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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 18 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.03.2010 14:51
Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Ja, es ist eine historische Entscheidung, die vergangene Nacht das US-Repräsentantenhaus fällte. Für die einen historisch, weil sie die USA endlich zu einem Sozialstaat macht. Für die anderen historisch, weil sie nun auch noch die USA zu einem Sozialstaat macht.

In dieser Marginalie gehen ich nicht auf die Folgen dieses Gesetzes ein, sondern auf sein Zustandekommen.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

22.03.2010 18:14
#2 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Ach herrlich. Als ehemalige Studentenparlamentarierin bekomme ich glaenzende Augen, wenn jemand die republikanische Klaviatur der Geschaeftsordnungs- und Verfahrentricks so gut spielen kann. [Suche nach einem smiley, der zwar marginale Ironie ausdruckt, aber doch die Ernsthaftigkeit der Aussage unterstreicht. Sowas wie kindische Freude? ]

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.03.2010 18:27
#3 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Dagny
Ach herrlich. Als ehemalige Studentenparlamentarierin bekomme ich glaenzende Augen, wenn jemand die republikanische Klaviatur der Geschaeftsordnungs- und Verfahrentricks so gut spielen kann. [Suche nach einem smiley, der zwar marginale Ironie ausdruckt, aber doch die Ernsthaftigkeit der Aussage unterstreicht. Sowas wie kindische Freude? ]


Werde es an Nancy Pelosi weitergeben, die wohl am meisten daran gewerkelt hat.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

22.03.2010 18:36
#4 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Zettel

Werde es an Nancy Pelosi weitergeben, die wohl am meisten daran gewerkelt hat.



Mal sehen, ob dieses Vorgehen einer gerichtlichen Uberpruefung standhaelt.

Marriex Offline



Beiträge: 185

22.03.2010 19:39
#5 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

"38 state are planning to challenge the provisions in court"

http://video.foxnews.com/#/v/4118917/sta...aylist_id=87249

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.03.2010 22:15
#6 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Marriex
"38 state are planning to challenge the provisions in court"
http://video.foxnews.com/#/v/4118917/sta...aylist_id=87249


Interessantes Interview; vielen Dank für den Link.

Die beiden juristischen Argumente sind also, daß a) eine Verordnung (executive order) des Präsidenten nicht eine gesetzliche Bestimmung außer Kraft setzen könne (darüber, daß das offenbar gehen soll, habe ich mich beim Schreiben des Artikels auch gewundert) und vor allem b) daß die Verfassung der Regierung der USA nicht das Recht gebe, den einzelnen Bürger zu zwingen, ein Produkt (nämlich eine Versicherung) zu kaufen, das er möglicherweise gar nicht kaufen will.

Dieser zweite Punkt zeigt eine interessante Parallele zu europäischen Diskussion über das Prinzip der Subsidiarität. Die US-Verfassung erlaubt der Regierung in Washington nämlich nur dann Eingriffe in wirtschaftliche Entscheidungen, wenn der Handel zwischen den Staaten (interstate commerce) betroffen ist. Ähnlich, wie die Verträge von Lissabon, die ja einmal als europäische Verfassung gedacht gewesen waren, der Kommission in Brüssel nur Eingriffe erlauben, wenn nicht nur ein einzelnes Land betroffen ist.

Aber die Direktiven aus Brüssel zeigen, wie man fast immer irgendwie eine Brüsseler Zuständigkeit konstruieren kann. Nicht anders ist es offenbar auch in den USA.

In der hiesigen Berichterstattung wird als Kritik an Obamas Reform meist nur genannt, daß sie vielen Amerikanern zu teuer ist. Es geht aber um viel Fundamentaleres; nämlich darum, wieweit die Regierung in Washington in das Leben des einzelnen Bürgers eingreifen darf. Mit dieser Zwangsversicherung greift sie tiefer ein, als das jemals in der Geschichte der USA der Fall gewesen ist. Sie verfügt über das Geld des einzelnen Bürgers.

Die Verantwortlichkeit des Einzelnen für sein eigenes Leben war einer der Eckpfeiler der amerikanischen Gesellschaft und eine der Wurzeln ihres Erfolgs. Hieran legt Obama aus der Sicht vieler Bürger die Axt.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.083

25.03.2010 12:06
#7 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Zettel
Diese Version hätte aber eigentlich keine Chance gehabt, weil sie die Finanzierung von Abtreibungen aus öffentlichen Geldern beinhaltete. Es war bekannt, daß dies von hinreichend vielen konservativen Abgeordneten der Demokraten abgelehnt wurde, um eine Mehrheit unmöglich zu machen. Der Trick bestand darin, daß dem Repräsentantenhaus zwar die Version des Senats zur Abstimmung vorgelegt wurde, zugleich aber Präsident Obama versprach, daß er die betreffenden Bestimmungen nach Inkrafttreten des Gesetzes durch eine Verordnung (executive order) wieder außer Kraft setzen werde.


