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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 63 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.12.2009 11:57
"Bagatelldelikte" Antworten

Auch "Bagatelldelikte" hätte mein Unwort des Jahres werden können. Denn in einer sehr erfolgreichen Kampagne haben Gewerkschaften und Medien in diesem Jahr den Eindruck in der Öffentlichkeit erweckt, die Arbeitsgerichte würden Unrecht sprechen, wenn sie fristlose Kündigungen wegen solcher Delikte für rechtens erklären.

Das ist aber nicht so. Warum nicht, erläutere ich in diesem Artikel.

Diskus Offline



Beiträge: 206

30.12.2009 12:02
#2 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Lieber Zettel, leider führt der Link vom Artikel nicht in diesen Eintrag im kleinen Zimmer, sondern zu einem über Udo Lindenberg, 2007.
Beste Grüße, Diskus

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.12.2009 12:10
#3 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Zitat von Diskus
Lieber Zettel, leider führt der Link vom Artikel nicht in diesen Eintrag im kleinen Zimmer, sondern zu einem über Udo Lindenberg, 2007.
Beste Grüße, Diskus


Lieber Diskus,

es dauert immer ein paar Minuten, bis die Verlinkungen fertig sind. Erst publiziere ich einen Artikel; damit erhält er eine URL. Diese setze ich dann in den Artikel hier im Forum ein. Dessen URL - die ich ja dann erst habe - wird dann wiederum in die Fußzeile des ZR-Artikels eingesetzt und dieser erneut publiziert.

Bis das der Fall ist, steht dort eine Default-URL, die eigentlich einfach nur zum Forum führen sollte. Das war auch bisher so. Offenbar hat sich da irgendwas verändert; ich werde nachsehen.

Herzlich, Zettel

Mick Offline



Beiträge: 29

30.12.2009 12:34
#4 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Lieber Zettel,

ich kann Ihnen hier nur zustimmen.

Die Frage bei solchen sogenannten Bagatelldelikten ist ja die Frage nach der Grenze? Liegt sie bei 1€ oder bei 10€? Außerdem wird nicht bedacht, dass solch eine Grenze geradezu den Diebstahl legitimiert mit der Folge, dass eifrig drauf losgeklaut wird. Wenn dann jemand knapp oberhalb der Grenze zuschlägt werden die Gleichen die auch heute schreien eine großzügige Auslegung fordern mit der Folge, dass sehr viel mehr geklaut wird als heute und auch entsprechend größere Schäden entstehen. Wenn jeder Mitarbeiter der Deutschen Bahn bspw. im Schnitt für 2-3 € im Jahr klauen würde, dann gehen dem Unternehmen leicht ne halbe Million Euro flöten, die erstmal erwirtschaftet werden muss. Von dem kleinen Handwerksbetrieb, der ums Überleben kämpft und wo jeder Euro doppelt zählt mal ganz abgesehen.

Krass war ein Beispiel im letzten Jahr, als ein Lagerarbeiter einer Spedition sich aus der aufgerissenen Packung einer Lieferung bedient hat und folgerichtig gekündigt wurde. Dies ist nicht nur ein eklatanter Vertrauensbruch zwischen Arbeitnehmer und -geber sonder auch zwischen Spedition und Kunden. Schleißlich gehört die Lieferung ja jemanden und selbst wenn ich als Kunde den Schaden ersetzt bekomme, würde ich diese Spedition nicht mehr beauftragen. Wer weiß, was sonst noch so verlustig geht. Trotzdem haben sich genug Personen nicht entblödet, dem Lagerarbeiter zur Seite zu springen.

Aber vermutlich geht es der Gewerkschaft nur bedingt um die Beseitigung vermeintlicher sozialer Ungerechtigkeit sondern vielmehr darum, auch noch die letzten Hintertürchen des Kündigungsschutzes zu schließen. Denn eins ist auch klar, kein Unternehmen strengt einen Gerichtsprozess an, wenn nicht andere Faktoren den Verlust dieses Mitarbeiters verschmerzen lassen.

Letztlich entscheidet der Geschädigte selbst, was für ihn eine Bagatelle ist. Nirgendwo steht geschrieben, dass er einen Diebstahl anzeigen und den Mitarbeiter entlassen muss. Das Gesetz gibt dem Geschädigten nur die Möglichkeit, auch konsequent zu handeln. Das ist auch richtig so.

Herzlichst, Mick

VolkerD Offline



Beiträge: 101

30.12.2009 12:50
#5 Betriebliche Übung Antworten

Was mir als Gesichtspunkt bei diesen Diskussionen fehlt ist die bisherige "Unternehmenskultur" in den betroffenen Betrieben: War es z. B. Usus, dass nach einer Besprechung das übriggebliebene Gebäck oder belegte Brötchen von den Mitarbeitern verbraucht wurde? Das ist z. B. in den meisten Firmen die ich kennengelernt hatte, so.

Wird nun einem Angestellten gekündigt, weil er genau das gemacht hat, was schon immer so gemacht wurde? Ich habe bei den meisten dieser Bagatelldelikte das Gefühl, dass genau das passiert ist.

