Ohne den Beitrag Gorbatschows und anderer minimieren zu wollen, aber das kommunistische System der UdSSR und ihrer Satellitenstaaten war in den 80er Jahren versteinert, politisch und wirtschaftlich am Ende. Gorbatschow hat die Modernisierung nicht eingeleitet, weil der Kommunismus in der UdSSR vital und entwicklungsfähig gewesen wäre, wie etwa unter Lenin mit der NÖP, sondern weil er erkannte, daß die UdSSR wirtschaftlich am Ende war. Auch ohne Helsinki etcpp. wäre es implodiert, wohl etwas später, aber implodiert wäre es auf jeden Fall.
Vietnam und China sind nur auf dem Papier kommunistisch, in der Realität handelt es sich um typische Ein-Parteien-Systeme, die deutlich kapitalistischer sind als die Demokratien des Westens. Der Kommunismus ist nur Fassade, Fortschreibung der in den Jahrzehnten zuvor zur Legitimierung benutzten Ideologie, die man schließlich nicht einfach abschalten kann.
Deshalb machen mir die Internationalsozialisten von "Die Linke" auch weniger Sorgen. Das sind Salonkommunisten und phantasielose Apparatschiks. Wenn sie es nicht geschafft haben, den Sozialismus in der DDR am Leben zu erhalten, werden sie das jetzt erst recht nicht schaffen.
Sorgen um unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat sollte sich der Bundesbürger machen, weil die politische Nomenklatura von der SPD bis zur CSU allem Anschein nach nicht mehr die Kraft und den Willen hat, die Probleme des Landes anzupacken. Sie hat abgewirtschaftet.
Wie lächerlich, aus bloßer Parteidisziplin auch gegen den fähigen Kandidaten des Gegners zu stimmen. (Klonovsky)
Zitat von Gorgasal Und in Ihrer Liste fehlt China.
Ich hatte es erst drin und habe das dann wieder gelöscht, weil es ein Sonderfall ist. Politisch eine kommunistische Diktatur, aber wirtschaftlich und zum Teil inzwischen auch gesellschaftlich ein modernes Land
Das ist eine verbreitete Ansicht, die ich nicht ganz so teilen kann. Meines Wissens ist noch immer die weit überwiegende Mehrheit der großen chinesischen Unternehmen in staatlicher Kontrolle. Ich stimme zu, dass es eine Entwicklung hin zum Kapitalismus gibt, aber sie ist meines Erachtens deutlich weniger weit gediehen als es im Westen wahrgenommen wird.
-- El liberalismo pregona el derecho del individuo a envilecerse, siempre que su envilecimiento no estorbe el envilecimiento del vecino. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von ZettelWie lange halten sich denn, lieber Kane, schon die kommunistischen Dikaturen in Vietnam, in Nordkorea, in Cuba? Ganz ohne das, was Sie "Tributzahlungen" nennen? Was wäre gewesen, wenn ...
Ich werde ein wenig ausholen müssen, um auf Ihre Einwände einzugehen.
Was Entwicklungsländer anbelangt, so scheint der Sozialismus, eher wohl aber der Zentralismus insgesamt, eher geeignet zu sein um ein gewisses Niveau zu erreichen. Ich kann mir sogar vorstellen, daß ein Zentralismus, wie auch immer er ideologisch gefärbt sein mag, unter bestimmten Bedingungen eher dazu geeignet ist gesellschaftliches Fortkommen zu befördern, als es eine freie Wirtschaft könnte. In diesem Sinn wäre es möglich, daß Staaten wie Cuba oder Nordkorea heute weiter sind, als es vor der Machtergreifung der Kommunisten der Fall war.
Dies vorausgesetzt, halte ich es aber für abwegig so zu tun, als wäre man mit einem Zentralismus in der Lage das Niveau zu überwinden, das diese Staaten, oder auch andere ehemals kommunistische Staaten, erreicht haben. Komplexe und hochgradig arbeitsteilige Gesellschaften lassen sich eben nur noch so organisieren, wie es sich, womöglich nicht zuletzt auch aufgrund der Erfahrungen des Zentralismus, letztlich durchgesetzt hat.
Die Leute in den kommunistischen Ländern waren ja nicht unbedingt blöd. Die Bürger der DDR etwa waren doch durchweg vergleichbar ausgebildet, wie ihre westlichen Brüder. Allein sie wurden meiner festen Überzeugung nach durch die Erfordernisse des Zentralismus am weiteren gesellschaftlichen Fortkommen gehindert. Sie waren in der DDR eben so weit, wie man den Sozialismus eben nur irgendwie treiben kann. Aber das eigentlich nur am Rande.
