Gorgasal hat schon am 6. Januar in ZR darüber berichtet; heute fällt die Entscheidung: In Massachusetts, der traditionellen Hochburg der Demokraten, könnte der Republikaner Brown die Nachwahl zum Senat gewinnen.
Als sie Obama im November 2008 gewählt haben, da wollten viele Amerikaner das, was er ihnen versprochen hatte: Einen neuen Aufbruch der USA, eine gemeinsame nationale Anstrengungen; das, was Bundespräsident Herzog bei uns einst als einen "Ruck" bezeichnet hatte. Dafür standen in Obamas Wahlkampf das "Yes, we can" und das "No red states, no blue states, only the United States of America".
Geliefert hat Obama nicht leadership in einer solchen gemeinsamen Anstrengung, sondern eine Spaltung der Nation, wie sie kaum je ein Präsident nach nur einem Jahr im Amt zu verzeichnen hatte. Geliefert hat er nicht die Rückbesinnung auf die traditionelle Stärke der USA - die gemeinsame Anstrengung, um ein von einer breiten Mehrheit getragenes Ziel zu erreichen -, sondern das Gegenteil: Linke Politik gegen eine breite Mehrheit der Amerikaner.
Und das ist nur die Innenpolitik. Die desaströsen Folgen einer Außenpolitik, mit der Obama es in einem Jahr geschafft hat, daß kaum noch einer der führenden Weltpolitiker ihn ernst nimmt, werden sich erst in den kommenden Jahren zeigen.
Nachdem ich den Text abgeschickt hatte, bin ich in meine Mailbox gegangen und habe dort eine News Alert der NYT vorgefunden. Deren Inhalt - mit welchem Trick Obama sein Gesundheitsgesetz retten will, falls Brown gewählt wird - schien mir interessant genug, um in einem Nachtrag zu dem Artikel darüber zu berichten.
Es gab auch schon Gedankenspiele, im Falle einer Wahl Browns die Gesetzgebung zwischen der Wahl morgen und seiner Amtseinführung im Senat durchzuführen. Allerdings wäre das juristisch äußerst dünnes Eis; die Praktik des Senats ist es anscheinend, dass der aktuelle Inhaber des Sitzes nach der Wahl nicht mehr mit abstimmen darf.
-- La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von Scott Ott im Washington ExaminerPresident Obama declared that "anything less than a 20-point win by Scott Brown represents a resounding endorsement of my entire domestic and foreign policy agenda."
"If Brown ends up with less than 60 percent, there's gonna be a lot of sullen Republicans, moping around, hanging their heads," said the president to a crowd of supporters that greeted him upon his return from stumping for Democrat Martha Coakley. "Such a thin margin against such a historically weak opponent would be tantamount to a crushing loss for Scott, and would signal a clear rejection of the GOP platform in general."
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Man beachte insbesondere die Entwicklung der letzten Woche.
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Zitat von Scott Ott im Washington ExaminerPresident Obama declared that "anything less than a 20-point win by Scott Brown represents a resounding endorsement of my entire domestic and foreign policy agenda." "If Brown ends up with less than 60 percent, there's gonna be a lot of sullen Republicans, moping around, hanging their heads," said the president to a crowd of supporters that greeted him upon his return from stumping for Democrat Martha Coakley. "Such a thin margin against such a historically weak opponent would be tantamount to a crushing loss for Scott, and would signal a clear rejection of the GOP platform in general."
Zitat "It was really a triumphant visit, without gloating of course," said White House press secretary Robert Gibbs, "The president packed nearly 75 percent of a 3,000 seat hall. Meanwhile, a similar rally for Scott Brown couldn't even provide seats for everyone, and left some out in the cold ... another illustration of the bankruptcy of Republican ideas and the insensitivity of a party that wants to keep health care decisions in the hands of a bunch of sick people and greedy doctors."
Ist das Ironie? Der Präsident der USA kriegt keine 3.000-Zuschauerhalle voll und das ist ein triumphaler Erfolg ist? Beim Gegenkandidaten ist dagegen die Halle überfüllt und das ist eine "illustration of bankruptcy"? Oder ist mein Englisch zu schlecht?
