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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 30 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
FAB. Offline



Beiträge: 523

11.01.2010 05:41
#26 RE: Zitat des Tages: Redakteurin fordert Fleisch-Tabu Antworten

Ich muß gestehen, daß die ZEIT mir zunehmend Angst macht. Mein Kinderglaube an den "freiheitlichsten Staat, den wir je hatten" ist eh schon stark in Mitleidenschaft gezogen; die Hamburger Presse scheint ihm mittlerweile den Todesstoß versetzen zu wollen.
Der hier anlaßgebende Artikel ist übrigens mitnichten ein Einzelfall oder auch nur besonders explizit. Die große liberale Wochenzeitung läßt es auch schon mal richtig krachen, dann heißt es dort etwa Ein bißchen Diktatur darf sein.

Gänzlich humor- und ironiefrei übrigens, falls da noch jemand Illusionen haben sollte.

Nach der Lektüre dieses doch eher schlampig "argumentierenden" Textes habe ich mir auch die dort implizit erwähnte Entscheidung des BVerfG noch einmal angesehen. Mir war garnicht mehr erinnerlich, wie kurz, knackig und weitgehend argumentfrei das Gericht damals (1982) die Einwendungen gegen die (bußgeldbewehrte) Helmpflicht abgebügelt hatte.

Zitat von BVerfGE 59, 275
Die bisherige Entwicklung seit Einführung der Schutzhelmtragepflicht hat gezeigt, daß Aufklärung, Appelle an die Vernunft der Kraftradfahrer und zivilrechtliche Folgen allein nicht ausgereicht haben, um eine allgemeine Einhaltung dieser Pflicht zu erreichen. (...) Die angegriffene Vorschrift stellt auch keine unzulässige Bevormundung des Bürgers dar. Nach dem Grundgesetz muß der Einzelne sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, daß dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt. Die so bezeichneten Grenzen hat der Verordnungsgeber hier nicht überschritten. Ein Kraftradfahrer, der ohne Schutzhelm fährt und deshalb bei einem Unfall eine schwere Kopfverletzung davonträgt, schadet keineswegs nur sich selbst. Es liegt auf der Hand, daß in vielen Fällen weiterer Schaden abgewendet werden kann, wenn ein Unfallbeteiligter bei Bewußtsein bleibt. Das Fahren ohne Schutzhelm, das den Beschwerdeführern ein "Gefühl von Freiheit und Wagnis" vermittelt, unterscheidet sich von anderen gefährlichen Betätigungen dadurch, daß es sich im öffentlichen Straßenverkehr abspielt, mithin in einem Bereich, der für die Allgemeinheit wichtig ist und für den der Staat deshalb eine besondere Verantwortung trägt. Wenn die Folgen eines im öffentlichen Straßenverkehr eingegangenen, berechenbaren und hohen Risikos die Allgemeinheit schwer belasten, ist es für den Einzelnen zumutbar, dieses Risiko durch einfache, leicht zu ertragende Maßnahmen zu senken. Daß Unfälle mit schweren Kopfverletzungen weitreichende Folgen für die Allgemeinheit haben (z. B. durch Einsatz der Rettungsdienste, ärztliche Versorgung, Rehabilitationsmaßnahmen, Versorgung von Invaliden), steht außer Frage.


Das war schon alles; mehr Argumentation war (und ist) nicht vonnöten, wenn es "nur" um die Einschränkung der Allgemeinen Handlungsfreiheit geht. (In der späteren Entscheidung zur allgemeinen Gurtpflicht [NJW 1987, 180] wird dann zur Begründung nur noch auf die hier zitierte zur Helmpflicht verwiesen.)

dirk Offline



Beiträge: 1.538

11.01.2010 09:20
#27 RE: Zitat des Tages: Redakteurin fordert Fleisch-Tabu Antworten

Zitat von Florian
Ihr Gedanke wäre allerdings wirklich ein klasse Einfallstor für staatliche Gängelung:
Erst zwingt man die Bevölkerung in ein Krankenversicherungs-Zwangssystem.
Und dann ist just diese Zwangsversicherung die Grundlage für weitere Zwangsmaßnahme:



Gut gesprochen! Dieses Argumentationsmuster ärgert mich seit Jahren. (Genauso gut könnte man muslimischen (und anderen) Familien untersagen, mehr als ein Kind zur Welt zu bringen. Schließlich zahle man für sie Kindergeld.)

