Was über die Vorfälle an katholischen Einrichtungen bisher bekannt wurde, dürfte wohl nur die Spitze eines Eisbergs sein. Internate und ähnliche Einrichtungen ziehen nun einmal Pädophile an. Derartige Fälle hat es schon vor einem Jahrhundert gegeben. Heute sind aber die Bedingungen dafür günstiger, daß Opfer die Verbrecher, die sich an ihnen vergehen, anzeigen.
Zitat von ZettelWas über die Vorfälle an katholischen Einrichtungen bisher bekannt wurde, dürfte wohl nur die Spitze eines Eisbergs sein. Internate und ähnliche Einrichtungen ziehen nun einmal Pädophile an.
In FAZ.Net gibt es jetzt einen informativen Artikel zu den Vorfällen in der Odenwaldschule, aus dem hervorgeht, daß diese schon 1999 zu einer Strafanzeige geführt hatten, die aber wegen Verjährung nicht verfolgt wurde.
Ein Detail am Rande: Warum wird eigentlich in diesem Artikel wie auch in anderen Meldungen der Name des damaligen Leiters der Schule, der zu den Beschuldigten gehört, mit "Gernot B." abgekürzt?
Es handelt sich um den hochangesehenen Pädagogen Gerold Becker; über die Beschuldigungen, die schon 1999 gegen ihn erhoben wurden, kann man heute Detailliertes in der Frankfurter Rundschau lesen.
Irgendwie kann ich mir das Ausmaß der Opferinflation nicht recht erklären. Missbrauchsfälle wurden ja schon in vergangenen Jahren immer wieder mal bekannt und medial ausgeschlachtet. Warum kommen erst jetzt plötzlich soviele Opfer ans Tageslicht? Wieviele mögen da Trittbrettfahrer, wegen der eventuell fälligen Entschädigung, sein? Wieviele werden jetzt ihre Erinnerungen vor sich selbst aufbauschen?
Vielleicht bin ich da auch voreingenommen, weil ich mir solche Übergriffe absolut nicht vorstellen kann. Weder kann ich mir vorstellen ein Kind überhaupt als irgendwie "begehrenswert" anzusehen, noch, dass ich selbst als Kind/Jugendlicher eine pädogogische Fachkraft auf "Tuchfühlung" an mich rangelassen hätte. Da hätte es mit Sicherheit heftigste Gegenwehr gegeben.
Achja, Kewil beschäftigt das Thema auch schon seit 'ner Weile (gibt auch Nachfolgebeiträge).
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Nun, es wird eben viel vermengt in dieser Causa. Jüngst sah ich im BR3 eine Pressekonferenz, in der ein Vertreter der Elternschaft voller Aufregung davon berichtete, daß ein Geistlicher vor xx Jahren einen Jungen auf dem Schoß gehabt hätte, wobei er ihn am Oberarm streichelte. Das lief unter Mißbrauch. Gleichsam die "Fotos im Internet" von männlichen Jugendlichen mit freiem Oberkörper. Ebenfalls sehr präsent ist mir dieser... ja, wie sagt man, Rektor? eines Internats, der sich in feurigem Eifer selbst des "schweren Mißbrauchs bezichtigte", weil er "brutal" Schüler gezüchtigt habe.
All das fällt nicht unter mein Verständnis des Begriffs. Zumal Züchtigung bis 2000 durch die Eltern und in Bayern gleich gar bis in die 1980er Jahre auch durch die Lehrer völlig legal war.
Vom schweren sexuellen Mißbrauch habe ich bis jetzt recht wenig gelesen. Die Expansion der Quantität scheint also auf Kosten der Mißbrauchsqualität zu gehen, wenn ich das mal so formulieren darf.
Zitat von CalimeroIrgendwie kann ich mir das Ausmaß der Opferinflation nicht recht erklären.
Es werden halt jetzt einige Jahrzehnte und landesweit "aufgearbeitet". Das geht deutlich über die Einzelfälle hinaus, die bisher diskutiert wurden. Die Mißbrauchsquote auf die Gesamtbevölkerung bezogen wird immer noch recht niedrig sein - aber an einigen Schulen gab es das wohl gehäuft.
