskultur auf.
Die Möglichkeiten an Informationen zu kommen haben sich immens vergrößert. Wer braucht noch die Stiftung Warentest, wenn man auch gleich bei Verbraucherportalen gucken kann, was andere für Erfahrungen mit diversen Produkten gemacht haben?
Über die Lage im Iran informiert man sich am besten in Blogs, auf twitter und auf youtube ... die alteingessenen Medien hinken ja notorisch hinterher.
Die Arrivierten verlieren ihre Deutungshoheit, da sich im Internet so eine Art Schwarmintelligenz als Gegenpol entwickelt hat. In den unzähligen Blogs und Foren findet jeder Gleichgesinnte ... Du bist nicht allein! ... und die Community trägt alle relevanten Infos zusammen, völlig ungesteuert!
Das ist für mich das entscheidende Merkmal der "Nullerjahre" - die zunehmende Entkopplung der Bürger von den "alten" Medien. Dies beinhaltet Chance und Risiko. Einerseits ist man unabhängig von Lokalpresse und Staatsfunk, andererseits wächst die Gefahr, dass man interessen- und sympathiebedingt anfängt "im eigenen Saft zu schmoren".
Mal gucken, wie das weitergeht.
Lieber Kallias, wieder mal ein sehr schöner Artikel von ihnen. Das "grüne Nachtgesicht" wird sich bei mir einprägen.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Zitat von CalimeroDie Arrivierten verlieren ihre Deutungshoheit, da sich im Internet so eine Art Schwarmintelligenz als Gegenpol entwickelt hat. In den unzähligen Blogs und Foren findet jeder Gleichgesinnte ... Du bist nicht allein! ... und die Community trägt alle relevanten Infos zusammen, völlig ungesteuert!
Das ist für mich das entscheidende Merkmal der "Nullerjahre" - die zunehmende Entkopplung der Bürger von den "alten" Medien.
Richtig, Internet (und Mobiltelefonie) sind seit etwa 10 Jahren selbstverständlicher Teil des Lebens der meisten. Es hat sich jedoch in diesem Jahrzehnt erst ein kleiner Teil der Bürger von den alten Medien entkoppelt, wie Sie schreiben. Insofern ist das noch kein prägendes Merkmal des vergangenen Jahrzehnts. Erst die Möglichkeit dazu wurde geschaffen.
Über Nutzen und Gefahren bin ich mir auch noch nicht sicher. Bei mir selber merke ich, daß ich vieles nicht mehr mitbekomme, seit ich keine Tageszeitung mehr lese (2007), irgendwie ist die Lust, mir einen Überblick zu verschaffen, verloren gegangen, seit ich zu diesem Zweck kein Papier mehr beim Frühstücken umblättern kann.
Über anderes dagegen informiere ich mich mit ungleich größerer Genauigkeit und Schärfe - ohne doch gleich zum Experten zu werden - eine Art Spezialisierung ohne wirklich tiefe Kenntnisse zu gewinnen.
Dazu passend ... Wolfgang Röhl auf der Achse des Guten: hier über das Netz und Akkordeons.
Hab den Artikel grad erst gelesen, also ist meiner quasi vorher entstanden.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Zitat von KalliasMir scheint, es lassen sich doch einige Gesichtszüge des Jahrzehnts namhaft machen, und führe beispielshalber einen gegenwartsorientierten Realismus sowie ein grün träumendes Nachtgesicht an.
Mir hat das, lieber Kallias, als ich es las, sofort eingeleuchtet. Was ich nur chronologisch an der Oberfläche beschrieben hatte, das analysieren Sie als die beiden Gesichter des Jahrzehnts.
Meine Frage ist, wie sich Tages- und Nachtgesicht zueinander verhalten. Sie deuten am Ende so etwas wie eine Hegel'sche Synthese an:
Zitat von KalliasAber vielleicht ist es ja nicht einmal der verkehrteste Traum, denn irgendwie ist er ja doch mit der Wirklichkeit verknüpft: in einer Welt, in der bald drei oder vier Milliarden Menschen im Wohlstand leben werden, werden Umweltfragen eine immer größere Rolle spielen - und dann auch rational bearbeitet werden; womöglich sogar von uns Träumern.
