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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 29 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.01.2010 04:36
Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

Dieser Winter reiht sich in die Folge weltweit ungewöhnlich kalter Winter seit 2002/2003 ein.

Die Reaktion Mojib Latifs dürfte repräsentativ für seine Zunft sein: Alles nur "verzerrte Wahrnehmung".

Den Vogel schießt übrigens im Augenblick dieser Bericht im Guardian vom vergangenen Sonntag ab. Geschildert wird die aktuelle Kältewelle in den Anden. Die Erklärung:

Zitat von The Guardian
In a world growing ever hotter, Huancavelica is an anomaly. These communities, living at the edge of what is possible, face extinction because of increasingly cold conditions in their own microclimate, which may have been altered by the rapid melting of the glaciers.


Schmelzende Gletscher sind also schuld am kalten Winter!

vivendi Offline



Beiträge: 663

06.01.2010 05:54
#2 RE: Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

Grundsätzlich ist es richtig dass eine Schwalbe noch keinen Sommer ... ein kalter Winter die Klimaerwärmung nicht widerlegt, vor allem wenn es sich um ein geografisch begrenztes Gebiet handelt.
Zur Zeit dehnt sich allerdings die Kaltzone von den USA (einschliesslich Florida) bis nach China aus. Hingegen soll es in Australien ungewohnlich warm sein. Eine Reihe von kalten Wintern drückt aber eben rein mathematisch gesehen die "globale" Temperatur nach unten, wie es die Satellitenmessungen zeigen http://wattsupwiththat.com/2010/01/05/de...by-almost-half/.
Hier am Beispiel einer Station die Entwicklung in den vergangenen 10 Wintern: http://wattsupwiththat.com/2010/01/04/coal-creek-redux/

Damit wird der Trend zumindest abgeschwächt. Und es stellt sich die Frage, was die doch beträchtliche Variation verursacht. Wenn es kälter wird, ist die Natur schuld, wenn es wärmer wird, ist es mein Off-Roader?

Eine weitaus wichtigere Frage ist, ob man den Bodentemperaturen, die zur Berechnung der globalen Temperatur herangezogen werden, überhaupt trauen darf. Insbesondere wenn man erfährt, dass innerhalb eines Jahres über 800 Messstationen einfach eliminiert wurden, darunter auch Genf!:
http://www.climategate.com/climatologist...a-single-year/2

Abraham Offline



Beiträge: 174

06.01.2010 10:08
#3 RE: Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

Die Entwicklung der Welt-Durchschnitttstemperatur kann man Monat für Monat nach den Angaben der NASA verfolgen (http://data.giss.nasa.gov/gistemp/tabledata/GLB.Ts.txt), lieber Zettel. Ich habe voriges Jahr aus den Jahresdurchschnittsdaten (Spalte J-D) eine grafische Darstellung produziert, die Sie in der beigefügten Excel-Datei finden. Wie auch immer die Winter in den einzelnen Weltregionen gewesen sein mögen, es hat von 1980 bis 2000 einen Anstieg der Durchschnittstemperatur um 0,4 Grad gegeben. Wahr ist aber auch, dass es zwischen 1940 und 1980 keine Temperaturerhöhung gegeben hat, trotz steigender CO2-Emission.

Die öffentliche Diskussion ist natürlich immer von den Wettererscheinungen beeinflusst, die gerade vorherrschen. Wenn Klimaforscher darauf hinweisen, dass es nur auf das Gesamtergebnis für einen längeren Zeitraum und die ganze Welt ankommt, ist daran eigentlich nichts auzusetzen. Zu kritisieren ist meiner Ansicht nach vor allem, dass es offensichtlich kein Klimamodell gibt, das alle Faktoren dieses komplexen Geschehens angemessen berücksichtigt und die Entwicklung in der Vergangenheit erklären kann, und dass trotzdem auf so schwacher Grundlage sehr laut Alarm geschlagen und eine hohe Zuverlässigkeit der Prognosen unterstellt wird.

Grüße, Abraham

Dateianlage:
Welttemperatur.xls
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.01.2010 10:25
#4 RE: Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

Zitat von Abraham
Die öffentliche Diskussion ist natürlich immer von den Wettererscheinungen beeinflusst, die gerade vorherrschen. Wenn Klimaforscher darauf hinweisen, dass es nur auf das Gesamtergebnis für einen längeren Zeitraum und die ganze Welt ankommt, ist daran eigentlich nichts auzusetzen. Zu kritisieren ist meiner Ansicht nach vor allem, dass es offensichtlich kein Klimamodell gibt, das alle Faktoren dieses komplexen Geschehens angemessen berücksichtigt und die Entwicklung in der Vergangenheit erklären kann, und dass trotzdem auf so schwacher Grundlage sehr laut Alarm geschlagen und eine hohe Zuverlässigkeit der Prognosen unterstellt wird.


Das sehe ich ähnlich, lieber Abraham. Was ich mit dem Artikel deutlich machen wollte, war nur dies: Seit 2002/2003 gibt es überwiegend ungewöhnlich kalte Winter. Nicht ein Ausreißer, sondern ein Trend. Wenn jemand in einer beliebigen Wissenschaft ein Modell hat, und es gibt eine Meßreihe, die derart eklatant von dem Modell abweicht, dann beginnt man nachzudenken. Dann fragt man sich, ob nicht vielleicht das Modell falsch ist.

Die zitierten Reaktionen von IPCC-Leuten sind aber anders: Sie wischen das einfach vom Tisch. So sieht keine gute Wissenschaft aus.

Was die Daten angeht, traue ich mir kein Urteil zu. Die Satellitendaten, die vivendi verlinkt hat, sehen anders aus als die in Ihrer Grafik.

Ich bleibe Klimagnostiker. Ich habe keine Ahnung, wer Recht hat. Nur bin ich der Meinung, daß Wissenschaftler Daten ernst nehmen sollten, auch wenn sie ihren Modellen widersprechen.

Eine Trivialität wie "ein einzelner kalter Winter in einem Teil der Welt [kann] den seit Jahrzehnten zu beobachtenden allgemeinen Trend zur Erwärmung des Weltklimas nicht umkehren" oder eine schlicht falsche Behauptung wie "Die Aufregung um die extreme Kälte in ganz Deutschland ist ... lediglich Folge einer verzerrten Wahrnehmung" scheinen mir eine unwissenschaftliche, nämlich dogmatische Haltung zu zeigen; eben wie diejenige der Gelehrten im "Leben des Galilei", die sich um Beobachtungen nicht zu kümmern brauchen, weil sie ja die Wahrheit schon wissen.