Zitat Der Präsident der USA kriegt keine 3.000-Zuschauerhalle voll und das ist ein triumphaler Erfolg ist? Beim Gegenkandidaten ist dagegen die Halle überfüllt und das ist eine "illustration of bankruptcy"?
Das ist in der Tat grotesk. Erinnert mich an Sowjetzeiten mit dem Witz, wo Amis und Russen ein Wettrennen machen, die Amis gewinnen und die SU-Medien dann melden: "Russen sind Zweite, Amis nur Vorletzter".
Mir ist schleierhaft, daß die US-Journalisten diese Steilvorlage nicht nutzen.
Ist es. Ich würde auch nicht darauf wetten, dass Gibbs tatsächlich so etwas gesagt hat Siehe auch die Tagline des Examiner:
Zitat von Washington ExaminerNews fairly unbalanced. We report. You decipher.
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Halt, halt! Nicht dass das alles ernst genommen wird! Der Autor Ott betreibt ScrappleFace.com, eine konservative Satiresite!
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Zitat Es ist allerdings fraglich, ob alle Demokraten im Repräsentantenhaus dieses taktische Spiel mitspielen würden.
Das klingt so, also würden die Demokraten da mit fiesen (undemokratischen) Tricks arbeiten. Dem ist aber nicht so. Es ist in einer repräsentativen Demokratie nun einmal üblich, dass das Parlament mit Mehrheit entscheidet. Und diese Mehrheit ist in den USA z.Z. sehr deutlich demokratisch. Vielmehr könnte man sich umgekehrt fragen, ob das taktische Ausspielen eines Geschäftsordnungs-Tricks wie dem Filibuster im US-Senat demokratie-theoretisch ganz sauber ist.
Zitat von FlorianDas klingt so, also würden die Demokraten da mit fiesen (undemokratischen) Tricks arbeiten. Dem ist aber nicht so. Es ist in einer repräsentativen Demokratie nun einmal üblich, dass das Parlament mit Mehrheit entscheidet. Und diese Mehrheit ist in den USA z.Z. sehr deutlich demokratisch.
Es geht hier aber um einen Gesetzesentwurf, der mittlerweile in der Bevölkerung deutlich abgelehnt wird. Natürlich müssen sich die Demokraten davon nicht berühren lassen, aber so etwas dann mit Gewalt durchzupeitschen ist schon etwas grenzwertig.
Zitat von FlorianVielmehr könnte man sich umgekehrt fragen, ob das taktische Ausspielen eines Geschäftsordnungs-Tricks wie dem Filibuster im US-Senat demokratie-theoretisch ganz sauber ist.
Naja, den Filibuster setzen Demokraten auch ganz gerne ein, wenn sie in der Minderheit sind. Und man könnte auch sagen, dass ein Gesetzesvorhaben, das 40% der Senatoren dermaßen gegen sich mobilisiert, vielleicht doch nicht ganz so toll ist.
Ich glaube, in Heinleins The Moon is a Harsh Mistress schlug eine Figur ein Zweikammernparlament vor: eine Kammer würde Gesetze beschließen und bräuchte dafür eine Zweidrittenmehrheit (ein Gesetz, das keine zwei Drittel der Abgeordneten befürworten, ist vielleicht nicht so toll). Die andere würde Gesetze streichen und bräuchte dafür nur ein Drittel der Stimmen (ein Gesetz, das ein Drittel der Abgeordneten auf die Palme bringt, ist wohl auch nicht so toll). Finde ich jetzt nicht ganz indiskutabel, das würde zumindest die Regime Uncertainty reduzieren...
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Zitat Vielmehr könnte man sich umgekehrt fragen, ob das taktische Ausspielen eines Geschäftsordnungs-Tricks wie dem Filibuster im US-Senat demokratie-theoretisch ganz sauber ist.