Ist es aber nicht vielleicht so, daß der Traum als solcher verlorengeht, wenn er der Wirklichkeit einverleibt wird? In der Titelgeschichte des aktuellen "Spiegel" kann man lesen, wie Solarenergie und Windräder längst zum Gegenstand knallharter Geschäfte und globalen Wettbewerbs geworden sind. - Ein anderer Teil des Traums wurde von der Umweltbürokratie mit Beschlag belegt. Immer mehr Städte richten "Umweltzonen" ein, obwohl es noch immer keinen Nachweis eines nennenswerten Effekts gibt. Beispielsweise. Oder nehmen wir die Ökofunzeln, die uns aufgezwungen werden. Das sind doch allenfalls Alpträume.
Könnte es nicht sein, daß in dem Maß, in dem der grüne Traum auf diese Weise in Kapitalismus und Bürokratie aufgeht, ganz neue Träume in Erscheinung treten werden? Zum Beispiel wieder der alte Traum von der Freiheit?
Zitat von CalimeroMir fällt zum vergehenden Jahrzehnt vor allem der Wandel in der Informationskultur auf.
Von dem ein Aspekt, lieber Calimero, auch ein Wandel des Verhältnisses zwischen den Generationen ist.
Zuvor lernten die Jüngeren von den Älteren. Seit der PC, das Handy, der iPod usw. immer mehr das Leben bestimmen, sind die Jungen meist den Älteren voraus. Wenn jemand - vielleicht auch erst 55 - Probleme mit dem PC hat, dann fragt er seinen 35jährigen Sohn oder, noch besser, gleich den 15jährigen Enkel.
Die Nuller haben auch die Beziehung zwischen den Generationen in Bewegung gebracht. Nicht nur, was die Rentenfrage angeht.
Zitat von ZettelIst es aber nicht vielleicht so, daß der Traum als solcher verlorengeht, wenn er der Wirklichkeit einverleibt wird?
Bislang wurde er das noch nicht. Die Beispiele, die Sie anführen, sind doch eher Kleinigkeiten. In den "konkurrierenden" Jahrzehntrückblicken, die ich im Radio gehört habe, wurde gerade beklagt, daß viel zu wenig von der Ökowende realisiert worden ist - eben in dieser Klage über das Fehlende spricht sich ja er vorherrschende Traum aus.
Wenn es doch mal zur Realisierung kommen sollte, dann ist es mit dem Traum vermutlich vorbei. Und zwar egal, ob er in der rationalen Variante (von der ich träume ) realisiert wird, die nichts fesselnd-utopisches hat, oder ob man tatsächlich die Utopie zu stemmen versucht, und dann die Kehrseite des Traums zutage tritt.
Was dann für Träume kommen, wer weiß? Vielleicht ist das Gesicht kommender Jahrzehnte auch überhaupt nicht mehr von Träumen gezeichnet. Läßt sich ein Traum der 50er-Jahre ausmachen? In den 80ern gab es Träume - den grünen damals schon, den Traum von Raumfahrt, Magnetbahn und dergleichen "Hochtechnologie" -, doch in der Fernsicht auf den "ganzen Wald" springen die nicht ins Auge.
Zitat von ZettelIst es aber nicht vielleicht so, daß der Traum als solcher verlorengeht, wenn er der Wirklichkeit einverleibt wird?
Bislang wurde er das noch nicht. Die Beispiele, die Sie anführen, sind doch eher Kleinigkeiten.
Es waren halt die Beispiele, lieber Kallias, die mir gerade einfielen.
Öko ist doch längst erstens zum großen Geschäft geworden (Sie erwähnen ja die Biokost) und zur Sache der Bürokratien. Daß da noch jemand träumt, kann ich schwer nachvollziehen. Aber Träume kann man nicht verbieten.
Zitat von Kallias In den "konkurrierenden" Jahrzehntrückblicken, die ich im Radio gehört habe, wurde gerade beklagt, daß viel zu wenig von der Ökowende realisiert worden ist - eben in dieser Klage über das Fehlende spricht sich ja er vorherrschende Traum aus.