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

30.12.2009 13:02
#6 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Im deutschen Arbeitsrecht gibt es ,meines Wissen nach, überhaupt nur drei Gründe für eine fristlose Kündigung:

Störung des Betriebsfriedens (da muss aber schon geprügelt werden, oder massivstes Mobbing vorliegen), sexuelle Belästigung und eben das zerstörte Vertrauensverhältnis (durch Diebstahl oder Veruntreuung).

Wenn die Mitarbeiter diese drei Fehlverhaltensformen vermeiden, sind sie durch das deutsche Arbeitsrecht sehr gut vor Willkür des Arbeitgebers geschützt!

Nach meinem Rechtsempfinden ist Lug, Betrug und Diebstahl das schlimmste Fehlverhalten davon. Erstens hat jeder die Möglichkeit seinen Vorgesetzten zu fragen, ob man etwas mitnehmen, oder ausborgen darf (bei Geld ist das natürlich ausgeschlossen) ... wer dies gar nicht erst versucht, weiß vermutlich, dass dies nicht gewollt ist. Somit besteht kein Vertrauen zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter. So kann man nicht arbeiten!

Zweitens hat man ganz schnell die Pest an Bord, wenn man sowas ungesühnt lässt. Bei einem verdienten Mitarbeiter, der mal einen Bagatelldiebstahl begangen hat, würde ich es nach einem harten Gespräch sicher bei einer Abmahnung belassen, aber sobald ein zweiter Fall dieser Art im Team passiert muss ich durchgreifen.

Es geht nicht um materiellen Wert, es geht um Vertrauen! Und es geht um die Verhinderung um sich greifender Selbstbedienungsmentalität. Was ich bei einem durchgehen lasse, wird beim nächsten eventuell noch 'ne Nummer größer ausfallen.

Nein, es gibt Grenzen - und die müssen klar definiert sein.

Beste Grüße, Calimero

----------------------------------------------------
Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.12.2009 13:21
#7 RE: Betriebliche Übung Antworten

Zitat von VolkerD
Was mir als Gesichtspunkt bei diesen Diskussionen fehlt ist die bisherige "Unternehmenskultur" in den betroffenen Betrieben: War es z. B. Usus, dass nach einer Besprechung das übriggebliebene Gebäck oder belegte Brötchen von den Mitarbeitern verbraucht wurde? Das ist z. B. in den meisten Firmen die ich kennengelernt hatte, so.
Wird nun einem Angestellten gekündigt, weil er genau das gemacht hat, was schon immer so gemacht wurde? Ich habe bei den meisten dieser Bagatelldelikte das Gefühl, dass genau das passiert ist.


Bei den beiden Kündigungen, zu denen ich mir die jeweiligen höchstinstanzlichen Urteile angesehen habe, war es nicht so.

Wenn man liest: "Hotelangestellte fristlos gekündigt, weil sie vom Kaffee des Hotels getrunken hat", dann faßt man sich natürlich an den Kopf.

Vorausgegangen war aber dies:

Die Hotelangestellten der Morgenschicht (die Betreffende war "Frühstücksdame") hatten das Recht auf ein Frühstück oder eine sonstige "kleine Mahlzeit" sowie eine warme Mahlzeit. Dafür zahlten sie pauschal € 24,48 im Monat; ein wahrlich bescheidenes Entgelt.

Die Betreffende wollte aber - anders als offenbar alle anderen Mitarbeiter - dieses Geld sparen und verzichtete schriftlich auf diese Verpflegung. Darauf wurde ihr mitgeteilt, daß sie folglich künftig nichts mehr von den Speisen und Getränken des Hotels ohne Bezahlung verzehren dürfe. Auf einer Versammlung des Frühstücks-Service wurde das Thema nochmals angesprochen.

Dennoch hat sie weiter Kaffee getrunken. Das Gericht sah das nicht als hinreichenden Anlaß für eine außerordentliche Kündigung, weil der Warenwert des Kaffes minimal gewesen sei. Wohl aber für eine ordentliche Kündigung, weil die Betreffende ihre Vereinbarung mit der Betriebsleitung vorsätzlich verletzt hatte.

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

30.12.2009 14:13
#8 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Ich möchte hinzufügen, daß in der DDR Diebstahl oder Mißbrauch von Volkseigentum natürlich kriminell war und auch im Bagatellbereich schwer bestraft wurde. Mehrjährige Haftstrafen waren durchaus üblich.

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.12.2009 14:33
#9 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Zitat von califax
Ich möchte hinzufügen, daß in der DDR Diebstahl oder Mißbrauch von Volkseigentum natürlich kriminell war und auch im Bagatellbereich schwer bestraft wurde. Mehrjährige Haftstrafen waren durchaus üblich.


Was ich geschrieben habe, lieber Califax, ist mir so als gängige Praxis berichtet worden; u.a. von jemandem, der in einem großen Kombinat gearbeitet hatte.

Also habe ich es nur aus zweiter Hand. Mich würde interessieren, obe jemand, der die Berufswelt der DDR selbst erlebt hat, dazu etwas sagen könnte.

Herzlich, Zettel

Mick Offline



Beiträge: 29

30.12.2009 15:06
#10 RE: Betriebliche Übung Antworten

Lieber Zettel,

das Beispiel mit der Hotelangestellten hat neben der Vertrags-/Verinbarungstreue noch einen anderen nicht zu unterschätzenden Aspekt, den des Betriebsfriedens.