Dank für den Link und Ihre Grafik!

Herzlich, Zettel

Abraham Offline



Beiträge: 174

06.01.2010 11:35
#5 RE: Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

Zitat
Das sehe ich ähnlich, lieber Abraham. Was ich mit dem Artikel deutlich machen wollte, war nur dies: Seit 2002/2003 gibt es überwiegend ungewöhnlich kalte Winter. Nicht ein Ausreißer, sondern ein Trend. Wenn jemand in einer beliebigen Wissenschaft ein Modell hat, und es gibt eine Meßreihe, die derart eklatant von dem Modell abweicht, dann beginnt man nachzudenken. Dann fragt man sich, ob nicht vielleicht das Modell falsch ist.


Offenbar stimmen doch Global-Warming-Anhänger wie Klimaskeptiker darin überein, dass die Temperatur im letzten Jahrzehnt im Duchschnitt konstant geblieben ist. Wenn die Winter ungewöhnlich kalt waren und die Durchschnittstemperatur sich nicht geändert hat, müssen eben die Sommer ungewöhnlich warm gewesen sein. Leider hebt jeder hervor, was zu seiner Übverzeugung passt, und übersieht geflissentlich das andere.

Seriöse Wissenschaftler sollten sich natürlich schon dafür interessieren, warum die Unterschiede zwischen Winter und Sommer größer geworden sind, wenn es denn so ist. Und der ausbleibende Anstieg der Durchschnittstemperatur trotz gewaltig gestiegener CO2-Emission widerlegt zwar noch nicht die CO2-Hypothese (ich denke, es ist nicht mehr als eine Hypothese), bringt sie aber zunehmend in Erklärungsnot.


Grüße, Abraham

Kallias Offline




Beiträge: 2.309

06.01.2010 11:56
#6 RE: Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

Wie spricht man eigentlich auf wissenschaftliche Weise über Kurven? Nach meinem Eindruck handelt es sich dabei um einen Prozeß in vier Schritten.

1. Eine Meßreihe (aus Rohdaten, evtl. bearbeitet) wird erstellt.
2. Man zeichnet eine Grafik der Meßreihe.
3. Dann stellt man sich die Frage: Wonach sieht das Ganze denn aus?
4. Schließlich sucht man nach geeigneten Intervallen, um die Antwort auf Frage 3. in Wissenschaftssprache zu übersetzen.

Die ersten beiden Schritte dürften klar sein, Schritt 3. und 4. sind wohl noch ein wenig erklärungsbedürftig.

Als Beispiel für nehme ich mal die Satellitendaten, die Sie verlinkt haben.

Eingangs auf der Weblogseite sieht man schon die Grafik aus der Meßreihe.

Nun tritt man ein wenig zurück und betrachtet die Grafik.

3. Wonach sieht die Kurve aus?

a) Roy W. Spencer, Ph. D., Blogger, Klimaskeptiker:
Früher mal Erwärmung, dann Stagnation der Temperatur.

b) MJK, Blog-Kommentator, Klimadogmatiker:
Es ist immer wärmer geworden.

c) Kallias, Kurvenfreund:
Jahrzehntelang passierte garnichts, dann gab es einen Sprung auf ein höheres Niveau.


4. Mit Hilfe passender Intervalle werden wissenschaftliche Beschreibungen geliefert:

a) Roy W. Spencer:
"the running 25-month average suggests there has been no net warming in the last 11 years or so"

b) MJK:
"Any blind freddy reading the graph can see that it shows a warming trend every decade for the past three decades." (Das kann man in der Formulierung sicher noch etwas polieren, z.B. "terrassenförmiger Anstieg in 10-Jahres-Schritten" oder so ähnlich.)

c) Kallias:
"Zwischen 1979 und 2000 gab es keine Temperaturänderung, die Kurve schwankt gleichmäßig um die Nullinie herum. In den Jahren 2000 und 2001 gab es einen scharfen Anstieg um 0,3°C. Seitdem verharrt die Temperatur auf diesem Niveau."



Am interessantesten ist natürlich die Darstellung von c). Dessen Analyse wird auch von den Bodendaten der NASA gestützt: zwischen 1972 und 1992 stagnierte die Temperatur, dann gab es einen steilen Anstieg bis 1998, seitdem herrscht wieder Stagnation. (Nun gut, die Anstiegsphase liegt ein paar Jahre früher als bei den Satellitenmessungen, aber im Prinzip lief es genauso ab, ähem.)

Diese Analyse wirft zwei Fragen auf, die m.E. nicht genügend diskutiert werden: Wodurch läßt sich der abrupte Anstieg Anfang des Jahrzehnts erklären? Und wieso sind danach die Temperaturen nicht mehr gesunken, trotz der vielen kalten Winter seit 2003?


Scherz beiseite: Wie, frage ich mich, kann man überhaupt ohne den poetischen, irgendwie nicht sehr wissenschaftlich wirkenden Schritt Nr. 3 zu einer wissenschaftlichen Aussage im Stil von 4. kommen?


Herzliche Grüße,
Kallias

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

06.01.2010 14:31
#7 RE: Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

Zitat von Abraham
Die Entwicklung der Welt-Durchschnitttstemperatur kann man Monat für Monat nach den Angaben der NASA verfolgen (http://data.giss.nasa.gov/gistemp/tabledata/GLB.Ts.txt), lieber Zettel.



Leider leider darf man in dieser Klimawissenschaft so einer Datensammlung kein uneingeschränktes Vertrauen entgegen bringen. Auch das GISS manipuliert/korrigiert (je nach Standpunkt) massiv die Rohdaten, um zu den von Ihnen verlinkten "value added data" zu kommen. Allein das Gridding und die Homogenisierung sind fragwürdig, dazu kommt das das Entfernen von Outliern, die fehlende Qualitätskontrolle bei den Rohdaten, die berühmte "Time of Observation Bias"-Korrektur (die merkwürdigerweise frühere Messungen nach unten korrigiert, spätere aber nach oben), und natürlich die UHI-Korrektur, die quasi nichtexistent ist, weil sie auf den Arbeiten von Parkerund Hansen beruht, die aufgrund merkwürdiger Kriterien mal grob abgeschätzt haben, dass urbane Hitzeeinflüsse quasi gar keine Auswirkungen haben auf die Messungen.