Ist es wirklich der Traum von einer besseren Öko-Welt? Mir scheint es eher die Angst vor der "Klimakatastrophe" zu sein.
Die Motivation der Öko-Bewegung hat sich ja völlig geändert. In den siebziger, den achtziger Jahren träumte man tatsächlich von einer besseren Welt. Die Öko-Bewegung war ja nur Teil aller dieser "alternativen" Ansätze; von der Hippie-Kultur und die "Aussteiger" über kommunitäre Projekte wie der Christiania bis hin zu allen diesen religiösen und esoterischen Bewegungen.
Damals ging es um die "Versöhnung mit Mutter Natur". Heute geht es darum, C02 einzusparen.
Zitat von KalliasWas dann für Träume kommen, wer weiß? Vielleicht ist das Gesicht kommender Jahrzehnte auch überhaupt nicht mehr von Träumen gezeichnet.
Das glaube ich nicht, da sei Ernst Bloch davor.
Zitat von KalliasLäßt sich ein Traum der 50er-Jahre ausmachen?
Und wie, lieber Kallias! Es war der Traum, in Frieden leben zu können und wieder zu Wohlstand zu kommen. Ich habe überhaupt kein anderes Jahrzehnt erlebt, in dem es einen so intensiven kollektiven Traum gegeben hat.
Zitat von KalliasIn den 80ern gab es Träume - den grünen damals schon, den Traum von Raumfahrt, Magnetbahn und dergleichen "Hochtechnologie" -, doch in der Fernsicht auf den "ganzen Wald" springen die nicht ins Auge.
Raumfahrt in den Achtzigern? Das sehe ich weniger, lieber Kallias. Das (gute) Jahrzehnt des Traums von der Raumfahrt begann mit dem Sputnik 1957 und endete mit der Mondlandung 1969.
Zitat von Meister Petz2. Die heutige Frage lautet aus meiner Sicht: Wer sind wir, und welche bösen Taten haben uns zu dem geführt, wo wir jetzt sind? Die Vergangenheitsbewältigung wendet sich jetzt nur einem anderen Gegenstand zu. Nicht mehr: "Wie viele Juden hat mein Opa auf dem Gewissen?" sondern "Wie viele Liter Sprit hat das Auto meines Papas verbraucht?".
Das ist mir ganz neu! (Gut, daß ich auf den Busch geklopft habe.) Das schlechte Ökogewissen meiner Generation (Jg. 1962) war immer an das eigene Verhalten geknüpft: "Es sind ja nicht nur die westlichen Kapitalisten, die den Süden ausbeuten - wir selbst beteiligen uns mit unserem Verhalten an der Zerstörung der Erde" usw. Wir waren wirklich zerknirscht.
Das hat sich jetzt erweitert. Der Begriff der "historischen Schuld" am Klimawandel war auch in Kopenhagen ein Riesenthema. Und die westlichen Ökos machen sich die Forderungen der Chinesen und Südamerikaner zu eigen, dass der Westen allein dafür aufkommen soll, z. B. hier die evangelischen Kirchen in der Schweiz: http://brotfueralle.blogspot.com/2009/12...klimapoker.html
Zitat von Meister PetzUm es auf eine einfache Formel zu bringen: In den 90ern wurden ethische Fragen ästhetisch behandelt (man konnte sich gerade noch auf den Minimalkonsens einigen, dass das zu unterlassen sei, was irgendeinem anderen schaden könnte). Nun ist es umgekehrt, Fragen die eigentlich rein ästhetischer Natur sind, werden moralisch relevant.
Diese Bemerkungen verstehe ich nicht so recht. Von welchen ästhetischen Fragen sprechen Sie?
So etwas zum Beispiel: http://www.rheinhessen.de/windraeder.html Wenn man mit klassisch-ästhetischen Blick ein Windrad in einer deutschen Kulturlandschaft betrachtet, wird es wohl den meisten Betrachtern hässlich erscheinen. Wird die Frage aber ethisch überhöht, wird daraus plötzlich "Landschafts- und Lebenskunst".