Aber diese executive order war nicht ganz so dringend wie die Unterschrift unter das eigentliche Gesetz:

Zitat von Fox News
President Obama signed the Senate health care bill into law Tuesday. He did not sign the executive order on abortion negotiated with Michigan Democratic Congressman Bart Stupak in an 11th-hour arrangement that may well have saved the entire health care reform effort.

A White House official told Fox, Obama will not sign the Executive Order Tuesday and has set no specific date to do so. Stupak predicted Obama would sign the order later this week. The White House said only that Obama would sign the order "soon."


http://whitehouse.blogs.foxnews.com/2010...n-proclimation/

Die kleine historische Anekdote: 1933 waren die Stimmen der Zentrumspartei unter der Führung von Prälat Kaas nötig, damit die Nazis das Ermächtigungsgesetz durchbrachten. Laut der englischen Wikipedia, leider ohne Quellenangabe:

Zitat von Wikipedia
Debate within the Centre Party continued until the day of the vote, March 23, 1933, with Kaas advocating voting in favour of the act, referring to an upcoming written guarantee from Hitler...

Kaas had still not received the written constitutional guarantees he had negotiated, but with the assurance it was being "typed up", voting began. Kaas never received the letter.


http://en.wikipedia.org/wiki/Enabling_Act_of_1933

--
La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Reader Offline



Beiträge: 803

25.03.2010 12:54
#8 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Gorgasal


Die kleine historische Anekdote: 1933 waren die Stimmen der Zentrumspartei unter der Führung von Prälat Kaas nötig, damit die Nazis das Ermächtigungsgesetz durchbrachten. Laut der englischen Wikipedia, leider ohne Quellenangabe:

Zitat von Wikipedia
Debate within the Centre Party continued until the day of the vote, March 23, 1933, with Kaas advocating voting in favour of the act, referring to an upcoming written guarantee from Hitler...
Kaas had still not received the written constitutional guarantees he had negotiated, but with the assurance it was being "typed up", voting began. Kaas never received the letter.


http://en.wikipedia.org/wiki/Enabling_Act_of_1933





Die amerikanische Gesundheitsreform und "die Nazis"?
Erstaunt,
R.r

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.083

25.03.2010 15:28
#9 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Reader
Die amerikanische Gesundheitsreform und "die Nazis"?


Nein, damit meinte ich nicht, dass die Demokraten Nazis seien. Ich wollte darauf hinweisen, dass schon häufiger Versprechungen, etwas werde sofort schriftlich niedergelegt, und so lange solle man doch schon einmal abstimmen, sonst gerate der ganze Zeitplan durcheinander und das wäre doch schade, sich als nicht ganz zutreffend erwiesen.

Musste ich das jetzt wirklich so haarklein darlegen?

--
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.03.2010 20:02
#10 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Gorgasal
Ich wollte darauf hinweisen, dass schon häufiger Versprechungen, etwas werde sofort schriftlich niedergelegt, und so lange solle man doch schon einmal abstimmen, sonst gerate der ganze Zeitplan durcheinander und das wäre doch schade, sich als nicht ganz zutreffend erwiesen.


Was würde eigentlich passieren, wenn der Supreme Court urteilt, daß der Präsident nicht das Recht hat, diese gesetzliche Bestimmung per executive order wieder außer Kraft zu setzen?

Ich vermute, daß dann das Gesetz so in Kraft bleibt, wie es beschlossen wurde. Die Abtreibungsgegner wären dann die Gelackmeierten.

Herzlich, Zettel

Robert Z. Offline



Beiträge: 146

26.03.2010 11:56
#11 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Natürlich kann der Präsident mit einer executive order kein Gesetz außer Kraft setzen, es handelt sich dabei um eine Anweisung an die Bundesverwaltung, deren oberster Vorgesetzter der Präsident ist. Würde im Gesetz also stehen, daß Staatsgelder für Abtreibungen bereitgestellt werden müssten, so könnte der Präsident dagegen mit einer executive order nichts unternehmen. Nur steht das soweit ich weiß in keinem Gesetz. Nur einen möglichen Ermessensspielraum der Verwaltung schließt Obama hiermit aus.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.083

26.03.2010 12:49
#12 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Und erstmal schauen, ob so eine executive order wirklich jemals kommt. Wäre ja nicht das erste Mal, dass Obama jemanden under the bus wirft, und pro-life-Demokraten kratzen ihn wahrscheinlich nicht viel mehr als sein ehemaliger religiöser Mentor/Hassprediger.

--
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.03.2010 13:07
#13 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Gorgasal
Und erstmal schauen, ob so eine executive order wirklich jemals kommt.


Klammheimlich hat Obama die Verordnung vorgestern unterzeichnet.

Ihren Text kann man hier lesen.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.083

26.03.2010 13:20
#14 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Zettel
Klammheimlich hat Obama die Verordnung vorgestern unterzeichnet.
Ihren Text kann man hier lesen.


Ah, vielen Dank! Da hat mich Obama doch einmal positiv überrascht.

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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.083

26.03.2010 21:15
#15 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Zettel
Klammheimlich hat Obama die Verordnung vorgestern unterzeichnet.