Filibustern ist eine republikanische Tradition aus dem alten Rom. Die Meinung eines Senators hat gehoert zu werden; es steht dem Parlament nicht zu, einem Senator das Wort zu entziehen. Die Geschaeftsordnung bzw. die Verfahrensordung garantiert Schutz vor Willkuer und schuetzt (i.d.R.) die Minderheitenrechte im Parlament. Das ist gut, richtig und wichtig. An dieser Stelle wird deutlich, dass eine Demokratie etwas anderes ist als eine Republik. Natuerlich laesst sich mit guter Kenntnis des Verfahrens das ein oder andere verhindern, aufschieben, blockieren: Aber das ist halt Politik.
nachtrag zu meinem Vorredner: Letztens mal hat jemand das Dilemma im Gespraech ganz gut auf den Punkt gebracht: Aha, die Mehrheit ist dafuer es so und so zu machen. Und habt ihr Euch auch darauf verstaendigt, in diesem Punkt die Mehrheit entscheiden zu lassen?
Zitat Es ist allerdings fraglich, ob alle Demokraten im Repräsentantenhaus dieses taktische Spiel mitspielen würden.
Das klingt so, also würden die Demokraten da mit fiesen (undemokratischen) Tricks arbeiten. Dem ist aber nicht so.
Es ist in einer repräsentativen Demokratie nun einmal üblich, dass das Parlament mit Mehrheit entscheidet. Und diese Mehrheit ist in den USA z.Z. sehr deutlich demokratisch.
Ja, natürlich, lieber Florian.
Aber wenn Sie die amerikanische Diskussion verfolgt haben, dann wissen Sie, daß die Demokraten im Repräsentantenhaus über die Änderungen, die der Senat gegenüber der von ihnen verabschiedeten Fassung vorgenommen hat, nachgerade empört gewesen sind; und zwar weil sie darin teils eine Verschärfung (zB bei der Finanzierung von Abtreibungen) und teils reine Kirchturmpolitik sahen. Zitat aus dem in ZR verlinkten Artikel der NYT:
Zitat von NYTHouse Democrats have voiced a number of complaints with the Senate measure, and top White House officials and Congressional leaders have struggled to bridge differences between the two bills. Despite promises by Mr. Obama and Congressional leaders to add those hard-fought deals and other changes later, there would be no guarantees.
In an interview on Monday, Representative Bart Stupak, a Michigan Democrat who opposes the Senate bill in part because of provisions related to insurance coverage of abortions, said: “House members will not vote for the Senate bill. There’s no interest in that.”
When the idea was suggested at a Democratic caucus meeting last week, Mr. Stupak said, “It went over like a lead balloon.”
“Why would any House member vote for the Senate bill, which is loaded with special-interest provisions for certain states?” Mr. Stupak asked. “That’s not health care.”
Und jetzt sollen diese Abgeordneten der Version des Senats auf einmal zustimmen, nur weil Obama seine erforderliche Mehrheit im Senat möglicherweise morgen verloren hat? Das ist eine Zumutung für frei gewählte Abgeordnete; und es ist, ich bleibe dabei, ein taktisches Spiel.
Zitat von FlorianVielmehr könnte man sich umgekehrt fragen, ob das taktische Ausspielen eines Geschäftsordnungs-Tricks wie dem Filibuster im US-Senat demokratie-theoretisch ganz sauber ist.
Ja, das kann man sich fragen. Es gab darüber vor etlichen Jahren lange Auseinandersetzungen. Obsiegt haben am Ende diejenigen, die argumentiert haben: Wenn einer qualifizierten Minderheit der Senatoren eine Sache so wichtig ist, daß sie bereit sind, den Aufwand des Filibustering auf sich zu nehmen, dann verdient es diese Minderheit, daß sie ihre Position in den Gesetzgebungsprozeß einbringen kann.
Ob das ein gutes Argument ist, weiß ich nicht. In Deutschland wäre so etwas undenkbar. Aber in den USA gibt es halt eine ganz andere Tradition des Respekts vor Minderheiten als bei uns.
Jedenfalls haben beide Parteien immer wieder das Filibustering eingesetzt; und heute gilt es als ein legitimes parlamentarisches Mittel.