Die scharfe Reduktion der zur Verfügung stehenden (oder vielleicht doch eher berücksichtigten?) Messstellen, das naturgemäße Fehlen von Daten über den Meeren, die nicht veröffentlichten Korrekturalgorithmen - all das macht eigentlich die veröffentlichten Temperaturdaten, ob nun von GISS oder von CRU, ziemlich wertlos für wissenschaftlices Arbeiten. Meines Erachtens wäre es höchste Zeit, ein anständiges Messnetz weltweit aufzubauen, um zumindest für die Zukunft zuverlässige Daten der bodennahen Temperaturen zu haben.

Gruß,
hubersn

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.01.2010 14:44
#8 RE: Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

Zitat von Abraham
Und der ausbleibende Anstieg der Durchschnittstemperatur trotz gewaltig gestiegener CO2-Emission widerlegt zwar noch nicht die CO2-Hypothese (ich denke, es ist nicht mehr als eine Hypothese), bringt sie aber zunehmend in Erklärungsnot.


Exakt. Ich halte es für möglich, daß diese Daten mit den dominierenden Klimamodellen vereinbar sind; ich kann es nicht beurteilen. Aber ein Problem haben diese Modelle jetzt jedenfalls.

Das wird aber von den IPCC-Leuten nicht zur Kenntnis genommen, jedenfalls nicht öffentlich. Sie tun so, als seien ihre Modelle überhaupt nicht von diesen Daten betroffen - "verzerrte Wahrnehmung" durch die dumme Öffentlichkeit, that's all.

Das läßt in mir allmählich die Überzeugung wachsen, daß das wirklich schlechte Wissenschaftler sind, denen man also auch bei ihren wissenschaftlichen Arbeiten nicht trauen kann.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.01.2010 15:03
#9 Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Zitat von Kallias
Scherz beiseite: Wie, frage ich mich, kann man überhaupt ohne den poetischen, irgendwie nicht sehr wissenschaftlich wirkenden Schritt Nr. 3 zu einer wissenschaftlichen Aussage im Stil von 4. kommen?


Danke für diesen erhellenden Beitrag; mal wieder ein echter Kallias.

Ich habe in Einführungsvorlesungen versucht, den Studenten die Einsicht in die Notwendigkeit der Prüfstatistik nahezubringen. Dazu habe ich ähnliche Kurven an die Tafel gemalt und gebeten, sie zu interpretieren. Das war dann ungefähr so, wie Sie es beschreiben - die einen sahen in den Kurven dieses, die anderen jenes. Ein Rorschach-Test.

Wie kann man also zu objektiveren Erkenntnissen kommen? Nur durch Prüfstatistik. Wenn jemand zum Beispiel im Jahr 2000 die Hypothese publiziert hat, daß es zwischen 2001 und 2010 wärmer sein würde als zwischen 1991 und 2000, dann kann man diese Hypothese durch geeignete Tests prüfen. (Bei Zeitreihen gibt es allerdings besondere Probleme; da wird Gorgasal Solideres sagen können als ich). Sicherheit hat man dann immer noch nicht; aber man kann immerhin sagen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, daß der beobachtete Unterschied auf Zufall beruht.

Man könnte auch eine Trendanalyse rechnen und sehen, ob es einen signifikanten linearen Trend gibt. Ich möchte da auch Gorgasal bitten: Gorgasal, übernehmen Sie!

Herzlich, Zettel

dirk Offline



Beiträge: 1.538

06.01.2010 15:29
#10 RE: Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

und dabei wäre auch umgekehrte Fall eines viel zu warmen Winters ein Problem. Vor Jahren, ich finde es im Augenblick leider nicht, bemerkte der Deutsche Wetterdienst, dass ein Sommer in Deutschland 4 Grad wärmer als der langjährige Durchschnitt war und sah diese enorme Abweichung, die unter normalen Umständen nur alle x-Jahrhundert vorkomme, als Beleg für die Klimaerwärmung. Dabei ließen sich von den 4 Grad vielleicht 1 Grad auf die bisher gemäß Hypothese erfolgte Erwärmung zurückführen. Die verbleibenden 3 Grad sind immer noch sehr überraschend und immer noch extrem unwahrscheinlich. Kurz, dieses Ereignis war eher ein Indiz dafür, dass die natürliche Variabilität unterschätzt wird.

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

06.01.2010 15:43
#11 RE: Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

Lieber hubersn,

ich kann ihnen in allen angesprochenen Punkten beipflichten. Sowohl die Rohdatenerhebung, als auch ihre Interpretation, wie auch die Modellrechnungen der üblich verdächtigen Institute sind höchst ominös. Auch die beteiligten Wissenschaftler wirken nicht gerade seriös.

Aber an dieser Stelle möchte ich ihnen widersprechen:

Zitat von hubersn
Meines Erachtens wäre es höchste Zeit, ein anständiges Messnetz weltweit aufzubauen, um zumindest für die Zukunft zuverlässige Daten der bodennahen Temperaturen zu haben.



Welchen Nutzen hätte ein solches globales Messnetz denn? Ohne die Klimapaniker (pro&contra) wäre die korrekte Ermittlung einer Globaltemperatur doch völlig unnötig, oder? Wer braucht diesen Wert?

Die Meteorologen bringen für Land und See ziemlich genaue Vorraussagen für die nächsten 2-3 Tage, da kann man sich kurzfristig aufs Wetter einstellen - mehr brauchts eigentlich nicht. Langfristigen klimatischen Veränderungen haben sich Menschen schon immer anpassen müssen ... und sie haben es mit weniger technischem Know-How als unsereins geschafft.

Also, ich frage mich wirklich, wer eine (wie genau auch immer ermittelte) Globaltemperatur der Erde braucht. Mir fallen da wirklich nur die Teilnehmer des Klimazirkus ein.

Beste Grüße, Calimero

----------------------------------------------------
Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

06.01.2010 16:17
#12 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Kallias
Scherz beiseite: Wie, frage ich mich, kann man überhaupt ohne den poetischen, irgendwie nicht sehr wissenschaftlich wirkenden Schritt Nr. 3 zu einer wissenschaftlichen Aussage im Stil von 4. kommen?


Danke für diesen erhellenden Beitrag; mal wieder ein echter Kallias.



Dem will ich mich anschließen: wunderschön!

Zitat von Zettel
Ich habe in Einführungsvorlesungen versucht, den Studenten die Einsicht in die Notwendigkeit der Prüfstatistik nahezubringen. Dazu habe ich ähnliche Kurven an die Tafel gemalt und gebeten, sie zu interpretieren. Das war dann ungefähr so, wie Sie es beschreiben - die einen sahen in den Kurven dieses, die anderen jenes. Ein Rorschach-Test.