Zitat Wieviele mögen da Trittbrettfahrer, wegen der eventuell fälligen Entschädigung, sein?
Das halte ich für extrem unwahrscheinlich, weil Entschädigungszahlungen bisher nicht üblich waren und auch jetzt nur eine begrenzte Wahrscheinlichkeit haben. Die aktuelle Rechtslage gibt das jedenfalls für die (größtenteils verjährten) Fälle kaum her.
Zitat Wieviele werden jetzt ihre Erinnerungen vor sich selbst aufbauschen?
Die Schilderungen von der Odenwaldschule klingen nicht so.
Zitat ... noch, dass ich selbst als Kind/Jugendlicher eine pädogogische Fachkraft auf "Tuchfühlung" an mich rangelassen hätte.
Das kommt auf das Umfeld an. Einige Kinder haben sich gewehrt, und wurden dann als "Spießer" gemobbt und bekamen schlechte Beurteilungen. Es handelt sich hier ja um ein Internat mit entsprechendem Gruppendruck. Und wenn nicht nur einige Lehrer den Mibrauch betreiben, sondern der Haupttäter der (sehr prominente und allgemein geachtete) Schulleiter ist - dann ist schon schwer gegen anzukommen.
Mich hat bei den verschiedenen Berichten vor allem überrascht, wie offen das alles organisiert war. Da hatten die Schüler wechselnd "Wochenenddienst" bei der Befriedigung ihrer Lehrer, und es gab auch "Gästebetreuung" für die Besucher der Lehrer.
Zitat von HajoNun, es wird eben viel vermengt in dieser Causa. Jüngst sah ich im BR3 eine Pressekonferenz, in der ein Vertreter der Elternschaft voller Aufregung davon berichtete, daß ein Geistlicher vor xx Jahren einen Jungen auf dem Schoß gehabt hätte, wobei er ihn am Oberarm streichelte. Das lief unter Mißbrauch.
Es ist da. lieber Hajo, eben sehr schwer eine Grenze zu ziehen. In dem Artikel habe ich das ja angesprochen. Solch ein Streicheln kann harmlos sein, wenn z.B. ein weinendes Kind getröstet wird. Es kann auch sexuellen Charakter haben.
Solche Berufe ziehen nun einmal Pädophile an. Viele wissen sich zu beherrschen, so wie ja auch sexuell normale Lehrer sich gegenüber Schülerinnen und Studentinnen beherrschen müssen, auch wenn diese ihnen sexuell attraktiv erscheinen. Aber manche können und wollen sich nicht beherrschen.
Welches die Folgen fehlender Selbstbeherrschung sind, das ist wiederum sehr verschieden. Ich war in der Unterstufe auf einem Gymnasium (kein Internat), in dem ein sehr beliebter Lehrer allgemein als pädophil bekannt war. Er war in der katholischen Jugendarbeit engagiert, im Jugendherbergswerk. Bei jeder Klassenfahrt und Freizeit war er dabei, organisierte und half, wo er nur konnte. Ich habe es selbst nicht erlebt, weil er nie mein Klassenlehrer war und ich nicht katholisch, aber unter Schülern wurde ganz offen darüber geredet, und es wurden Witze gemacht: Wie er gemeinsam mit Schülern duschte, ihnen beim Umziehen half, sie betätschelte usw. Mehr ist meines damaligen Wissens nicht vorgefallen.
Die meisten Schüler fanden das nur lustig und mochten ihn trotzdem. Andere mögen es widerlich gefunden und darunter gelitten haben, trauten sich aber vielleicht nicht, das zu äußern. Und ob es wirklich nur bei solchen Dingen blieb oder ob doch mehr vorgefallen ist, läßt sich naturgemäß nicht sagen. Mit der Rechtfertigung, man täte den Schülern doch nichts Schlimmes an, läßt sich vieles unter den Teppich kehren.