Zitat Vielmehr könnte man sich umgekehrt fragen, ob das taktische Ausspielen eines Geschäftsordnungs-Tricks wie dem Filibuster im US-Senat demokratie-theoretisch ganz sauber ist.
Filibustern ist eine republikanische Tradition aus dem alten Rom. Die Meinung eines Senators hat gehoert zu werden; es steht dem Parlament nicht zu, einem Senator das Wort zu entziehen. Die Geschaeftsordnung bzw. die Verfahrensordung garantiert Schutz vor Willkuer und schuetzt (i.d.R.) die Minderheitenrechte im Parlament. Das ist gut, richtig und wichtig. An dieser Stelle wird deutlich, dass eine Demokratie etwas anderes ist als eine Republik.
Das ist ein guter Punkt zu einem wichtigen Thema, liebe Dagny.
In der deutschen öffentlichen Diskussion wird ja Demokratie und Republik oft kaum unterschieden. Die Mehrheitsentscheidung gilt als die ultima ratio. ("Mehrheit ist Mehrheit", wie oft haben wir das gehört).
Daß in einer Republik nicht nur Entscheidungen per Mehrheit getroffen, sondern daß - nicht minder wichtig - die Rechte der Minderheit oder der Minderheiten gebührend berücksichtigt werden müssen, das wird bei uns in der Regel nur dann gesehen, wie die Minderheit nicht etwa Konservative oder Liberale sind, sondern Homosexuelle, Einwanderer oder sonstige Gruppen, die eine besondere Fürsorge durch die Gutmenschen erfahren.
Falls ich in Zettels Zimmer noch nicht die fiktive Biographie Ciceros empfohlen habe, hole ich dies hiermit nach. Robert Harris, Autor einiger fiktiven Historienromane (Vaterland, Enigma) legt in den bisher zwei Buechern 'Imperium' und 'Lustrum' Cicieros Leben und Wirken dar. Ich empfehle diese Buecher deshalb, weil dort die roemische Republik als Rollenvorbild der modernen Politik unterhaltsam behandelt wird. Der politische Aufbau der USA ist (auch) am Vorbild Roms angelehnt. Checks and Balances sollen verhindern, dass sich auf Launen heraus hektisch Gesetze bilden.
Wir haben es mit zwei Vorgehensweisen und zwei Serien von Bewertungen zu tun.
Vorgehensweisen: 1. Filibustering 2. Übernahme des Senatsgesetzes durch das Repräsentantenhaus
Bewertungen: a) Schmierenkomödie, Obsession einer Minderheit, taktisches Spiel, Zumutung b) legitimes parlamentarisches Mittel, Recht der Minderheit, pragmatische Politik
Grundsätzlich-republikanisch und aktuell-politisch passen die Bewertungen a) und b) sowohl auf Verfahren 1. als auf Verfahren 2.
Meine Nase kombiniert allerdings 1. mit a) und 2. mit b). Ergo: Florian hat recht!
Filibustern entspricht dem Geist der Verfassung der USA. Ein Gesetz soll nicht einfach so beschlossen werden, nur weil es eine Mehrheit im Volk (vulgo Representantenhaus) dafuer gibt, sondern nur dann, wenn der Senat in all seiner Weisheit und Wuerde dies ebenfalls fuer notwendig erachtet. Wenn die Mehrheit im Senat genuegend Sitzfleisch hat, das Gesetz wichtig genug ist, dann kann man das Filibustern auch gewinnen: Sprich dann kommt es darauf an, welche Partei (Mehrheit oder Gegner) den laengeren Atem haben. Die Verfassung der USA ist darauf ausgelegt, dass es im Zweifel eben kein Gesetz gibt.
Zitat von KalliasWir haben es mit zwei Vorgehensweisen und zwei Serien von Bewertungen zu tun. Vorgehensweisen: 1. Filibustering 2. Übernahme des Senatsgesetzes durch das Repräsentantenhaus Bewertungen: a) Schmierenkomödie, Obsession einer Minderheit, taktisches Spiel, Zumutung b) legitimes parlamentarisches Mittel, Recht der Minderheit, pragmatische Politik Grundsätzlich-republikanisch und aktuell-politisch passen die Bewertungen a) und b) sowohl auf Verfahren 1. als auf Verfahren 2. Meine Nase kombiniert allerdings 1. mit a) und 2. mit b). Ergo: Florian hat recht!