Da wird wohl wie so oft im "politischen Raum" argumentiert, wie es gerade passt. Vor einigen Jahren erzählten mir Freunde in Karlsruhe, die Umweltbewegung protestiere gerade gegen eine neue Rheinbrücke, da diese die "Landschaft verschandele". Ich konnte mich gerade noch zurückhalten und auf die Frage "Was für eine Landschaft?" verzichten. Bei Windrädern spielt die Landschaft dagegen auf keinen Fall eine Rolle, außer man kann sich dazu durchringen, die Dinger schön zu finden.
In dem Artikel wird dafür plädiert, die Windradparks durch künstlerische Gestaltung ästhetisch annehmbarer zu machen, das ist gegenüber dergleichen Opportunismus schon wohltuend.
Zitat von KalliasDa wird wohl wie so oft im "politischen Raum" argumentiert, wie es gerade passt. Vor einigen Jahren erzählten mir Freunde in Karlsruhe, die Umweltbewegung protestiere gerade gegen eine neue Rheinbrücke, da diese die "Landschaft verschandele". Ich konnte mich gerade noch zurückhalten und auf die Frage "Was für eine Landschaft?" verzichten. Bei Windrädern spielt die Landschaft dagegen auf keinen Fall eine Rolle, außer man kann sich dazu durchringen, die Dinger schön zu finden.
Es ist ja, lieber Kallias, nicht selten, daß etwas zunächst als häßlich empfunden wurde und später dann als geradezu landschaftstypisch oder stadttypisch. Das klassische Beispiel ist der Eiffelturm. Die Dampf-Eisenbahn wurde anfangs als ästhetisches Monstrum gesehen; später rührte es die Herzen der Zuschauer von Heimatfilmen, wenn die gute alte Dampflok durch die Landschaft schnaufte.
Das erste Mal habe ich einen "Windpark" an der Nordseeküste gesehen. Das mag 1988 oder 1989 gewesen sein, und die Windräder drehten sich am Horizont bei Kaiser-Wilhelm-Koog, wenn ich mich recht erinnere. Das sah eigentlich sehr schön aus: es "paßte in die Landschaft". In eine Landschaft, die ja immer auch durch Windmühlen geprägt gewesen war.
Dann tauchten überall auch im Binnenland diese Dinger auf. Häßlich; der Landschaft überhaupt nicht angemessen. Wenn man auf der Autobahn fährt und die Dinger sich drehen sieht, dieses ständige Hell und Dunkel, ist das fast wie eine stroboskopische Beleuchtung. Die bekanntlich veränderte Bewußtseinszustände auslösen kann.
Zitat von KalliasIn dem Artikel wird dafür plädiert, die Windradparks durch künstlerische Gestaltung ästhetisch annehmbarer zu machen, das ist gegenüber dergleichen Opportunismus schon wohltuend.
Man mag das so sehen. Für die Anwohner sind die Räder jedenfalls eine Qual. Würde eine "nichtökologische" Form der Energieerzeugung die Menschen in der Umgebung derart psychisch und körperlich belasten, dann wäre die Empörung allgemein.
Zitat von ZettelEs ist ja, lieber Kallias, nicht selten, daß etwas zunächst als häßlich empfunden wurde und später dann als geradezu landschaftstypisch oder stadttypisch.
Bei den Windrädern dürfte es sich umgekehrt verhalten. Sie wurden ja - glaube ich - weithin als umweltfreundliche Stromerzeugungsmethode willkommen geheißen. An vielen Orten wirken sie auch, solange sie erst in kleinen Gruppen auftreten, durchaus ästhetisch.
Vor einigen Jahren war ich in einem winzigen Dorf in Vorpommern zu Besuch, im Spätsommer, tiefe Ruhe lag über dem Land, gegen Sonnenuntergang standen drei Windräder, die sich gemächlich drehten, wodurch die Ruhe noch tiefer und feierlicher wurde.
Wo aber die Windräder massenhaft auftreten, ist jede Landschaft ästhetisch verloren. Und über kurz oder lang wird nun einmal an jedem Fleckchen, wo gelegentlich ein Lüftchen zieht, ein Haufen Windkraftwerke herumstehen.
Und dann werden Hotels und Hausverkäufer mit dem begehrten windradfreien Blick werben.
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