Es gibt auch wunderschöne Untersuchungen über die Qualität von Vorhersagen durch Experten, und seien es nur so mundane Prognosen wie für die Kundennachfrage eines Industrieunternehmens im kommenden Quartal. Das typische Ergebnis ist, dass die Experten trotz ihrer mehrjährigen Erfahrung häufig schlechter sind als denkbar einfache zeitreihenanalytische Modelle, die teilweise keinerlei kausale Faktoren einbeziehen (siehe unten über die Qualität einfacher Modelle). Und ein weiteres typisches Ergebnis ist, dass das überhaupt nicht am Selbstvertrauen der Experten kratzt. Die schlechten Ergebnisse lagen immer an irgendwelchen Sondereinflüssen, aber nächstes Quartal sind sie wieder besser als die exponentiale Glättung, bestimmt!

Menschen sind unglaublich schlecht darin, Muster zu erkennen - in der Savanne war es fürs Überleben deutlich besser, im Blattwerk einen Säbelzahntiger zu sehen, der nicht da war, als einen vorhandenen Tiger nicht zu sehen. Daher haben wir einen massiven bias, mehr Struktur zu sehen, als tatsächlich da ist. Insbesondere wenn suggestive Trendlinien eingezeichnet sind.

Hach, ich hänge hier einmal ein paar Zeitreihen an (wenn ich es schaffe). Drucken Sie die Grafik mal aus, halten Sie sie einigen Leuten unter die Nase und fragen Sie, was da für Strukturen drinstecken. Oder erzählen Sie, das seien Temperaturkurven der letzten 1000 Jahre und fragen Sie, wo die wohl herkommen. Des Rätsels Lösung: das sind rein zufällige Werte, sogenannte Random Walks - man fängt bei Null an und addiert immer zum vorherigen Wert ein standardnormalverteiltes Inkrement drauf. Überhaupt keine Struktur, keine Trends, kein gar nichts. Aber man kann sich darauf verlassen, dass die wildesten Geschichten über Anstiege und sonstwas erzählt werden. Der R-Code (R gibt es kostenlos hier), mit dem ich das Bild gemalt habe, lautet einfach:

1
2
3
4
5
set.seed(2010)
par(mfrow=c(3,3))
for ( ii in 1:9 ) {
plot(1000+seq(1,1000),cumsum(rnorm(1000,0,1)),main="",xlab="",ylab="",type="l")
}



Zitat von Zettel
Man könnte auch eine Trendanalyse rechnen und sehen, ob es einen signifikanten linearen Trend gibt. Ich möchte da auch Gorgasal bitten: Gorgasal, übernehmen Sie!


Oh je...

Am liebsten würde ich ja die oben verlinkte Grafik nehmen und ein bisschen die Daten anschauen; leider ist keine Quelle angegeben. Weiß die jemand?

Ansonsten gebe ich gerne ein paar allgemeine Kommentare. Eine ex ante-Hypothese "2001-2010 wird es wärmer sein als 1991-2000" kann man noch recht leicht überprüfen: entweder mit einem gepaarten t-Test (unter Normalverteilungshypothese, das berücksichtigt auch die Autoregressivitäten der Zeitreihe) oder besser mit einer nichtparametrischen Alternative, hier am besten einen Permutationstest. Keine große Sache. Man braucht nur eine publizierte Hypothese aus dem Jahr 2000 oder früher, deren Voraussetzungen erfüllt wurden (etwa über die Entwicklung des CO2-Gehalts der Atmosphäre).

Problem ist, dass wir ja nicht so einfache Hypothesen haben und dass die Statistik hier (wie häufig) furchtbar missbraucht wird. Man schaut sich die Daten an, glaubt einen Trend in einem bestimmten Zeitraum zu erkennen, testet den und - o Wunder! - die Statistik bestätigt den Trend. Das hat Kallias sehr schön beschrieben, man kann das also auch "formalisieren". Aber die wenigsten Tests berücksichtigen dieses Vorab-Datenbetrachten! Und wenn man sich aus der Unmenge von möglichen Hypothesen ("Erwärmung 1980-2000, keine Aussage vorher und nachher", "Erwärmung 1900-2010", "Erwärmung 1980-2000, dann Stagnation") durch vorheriges Data Dredging die optisch wahrscheinlichsten heraussucht, dann hat man damit alle Voraussetzungen ordentlicher Statistik über Bord geworfen!

Und dann gibt es noch einen ganzen Zoo von "Erwärmungen", aus dem man sich bedienen kann. Ein linearer Trend ist am einfachsten und insofern zu bevorzugen (je komplizierter, desto leichter betreibt man Overfitting, d.h., man modelliert Zufallsrauschen). Aber man kann auch stückweise Polynome (sogenannte Splines) hineinlegen, oder lineare Trends mit Strukturbrüchen... wenn man lange genug sucht, findet man etwas. Es gibt Methoden, um diese Abwägung zwischen komplizierten Modellen (modellieren die Vergangenheit gut, geraten aber gerne ins Overfitting und modellieren dann Rauschen) und einfachen Modellen (schlechterer historischer Fit, aber überraschend häufig deutlich bessere Vorhersagequalität) durchzuführen, etwa Informationskriterien wie AIC, AICc, BIC, QAIC oder Kreuzvalidierung (ist in Zeitreihen deutlich schmerzhafter). Da stellt sich dann aber die Frage, welchem dieser Kriterien man am ehesten vertraut, und schon hat man wieder eine Willkür in der Auswertung.

Prinzipiell, nach der reinen statistischen Lehre, dürfte man niemanden mehr an die Daten heranlassen, der schon einmal darüber nachgedacht hat. Man sollte eine klare Hypothese aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten aufstellen, die Entscheidungskriterien und statistischen Tests vorab (!) spezifizieren, dann erst Daten sammeln (typischerweise: davor noch Gelder einwerben), die Tests durchführen und die Ergebnisse publizieren. Aber die Versuchung, so lange "die Modelle zu verfeinern", bis interessante Ergebnisse herauskommen, ist immens: publication bias.