Pädophile sind eben u.a. deshalb so gefährlich, weil viele sich vormachen, sie täten doch nichts Schlimmmes (siehe das Zitat von Wyneken in dem Artikel).
Das Extremste, was es meines Wissens in Deutschland gegeben hat, war das offene Auftreten einer Gruppe von Pädophilen auf einem der ersten Parteitage der "Grünen". Sie nannten sich Indianer oder so ähnlich und hatten auch einige ihrer Lieblinge dabei. Ihre Forderung war natürlich die "Entkriminalisierung" der Pädophilie.
So sehr ich für Freiheit bin, lieber Hajo - in diesem Bereich hilft meines Erachtens nur das principiis obsta. Nulltoleranz.
Jeder soll seine Sexualität ausleben dürfen, sofern er das gemeinsam mit Erwachsenen tut, die das ebenfalls wollen. Aber es ist inakzeptabel, Machtpositionen gegenüber Schwachen auszunutzen, um seine sexuelle Befriedigung zu finden.
Ich hatte nicht vor dieses Verhalten zu rechtfertigen. Es erschien mir aber angebracht diese Umstände etwas in Perspektive zu rücken. Es ist eben doch ein Unterschied, ob man von Mißbrauch spricht und damit die Scheußlichkeiten meint, die man sich gemeinhin diesbezüglich vorstellt, wie sie etwa im Odenwald vorgekommen sein sollen, oder ob man eben das beschriebene, sicherlich tadelnswerte, aber in Relation eben doch bedeutend weniger verstörende Verhalten meint, wenn man von Mißbrauch spricht. Was die Begrifflichkeiten angeht, so bin ich sehr für's Differenzieren. Der Beginn einer Strafverfolgung, wohl aber nicht das Strafmaß, sollte allerdings dieser Nulltoleranz folgen. Da stimme ich Ihnen zu.
Was das Thema Prügel- bzw. Körperstrafen anbelangt, so war es zu der Zeit, zu der ich die Schule besucht habe, zwar nicht an der Tagesordnung, aber es hatte doch eine gewisse Normalität. Geschadet hat dies nicht. Weder mir noch anderen, die ich kennen würde. Gewalt in der Erziehung schien mir immer viel mehr ein häusliches Problem zu sein.
Was die Grünen anbelangt, so stehe ich nicht unter dem Eindruck, daß es sich dort um ein versprengtes Grüppchen o.ä. gehandelt hat, sondern es sind ja auch heute noch bekannte Grüne in führenden Positionen, die früher diese Meinungen vertreten haben. Spontan fällt mir da Volker Beck oder Monsieur Cohn-Bendit ein. Ob die ihre Ansichten wirklich geändert haben, oder ob sie bloß aus Schaden klug geworden sind, wüßte ich bis heute nicht abschließend einzuschätzen.
Zitat von ZettelDas Extremste, was es meines Wissens in Deutschland gegeben hat, war das offene Auftreten einer Gruppe von Pädophilen auf einem der ersten Parteitage der "Grünen". Sie nannten sich Indianer oder so ähnlich und hatten auch einige ihrer Lieblinge dabei. Ihre Forderung war natürlich die "Entkriminalisierung" der Pädophilie. So sehr ich für Freiheit bin, lieber Hajo - in diesem Bereich hilft meines Erachtens nur das principiis obsta. Nulltoleranz.
