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Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 5 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.02.2010 18:54
Zitat des Tages: Arbeitspflicht Antworten

Daß ein Arbeitsloser mit Leistungskürzungen rechnen muß, wenn er eine zumutbare Arbeit ohne triftigen Grund ablehnt, weiß auch der Nichtjurist. Seltsamerweise verweist aber der BVerfG-Präsident Papier hierauf als Antwort auf die Frage, ob eine Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger verfassungsgemäß wäre. Also beispielsweise das gemeinnützige Schneeschippen, das Guido Westerwelle bejaht hat.

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

27.02.2010 21:54
#2 RE: Zitat des Tages: Arbeitspflicht Antworten

Ich denke nicht, daß er die Frage mißversteht. Er unterscheidet, rechtlich durchaus zutreffend, zwischen einer Pflicht einerseits, einer Obliegenheit andererseits.

Eine Arbeitspflicht wäre zB die frühere Reichsarbeitsdienstpflicht, heute gibt es noch den Wehrdienst oder den Zivildienst als Pflichten in diesem Sinne.


Eine "Arbeitspflicht" für ALG-2 Empfänger wäre dagegen lediglich eine Voraussetzung für den Erhalt des vollen Leistungsanspruchs, vergleichbar den jetzigen Tatbestandsvoraussetzungen der Erwerbsfähigkeit oder die Hilfebedürftigkeit iSv. §7 Abs.1 SGB II.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.02.2010 23:26
#3 RE: Zitat des Tages: Arbeitspflicht Antworten

Zitat von JeffDavis
Ich denke nicht, daß er die Frage mißversteht. Er unterscheidet, rechtlich durchaus zutreffend, zwischen einer Pflicht einerseits, einer Obliegenheit andererseits.
Eine Arbeitspflicht wäre zB die frühere Reichsarbeitsdienstpflicht, heute gibt es noch den Wehrdienst oder den Zivildienst als Pflichten in diesem Sinne.
Eine "Arbeitspflicht" für ALG-2 Empfänger wäre dagegen lediglich eine Voraussetzung für den Erhalt des vollen Leistungsanspruchs, vergleichbar den jetzigen Tatbestandsvoraussetzungen der Erwerbsfähigkeit oder die Hilfebedürftigkeit iSv. §7 Abs.1 SGB II.


Die Unterscheidung zwischen Pflicht und Obliegenheit verstehe ich schon, lieber JeffDavis. Mir schien nur, daß der Interviewer nach der Verfassungsmäßigkeit einer eventuellen Bestimmung fragte, wonach Arbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden können, während Papier davon sprach, daß sie eine zumutbare - reguläre, bezahlte - Arbeit annehmen müßten. Das scheinen mir zwei verschiedene Sachverhalte zu sein. Aber wie immer lasse ich mich gern fachlich belehren.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

27.02.2010 23:57
#4 RE: Zitat des Tages: Arbeitspflicht Antworten

In der Frage ist nur generell von Arbeitspflicht die Rede, nicht von gemeinnütziger Arbeit. Auch im Interview selbst nicht, ich bin Ihrem Link gefolgt.

Das BVerfG vertritt in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, daß der Gesetzgeber im sozialen Bereich einen außerordentlich weiten Gestaltungsspielraum besitzt. Wenn dieser den Bezug voller ALG 2 - Leistungen daran knüpfen würde, daß der Empfänger im Gegenzug gemeinnützige Areit leistet, sehe ich prinzipiell keine verfassungsrechtlichen Hindernisse. Allerdings sollte der eigentliche Zweck des ALG 2, nämlich die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zu fördern, nicht gefährdet werden. Das wäre aber auf einfachgesetzlicher Ebene durchaus zu regeln. Meines Erachtens ist auch eine deutliche Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln für die Annahme einer normalen Arbeit verfassungskonform machbar.