Zum eigentlichen Thema zurück: Wenn Sie mich jetzt fragen würden, was den Niedergang der SU und des Ostblocks letztlich eingeleitet hat, so würde ich antworten, daß es v.a. das Wettrüsten war, daß die Wirtschaftskraft der kommunistischen Länder auf die Kriegswirtschaft gelenkt hat, wodurch Kapazitäten für andere Güter, etwa Konsumgüter, gefehlt haben. Es war dies die einzige Möglichkeit für den Westen die systembedingte Überlegenheit der marktwirtschaftlichen Ordnung so in den Wettbewerb zu bringen, daß es die Kommunisten ausbluten lassen würde. So ist es geschehen und so hat es zum Untergang der SU und ihrer Vasallen geführt.
Hätte man die Sowjets nicht massiv unter Druck gesetzt enorme Anstrengungen in der Rüstung zu unternehmen, dann hätten sie genügend Kapazitäten für allerlei Konsumgüter gehabt und womöglich gäbe es die kommunistische Gefahr auch heute noch. Genau mit dieser Politik verbinde ich den Namen Brandt wie keinen zweiten und genau deswegen mag ich ihm für seine verfehlte Entspannungspolitik, die nur im Interesse des Ostblocks war, auch nicht die geringste Anerkennung zollen. Persönlich mag ich da eher Ronald Reagan anführen, ohne dessen Politik, deren Grundzüge ich eben umschrieben habe, die SU vielleicht noch existieren würde.
Zitat von Gorgasal Und in Ihrer Liste fehlt China.
Ich hatte es erst drin und habe das dann wieder gelöscht, weil es ein Sonderfall ist. Politisch eine kommunistische Diktatur, aber wirtschaftlich und zum Teil inzwischen auch gesellschaftlich ein modernes Land
Das ist eine verbreitete Ansicht, die ich nicht ganz so teilen kann. Meines Wissens ist noch immer die weit überwiegende Mehrheit der großen chinesischen Unternehmen in staatlicher Kontrolle.
Aber wie arbeiten sie? Planerfüllung oder Profit? Sind es Monopolunternehmen, oder stehen sie in Konkurrenz zueinander?
Zitat denn eine moderne kapitalistische Wirtschaft kann ohne Freiheit nicht existieren; die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und des wissenschaftlichen Austauschs zum Beispiel, auf der der technische Fortschritt basiert.
Warum sollte das nicht gehen, solange man nur nachbaut? Man benutzt dazu die Freiheit der Forschung in den westlichen Ländern und eine gehörige Portion Industriespionage, kombiniert mit Jahresabos der wichtigsten Journale!
Zitat von JeffDavisOhne den Beitrag Gorbatschows und anderer minimieren zu wollen, aber das kommunistische System der UdSSR und ihrer Satellitenstaaten war in den 80er Jahren versteinert, politisch und wirtschaftlich am Ende.
Versteinert war es. Ob am Ende, wer will das wissen? Es hatte ja vor Gorbatschow schon Reformbestrebungen gegeben, getragen wesentlich vom KGB. Mit einem Generationswechsel und ein wenig mehr Dynamik, damit verbunden, hätte man möglicherweise noch Jahrzehnte so weitermachen können. Andropow hat diese "Technokraten" gefördert.
Politisch am Ende? Das Regime in Cuba ist seit Jahrzehnten politisch am Ende; das der Mullahs ist es, die Diktatur in Burma ist es. Totalitäre Systeme können sich fast unbegrenzt halten, solange der Sicherheitsapparat noch funktioniert. Und ob der funktioniert, hängt wesentlich von den Privilegien ab, die seine Angehörigen haben.
Wirtschaftlich am Ende? In welchem Sinn? Man hat damals von der Leidensfähigkeit der Russen gesprochen. Bis zu Chruschtschow hat man sich überhaupt nicht um den Lebensstandard gekümmert, sondern alle verfügbaren Ressourcen in die Schwerindustrie gesteckt. Chruschschtow hat ein wenig umzuverteilen versucht, ohne viel Wirkung.
Noch kurz vor dem Ende wurden Milliarden in die Raumfähre Buran gesteckt, die dann ein einziges Mal unbemannt geflogen ist. So viel Ressourcen waren immer noch für ein solches Projekt verfügbar. Daß die UdSSR international zahlungsunfähig werden würde, stand meines Wissens nicht bevor.
Zitat von JeffDavis Gorbatschow hat die Modernisierung nicht eingeleitet, weil der Kommunismus in der UdSSR vital und entwicklungsfähig gewesen wäre, wie etwa unter Lenin mit der NÖP, sondern weil er erkannte, daß die UdSSR wirtschaftlich am Ende war.
