Nein, nein, Sie haben schon recht: Wenn man die Rechte der Minderheit stärken wollte, dann könnte man das ganz sauber mit entsprechenden Verfahrensregeln (insbesondere mit dem Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit) erreichen.
Stattdessen erreicht man faktisch das gleiche Ergebnis, allerdings mit archaischen Verfahrensregeln, die dann allerdings praktisch gar nicht mehr angewandt werden sondern auf die nur noch symbolisch verwiesen wird. Welche besonderen demokratischen Meriten dieser Anachronismus allerdings in Zettels Augen hat, verstehe ich wirklich nicht so ganz.
Zitat von KalliasWenn die Abgeordneten ihr eigenes Gesetz nicht mehr durchbringen können, und deshalb als zweitbeste Lösung lieber das des Senates übernehmen, als gar keines zu beschließen, dann sehe ich das als leuchtendes Beispiel für die Politik als der Kunst des Möglichen an.
Ja, wenn, lieber Kallias.
Es ist die Regel, daß das Haus und der Senat unterschiedliche Versionen eines Gesetzes verabschieden und daß man dann einen Kompromiß sucht. Das ist Teil der amerikanischen politischen Kultur, der Checks and Balances.
Wenn Obama das versuchen sollte, worüber wir jetzt diskutieren - ich glaube immer weniger daran, denn es könnte ihm sehr gut den nächsten GAU bescheren -, dann würde er eine Selbstdemütigung des Hauses verlangen. Man hat dort Monate um einen Gesetzestext gerungen; man ist schon dabei Kompromisse eingegangen. Jetzt erwartet der Präsident - sollte er es versuchen -, daß die Abgeordneten das alles einfach zu Makulatur erklären und die Version des Senats übernehmen, die sie nicht wollen; sich dem Senat also unterwerfen sollen.
Ich weiß nicht, ob es so etwas jemals in der Geschichte der USA gegeben hat; jedenfalls wäre es ein wahrhaft unamerikanischer Umtrieb.
Und da sollen die Abgeordneten mitspielen und sich dann mit Mails aus ihren Wahlkreisen bomardieren lassen, ob sie denn schon ganz den Verstand verloren hätten und zu Lakaien Obamas geworden seien?
Nein, lieber Kallias. Die amerikanische Demokratie funktioniert eben ganz anders als unsere. Die Abgeordneten und Senatoren tanzen nicht nach der Pfeife des Präsidenten, auch wenn sie dessen Partei angehören; sie tanzen auch nicht nach der Pfeife von beispielsweise Nancy Pelosi, nur weil die Demokraten sie zur Sprecherin gewählt haben. Die einzige Pfeifen, nach denen sie tanzen, sind diejenigen ihrer Wähler.
Viele der Demokraten, die keine Linken sind, haben sich breitschlagen lassen, der Gesundheitsreform zuzustimmen. Jetzt sehen sie, wie ihnen darob die Wähler davonlaufen. Sie müßten mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn sie jetzt auch noch ihre Würde als souveräne Abgeordnete aufgeben und auf Weisung des Präsidenten einem Gesetz zustimmen würden, das sie mehrheitlich so nicht wollen.
Zitat von ZettelEs ist die Regel, daß das Haus und der Senat unterschiedliche Versionen eines Gesetzes verabschieden und daß man dann einen Kompromiß sucht.
Das erste ist bereits geschehen. Von der Kompromißsuche wird sich jetzt der Senat mittels Filibustering verabschieden: damit bricht er die Regel und das Haus kann sich und muß sich sogar einen anderen Weg suchen.
Zitat von ZettelDas ist Teil der amerikanischen politischen Kultur, der Checks and Balances.
Das Filibustering wäre der Check, die Verabschiedung des Senatsentwurfs durch das Haus die Balance. Alles in bester Ordnung.
Zitat von ZettelJetzt erwartet der Präsident - sollte er es versuchen -, daß die Abgeordneten das alles einfach zu Makulatur erklären und die Version des Senats übernehmen, die sie nicht wollen; sich dem Senat also unterwerfen sollen.
Sie haben nur noch die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: vor der Senatsmehrheit der Demokraten oder vor der Minderheit der Republikaner einzuknicken. Was ihnen lieber ist!
Die Einwände, die Sie nach der NYT zitiert haben, scheinen mir nur Nebenaspekte zu betreffen. In diesen Punkten würde sich das Haus dem Senat beugen, um in der Hauptsache über ihn zu triumphieren.
Zitat von ZettelViele der Demokraten, die keine Linken sind, haben sich breitschlagen lassen, der Gesundheitsreform zuzustimmen. Jetzt sehen sie, wie ihnen darob die Wähler davonlaufen.
Das wäre in der Tat ein Argument, die Sache bleiben zu lassen. Andererseits macht es nicht viel, wenn ein brauchbares Gesetz zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung noch unpopulär ist. Diese Erwägung gehört, scheint mir, sogar zum Kern der Rechtfertigung für das repräsentative System: denn sonst könnte man gleich mit Meinungsumfragen regieren.
Die taktische Frage ist ja nicht, ob die Wähler jetzt davonlaufen, sondern ob sie das im November noch tun werden.
Zitat von ZettelLaut New York Times planen der Präsident und führende Demokraten für den Fall eines Wahlsiegs von Brown ein Verfahren, um das Gesundheitsgesetz doch noch zu retten: Das Repräsentantenhaus soll mit seiner demokratischen Mehrheit einfach der Version zustimmen, die vom Senat gebilligt wurde und die das Haus bisher ablehnt.
Der wichtigste Gewerkschaftsverband, die AFL-CIO hat sich gegen dieses Vorgehen ausgesprochen:
Zitat AFL-CIO legislative director Bill Samuel tells me in an interview that labor won’t support any efforts by the House to pass the Senate health bill in its current form — creating major complications for one of the key solutions Dems are contemplating in the wake of their huge loss last night.
“We don’t want the House to pass the Senate bill,” Samuel said a few moments ago by phone. “We would not be in favor of passing the Senate bill without fixing the problems that we’ve identified.”
-- La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
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