Tja, da hab ich zu der Zeit meine Schwester, ich weiß gar nicht mehr ob nur besucht, um sie rauszuholen oder ob sie mitgekommen ist. Kurz danach, glaube ich. Mein Vater war auch auf der Versammlung gewesen, (ein Parteitag kann das nicht gewesen sein) und hatte dann auch von den Stadtindianern erzählt. Und dann war meine Schwester weg. Und plötzlich wußte ich, ich wußte es einfach, wo sie war. Mein Onkel ist dann mit mir hingefahren. Ich war ungefär 16, 17 noch nicht volljährig, und sie ist 5 Jahre jünger. Es war WG Atmosphäre. Auch etwas ... geheimnisvoll. Ich wußte vorher nicht, ob die mich reinlassen werden. Diesen Guru von denen, ich glaube Ulrich hieß der. Ja, der ist heute gut 60, könnte hinkommen. Auf jeden Fall, ich konnte es damals nicht erklären und auch noch Jahrzehnte lang nicht, wenn ich auf solche Leute traf. Der hatte die Wahrheit gepachtet. Die Leute hab ich ja gefressen. Da hatte ich schon immer eine automatisch fallende Sicherheitswand bei denen. Egal, ob links, oder missionarisch oder sonstwie weltretterisch. Ich konnte nicht gegen ihn argumentieren, immerhin war meine Schwester freiwillig da. Hatte sie gesucht. Ich konnte sie besuchen. Sie konnte gehen. Wir haben das alles nicht so dramatisch gesehen. Von innen ist es nie dramatisch. Ich muß sie mal fragen, ob sie mir böse war. Sie war auf jeden Fall ziemlich verblüfft gewesen, mich zu sehen. Und dann meinen Onkel. Ja, sie ist mitgekommen, mußte sie ja dann. Mit 12, 13 ist sie abgehauen? Komisch, was man alles vergißt. Und nun ist sie Oma. Und ich Großtante. Juhuu!
Die hatten die Wahrheit gepachtet, aber weil diese Wahrheit gegen die starke Front der elterlichen und gesellschaftlichen Wahrheit stand, gegen die wir uns, vergeblich, so empfanden wir es, auflehnten, sahen wir das nur als Kräfteausgleich. Bewußt nahmen wir auch nur die Argumente war. Irgendwie erinnere ich mich, daß der Ulrich gesagt hat, Kinder hätten auch ne eigene Sexualität und die dürfe nicht unterdrückt werden. Es gibt in Bezug auf eigene Sexualität (und Benimm der Eltern) nichts Konservativeres als Heranwachsende, was ich damals war. Ich fand nicht, daß er recht hatte. Aber Argumente hatte ich keine. Er muß ja dann so 25 gewesen sein, mir argumentatorisch weit überlegen. Das merkte ich nicht. Ich hielt es (mein argumentatorisches Versagen) für meine Schuld. Ich habe mich lange mit dem Thema rumgeschlagen. Weil ich das Gefühl hatte, das stimmt nicht, und keine Begründung dafür. Im Zuge der Frauenbewegung wurde mir das Prinzip dann klar und kurz danach kam ja die Tatsache daß sexueller Mißbrauch bei uns in Deutschland nicht nur in grausigen Einzelfällen vorkommt aus dem Tabu ins öffentliche Bewußtsein. Es wäre so, wie wenn wir heute erfahren würden, daß pro Woche in Deutschland so 10 bis 20 Menschen verspeist würden. Wir hätten es nur nicht gewußt. (So wie tatsächlich pro Woche ungefär 15 Personenschäden auf den Bahngeleisen geschehen, 80% glaube ich davon Selbstmorde, wußte ich auch nicht). Nur ein bißchen schlimmer für die deutsch Psyche, mit dem Mißbrauch, vor allem für Unschuldige. Wie kann man sowas nicht wissen, wir wollten nicht schon wieder weggesehen haben. Ich natürlich nicht, ich war noch nicht im schuldfähigen Alter.
Ja, auf jeden Fall, daß dieser Ulrich erst heutzutage verfolgt wird , wundert mich. Ich habe damals schon erwartet, gleich die Polizei dort zu sehen. Und jahrelang habe ich gedacht, daß die bald zugemacht werden würden. Daß es die heute noch gibt. Ja, da war auch ein Junge, jünger als meine Schwester. Ja, der und der Ulrich waren sehr schmusig zueinander. Der sah ziemlich kaputt aus, ich dachte mir, der braucht jetzt viel körperliche Nähe und Zuwendung. Aber ich konnte nicht bewußt sehen, daß die Nähe nicht als Heilung wirken kann, wenn der Geber kein Schenker sondern ein Käufer ist. So ein mieser Hund. Der Junge hätte alle Hilfe verdient. Ich weiß noch, daß er mir seeehr leid tat, er sah voll unglücklich aus.