Ähnlich einer Familie oder jeder anderen Gruppe müssen "des liebe Friedens willens" alle auf einer Hierachiestufe auch gleich behandelt werden. Ansonsten gibt es unnötigen Streit. Ohne es wirklich zu wissen, könnte ich mir vorstellen, dass es in dem Beispiel auch Kolleginnen gab, die voll bezahlten und letztlich auch nur Kaffee getrunken haben. Diese fühlten sich durch das Verhalten zurecht benachteiligt. Gestaffelte Preise nach dem Motto nur Kaffee 10€ im Monat sind meistens keine Lösung, da dann die Diskussion erst richtig anfängt.
Ähnlich verhält es sich mit der Verkäuferin und den Pfandbon. Ginge der Bon direkt in die Kaffeekasse, hätte keiner was gesagt, da alle gleichermassen profitieren und der Chef, wenn er was taugt, das Verhalten duldet. Jetzt hat sich die Verkäuferin letztlich nur selbst auf Kosten anderer bereichert. In diesen Fälle muss man konsequent bleiben, zumal die Schäden durch Diebstahl i.d.R. indirekt vom Personal getragen werden müssen, da die Verluste durch Diebstahl wieder anderweitig erarbeitet werden müssen. Hier müsste eigentlich auch der Betriebsrat und die Gewerkschaften Arm in Arm mit der Betreibsleitung zusammenarbeiten, da hier beide das gleiche Interesse haben. Und zumindest vor Ort passiert dies ja auch meistens.

Herzlich, Mick

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

30.12.2009 15:34
#11 RE: Betriebliche Übung Antworten

Zitat von Mick
Ginge der Bon direkt in die Kaffeekasse, hätte keiner was gesagt, da alle gleichermassen profitieren und der Chef, wenn er was taugt, das Verhalten duldet.



Häh? Wenn ein Chef sowas duldet, dann taugt er definitiv nix. Es geht immerhin um Betriebsvermögen! Wenn sie, wie ich vermute, den Inhaber der Firma meinen, dann mag das irgendwie verständlich sein, obwohl es da auch andere Möglichkeiten gibt, die Kaffeekasse ab und an aufzustocken.

Aber ein angestellter Vorgesetzter darf sowas nicht dulden. Er kann es lediglich, ohne harte Konsequenzen zu ziehen, bei einer Aussprache belassen. Man kann die Mäuse doch nicht noch animieren, auf dem Tisch zu tanzen.

Beste Grüße, Calimero

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Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.12.2009 15:37
#12 RE: Betriebliche Übung Antworten

Zitat von Mick
das Beispiel mit der Hotelangestellten hat neben der Vertrags-/Verinbarungstreue noch einen anderen nicht zu unterschätzenden Aspekt, den des Betriebsfriedens.


Sie liegen damit genau richtig, lieber Mick. Aus der Urteilsbegründung:

Zitat von Urteilsbegründung
Als maßgeblicher Gesichtspunkt für die Beurteilung als vertragspflichtwidriges Verhalten kommt nicht der erwiesene Verbrauch einer Tasse Kaffee auf Kosten der Beklagten in Betracht, sondern der Umstand, dass die Klägerin durch eine vorsätzliche Missachtung der allgemein im Betrieb geltenden Entgelt-Regelung das friedliche Miteinander innerhalb der Belegschaft beschädigt und zugleich demonstrativ sich über eine wenige Tage zuvor ergangene Direktive der Beklagten bewusst hinweggesetzt hat.


Solche Erwägungen, die zu einem Urteil führen, kommen in der Berichterstattung der Medien in aller Regel nicht vor. Dort heißt es dann nur: "Wegen einer Tasse Kaffee gefeuert!", und die Empörung ist allgemein.

Dann werden gern auch noch die Abfindungen für Manager erwähnt, die mit einem solchen Fall so viel zu tun haben wie eine Hühnerleiter mit dem Chi-Quadrat-Test - und fertig ist die "soziale Ungerechtigkeit".

Herzlich, Zettel

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.432

30.12.2009 15:54
#13 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Zitat von Zettel
... Denn in einer sehr erfolgreichen Kampagne haben Gewerkschaften und Medien in diesem Jahr den Eindruck in der Öffentlichkeit erweckt, die Arbeitsgerichte würden Unrecht sprechen, wenn sie fristlose Kündigungen wegen solcher Delikte für rechtens erklären.
Das ist aber nicht so. Warum nicht, erläutere ich in diesem Artikel.



Werter Zettel,
Ihren Eindruck kann ich nicht nachvollziehen. Ich zumindest habe keinen einzigen Artikel gelesen, in dem die sogenannten "Bagatellkündigungen" als unrecht dargestellt wurden - also als einen Verstoß gegen geltende Gesetze. Die "Bagatellkündigungen" wurden als unGErecht dargestellt. Vielleich zitieren Sie einfach mal ein paar Stellen, in denen die "Bagatellkündigungen" als Unrecht (im Sinne von "ungesetzlich" - nicht im Sinne des moralischen "Unrechts") bezeichnet wurden?