Diskus Offline



Beiträge: 206

11.01.2010 10:23
#28 RE: Zitat des Tages: Redakteurin fordert Fleisch-Tabu Antworten

In diesem Zeitartikel heißt es an einer Stelle:

Zitat
Aber ist denn ein tödlicher Seuchenzug durch Pocken letztlich für die Gemeinschaft etwas anderes als eine Zunahme der krankmachenden Fettsucht?


Als wäre das eine Frage!! Es ist wirklich schockierend. Solange nicht rauskommt, daß "Fettsüchtige" mehr CO2 emittieren als Gesundsüchtige ( ) liegt die Antwort wohl auf der Hand und leuchtet eindeutig: "JA, verdammt nochmal! Es ist was ganz anderes!"

Omni Offline



Beiträge: 255

11.01.2010 11:04
#29 RE: Zitat des Tages: Redakteurin fordert Fleisch-Tabu Antworten

Zitat

Und das wird dann in der Regel so diskutiert: Immer mehr Jugendliche saufen sich voll - oder - es wird immer mehr Alkohol konsumiert ... und deshalb muss man Alkohol verbieten, oder muss man Jugendlichen den Kauf von Alkohol verbieten (auch wenn es nur das Bier für die Eltern ist).


Ergo? Mit ist nicht klar welche Schlussfolgerung ich jetzt daraus ziehen soll? Dass eine Zeitungsredakteurin keine gesellschaftlichen Normen beurteilen darf? Hätte die Dame einen Artikel darüber geschrieben, dass zuviel Alkohol in Deutschland getrunken wird, hätten Sie ihr doch wohl auch nicht unterstellt dass sie eine neue Prohibition anstrebt, oder?

Zitat

Gibt es eine Norm, die man vernünftig begründen kann?


Ja, es gibt Argumente, die gegen Fleischkonsum sprechen. Die Situation der Schlachttiere z.Bsp., was in dem Artikel ja hinlänglich diskutiert wurde.

Zitat

Die Kinder erzählen natürlich nur, was sie wissen, und sie wissen nur, was man ihnen erzählt hat, und man erzählt ihnen vorwiegend das, was politisch korrekt ist. Auf die Fakten kommt es dann weniger an. Gibt es dafür nicht einen zutreffenden Begriff? Indoktrination fällt mir ein. Wie beim Klima ...


Keine Ahnung was das jetzt mit "politischer Korrektheit" zu tun hat. Meine Eltern scheinen mir bestimmte Werte vermittelt zu haben und ich sehe nicht, wieso dazu nicht auch prinzipiell der Verzicht auf Fleisch hätte zählen können. Wenn das Indoktrination ist, dann scheint mir die ganze Erziehung von Kindern Indoktrination zu sein.

Zitat

Weil es eine Forderung ist.


Wie formuliert man einen Wunsch nach Veränderung denn sonst? Als Bitte? "Bitte esst weniger Fleisch"? Ich finde das klingt nicht besonders...

Zitat

Woher wollen Sie wissen, dass diese Gruppen von Leuten wissen, wie ich besser lebe?
Wo gibt es da noch Wettstreit, wenn alle nach einer Norm leben?


Auf jeden Fall erzählen diese Gruppen Ihnen, wie sie besser leben sollen (angeblich). Aber der demokratische Rechtsstaat stellt deutlich mehr und friedlichere Mittel zur Verfügung in dieser Auseinandersetzung, als eine Ein-Parteien-Diktatur oder vergleichbares. Schlimmstenfalls gründet sich eine Lobby der Fleischesser, die dann mit ihrem Wählerpotential auftrumpft

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.01.2010 12:25
#30 RE: Zitat des Tages: Redakteurin fordert Fleisch-Tabu Antworten

Zitat von vivendi
Und das wird dann in der Regel so diskutiert: Immer mehr Jugendliche saufen sich voll - oder - es wird immer mehr Alkohol konsumiert ... und deshalb muss man Alkohol verbieten, oder muss man Jugendlichen den Kauf von Alkohol verbieten (auch wenn es nur das Bier für die Eltern ist).


Gerade gestern hat mir ein Bekannter ein noch krasseres Beispiel erzählt:
Es gibt strenge Verbote, sich Medikamente aus dem (Nicht-EU)-Ausland zuschicken zu lassen. Der Zoll kontrolliert per Durchleuchtung alle eingehenden Postsendungen, bei verdächtigen Päckchen wird dann geöffnet, das zuständige Regierungspräsidium muß dann den Empfänger ermitteln (ist ja aus der Postadresse nicht immer direkt ersichtlich) und ihm eine Strafe aufbrummen, dann werden die Medikamente vernichtet. Alles ein sehr aufwendiger Vorgang, kostet den Steuerzahler einiges.