[Edit] PS: Nur zur Klarstellung, ich hatte jahrzehntelang nichts gegen die Rettung der Welt einzuwenden - nur gegen die fraglose Gewissheit, daß die Methode stimmt.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
... hat nie jemand von denen geschadet, die sie als Kind erlebt haben und als Eltern angewandt haben, wenn man sie fragt.
Ich finde es sehr gut, daß Gewalt gegen Kinder, auch die elterliche Ohrfeige, heute unter Strafe steht. Das ist einer der staatlichen Mechanismen, der, natürlich auch erst durch die vorherige gesellschaftliche Veränderung ermöglicht, eine Veränderung des Verhaltens aller gutwilligen Eltern erzwingt. Denn das Hauen hatte ja eine Funktion. Entweder eine erzieherische oder eine innerpsychische des Elternteils. Und die Notwendigkeit der Funktion fällt nicht weg. Also müßen sich Eltern was anderes einfallen lassen. Und das, was dabei rauskommen kann, kann eine gewaltlose Autorität sein. Denn ursprünglich trauen Kinder ja ihren Eltern.
Ich bin dafür, daß wir dieses Verbot der Züchtigung von Kindern ganz massiv anwenden, besonders auch bei den Eltern mit archaischen Familienstrukturen. Es hat eine Veränderung beim verbiestertsten oberbayerischen Bauern gegeben, es wird auch eine Veränderung beim anatolischen Familienherrscher geben können. Die Jungs von ihnen, unsere Zukunft, hat es verdient. Daß wir ihren Vätern die kulturelle Freiheit nehmen sie zu mißhandeln.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
Zitat von ZettelDas Extremste, was es meines Wissens in Deutschland gegeben hat, war das offene Auftreten einer Gruppe von Pädophilen auf einem der ersten Parteitage der "Grünen". Sie nannten sich Indianer oder so ähnlich und hatten auch einige ihrer Lieblinge dabei. (...)
Tja, da hab ich zu der Zeit meine Schwester, ich weiß gar nicht mehr ob nur besucht, um sie rauszuholen oder ob sie mitgekommen ist. Kurz danach, glaube ich. Mein Vater war auch auf der Versammlung gewesen, (ein Parteitag kann das nicht gewesen sein) und hatte dann auch von den Stadtindianern erzählt.
Ja, stimmt, Stadtindianer nannten sie sich. Gut möglich, daß es kein offizieller Parteitag war. Jedenfalls wurde es im TV übertragen. Ich erinnere mich noch ziemlich gut an die Szene, weil ich so fassungslos war: Diese Leute standen zuerst mit den Kindern an der Wand oder kamen in den Saal, gingen dann zum Podium und zeigten ihre Transparente usw. Die Kinder machten Faxen, jedenfalls manche.
Zitat von KaaDie hatten die Wahrheit gepachtet, aber weil diese Wahrheit gegen die starke Front der elterlichen und gesellschaftlichen Wahrheit stand, gegen die wir uns, vergeblich, so empfanden wir es, auflehnten, sahen wir das nur als Kräfteausgleich. Bewußt nahmen wir auch nur die Argumente war.
Es gab damals in der Tat nicht die heutige Sensibilität gegenüber dem Problem sexueller Übergriffe gegenüber Kindern. Es wurde eben alles ausprobiert, was verboten gewesen war. Man konsumierte Rauschgift, man verachtete die Familie und die "Zweierbeziehung" (was für ein Wort!), man wollte alle "überkommenen Rollenklischees" kippen. Warum sollte man da vor Kindern haltmachen?
Zitat von KaaIrgendwie erinnere ich mich, daß der Ulrich gesagt hat, Kinder hätten auch ne eigene Sexualität und die dürfe nicht unterdrückt werden.