MfG Frank

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.432

30.12.2009 15:57
#14 RE: Betriebliche Übung Antworten

Zitat von Zettel

...Dann werden gern auch noch die Abfindungen für Manager erwähnt, die mit einem solchen Fall so viel zu tun haben wie eine Hühnerleiter mit dem Chi-Quadrat-Test - und fertig ist die "soziale Ungerechtigkeit".
Herzlich, Zettel



Werter Zettel,
dem stimme ich zu - die enormen Abfindungen sind zwar ein gesellschaftliches Problem, haben aber mit diesem Thema nichts zu tun.
MfG Frank

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.12.2009 16:01
#15 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Zitat von Frank2000
Ich zumindest habe keinen einzigen Artikel gelesen, in dem die sogenannten "Bagatellkündigungen" als unrecht dargestellt wurden - also als einen Verstoß gegen geltende Gesetze. Die "Bagatellkündigungen" wurden als unGErecht dargestellt. Vielleich zitieren Sie einfach mal ein paar Stellen, in denen die "Bagatellkündigungen" als Unrecht (im Sinne von "ungesetzlich" - nicht im Sinne des moralischen "Unrechts") bezeichnet wurden?


Ich meinte das, lieber Frank, in dem Sinn von moralischem Unrecht, den Sie nennen, und bin nicht auf den Gedanken gekommen, daß man es als Vorwurf der Rechtsbeugung mißverstehen könnte.

Da Sie es aber offenbar so mißverstanden haben, werde ich den Text ändern und statt "Unrecht sprechen" "ungerecht urteilen" schreiben. Ich hoffe, dann ist klar, was ich meinte.

Danke für den Hinweis,

Herzlich, Zettel

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.432

30.12.2009 16:07
#16 RE: Betriebliche Übung Antworten

Zitat von Mick

...In diesen Fälle muss man konsequent bleiben, zumal die Schäden durch Diebstahl i.d.R. indirekt vom Personal getragen werden müssen, da die Verluste durch Diebstahl wieder anderweitig erarbeitet werden müssen. Hier müsste eigentlich auch der Betriebsrat und die Gewerkschaften Arm in Arm mit der Betreibsleitung zusammenarbeiten, da hier beide das gleiche Interesse haben. Und zumindest vor Ort passiert dies ja auch meistens.
Herzlich, Mick



Werter Mick,
ich kann das nicht für andere Firmen beurteilen - aber zumindest in den medial ausgeschlachteten Fällen scheint der Betriebsrat / die Gewerkschaft ja gerade nicht mit dem höheren Management zusammengearbeitet zu haben. Warum könnte das wohl so sein? Wir sind uns einig, dass ein Kollege, der im Kaufhaus regelmäßig ein paar Socken mitgehen lässt, in der Regel nicht auf den Rückhalt des Betriebsrats rechnen darf.

Was war also in den entsprechenden Fällen anders? Ich darf mal spekulieren:

- Das deutsche Kündigungsrecht ist auf den ersten Blick ziemlich restriktiv und deswegen suchen sich die Firmenjuristen eben andere Gründe, um zu kündigen.
In meiner Firma gibt es zum Beispiel die Vorschrift, den Internetzugang ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zu verwenden.
Trotzdem benutzt zumindest von meinen Mitarbeitern jeder den Internetzugang auch zu privaten Zwecken.
Ich behaupte: jeder in der Firma tut das.
Damit ist formaljuristisch bereits der Tatbestand des Diebstahls erfüllt (es genügte bei einem Gerichtsurteil ja bereits das an das Firmenstromnetz angeschlossene Privathandy für eine Kündigung - Stromdiebstahl....).
Mit anderen Worten: bei einer so restriktiven Auslegung erfülllen 100% aller Arbeitnehmer den Tatbestand des Diebstahls und gekündigt werden kann jeder, der dem Chef nicht mehr passt.
Damit hebelt die "Bagatellkündigung" das scheinbar restriktive Kündigungsrecht vollständig aus.

Im Endeffekt gilt: Kündigungsschutz in Deutschland genießt nur der, der das Glück hat einen Chef zu haben, der zu doof ist, den "richtigen" Grund bei der Kündigung zu nennen.

Hier zu mein persönlicher Kommentar: ich halte den Kündigungsschutz für ein wichtiges Gut und bin nicht erfreut darüber, dass sich in den letzten Jahren das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern brutalisiert hat.

- Die Diskussion um die "Bagatellkündigung" geht deswegen meiner Meinung nach nicht um die rechtsphilosophische Frage des Eigentumsrechtes. Bei anderen Eigentumsdelikten wird ganz selbstverständlich auch mit Augenmaß und Bagatellgrenzen gearbeitet. Jemanden wegen 2 Euro 50 die wirtschaftliche Existenzgrundlage zu rauben, ist wohl kaum eine Reaktion mit Augenmaß. Arbeitgeber haben ein ganzes Spektrum an Reaktionsmöglichkeiten - davon sollte die Kündigung das letzte Mittel sein - und nicht das erste Mittel, wie bei diesen Fällen geschehen.