Beim Lesen des Interviews ist mir übrigens aufgefallen, daß Papier durch das Urteil zum ALG 2 keine zusätzliche Bürokratie befürchtet (was ich im entsprechenden Thread auch angenommen hatte): "In der Hartz-IV-Entscheidung ist dieses Grundrecht nun mit konkreten Schlussfolgerungen präzisiert worden: Der Gesetzgeber muss dafür Sorge tragen, dass die Berechnung des Existenzminimums realitätsgerecht in einem transparenten Verfahren erfolgt. Aber noch mal: Ein bezifferbarer Anspruch ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen." Also eine einmalige Mehrarbeit für den Gesetzgeber, keine dauerhafte Mehrarbeit für die Verwaltung.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.02.2010 00:19
#5 RE: Zitat des Tages: Arbeitspflicht Antworten

Zitat von JeffDavis
In der Frage ist nur generell von Arbeitspflicht die Rede, nicht von gemeinnütziger Arbeit. Auch im Interview selbst nicht, ich bin Ihrem Link gefolgt.


Der Interviewer bezieht sich aber augenscheinlich auf den Vorschlag von Guido Westerwelle, den ich in dem Artikel ebenfalls verlinkt habe:

Zitat von Südwest Presse
Berlin. Mit neuen Vorstößen zur Beschäftigung Arbeitsloser reagiert FDP-Chef Westerwelle auf die Kritik an der von ihm angestoßenen Sozialstaatsdebatte. In der Union streiten die Parteiflügel über die FDP-Vorschläge

"Jeder, der jung und gesund ist und keine Angehörigen zu betreuen hat, muss zumutbare Arbeiten annehmen - sei es in Form von gemeinnütziger Arbeit, sei es im Berufsleben, sei es in Form von Weiterbildung." Wer sich dem verweigere, "dem müssen die Mittel gekürzt werden". Von der Sozialstaatsverwaltung erwarte er, "dass sie jedem jungen Menschen auch ein Angebot macht", sagte Guido Westerwelle.

Auf die Frage, ob zu den zumutbaren Arbeiten auch Einsätze zum Schneeschippen gehörten, antwortete er: "Warum denn nicht?"


Es geht also nicht nur um die Bereitschaft, eine bezahlte Arbeit aufzunehmen (wie das Papier in seiner Antwort voraussetzt), sondern um eine Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit in dem Fall, daß der Betreffende noch arbeitslos ist.

Zitat von JeffDavis
Das BVerfG vertritt in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, daß der Gesetzgeber im sozialen Bereich einen außerordentlich weiten Gestaltungsspielraum besitzt. Wenn dieser den Bezug voller ALG 2 - Leistungen daran knüpfen würde, daß der Empfänger im Gegenzug gemeinnützige Areit leistet, sehe ich prinzipiell keine verfassungsrechtlichen Hindernisse. Allerdings sollte der eigentliche Zweck des ALG 2, nämlich die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zu fördern, nicht gefährdet werden. Das wäre aber auf einfachgesetzlicher Ebene durchaus zu regeln. Meines Erachtens ist auch eine deutliche Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln für die Annahme einer normalen Arbeit verfassungskonform machbar.


Mir leuchtet das ein, lieber JeffDavis. Aber mir scheint eben, daß das noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Sie äußern ja auch Ihre Rechtsauffassung, woraus ich schließe, daß man auch eine andere Auffassung haben kann.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

28.02.2010 00:38
#6 RE: Zitat des Tages: Arbeitspflicht Antworten

Wobei auch für Westerwelle die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit nur eine von drei genannten Alternativen ist. Es geht ihm augenscheinlich mehr um die Frage der Zumutbarkeit, so verstehe ich ihn jedenfalls. Damit ist nicht nur der Arbeitsscheue gemeint, sondern auch zB ein Elektroschweißer, der ein Arbeitsangebot ablehnt, weil er deutlich weniger verdient als früher. Oder umziehen muß.


Zwei Juristen, drei Meinungen. Gerade in diesen Bereichen, die nicht mehr die simple Rechtsanwendung betreffen, finden Sie neben diskussionswürdigen anderen Ansichten oft auch die Meinungen profilierungssüchtiger Doktoranden oder von Professoren ohne Bezug zum praktischen Leben.

Aber meine Rechtsauffassung, wonach eine Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit als Voraussetzung für den uneingeschränkten Bezug von ALG 2 verfassungsmäßig wäre, ist sicher nicht das letzte Wort. Sie hat aber zumindest die bisherige Linie des BVerfG für sich, deren Änderung zwar nicht ausgeschlossen, aber nach allgemeiner Erfahrung wenig wahrscheinlich ist.

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