Das sehe ich nicht als Gegensatz. Er sah die Probleme und wollte einen modernen, effizienteren Sozialismus. Seine "Vision" war eben nicht der demokratische Rechtsstaat, sondern eine modernisierte kommunistische Diktatur. Perestroika sollte der Umbau dieses Herrschaftssystems sein, nicht seine Abschaffung. Glasnost sollte die Kontrolle korrupter und ineffizienter Apparatschiks sein, nicht Meinungsfreiheit im Sinn des demokratischen Rechtsstaats.
Die Dynamik der Entwicklung ist Gorbatschow aber aus der Hand geglitten. Am Ende war er Demokrat wider Willen.
Zitat von JeffDavisVietnam und China sind nur auf dem Papier kommunistisch, in der Realität handelt es sich um typische Ein-Parteien-Systeme, die deutlich kapitalistischer sind als die Demokratien des Westens. Der Kommunismus ist nur Fassade, Fortschreibung der in den Jahrzehnten zuvor zur Legitimierung benutzten Ideologie, die man schließlich nicht einfach abschalten kann.
Das Wirtschaftssystem in China ist gemischt, wie Gorgasal schon geschrieben hat. Es gibt immer noch einen umfangreichen staatlichen Sektor, es gibt immer noch eine allmächtige Bürokratie, der sich zB jeder Investor beugen muß. Und es gibt vor allem außerhalb der Wachstumszonen eine Provinz, in der zum Teil Landwirtschaft und eine bescheidene Industrie noch auf dem Niveau des 19. oder frühen 20. Jahrhunderts sind.
Ob das alles nun kommunistisch ist, ist eine Frage der Definition. Soweit ich die chinesische Ideologie verstehe, argumentiert man mit Marx, daß erst aus einem hochentwickelten Kapitalismus heraus der Schritt in den Sozialismus getan werden kann; dh man geht in gewisser Weise hinter Lenin, der das geleugnet hat, zu Marx zurück.
Zitat denn eine moderne kapitalistische Wirtschaft kann ohne Freiheit nicht existieren; die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und des wissenschaftlichen Austauschs zum Beispiel, auf der der technische Fortschritt basiert.
Warum sollte das nicht gehen, solange man nur nachbaut? Man benutzt dazu die Freiheit der Forschung in den westlichen Ländern und eine gehörige Portion Industriespionage, kombiniert mit Jahresabos der wichtigsten Journale!s
Ja, das sehe ich genau so. Aber wenn China an die Weltspitze will, dann muß es irgendwann auch eigene wissenschaftliche Spitzenleistungen erbringen.
Es gibt da einen sehr stringenten Zusammenhang: Die politische Macht ist fast durchweg mit wissenschaftlicher Spitzenleistung einhergegangen. Man kann das bis zurück zur griechischen Kolonisation verfolgen, als die Anfänge der Wissenschaft in den ionischen Kolonien und in Magna Graecia entstanden.
-- großer Sprung --
Der Aufstieg Englands im 18. und 19. Jahrhundert ging einher mit einer Dominanz der britischen Wissenschaft. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderst holte Deutschland immer mehr auf und überholte GB teilweise. Da kündigte sich der deutsche Großmachtsanspruch an.
Heute sind die USA die "einzige verbliebene Weltmacht" und dominieren fast alle Wissenschaften. China wird nicht umhin können, auch wissenschaftlich die Weltspitze anzustreben.
Zitat von ZettelAber wenn China an die Weltspitze will, dann muß es irgendwann auch eigene wissenschaftliche Spitzenleistungen erbringen.
Die UdSSR war wissenschaftlich nicht schlecht, insbesondere in den Naturwissenschaften und Mathematik. Es hilft, wenn die eigenen Wissenschaftler sich nicht international nach besseren Stellen umschauen können...
Ich bin mir nicht ganz so sicher wie Sie, dass eine hochkarätige Wissenschaft nicht mit einer Diktatur vereinbar sei.
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Zitat von ZettelWie lange halten sich denn, lieber Kane, schon die kommunistischen Dikaturen in Vietnam, in Nordkorea, in Cuba? Ganz ohne das, was Sie "Tributzahlungen" nennen?
In Kuba könnte man auf die Unterstützung durch die UdSSR verweisen, die gibt es aber seit zwanzig Jahren nicht mehr.
Nun, in Kuba gibt es mittlerweile den Tourismus, der genügend Dollar hereinspielt. Hotelanlagen etc. werden in Joint Ventures mit ausländischen Tourismusfirmen gebaut und instandgehalten. Die Löhne der Arbeiter, die von den ausländischen Firmen bezahlt werden, behält der kubanische Staat ein. Darüber hinaus existieren Devisenläden, in denen man Importprodukte kaufen kann.
Durch all das ist mittlerweile eine Zweiklassengesellschaft entstanden - Leute, die Devisen haben; und jene, die keine haben.