Wenn also in diesen Fällen gleich zur schwersten arbeitsrechtlichen Waffe gegriffen wurde -warum? Die Antwort ist für mich offensichtlich: der Arbeitgeber wollte den Arbeitnehmer sowieso loswerden. Die "Bagatellkündigung" war nur ein bequemer Grund. Es geht also nicht um die Institutsgarantie für das Rechtsgut "Eigentum". Es geht ganz simpel um das Kräfteverhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Nach meinem Empfinden hat sich in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen das Kräfteverhältnis zu Gunsten der Arbeitgeber verschoben.
Sollte es jetzt eine gesellschaftliche Gegenreaktion geben, die zu einer politischen Korrektur führt - in Form eines "Bagatellgesetzes" - dann habe ich nichts dagegen.

Nicht der Mensch ist für die Gesetze da, sondern die Gesetze für den Menschen.
Es ist gute Sitte und außerdem effizient und zielführend, wenn Gesetze geändert werden, die GRUNDSÄTZLICH gesellschaftlichen Gepflogenheiten und gesellschaftlichem Rechtsverständnis zuwiederlaufen.
In meiner Jugend gab es dazu den Spruch "Ein Gesetz darf nicht das ganze Volk zu Kriminellen machen". (Man müsste mal googeln, von wem das stammt).


***
Ein ganz andere Punkt ist die für mich unverständliche Differenzierung mancher Arbeitsrichter. Wieso wird eine kleine Angestellte wegen sinnbildlich 2 Euro fuffzig gekündigt und bei einem Manager lehnen die Arbeitsrichter eine Kündigung wegen 83 Euro ab? Ich habe in der Tat ein Problem damit, solche Unterschiede in den Urteilen zu verstehen.

MfG Frank

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.12.2009 16:10
#17 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Ich sehe gerade, daß Sie sich gar nicht auf den Artikel beziehen, sondern auf meinen Eingangsbeitrag zu diesem Thread. Also brauche ich nichts zu ändern und habe jetzt erläutert, was ich meine.

Herzlich, Zettel

PS: Um solche Mißverständnisse zu vermeiden, empfehle ich immer wieder, den Text oder die Passage zunächst zu zitieren, auf die man antworten möchte.

Wie man das am Einfachsten tut, ist hier zu lesen; Punkt 6.5

Llarian Offline



Beiträge: 7.126

30.12.2009 17:19
#18 Man kann die Kirche auch im Dorf lassen Antworten

Ich find Kündigungen wegen einem Brötchen, einer Tasse Kaffee oder Handy-Strom geradezu absurd. Warum ? Weils kein Vertrauensverlust ist, zumindest nicht der Wert der Sache. In dem Kaffee-Fall spielt mit Sicherheit die explizite Dienstanweisung und die Beleidigung der Vorgesetzen eine wichtige Rolle, der Kaffee erscheint mir aber als Grund hahnebüchen. Da entsteht schon ein grösserer Verlust, wenn jemand zwei Minuten länger auf dem Klo bleibt oder fünf Minuten aus dem Fenster starrt, weil es gerade schneit. Ich denke nicht, dass ich irgendwo arbeiten wollte, wo mir wegen der Aufladung meines Handys die Kündigung droht oder deswegen weil ich einen Keks verspeise, der von der Konferenz übrig geblieben ist. Denn ich wüsste nicht, wie ich Vertrauen in einen solchen Arbeitgeber haben sollte. Für mich wäre es eher ein Grund über meinen Arbeitgeber zu reflektieren, wenn ich das nicht dürfte. (Ich gebe aber zu, dass mag an einer fortgeschrittenen Rheinlandschädigung liegen, wo man leve und leve lasse tut.)

Solche Presseartikel sind nach meinem Dafürhalten Auswüchse des deutschen Kündigungsrechtes. Da werden Gründe konstruiert mit denen dann Zeit und Aufwand bei Arbeitsgerichten verschwendet werden. Und das alles nur aufgrund einer mehr als stinkenden Grundannahme: Da soll ich als Arbeitgeber "begründen" warum ich jemandem nicht vertraue. Ich muss mein Emfinden rechtfertigen. Ist doch totaler Humbug. Wenn ich kein Vertrauen zu einem Mitarbeiter habe, dann ist das so, das muss ich nicht begründen. Und wenn ich nicht mit jemandem arbeiten will, dem ich nicht vertraue, dann sollte das auch mein Recht sein.
Im Endeffekt halte ich das für die typischen Folgen staatlicher Regelungswut, in einem freien Arbeitsmarkt gibts so einen Blödsinn nicht.

califax Offline




Beiträge: 1.502

30.12.2009 18:14
#19 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von califax
Ich möchte hinzufügen, daß in der DDR Diebstahl oder Mißbrauch von Volkseigentum natürlich kriminell war und auch im Bagatellbereich schwer bestraft wurde. Mehrjährige Haftstrafen waren durchaus üblich.


Was ich geschrieben habe, lieber Califax, ist mir so als gängige Praxis berichtet worden; u.a. von jemandem, der in einem großen Kombinat gearbeitet hatte.
Also habe ich es nur aus zweiter Hand. Mich würde interessieren, obe jemand, der die Berufswelt der DDR selbst erlebt hat, dazu etwas sagen könnte.




Ich habe der Sache nicht widersprochen sondern sie ergänzt.