Was ja auch nicht falsch ist. Man muß allerdings sehen, daß Freud einen sehr weiten Begriff von Sexualität hatte (nicht nur das, was er Genitalität nannte), und in diesem weiten Sinn haben Kinder natürlich auch Sexualität. Auch Doktorspiele wurden nicht von Pädophilen erfunden. Das Entscheidende ist aber, daß jede sexuelle Handlung zwischen Kindern und Erwachsenen zwangsläufig die Ausnutzung von Macht ist; allein das macht sie verwerflich. Von den Schäden bei den Opfern ganz abgesehen, die sicher im Einzelfall sehr unterschiedlich sein können.
Zitat von Zettelman verachtete die Familie und die "Zweierbeziehung" (was für ein Wort!), man wollte alle "überkommenen Rollenklischees" kippen. Warum sollte man da vor Kindern haltmachen?
Auch das war gut. Nicht was dabei herausgekommen ist. Das ist ganz furchtbar. Doch wäre es so geblieben, wie es war, was natürlich nicht ging, denn wäre das System stabil gewesen, wäre es ja so geblieben, wie es gewesen war, wäre es auf eine andere Art heute genauso furchtbar.
Der argumentative Ansatz, der vielleicht am erfolgsversprechenden ist, ist, daß das soziale System nicht stabil war (sonst hätte es sich nicht so schnell so radikal verändert). Der interessiert mich aber nicht, vielleicht mag den jemand anderer aufgreifen.
Was mich interessiert, sind die Möglichkeiten der Veränderung. Lieber Zettel, es war schlimm. Ich war Kind in der Zeit und ich habe meine Eltern heute lieb, und sie waren nicht böse, und nicht gewalttätig. Es ist also, so glaube ich wenigstens, nichts in erster Linie persönliches. Ich war so ungefär 15 Jahre nach Deiner Kindheit Kind. Das ist etwas vollkommen anderes. Ihr habt Eltern erlebt, die Euch aus dem Nichts etwas aufgebaut haben, die Euch gerettet haben. Wir haben Eltern erlebt, die, genauso sozialisiert wie Eure, eine sichere, geregelte Welt bewahren wollten. Doch wenn die Welt warm und sicher ist, sieht das ein Kind nicht. Das ist selbstverständlich. Wenn die Welt gut ist, ist Essen und Kleidung und Heizung das mindeste was man erwarten kann. Unsere Eltern hatten den Fokus auf Dingen, die uns nicht interessierten, weil sie unser selbstverständliches Grundrecht waren (und das fanden unsere Eltern natürlich, wie alle Eltern auch) - wir hatten die Fokus auf dem, was man besser machen konnte. Wir sind die zentrale Generation. Und wir sind, krass ausgedrückt, im Allgemeinen gescheitert. Wir haben unsere Aufgabe nicht erfüllt. Einen Menschen zu entwickeln (und ein Gesellschaftskonzept), der (und das) dem Wohlstand angemessen ist.
Ein Fehler war, daß "einen Menschen entwickeln" natürlich für die meisten bedeutete, daß sich die anderen entwickeln sollten. Iiih, bah. Das ist aber so angelegt, daran kann man nichts ändern. Die meisten Menschen zweifeln nicht an sich, und das ist gut so. Sowohl daß die meisten nicht zweifeln, als auch, daß es einige tun. Das ist eine Gegebenheit, die muß man nutzen.
Ein weiterer Fehler war, daß die Ziele vom Verstand entworfen wurden. Das ist kein persönlicher Fehler von niemandem, Verschulder dieses fehlerhaften Verhaltens sind natürlich die Eltern in genau dem, was wir so zutiefst kritisiert haben und was ich immer noch ablehne - Vernunft über Empfindung, Pflicht vor Vergnügen. Ausführer dieses Fehlers waren wir.