Tja, lieber Kallias, kein menschliches Sinnesorgan funktioniert individuell so unterschiedlich wie die Nase (fragen Sie eine Frau! ).
Meiner Nase stinkt es, wenn der Präsident und die Fraktionsführung des Repräsentantenhauses die Abgeordneten dazu "überreden" wollen, alle ihre Einwände gegen die Version des Senats als ihr Geschwätz von gestern anzusehen, nur damit der Präsident nicht blamiert dasteht.
Und meine Nase, lieber Kallias, nimmt den Geruch republkanischer Freiheit wahr, wenn eine qualifizierte Minderheit als letztes Mittel, sich nicht von der Mehrheit unterbuttern zu lassen, die Möglichkeit des Filibustering hat.
Es ist so etwas wie ein Vetorecht; nur eines, das man erst dann einsetzt, wenn es einem wirklich ernst ist. Denn tage-, unter umständen wochenlanges Reden ist ja kein Vergnügen.
Wobei die Belastung eines Filibusters schon sehr asymmetrisch ist. Ein Vertreter der Minderheit kann nämlich mit der magischen Formel "I suggest the absence of a quorum" erstens ein sofortiges Durchzählen und wenn keine Mehrheit da ist eine Vertagung erreichen. Zwischendurch stellt man evtl. Tadelsanträge gegen die respektlos schlafenden Senatoren der Mehrheit. Und wenn einmal vertagt wird, dürfen alle die schon zweimal geredet habe noch zweimal reden. Die Minderheit kann damit in Schichten arbeiten und die Mehrheit nicht. Die Mehrheit müsste um zu gewinnen also so lange im Senat campieren, bis jeder angehörige der Minderheit (selbst zu Hause gut ausgeschlafen genährt und gewaschen) zweimal so lange wie er kann geredet hat. Das können locker ein paar Wochen werden, in denen der Senat sonst nichts tut und an die sich auch bei der nächsten Wahl noch jeder erinnert.
[Danebengeklickt, das sollte eigentlich eine Antwort auf Dagnys Beitrag von 19:45 sein.]
Ja, gelegentlicher Besucher, so ist das in einem vernünftig aufgebauten Staat, in dem die Abgeordneten ausschließlich ihren Wählern und nicht der Regierung, pardon, ihrem „guten“ Gewissen verantwortlich sind. Fraktionszwang ist einem solchen System ebenso fremd wie suspekt.
"Es ist so etwas wie ein Vetorecht; nur eines, das man erst dann einsetzt, wenn es einem wirklich ernst ist. Denn tage- unter umständen wochenlanges Reden ist ja kein Vergnügen."
Diesen spektakulären Ablauf gab es zwar in der "guten alten Zeit". Heutzutage läuft das aber gesitteter (bzw. langweiliger) ab:
" In the modern filibuster, the senators trying to block a vote do not have to hold the floor and continue to speak as long as there is a quorum. In the past, when one senator became exhausted, another would need to take over to continue the filibuster. Ultimately, the filibuster could be exhausted by a majority who would even sleep in cots outside the Senate Chamber to exhaust the filibusterers. Today, the minority just advises the majority leader that the filibuster is on. All debate on the bill is stopped until either cloture is voted by three-fifths (now 60 votes) of the Senate. (Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Filibuster#...t_U.S._practice)
Es ist also einfach so, dass eine Minderheit von 41 Senatoren eine Abstimmung verhindern kann. Wochenlange Rede-Dramen sind dafür nicht mehr notwendig.