Kurzfassung einer langen Geschichte: Jeder hat sich bedient, und jeder wußte, daß er dafür 2-3 Jahre nach Bautzen kommen konnte.
Es sind ja auch regelmäßig Leute verknackt worden.
In der DDR gab es keine ehrliche Bevölkerung. Gegen jeden lag etwas vor. Jeder einzelne Erwachsene konnte wegen Diebstahl, Bestechung, Unterschlagung, Schmuggel, Steuerhinterziehung, etc. für mehrere Jahre verurteilt werden, wenn sich nur die Zeugenaussagen fanden.

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.12.2009 19:50
#20 RE: "Bagatelldelikte" Antworten

Zitat von califax

Zitat von Zettel
Also habe ich es nur aus zweiter Hand. Mich würde interessieren, obe jemand, der die Berufswelt der DDR selbst erlebt hat, dazu etwas sagen könnte.


Ich habe der Sache nicht widersprochen sondern sie ergänzt.
Kurzfassung einer langen Geschichte: Jeder hat sich bedient, und jeder wußte, daß er dafür 2-3 Jahre nach Bautzen kommen konnte.



Dann hatte ich das mißverstanden und freue mich, lieber Califax, über Ihre Zustimmung.

Herzlich, Zettel

Abraham Offline



Beiträge: 174

30.12.2009 19:56
#21 RE: Man kann die Kirche auch im Dorf lassen Antworten

Zitat
Solche Presseartikel sind nach meinem Dafürhalten Auswüchse des deutschen Kündigungsrechtes.



Sehr gut, lieber Llarian, ich bin mal wieder ganz Ihrer Meinung. Für meine Tätigkeit berechnet mein Arbeitgeber 1000 Euro am Tag, also ca. 2 Euro pro Minute. Wenn ich nur 10 Minuten lang einem Kollegen erkläre, warum mir Bush besser gefiel als Obama, verliert mein Arbeitgeber schon weit mehr als ein Packen Papier wert ist, den ich mitgehen lassen könnte. Auf der anderen Seite habe ich miterlebt, wie schwierig es ist, Mitarbeiter loszuwerden, die einfach nichts tun wollen. Die Entlassung wegen Bagatelldelikten ist ganz klar ein Strohhalm, der den Arbeitgebern bleibt, einen aus anderen Gründen unerwünschten Mitarbeiter zu entlassen. Es ist ein schlechtes Mittel, weil es verständliche Proteste hervorruft. Man sollte es nicht verteidigen, sondern darauf hinweisen, wo der Hase wirklich im Pfeffer liegt, wie Sie es getan haben.

Grüße, Abraham

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

30.12.2009 22:55
#22 RE: Betriebliche Übung Antworten

Frank,

ich bin ein wenig erstaunt darüber, dass es so selbstverständlich und guter gesellschaftlicher Brauch sein soll, seinen Vertragspartner zu hintergehen. Genau das tut man nämlich, wenn man z.B. trotz eines betrieblichen Verbots mit dem Firmen-PC aus privaten Gründen im Internet surft. Ich glaube auch nicht, dass "jeder" das tut. Diese Rechtfertigung erscheint mir, pardon, im wahrsten Sinn des Wortes ein wenig kindisch: "Aber Mami, alle Kinder in meiner Klasse haben das!". Ich halte diese Fokussierung auf den materiellen Wert des Diebstahls oder der Unterschlagung für völlig irrelevant, was die Auswirkungen auf ein Vertragsverhältnis angeht. Wenn ich z.B. das von mir beauftragte Telekommunikationsunternehmen dabei erwische, wie es zu seinen Gunsten auch nur kleine Euro-Beträge zuviel berechnet, dann werde ich mindestens den Vertrag kündigen. Einen Händler, der mir nicht das passende Wechselgeld zurückgibt, werde ich nicht wieder aufsuchen. Gegenseitiges Vertrauen ist eine wichtige Institution im Wirtschaftsleben, und jeder, der dieses Vertrauen gebrochen sieht, hat aus meiner Sicht alles Recht der Welt, sich andere Vertragspartner zu suchen.

Zitat von Frank2000
Bei anderen Eigentumsdelikten wird ganz selbstverständlich auch mit Augenmaß und Bagatellgrenzen gearbeitet. Jemanden wegen 2 Euro 50 die wirtschaftliche Existenzgrundlage zu rauben, ist wohl kaum eine Reaktion mit Augenmaß. Arbeitgeber haben ein ganzes Spektrum an Reaktionsmöglichkeiten - davon sollte die Kündigung das letzte Mittel sein - und nicht das erste Mittel, wie bei diesen Fällen geschehen.



Das "letzte Mittel", Frank, wäre doch wohl eher die Anzeige bei der Polizei, denn wir haben es hier schlicht und einfach mit Straftaten zu tun. Wohl aber wird an Deiner Argumentation deutlich, wie sehr die Praxis der Rechtsprechung, die bei Eigentumsdelikten auf den materiellen Wert abstellt, das Rechtsempfinden erodieren zu lassen in der Lage war. Tut mir leid, aber wenn du mir einen Euro klaust, und wenn ich sicher bin, dass eine Anzeige bei der Polizei deswegen nichts bringt, dann werde ich zu den mir angemessen erscheinenden Mitteln der Selbstjustiz greifen und mich dabei völlig im Recht fühlen. Zum sicherlich nicht gewaltigen finanziellen Verlust käme nämlich sonst noch die Demütigung, dass du mir deswegen eine lange Nase machen könntest. Dass ich mit dir daraufhin keine Geschäftsbeziehungen mehr eingehen würde, wäre dazu im Vergleich noch eine milde Form der Reaktion.