Aber man hat die Leute damit "zuverlässig" davor geschützt, sich mit obskuren Viagra-Kopien aus Indien etc. vielleicht gesundheitlich zu schädigen.

Ich sehe es ja sehr ein, daß der Staat in Apotheken usw. für Kontrolle sorgt, so daß man sich als Bürger auf die Qualität der dort erworbenen Medikamente verlassen kann.
Aber wer nun meint, aus irgendwelchen obskuren Quellen Stoffe beziehen und konsumieren zu wollen - der kann m. E. auch das Risiko selber tragen. Es gibt keine vernünftige Rechtfertigung dafür, daß der Staat hier verbietend und strafend eingreift.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.01.2010 14:19
#31 RE: Zitat des Tages: Redakteurin fordert Fleisch-Tabu Antworten

Zitat von Omni
Ich hab den Artikel nur überflogen, aber wo hat denn die Autorin gefordert, dass hier gesetzliche Regelungen greifen sollen? An der Forderung eines Tabus ist doch an sich nichts auszusetzen. Es schreibt ja auch niemand gesetzlich vor, wieviel Alkohol ein deutscher Bundesbürger konsumieren darf und trotzdem gibt es in bestimmten Bevölkerungskreisen eine ablehnende Haltung gegenüber maßlosem Alkoholkonsum.


Solange es, lieber Omni, in bestimmten Bevölkerungskreisen - hier bei Vegetariern - eine Ablehnung des Fleischkonsums gibt, ist ja alles bestens. Meine Achtung haben Vegetarier; ich kann ihre Motive nachvollziehen, auch wenn ich sie nicht teile.

Petra Steinberger aber schreibt:

Zitat von SZ
Wir könnten nach Indien schauen, wo Kühe bis heute heilig sind. Eine der großen anthropologischen Theorien erklärt das damit, dass das Land schon vor dreitausend Jahren mit Hungersnöten kämpfen musste. Nur Bauern, die ihre Kühe in solchen Zeiten nicht schlachteten, hatten später Milch und Pflugochsen. Nur sie überlebten. Die Priester kodifizierten diese Überlebensstrategie zum Tabu. Es hält bis heute.

Gelüste bleiben. Aber ihre Akzeptanz kann verändert werden.

Wir brauchen neue Tabus.


Wer ist "wir"? Die Vegetarier? Aber für die ist ja Fleisch schon tabu. Vernünftigerweise kann sich diese Forderung nach "neuen" Tabus also nur auf Nichtvegetarier beziehen. Der vegetarische Lebensstil soll - so verstehe ich die Autorin jedenfalls - ein allgemeines gesellschaftliches Tabu begründen; wie die Heiligkeit des Rindes in der Hindu-Gesellschaft. Darin sehe ich eine totalitäre Tendenz.

Zitat von Omni
Natürlich sind Reformentwürfe für die Gesellschaft immer in dem Sinne totalitär, dass man damit anderen erzählt, wie sie zu leben haben. Aber ich sehe den liberalen Rechtsstaat als geeignete Plattform dafür an, dass die Gruppen von Leuten, die sich gegenseitig erzählen wie man besser lebt in einem friedlichen Wettstreit miteinander koexistieren, ohne dass einer dem anderen "Totalitarismus" vorwerfen muss...


Bei solchen Überlegungen finde ich eine kontrafaktische Argumentation oft hilfreich.

So, wie Vegetarier einen "Reformentwurf" haben, haben ihn beispielsweise auch konservative Katholiken. Stellen Sie sich vor, Petra Steinberger wäre eine konservative Katholikin, die strikt gegen die Homosexualität eingestellt ist. Und sie würde einen Artikel publizieren, der so endet:

Zitat von kontrafaktischer Text
Wir könnten ins Mittelalter schauen, wo die Homosexualität strikt verboten war. Eine der großen anthropologischen Theorien erklärt das damit, dass homosexuelle Erotik nicht der Reproduktion dient und damit der Vermehrung der Bevölkerung im Wege steht. Die Priester kodifizierten diese Überlebensstrategie zum Tabu. Es hält bis heute.

Gelüste bleiben. Aber ihre Akzeptanz kann verändert werden.

Wir brauchen neue Tabus


Wie würden Sie so etwas finden, lieber Omin?

Herzlich, Zettel

PS: Ich habe mich gefreut, wieder einmal etwas von Ihnen zu lesen! Ich würde mich noch mehr freuen, wenn Sie sich entschließen könnten, hier wieder regelmäßig zu schreiben.

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