Ein schönes Beispiel für die Obamasche Transparenz:

Zitat von Byron York im Washington Examiner
The Obama White House did not allow the press to cover the president's signing of the executive order created to win Rep. Bart Stupak's vote for Obamacare. At the daily briefing, reporters wanted to know why no press photographer or reporter was allowed in. Press secretary Robert Gibbs told them they should be happy with a picture from the White House photographer, Pete Souza -- a photo produced and selected by the White House. It will be a "nice picture," Gibbs assured reporters.

Reporters tried to appeal to the White House's professed commitment to openness and transparency. Gibbs was having none of it. The White House wanted to limit coverage of the executive order, so in the spirit of openness and transparency it simply shut the press out.


http://www.washingtonexaminer.com/opinio...g-89054337.html

Der Dialog zwischen Gibbs und den Reportern ist lesenswert.

Via neo-neocon.

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karstenduerotin Offline



Beiträge: 24

30.03.2010 09:25
#16 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Nun kann man es aber durchaus auch so sehen, dass es nicht nur legal, sondern in gewissem Maße auch legitim ist, was die Demokraten da gemacht haben. Dann mal ganz ehrlich, lieber Zettel: Es mag in den USA üblich sein, aber den Beschluss einer Mehrheit zu verhindern, indem man einfach die ganze Zeit redet, und redet, und redet... ist das wirklich viel weniger dubios als die Methoden der Demokraten? Ich finde Filibustering ÄUßERST dubios.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.083

30.03.2010 12:48
#17 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von karstenduerotin
Es mag in den USA üblich sein, aber den Beschluss einer Mehrheit zu verhindern, indem man einfach die ganze Zeit redet, und redet, und redet... ist das wirklich viel weniger dubios als die Methoden der Demokraten?


Der Filibuster wird ja nicht alle naslang eingesetzt. Er stellt hohe Anforderungen an die beteiligten Politiker, die im Falle einer Abstimmung zuverlässig und vollzählig vor Ort sein müssen. Gerade im US-System mit einer deutlich weniger stark ausgeprägten Parteidisziplin als in Deutschland (Zettel erläutert das ja regelmäßig) ist das ein Aufwand, den man nicht mal eben so treibt, wenn man mit einem Passus nicht einverstanden ist. Damit ein Filibuster auch nur in Erwägung gezogen wird, muss die Minderheit also ein wirklich großes Interesse daran haben, dass die betreffende Vorlage nicht durchkommt.

Ich persönlich halte es für viel dubioser, wenn eine Vorlage Gesetz wird, die dermaßen tief in die Wirtschaft einschneidet, aber gleichzeitig 40% der Senatoren so weit gegen sich hat, dass sie sich notfalls mit Windeln in den Senat setzen. In so einem Fall halte ich Minderheitenschutz für denkbar wichtig.

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Robert Z. Offline



Beiträge: 146

30.03.2010 13:29
#18 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Zitat von Gorgasal
Der Filibuster wird ja nicht alle naslang eingesetzt.



Genau darüber, ob dies noch stimmt, ob sich genau dies momentan ändert oder schon in den letzten Jahren geändert hat, gibt es jedenfalls geteilte Meinungen: Filibuster laut Wikipedia.

Aus der Ferne traue ich mir kein Urteil zu, ob die gestiegenen Zahlen ihre Gründe in republikanischer Obstruktion (wie die Demokraten behaupten) oder in demokratischer Übereile haben (wie die Republikaner behaupten). Einen Filibuster zu überstimmen scheint mir allerdings grundsätzlich nicht nur legal (das sind schließlich die Regeln, und 60:40 ist schon eine sehr dicke Mehrheit, man stelle sich vor mit unseren rot-rot-grünen bräuchte man sowas in unseren Parlamenten), sondern, zumindest in diesem Fall, sogar legitim. Schließlich hat Obama mit einer umfassenden Gesundheitsreform Wahlkampf gemacht und das amerikanische Volk hat den Demokraten daraufhin beide Kammern des Kongresses und das Weiße Haus gegeben, den Senat zwischenzeitlich sogar Filibuster-fest.

Zitat von Gorgasal
Er stellt hohe Anforderungen an die beteiligten Politiker, die im Falle einer Abstimmung zuverlässig und vollzählig vor Ort sein müssen.



Für einen Filibuster muß nur ein Senator vor Ort sein. Man braucht 60 Stimmen um die Endlosrede zu stoppen. Ein Abstimmungsergebnis wie z.B. 59:1 (für die Beendigung der Debatte) würde heißen, daß die Debatte weitergeht.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.083

09.04.2010 20:17
#19 RE: Marginalie: Obamas Gesundheitsreform Antworten

Bart Stupak, der Demokrat, der zunächst aufgrund seiner pro-life-Ansichten das Gesetz maßgeblich bremste und dann umfiel, wird nicht wieder kandidieren. Natürlich hat das überhaupt nichts mit seinen Wiederwahlaussichten zu tun, und er will einfach nur mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Natürlich.

Mal schauen, was für Perspektiven sich für Herrn Stupak auftun. Irgendwie bezweifle ich, dass er lange auf der Straße stehen wird.

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