Deswegen reite ich auch so auf der Offenlegung von Verfahren und Auswertungsskripten herum. Andere Leute sollen Alternativen überprüfen und die Ergebnisse Stresstests unterziehen. Kommt die gleiche Schlussfolgerung heraus, wenn man AIC statt Kreuzvalidierung verwendet? Wenn man Modelle kombiniert? Berücksichtigen die Prognoseungenauigkeiten die Unsicherheit in der Modellauswahl (ich bin mir fast sicher, dass nein)? Sind die Ergebnisse robust dagegen, wenn man Zufallszahlen als Input zur Verfügung stellt, oder werden die vom Modellfindungsalgorithmus munter ins Modell eingebaut? Leider geht all das nicht, weil der Code nicht zur Verfügung gestellt wird. Und solange die Statistik hinter dem Klimaalarmismus nicht mindestens genauso brutal überprüft wird wie ein Verkehrsflugzeug, glaube ich ihr nicht.

--
La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Angefügte Bilder:
temperatur.png  
Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

06.01.2010 17:03
#13 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Dazu, immer interessant, Briggs: Do noot smooth...

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.01.2010 17:28
#14 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Vielen Dank, lieber Gorgasal! Wieder mal eine Menge gelernt.

Zitat von Gorgasal
Ansonsten gebe ich gerne ein paar allgemeine Kommentare. Eine ex ante-Hypothese "2001-2010 wird es wärmer sein als 1991-2000" kann man noch recht leicht überprüfen: entweder mit einem gepaarten t-Test (unter Normalverteilungshypothese, das berücksichtigt auch die Autoregressivitäten der Zeitreihe) oder besser mit einer nichtparametrischen Alternative, hier am besten einen Permutationstest. Keine große Sache.


Daran hatte ich auch gedacht, aber dann Bedenken bekommen. Die Temperaturen aufeinanderfolgender Jahre sind ja etwas anderes als eine zufällig gezogene Stichprobe aus einer homogenen Grundgesamtheit. Da dürfte es jede Menge von Abhängigkeiten geben. Hat sich erst einmal in einem Winter der Globus abgekühlt, dann wächst vermutlich die Wahrscheinlichkeit, daß es auch im nachfolgenden Winter kalt sein wird usw. - Gepaarter t-Test? Aufgrund welcher Abhängigkeit?

Zitat von Gorgasal
Problem ist, dass wir ja nicht so einfache Hypothesen haben und dass die Statistik hier (wie häufig) furchtbar missbraucht wird. Man schaut sich die Daten an, glaubt einen Trend in einem bestimmten Zeitraum zu erkennen, testet den und - o Wunder! - die Statistik bestätigt den Trend.


Exakt. Wir hatten das ja kürzlich im Zusammenhang mit der Auswertung von fMRI-Daten.

Zitat von Gorgasal
Ein linearer Trend ist am einfachsten und insofern zu bevorzugen (je komplizierter, desto leichter betreibt man Overfitting, d.h., man modelliert Zufallsrauschen).


Das scheint mir eigentlich auch das Offensichtlichste zu sein. Aber ich habe noch nie gelesen, daß jemand die globale Erwärmung plausibel zu machen versucht hätte, indem er einen signifikanten linearen Trend in Klimadaten nachwies.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

06.01.2010 17:41
#15 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Gorgasal
Ansonsten gebe ich gerne ein paar allgemeine Kommentare. Eine ex ante-Hypothese "2001-2010 wird es wärmer sein als 1991-2000" kann man noch recht leicht überprüfen: entweder mit einem gepaarten t-Test (unter Normalverteilungshypothese, das berücksichtigt auch die Autoregressivitäten der Zeitreihe) oder besser mit einer nichtparametrischen Alternative, hier am besten einen Permutationstest. Keine große Sache.


Daran hatte ich auch gedacht, aber dann Bedenken bekommen. Die Temperaturen aufeinanderfolgender Jahre sind ja etwas anderes als eine zufällig gezogene Stichprobe aus einer homogenen Grundgesamtheit. Da dürfte es jede Menge von Abhängigkeiten geben. Hat sich erst einmal in einem Winter der Globus abgekühlt, dann wächst vermutlich die Wahrscheinlichkeit, daß es auch im nachfolgenden Winter kalt sein wird usw. - Gepaarter t-Test? Aufgrund welcher Abhängigkeit?



Hm, bringen Sie mich bitte nicht ins Grübeln, das tut weh. Ich würde die Werte von Januar 1991 mit denen von Januar 2001 paaren, dito die von Februar 1991 mit denen von Februar 2001 und so weiter. Aber wenn ich jetzt ein wenig nachdenke, dann haben Sie recht, das berücksichtigt die Autokorrelation ja gerade nicht. Also besser: wir fitten ein schönes ARIMA-Modell und testen dann die Residuen, also den Modellfehler.

Womit wir wieder das Problem haben, dass wir bei den autoregressiven (AR), den Integrations- (I) und den Moving Average-Termen (MA) viel Spielraum haben. Nehmen wir lieber ein ARIMA(12,2,12)-Modell? Oder besser ein ARIMA(24,1,3)-Modell? Oder sollten wir die AR(17)-Terme oder allgemeiner alle Terme außer AR(1,2,3,6,12,24) auf Null festsetzen, um Parameter und Freiheitsgrade einzusparen? Sollen wir das Modell mit dem niedrigsten AIC nehmen? Den niedrigsten BIC? Oder die Modelle kombinieren? Und wie beziehen wir diese Modellunsicherheit ein? Fast egal was wir machen, das Ergebnis wird das Vertrauen weit überschätzen, das wir haben dürfen.

--
La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Kallias Offline




Beiträge: 2.309

06.01.2010 19:48
#16 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Zitat von Gorgasal
Am liebsten würde ich ja die oben verlinkte Grafik nehmen und ein bisschen die Daten anschauen; leider ist keine Quelle angegeben. Weiß die jemand?

Oh, das wäre klasse! Hier sind die Daten: http://vortex.nsstc.uah.edu/public/msu/t2lt/tltglhmam_5.2

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

06.01.2010 23:46
#17 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Zitat von Kallias
Hier sind die Daten: http://vortex.nsstc.uah.edu/public/msu/t2lt/tltglhmam_5.2


Verbindlichsten Dank!

Also, dann spielen wir mal ein bisschen, der späten Stunde geschuldet völlig informell, jede Haftung wird abgelehnt. Ich verwende wieder R. Wir lesen die Daten ein, konvertieren sie in ein Zeitreihenformat und malen ein Bild (Grafiken hänge ich unten an):

1
2
3
temp.data <- read.table("http://vortex.nsstc.uah.edu/public/msu/t2lt/tltglhmam_5.2",skip=4,header=TRUE,nrows=373)
temp.ts <- ts(temp.data$GLOBAL, start=c(1978,12), end=c(2009,12), frequency=12)
plot(temp.ts, ylab="Temperature (deg C)")


Das sieht schon einmal wie das Bild im verlinkten Blogeintrag aus, das ist vertrauenerweckend.