Im übrigen liegt es nicht in der Verantwortung des Arbeitgebers, wenn eine Vertragskündigung dem Arbeitnehmer "die wirtschaftliche Existenzgrundlage raubt", was m.E. auch in den seltensten Fällen tatsächlich so sein würde. Um es mal etwas übertrieben und plastisch auszudrücken: Ein Unternehmen sollte nicht mit einem Scheidungsverbot belegt werden, nur weil es mal den Fehler begangen hat, jemanden einzustellen.

Zitat von Frank2000
Nicht der Mensch ist für die Gesetze da, sondern die Gesetze für den Menschen.



Richtig. Aber eine massive Ungleichbehandlung von Vertragspartnern der Form, dass sich der eine in einem jeweils "gesellschaftlich akzeptierten" Ausmaß Rechtsverletzungen am anderen Vertragspartner erlauben darf, dieses Recht aber umgekehrt dem anderen Vertragspartner nicht zugestanden wird, ist nicht nur äußerst ungerecht, sondern wird auch dazu führen, dass die von dieser Art "Recht" Privilegierten froh sein müssen, noch genug Dumme zu finden, die ihnen als Vertragspartner zur Verfügung stehen. Womit übrigens die Gefahr steigt, dass mit Kündigungen auch "wirtschaftliche Existenzgrundlagen geraubt" werden. Der Kündigungsschutz schafft sich seine eigenen Anlässe.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Kaa Offline




Beiträge: 658

30.12.2009 23:22
#23 RE: Betriebliche Übung Antworten

Eine Firma ist kein Abstraktum, ein Arbeitgeber ist keine Naturgewalt und ein Arbeitsplatz kein Grundrecht.

Zitat von Frank2000
Jemanden wegen 2 Euro 50 die wirtschaftliche Existenzgrundlage zu rauben



In der Öffentlichkeit wird heute nur noch vom Recht auf Arbeit gesprochen, von der Befriedigung, die Arbeit bringt. Arbeit ist ursprünglich mit etwas anderem assoziiert - als die Grundlage fürs Überleben und als Mühe. Dieser Jemand, der Waren im Wert von 2 Euro 50 gegen den Willen des Eigentümers für sich selbst verbraucht hat, muß sich eine andere wirtschaftliche Existenzgrundlage suchen, eine, bei dem im die 2 Euro 50 gestattet werden. Eine, die ihm wohlgesonnen ist.

Zitat von Frank2000
Nicht der Mensch ist für die Gesetze da, sondern die Gesetze für den Menschen


Und die Gesetze des Arbeitsrechts behandeln nicht nur einseitig die Rechte des Arbeitnehmers gegenüber einer Naturgegebenheit, seinem Arbeitsplatz, sondern sie betreffen auch die Rechte des Arbeitgebers. Der auch ein Mensch ist, für den Gesetze da sind. Und selbst wenn nicht, wenn der Arbeitgeber eine Aktiengesellschaft ist, sind dort viele Menschen beschäftigt.

Man kann nicht jemand das Recht auf die Entwendung von Gütern im Wert von 2,50 Euro einräumen. Die Grenze ist bei 0, in Worten: Null, und da muß sie auch bleiben. Erhöht man die Grenze, verschiebt man das Problem. Gegen das Grundproblem, das ich im Eingangsatz umrissen habe, ist das Gesetz sowieso machtlos.


Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.432

30.12.2009 23:40
#24 RE: Betriebliche Übung Antworten

Werter Rayson,

der Hinweis auf das ungleiche Rechtsempfinden bei Bargeldgeschäften ist völlig gerechtfertigt.
Das ändert aber nichts daran, dass ich mit meiner Feststellung recht habe, dass beispielsweise das private Surfen im Internet völlig gang und gebe ist.
Auch wenn man hier verwundert eine weit verbreitete Doppelmoral feststellen mag - die Tatsachen sprechen für sich.
Derart asymetrische Rechtsaufassungen finden sich ja auch bei anderen Themen - als Beispiel sei nur der Streit um Raubkopien bei Musik genannt.
Aber auch bei ganz anderen Themen gibt es extrem auffällige Asymetrien - angefangen von Drogen (einige legal, andere verboten), über den langen Weg zur Gleichstellung von Frauen oder die ungleiche Behandlung extremer Meinungsäußerungen von links und rechts. Solche Asymatrien in Gesetz und/oder Gerechtigkeitsempfinden scheinen unvermeidlich zu sein.
Die Masse der Menschen sind eben Gefühlswesen und keine Maschinen.

Aber genug philosophiert.

Diese Betonung auf das "Vertrauen" ist meiner Meinung nach bereits im Grundsatz nicht im Wirtschaftsleben gegeben.
Wer "vertraut" denn seinem Handwerker, seinem Dienstleister, dem Produzenten? Die allermeisten Menschen gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass sie am laufenden Band betrogen, auf´s Kreuz gelegt, übervorteilt werden. Das ist die Realität des Wirtschaftslebens - es geht nur darum, die schlimmsten Fälle aus dem Verkehr zu ziehen.
Und keineswegs geht eine Firma sofort pleite, die einmal "das Vertrauen" der Konsumenten misbraucht hat.