Aber so läuft es natürlich nicht. Denn es hat sich ja was verändert. Hohe Herren der katholischen Kirche bedauern (meiner Meinung nach glaubwürdig) öffentlich, Frauen können Bischöfe werden, Bahnbeamte sind freundlich und die meisten Kinder haben keine Angst. Genau das sind die Dinge, die sich ändern mußten: Angleichung der Stellung der Frau in der Gesellschaft (kannst Du Dich noch an die alten Filme erinnern, wo er voll liebevoll zu ihr sagt: "Kindchen, was ...." - so einer war ein guter Mann, so einen ergatterte sie in ihren Träumen), die Fähigkeit zwischen öffentlichem Zugeben von Versagen und dem eigenen Wert (der Organisation) zu unterscheiden, Freundlichkeit und daß die kleinen Leute ihre Würde nicht mehr aus dem Drangsalieren anderer kleinen Leute gewinnen und selbstbewußte Kinder, die nein sagen können.
Das also haben wir erreicht. In manchen Bereichen haben wir davon schon zu viel erreicht (Angleichung der Stellung der Frau), in manchen Punkten könnten wir noch ein bißchen (Kinder, die ruhig nein sagen können). Ich will aber jetzt konstatieren, daß wir das was im Vergleich zu dem 60er verändert werden mußte, verändert haben. Das ist gut. Leider blieb dabei einiges andere, was gut war, auf der Strecke und wurden Lücken, die entstanden durch Schauerliches gefüllt.
Das verändern wir in den nächsten 20 Jahren, mit unserer in der Vergangenheit gewonnenen Weisheit.
Liebe Grüße Kaa
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
Zitat von KaaIch finde es sehr gut, daß Gewalt gegen Kinder, auch die elterliche Ohrfeige, heute unter Strafe steht. Das ist einer der staatlichen Mechanismen, der, natürlich auch erst durch die vorherige gesellschaftliche Veränderung ermöglicht, eine Veränderung des Verhaltens aller gutwilligen Eltern erzwingt. Denn das Hauen hatte ja eine Funktion. Entweder eine erzieherische oder eine innerpsychische des Elternteils. Und die Notwendigkeit der Funktion fällt nicht weg. Also müßen sich Eltern was anderes einfallen lassen. Und das, was dabei rauskommen kann, kann eine gewaltlose Autorität sein. Denn ursprünglich trauen Kinder ja ihren Eltern. Ich bin dafür, daß wir dieses Verbot der Züchtigung von Kindern ganz massiv anwenden, besonders auch bei den Eltern mit archaischen Familienstrukturen. Es hat eine Veränderung beim verbiestertsten oberbayerischen Bauern gegeben, es wird auch eine Veränderung beim anatolischen Familienherrscher geben können. Die Jungs von ihnen, unsere Zukunft, hat es verdient. Daß wir ihren Vätern die kulturelle Freiheit nehmen sie zu mißhandeln.
Ich möchte auf diesen Artikel von Renzo Spielmann verweisen. Das von Ihnen Beschriebene mag gut zum weiblichen Teil der Menschheit passen, und natürlich für alle Interaktionen zwischen Männern und Frauen und Kindern. Bei der männlichen Hälfte der Menschheit ist es etwas komplizierter, und das kann auch schon manchmal das Verhältnis zwischen Vater und Sohn betreffen.
Es gibt, zumindest in meiner Welt, Angriffe, die man ohne einen persönlichen Schaden zu nehmen, nicht mit dem Anbieten der rechten Backe lösen kann. Ich kann Podolski's Verhalten (im Artikel) gut verstehen, schon gar unmittelbar nach dem Spiel. Und wenn man ihm dieses für mich nicht unnatürliche Verhalten austreibt, wird er zwangsläufig ein schlechterer Fußballer werden. So wie wir als (westliche) Gesellschaft nur mit der weiblichen Form der Auseinandersetzung nicht weiterkommen werden.
Herzlich, Ungelt
PS: Danke für den sehr interessanten Link zu "Vom Nutzen der Schwermut". Das ist leider auch so ein heute unterdrücktes bzw. unerwünschtes Thema, wie das hier diskutierte. Je länger man sich diesen Realitäten verweigert, desto größer werden die Schäden sein.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.