Sodann zerlegen wir die Zeitreihe mit additiver classical decomposition in eine Trend-, eine Saison- und eine Residualkomponente und plotten die Komponenten:

1
plot(decompose(temp.ts, type="additive"))


Man sieht es auf Bild 2 nicht so gut, aber die Trendkomponente ist seit etwa 1994 fast durchgehend positiv. Heißt das, dass die Erde sich erwärmt? Mitnichten. Das kann auch einfach an autoregressiven Termen liegen, wenn die Temperatur von der Temperatur im Vormonat abhängt - wenn das ein positiver Zusammenhang ist, dann können sich zufällige höhere Temperaturen lange halten und aussehen wie ein Trend.

Also bauen wir ein ARIMA-Modell.

1
2
3
library(forecast)
temp.arima <- auto.arima(temp.ts, max.p=24, max.q=12, max.order=40, stepwise=TRUE, trace=TRUE, approximation=TRUE)
tsdiag(temp.arima)


Wie oben schon gesagt, ist hier der Willkür Tür und Tor geöffnet. Wir suchen Modelle schrittweise und schauen uns damit nicht alle möglichen Modelle an (weil das ewig dauert). Wir begrenzen die maximalen Ordnungen. Wir verwenden (als Voreinstellung der auto.arima-Funktion) AIC zur Modellauswahl. Und so weiter.

R hält ein ARIMA(2,1,1)-Modell für am sinnvollsten. Da stecken zwei AR-Terme drin - die Temperatur im Juli hängt also von der im Juni und im Mai ab. Beide Koeffizienten sind positiv. Hohe Temperaturen in einem Monat hängen also mit hohen Temperaturen im nächsten Monat zusammen. Ist so ein System einmal stark positiv, dann bleibt es gerne dort.

Die Grafiken sehen gut aus - die Autokorrelationsfunktion der Residuen ist überall zwischen den gestrichelten Linien, da gehört sie in einem ordentlichen Modell hin, außer für den Lag 0, weil die Residuen natürlich mit sich selbst perfekt korrelieren. Das ist gut so. Die Ljung-Box-Statistiken sind auch alle weit weg von Signifikanz. Und ein ARIMA(2,1,1)-Modell ist so einfach, dass ich es schon von vornherein gut finde.

Jetzt schauen wir uns einmal die Residuen des ARIMA-Modells an, also die Differenzen zwischen den tatsächlichen Werten und den Werten, wie sie das Modell für die Vergangenheit erwartet hätte. Wenn es tatsächlich eine Erwärmung gegeben hätte, die über die Autokorrelation hinausgeht (von der ich zunächst annehme, dass sie natürliche Prozesse widerspiegelt - aber das müsste man natürlich überprüfen), dann müssten diese Residuen mit der Zeit immer größer werden, weil das Modell die wahren Daten unterschätzt. Also rechnen wir eine Korrelation zwischen der Zeit und den Residuen aus, und zwar den Kendallschen Korrelationskoeffizienten, der verlangt nicht von vornherein eine Linearität in der Entwicklung der Residuen, sondern kann schon "es wird größer" erkennen, ohne über die Form des Größerwerdens Voraussetzungen zu stellen.

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temp.resid <- as.vector(residuals(temp.arima))
cor.test(seq(1,length(temp.resid)), temp.resid, method="kendall")


Die Ergebnisse sind weit weg von Signifikanz, die Residuen werden also nicht systematisch größer.

Zusammenfassend: nach meiner kurzen unsauberen Analyse sehe ich in diesen Daten zumindest über den Gesamtzeitraum keine Erwärmung. Und auch keine Notwendigkeit, externe Daten zur Erklärung einzubeziehen, so das ARIMA(2,1,1)-Modell nicht fundamental irgendwelcher Atmosphärenphysik widerspricht.

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La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Angefügte Bilder:
bild1.png   bild2.png   bild3.png  
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.01.2010 03:03
#18 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Beeindruckend!

Und gleich noch was Beeindruckendes. Hier ist der (für mich) bisher überzeugendste Text eines Klimaskeptikers. Siehe auch das Interview Malbergs mit Cicero.

Kein interessierter Amateur, sondern ehemaliger Direktor des Instituts für Meteorologie der FU Berlin. Dem prompt ein Maulkorb verpaßt wurde.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

07.01.2010 10:49
#19 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Sodele, noch ein Nachtrag, weil es so viel Spaß gemacht hat. Ich hatte ja wiederholt auf die Willkür hingewiesen, die in der Datenanalyse steckt. Wir lassen jetzt einfach die Daten einmal im Januar 1979 starten, einmal im Januar 1980, im Januar 1981 und so weiter.

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temp.data <- read.table("http://vortex.nsstc.uah.edu/public/msu/t2lt/tltglhmam_5.2",skip=4,header=TRUE,nrows=373)
library(forecast)

sink("dummy.txt")
for ( year in 1:20 ) {
temp.ts <- ts(temp.data$GLOBAL[((year-1)*12+1):373], end=c(2009,12), frequency=12)
cat("\n----------------------------------------\nStart ",year+1978,":\n",sep="")
print(auto.arima(temp.ts, max.p=24, max.q=12, max.order=40, stepwise=TRUE, trace=FALSE, approximation=TRUE))
}
sink(NULL)

output <- scan("dummy.txt",what="character",sep="\n")
paste(output[substr(output,1,5)=="Start"],output[substr(output,1,5)=="ARIMA"])



Wenn die Struktur der Daten deutlich ist, dann müsste bei jeder Analyse ungefähr das gleiche Modell herauskommen. Was passiert?