Und bei den Arbeitgebern das gleiche: wer "vertraut" denn seinem Vorgesetzten? Das ist doch völlig unrealistisch. So ziemlich alle Arbeitnehmer gehen selbstverständlich davon aus, dass der Arbeitgeber einen über die Klinge springen lässt, so bald es ins Kalkül passt. Oder sonst wie über den Tisch zieht. Vertrauen? Nicht in der Wirtschaft, die ich erleben muss.

Im übrigen muss ja noch nicht mal wirklich böser Wille vorhanden sein. Mir zum Beispiel ist bestimmt schon ein halbes Dutzend mal falsch Wechselgeld herausgegeben worden - und das sind blos die Fälle, die ich bemerkt habe. Und bei keinem der Händler hätte ich nur deswegen den Kontakt abgebrochen. In den meisten Fällen gehen ich von Unachtsamkeit oder Schusseligkeit aus.

Aber zurück zu Ihrem konkreten Rechtsempfinden. So, wie ich die Welt und die Menschen bisher kennengelernt habe, ist Ihre Position eher eine Außenseiterposition. Es ist völlig normal, dass man Bagatelldelikte auch im privaten mit einem Schulterzucken abtut - und zwar selbst bei Vorsatz. Ich könnte jetzt beliebig viele Beispiele dafür konstruieren - aber im Endeffekt steht hier natürlich Meinung gegen Meinung. Aber eine Spitze darf ich noch: Selbstjustiz ist auch nicht legal, das ist Ihnen schon klar, oder? ;-)

Ein Missverständnis ist meiner Meinung nach noch auszuräumen: keineswegs verlange ich oder irgendjemand sonst, dass die Arbeitgeber kleinere Diebstähle zu tolerieren haben. Selbstverständlich darf der Geschädigte Schadenersatz verlangen und auch gegen eine Abmahnung spricht im Einzelfall nichts.

Ich darf mal ein wenig meine Sichtweise der Welt erläutern. Denn es wäre meiner Meinung nach falsch jetzt so zu tun, als wären die Arpeitnehmer die pösen Puben, die die rechtschaffenen Arbeitgeber ausplündern. Es ist in vielen Fällen doch so, dass die Arbeitnehmer kaum eine Möglichkeit haben, sich gegen vorsätzliche Ausplünderung durch den Arbeitgeberzu schützen. In meiner Firma gibt es die "Vertrauensarbeitszeit" - das ist nichts anderes als eine nette Umschreibung für unbezahlte Überstunden. Außerdem bekommen alle Vorgesetzten eine Schulung über die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit. Ich musste sogar unterschreiben, an dieser Schulung teilgenommen zu haben. Gleichzeitig wird jeder, angefangen vom kleinen Arbeitnehmer über die Gruppenleiter bis hin zu den höheren Bereichen massiv unter Druck gesetzt, die Arbeitszeitgesetzze zu brechen. Natürlich nicht über direkte Anweisungen - so blöd ist hier keiner. Nein, das macht man etwas diskreter: über Jahrsziele, die keiner einhalten kann. Über Boni, die dann nicht gezahlt werden, weil die Jahresziele nicht erreicht worden sind. Übr Gruppendruck. Und so weiter.

Wo ist da noch ein "Vertrauensverhältnis" zum Arbeitgeber/ höheren Management?

Ich habe früher mal bei einem Mittelständler gearbeitet. Das war super. Da gab es zwar auch Überstunden - aber wenigstens offen. Da haben mich meine Vorgesetzten wenigstens nicht gezwungen, erst eine Schulung über die gesetzlichen Vorgaben mitzumachen, um direkt im nächsten atemzug aber zu sagen, dass die Termine aber gehalten werden müssten, da sei ja wohl klar...

bei diesem Mittelständler hat niemand die Nase gerümpft, wenn Abends die Reste aus den Konferenzräumen von den MAs aufgemampft wurden. Da hat keiner die Bleistifte gezählt, ob nicht einer vielleicht zu jemandem nach Hause gewandert ist. Da hat keiner das Fahrtenbuch kontrolliert, ob nicht mit dem Dienstwagen vielleicht eine Besorgung gemacht worden ist. Gleichzeitig allerdings waren die MAs aber auch hochgradik engagiert und keiner hat gezickt, wenn ein Termin zu halten war. Die Kollegen fühlten sich zusammen mit den Vorgesetzten als Team, fast schon als Familie. Die Firma war erfolgreich.

Jetzt in einer großen Firma wird mir haarklein erzählt, weswegen ich permanent wenigstens mit einem Bein im Gefängnis um mit dem anderen Bein im Arbeitsamt stehe. Der Arbeitsdruck ist allerdings der gleiche. Im Ergebnis habe ich keine Bindung mehr an die Firma.

Und das ist genau das, wohin unsere Wirtschafts schliddert. Ich kann da keinen Vorteil erkennen.
MfG Frank

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.432

30.12.2009 23:41
#25 RE: Betriebliche Übung Antworten

Zitat von Kaa

...Man kann nicht jemand das Recht auf die Entwendung von Gütern im Wert von 2,50 Euro einräumen. ...



Werter Kaa,
wer will das denn? MfG Frank

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