Zitat von DagnyFilibustern entspricht dem Geist der Verfassung der USA. Ein Gesetz soll nicht einfach so beschlossen werden, nur weil es eine Mehrheit im Volk (vulgo Representantenhaus) dafuer gibt, sondern nur dann, wenn der Senat in all seiner Weisheit und Wuerde dies ebenfalls fuer notwendig erachtet. Wenn die Mehrheit im Senat genuegend Sitzfleisch hat, das Gesetz wichtig genug ist, dann kann man das Filibustern auch gewinnen: Sprich dann kommt es darauf an, welche Partei (Mehrheit oder Gegner) den laengeren Atem haben.
Noch viel würdevoller könnte die Minderheit der Senatoren unterstreichen, wie wichtig ihr eine Sache ist, wenn man statt eines Wettbewerbs im Dauerreden einen im Atemanhalten veranstalten würde. Denn "süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben", nicht wahr - und sollte demnach auch als Veto anerkannt werden.
Aber im Ernst, ihr Argument spricht genauso zugunsten der anderen Vorgehensweise: Das Repräsentantenhaus beugt sich der Würde und Weisheit des Senats, indem es dessen Gesetz übernimmt, und nicht einfach beschließt, was ihm selber in den Kram passt.
Zitat von DagnyDie Verfassung der USA ist darauf ausgelegt, dass es im Zweifel eben kein Gesetz gibt.
Das ließe sich nonsensfrei durch das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten erreichen.
Zitat von DagnySpannend tatsaechlich die Frage, warum es so etwas in der deutschen parlamentarischen Tradition nicht gibt?
In Deutschland hat der Parlamentarismus seit jeher einen schlechten Ruf, deshalb achtet man ein wenig darauf, das Parlament möglichst wenig lächerlich zu machen. Wenn etwas nämlich als "Schmierenkomödie" bezeichnet werden kann, dann sicherlich eine Endlosrede, deren Zweck nicht in der Darlegung von Forderungen, Argumenten oder Fakten besteht, sondern nur darin, eine Abstimmung zu verhindern.
Zitat von ZettelMeiner Nase stinkt es, wenn der Präsident und die Fraktionsführung des Repräsentantenhauses die Abgeordneten dazu "überreden" wollen, alle ihre Einwände gegen die Version des Senats als ihr Geschwätz von gestern anzusehen, nur damit der Präsident nicht blamiert dasteht.
Wenn die Abgeordneten ihr eigenes Gesetz nicht mehr durchbringen können, und deshalb als zweitbeste Lösung lieber das des Senates übernehmen, als gar keines zu beschließen, dann sehe ich das als leuchtendes Beispiel für die Politik als der Kunst des Möglichen an.
Zitat von ZettelUnd meine Nase, lieber Kallias, nimmt den Geruch republkanischer Freiheit wahr, wenn eine qualifizierte Minderheit als letztes Mittel, sich nicht von der Mehrheit unterbuttern zu lassen, die Möglichkeit des Filibustering hat.
Eine Abstimmung zu verlieren ist ein edles demokratisches Recht und hat mit dem autoritären Verfahren des Unterbutterns gar nichts zu tun. Niemand braucht zu "letzten Mitteln" zu greifen, solange die Möglichkeit besteht, Wahlen zu gewinnen.
Zitat von ZettelEs ist so etwas wie ein Vetorecht; nur eines, das man erst dann einsetzt, wenn es einem wirklich ernst ist. Denn tage- unter umständen wochenlanges Reden ist ja kein Vergnügen.
Wenn die Democrats bereit sind, ihre Mehrheiten aufs Spiel zu setzen, indem sie ein unpopuläres Gesetz beschließen, und dabei sogar zu Verfahrenstricks greifen, dann unterstreichen sie damit die Bedeutung, die sie der Sache beimessen mindestens ebensosehr wie die Republicans mit dem Einsatz ihrer Hinterteile.
Zitat von FlorianEs ist also einfach so, dass eine Minderheit von 41 Senatoren eine Abstimmung verhindern kann. Wochenlange Rede-Dramen sind dafür nicht mehr notwendig.
Ach so, vielen Dank für den Hinweis. Damit fallen natürlich alle Argumente bzgl. der besonderen Dringlichkeit des Anliegens sowie jene über Schmierentheater etc. fort.
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