Start 1979: ARIMA(2,1,1)                    
Start 1980: ARIMA(0,1,1)
Start 1981: ARIMA(2,1,1)(1,0,1)[12]
Start 1982: ARIMA(2,1,1) with drift
Start 1983: ARIMA(2,1,2)(2,0,0)[12]
Start 1984: ARIMA(2,1,2)(1,0,0)[12]
Start 1985: ARIMA(2,1,1)
Start 1986: ARIMA(0,1,1)
Start 1987: ARIMA(1,1,0)(2,0,0)[12]
Start 1988: ARIMA(2,1,1)(1,0,0)[12]
Start 1989: ARIMA(0,1,1)
Start 1990: ARIMA(1,1,3)(0,0,1)[12] with drift
Start 1991: ARIMA(2,1,2)(1,0,0)[12] with drift
Start 1992: ARIMA(0,1,1)(0,0,1)[12]
Start 1993: ARIMA(0,1,1)(0,0,1)[12]
Start 1994: ARIMA(0,1,1)(0,0,2)[12]
Start 1995: ARIMA(2,0,0)(1,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1996: ARIMA(3,0,1)(2,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1997: ARIMA(2,0,0)(2,0,1)[12] with non-zero mean
Start 1998: ARIMA(2,0,0)(2,0,0)[12] with non-zero mean


Die Ordnungen der gefitteten Modelle ändern sich praktisch von Jahr zu Jahr. Wenig vertrauenerweckend.

Natürlich könnte das daran liegen, dass wir wichtige externe Einflüsse nicht einbezogen haben. In der ursprünglich verlinkten Grafik sind auch "Mt Pinatubo Cooling" und "El Nino Warming" eingetragen. Möglicherweise ist ein kausales Modell mit solchen externen Faktoren deutlich stabiler.

Allerdings bräuchte so ein Modell wieder deutlich mehr Parameter als diese einfachen ARIMA-Modelle, und wir haben wieder die Gefahr des Overfitting. Klarheit darüber, welches Modell besser ist, kann deswegen nur ein echter out-of-sample forecast bieten - also heute eine Prognose für den Zeitraum Februar 2010 bis Januar 2020 (10 Jahre sollten es schon sein). Aber die können wir erst 2020 auswerten - wir wissen also immer nur etwas über die Qualität von Modellen, die vor zehn Jahren gebaut wurden. Wir hinken immer hinterher.

Warum können wir uns nicht einfach 10 Jahre zurückversetzen, so tun, als wären wir im Jahr 1999, eine Prognose für 2000 bis 2009 rechnen und die dann mit den echten Daten vergleichen? Natürlich können wir das explorativ machen, und das kann ganz erleuchtend sein. Aber statistisch taugt das nichts, weil wir ja das Modell so lange tunen werden, bis es gute Prognosen liefert - und damit ist es keine echte out of sample-Prognose mehr, wir haben die Echtdaten letztendlich in den Modellbau einbezogen! Das ist wieder Overfitting, und die Prognosequalität eines so gebauten Modelle für tatsächlich neue Daten wird immer schlechter sein als was wir uns aufgrund der Prognosequalität 2000-2009 erwarten.

In der Zeitreihenanalyse kann man sich ganz vorzüglich ins Knie schießen. Wenn jemand da tiefer einsteigen will, empfehle ich zwei Bücher: in Forecasting: Methods and Applications von Makridakis, Wheelwright und Hyndman kann man alles über die wilden ARIMA-Modelle aus meinen Postings lernen, aber die Mathematik ist vergleichsweise harmlos. Und Principles of Forecasting von Armstrong (Hrsg.) bietet die nicht-technische Seite der Prognostik, mit all den nichtmathematischen Fallstricken, die ich hier immer wieder anführe.

Armstrong ist übrigens einer der profiliertesten Klimaskeptiker unter den Forecastern, ich habe ihn hier schon häufiger angeführt. Er und Kesten Green führen einen kleinen Zwei-Personen-Kreuzzug gegen die Unsauberkeiten in der Klimatologie, soweit sie etablierten best practices der Prognostik widersprechen.

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Diskus Offline



Beiträge: 206

07.01.2010 11:07
#20 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Schöne Analyse.

Zitat
R hält ein ARIMA(2,1,1)-Modell für am sinnvollsten.


Ich verstehe nicht ganz, auf welcher Basis R entscheidet, welches Modell am sinnvollsten ist?

Diskus Offline



Beiträge: 206

07.01.2010 11:14
#21 RE: Zitate des Tages: "Wir sind nur noch milde Winter gewohnt" Antworten

Wo wir grad schon beim Thema sind: Ich finde die Reaktion von nature zu "Climategate" recht interessant: http://www.nature.com/nature/journal/v46...pdf/462545a.pdf
(siehe auch angehängte Datei. Ich vermute, daß das Posting hier im Forum schon in Ordnung geht. Falls nicht, bitte wieder löschen.)




Ich habe den Anhang gelöscht, denn er ist gleichbedeutend mit einem Vollzitat und verstößt damit gegen das Urheberrecht.

Ihr Link erschließt den Text ja ebenso gut wie ein Anhang. Vielen Dank für den interessanten Hinweis!

Herzlich, Zettel

Nachtrag: Hier ist das Editorial als HTML-Datei.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

07.01.2010 11:42
#22 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Zitat von Diskus

Zitat von Gorgasal
R hält ein ARIMA(2,1,1)-Modell für am sinnvollsten.


Ich verstehe nicht ganz, auf welcher Basis R entscheidet, welches Modell am sinnvollsten ist?



R fittet verschiedene Modelle und berechnet für jedes das AIC (Akaike's Information Criterion). Das AIC wägt den Modellfit gegen die Anzahl verwendeter Parameter ab, weil man einerseits ein möglichst gut passendes Modell, andererseits möglichst wenig freie Parameter will. Letztendlich kann man jeden Datensatz perfekt modellieren, wenn man genug freie Parameter investiert, aber dann hat man Rauschen modelliert (Overfitting) und keine Vorhersagekraft mehr, deswegen möchte man wenig Parameter. Der AIC ist ein etabliertes Maß hierfür, und als Voreinstellung wählt R das Modell mit dem besten (niedrigsten) AIC aus.

Und wie gesagt, man hat hier wieder Freiheit. Es gibt viele Alternativen zum AIC, etwa einen AICc (eine etwas bessere Approximation an die erwartete Kullback-Leibler-Distanz zwischen dem Modell und der Realität als der AIC) oder den BIC (bayesianisch) und einen ganzen weiteren Zoo, alle etwas unterschiedlich, alle mit sinnvollen (aber eben verschiedenen) theoretischen Begründungen. Und alle können zu unterschiedlichen Modellen führen - BIC wählt typischerweise ein "kleineres" Modell als AIC, weil der Strafterm für die Parameteranzahl größer ist.

Nachtrag: wenn Sie hier spielen wollen, dann können Sie das verwendete Kriterium in der auto.arima()-Funktion mit dem Parameter ic wählen. Zur Auswahl stehen ic="aic" (Default), ic="aicc" oder ic="bic" - andere Informationskriterien kann man sich aus der Log-Likelihood, der Parameteranzahl und ggfs. weiteren Daten selbst stricken.

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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

07.01.2010 11:56
#23 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Zitat von Zettel
Hier ist der (für mich) bisher überzeugendste Text eines Klimaskeptikers.


Schön! Mir sagte das nicht viel Neues, aber es freut mich, wenn Sie das überzeugend finden. Der letzte Absatz hat mich zu einer Kleinigkeit veranlasst:

Zitat von Horst Malberg
Last but not least sollte dem regionalen und überregionalen Umweltschutz höchste Priorität eingeräumt werden. Die Reinhaltung von Luft, Wasser und Boden, dem Erhalt der Wälder usw. kommt den Menschen unmittelbar zu gute und stellen in der Summe einen effektiven und nachhaltigen Beitrag zum Klima und zur Lebensqualität auf unserem blauen Planeten dar.

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wflamme Offline



Beiträge: 187

07.01.2010 12:12
#24 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Guter Gorgasal, das ergibt keinen Sinn, was Sie da gerade machen.

Ein ARIMA-Modell hat ein integratives Verhalten und weist somit ein nicht-stationäres Verhalten auf (prinzipiell wie Ihr Random Walk). Ich kann das auf Wunsch gerne noch ausarbeiten, auch mit Beispielen und Code, aber die wesentliche Aussage dieses Verhaltens ist, daß ein solches Modell keine Gleichgewichtslage kennt und auch keine anstrebt. Ein solches Modell, zufälligen Störungen ausgesetzt, müßte im Laufe der Zeit beliebig hohe oder niedrige Extremwerte erreichen, genau wie sich ein Random Walker im Laufe der Zeit eher immer weiter von seinem Ausgangspunkt entfernen wird.

Wir wissen aber, daß sich die Temperatur der Erde nicht instationär verhalten kann, sonst wäre das hier schon nach wenigen tausend Jahren ein lebensfeindlicher Planet. Außerdem sagt die Physik, daß ein wärmerer Körper mehr Energie abstrahlt, sogar überproportional mehr - dh die Temperatur kann nicht so einfach beliebig 'herumwandern', wie es Ihr integratives Modell nahelegt.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

07.01.2010 12:24
#25 RE: Gorgasal, übernehmen Sie! Antworten

Zitat von wflamme
Guter Gorgasal, das ergibt keinen Sinn, was Sie da gerade machen.


Oh, ein Fehdehandschuh!

Zitat von wflamme
Ein ARIMA-Modell hat ein integratives Verhalten und weist somit ein nicht-stationäres Verhalten auf (prinzipiell wie Ihr Random Walk). Ich kann das auf Wunsch gerne noch ausarbeiten, auch mit Beispielen und Code, aber die wesentliche Aussage dieses Verhaltens ist, daß ein solches Modell keine Gleichgewichtslage kennt und auch keine anstrebt. Ein solches Modell, zufälligen Störungen ausgesetzt, müßte im Laufe der Zeit beliebig hohe oder niedrige Extremwerte erreichen, genau wie sich ein Random Walker im Laufe der Zeit eher immer weiter von seinem Ausgangspunkt entfernen wird.
Wir wissen aber, daß sich die Temperatur der Erde nicht instationär verhalten kann, sonst wäre das hier schon nach wenigen tausend Jahren ein lebensfeindlicher Planet. Außerdem sagt die Physik, daß ein wärmerer Körper mehr Energie abstrahlt, sogar überproportional mehr - dh die Temperatur kann nicht so einfach beliebig 'herumwandern', wie es Ihr integratives Modell nahelegt.


Ja, Sie haben natürlich völlig recht!

Aber wenn das so offensichtlich ist, dann müsste sich das im AIC niederschlagen, und dann müsste die Modellauswahl automatisch ein ARMA-Modell auswählen, die mittlere ARIMA(p,d,q)-Ordnung müsste also (von Zufallseffekten abgesehen) d=0 sein. Aber wenn ich da oben mit den Daten herumspiele, dann ist dem viel zu häufig nicht so. Also: entweder haben Sie zumindest über den kurzen Zeitraum von höchstens 30 Jahren hin unrecht (grob gesagt: dann gäbe es tatsächlich einen erkennbaren Trend), oder aber die Modellauswahl ist zu unsauber. Und auf eben diese Unsicherheit in der Modellauswahl sowie darauf, dass sie meines Erachtens nie in die Prognoseungenauigkeit einfließt, habe ich ja auch schon hingewiesen.

Natürlich könnte man unter Verwendung unseres physikalischen Wissens nur nichtintegrierte ARMA-Modelle zulassen, sehr gerne! Wenn ich das mache (mit dem Parameter d=0 in auto.arima()), dann sind die Modelle auch nicht viel stabiler:

Start 1979: ARIMA(1,0,2) with non-zero mean 
Start 1980: ARIMA(1,0,2) with non-zero mean
Start 1981: ARIMA(2,0,0) with non-zero mean
Start 1982: ARIMA(2,0,0) with non-zero mean
Start 1983: ARIMA(2,0,0)(2,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1984: ARIMA(2,0,0)(1,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1985: ARIMA(2,0,0) with non-zero mean
Start 1986: ARIMA(1,0,1) with non-zero mean
Start 1987: ARIMA(2,0,0)(2,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1988: ARIMA(2,0,0)(1,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1989: ARIMA(2,0,0)(0,0,1)[12] with non-zero mean
Start 1990: ARIMA(1,0,1)(0,0,1)[12] with non-zero mean
Start 1991: ARIMA(1,0,1)(0,0,1)[12] with non-zero mean
Start 1992: ARIMA(1,0,1)(1,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1993: ARIMA(3,0,0)(1,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1994: ARIMA(1,0,2)(2,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1995: ARIMA(2,0,0)(1,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1996: ARIMA(3,0,1)(2,0,0)[12] with non-zero mean
Start 1997: ARIMA(2,0,0)(2,0,1)[12] with non-zero mean
Start 1998: ARIMA(2,0,0)(2,0,0)[12] with non-zero mean


Und man kann eben auch Vulkanausbrüche oder El Nino einbeziehen. Und Wärmeabstrahlung. Und man kann noch viel komplizierter vorgehen, und irgendwann ist man ein echter Klimatologe... Das Problem ist nur, dass elementares statistisches Wissen, soweit ich das beurteilen kann, nicht einbezogen wird, und das unabhängig davon, wie solide die Modelle fundiert sind.

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