Kuba hat nun mal Glück, dass es eine tropische Insel ist - ohne die Devisen aus dem Tourismus wäre der Staat wohl schon längst pleite gegangen.
Zitat von ZettelDie genannten Beispiele zeigen, daß sich kommunistische Diktaturen jedenfalls sehr lange halten können, auch wenn sie ihre Untertanen brutal unterdrücken und wenn deren Lebensstandard minimal ist.
Richtig. Vieles an der Entspannungspolitik mag falsch oder naiv gewesen sein. Insbesondere in der Spätzeit, als die SPD immer stärker Entspannung sagte und aktive Unterstützung meinte (man denke da an Schröders unrühmliche Rolle in Bezug auf Salzgitter).
Aber die vielfachen Kontakte und Einflüsse haben wesentlich geholfen, daß es zum Umsturz kommen konnte.
Zitat Das Schlüsselereignis dürfte das Verhalten des "Schwerts und Schildes der Partei" (wie das MfS so genannt), des Wachregiments "Feliks Dzierzynski" gewesen sein, das an Meuterei grenzte. Damit war die "chinesische Lösung" erledigt, und nicht etwa deshalb, weil die SED Blutvergießen gescheut hätte.
Davon habe ich noch nicht gehört - wo findet man dazu Näheres?
Zitat Noch Gysi hat sich als Parteivorsitzender in einem Telefonat mit Moskau nach einer etwaigen Intervention der UdSSR erkundigt ...
Auch nachweisbar so, daß er eine solche wollte? Nicht daß er sich rausreden kann, er hätte sie nur abwehren wollen ...
Zitat von HajoWas Entwicklungsländer anbelangt, so scheint der Sozialismus, eher wohl aber der Zentralismus insgesamt, eher geeignet zu sein um ein gewisses Niveau zu erreichen.
Selbst das ist er wohl nicht. Der Sozialismus kann die ersten Jahre nach Machtübernahme natürlich davon profitieren, daß er die Beute verteilt, d.h. den Besitz all derer, die als "Kapitalisten" definiert und enteignet werden. Ersatzweise verteilten einige sozialistische Entwicklungsländer die ausländische Hilfe.
Ansonsten aber ist das System auch bei niedrigem Ausgangsniveau viel schlechter geeignet als die Marktwirtschaft.
Es ist ein gängiger Mythos, daß erst die Kommunisten aus dem völlig rückständigen Agrarland Rußland einen Industriestaat gemacht hätten. Wenn man sich aber Rußland vor dem ersten Weltkrieg anschaut, dann war das in vielen Punkten viel weiter als man gemeinhin glaubt. Natürlich lag es noch weit unter westeuropäischem Standard - aber da liegt es ja immer, der Abstand hat sich unter kommunistischer Herrschaft kontinuierlich vergrößert.
Zitat von Zettel Versteinert war es. Ob am Ende, wer will das wissen?
Jeder, der als Zeitgenosse dabei war oder darüber gelesen hat. Die UdSSR und ihre Satelliten sind implodiert, weil sie am Ende waren. Sonst gäbe es sie nämlich noch. Es gibt kein politisches Gebilde, daß unbegrenzte Zeit existiert. Je nach den Umständen bricht es früher oder später zusammen. Das hängt natürlich nicht nur von einem Faktor ab, aber die dynamische Kraft des Kommunismus war restlos verbraucht.
Zitat von ZettelEs hatte ja vor Gorbatschow schon Reformbestrebungen gegeben, getragen wesentlich vom KGB. Mit einem Generationswechsel und ein wenig mehr Dynamik, damit verbunden, hätte man möglicherweise noch Jahrzehnte so weitermachen können. Andropow hat diese "Technokraten" gefördert.
Eben. Diese Dynamik gab das System nicht mehr her, gerade deshalb sind Andropow und Gorbatschow gescheitert. Der Generationswechsel hat ja stattgefunden und nichts gebracht. Das System konnte nur noch bewahren, sich aber nicht mehr anpassen, geschweige denn eine Weiterentwicklung anstoßen.
Zitat von Zettel Politisch am Ende? Das Regime in Cuba ist seit Jahrzehnten politisch am Ende; das der Mullahs ist es, die Diktatur in Burma ist es. Totalitäre Systeme können sich fast unbegrenzt halten, solange der Sicherheitsapparat noch funktioniert. Und ob der funktioniert, hängt wesentlich von den Privilegien ab, die seine Angehörigen haben.
Das ist wirklich allzusehr vereinfacht und monokausal gedacht. Es gibt etliche Faktoren, von denen der Fortbestand einer Diktatur abhängt, beileibe nicht nur der Sicherheitsapparat. Die von Ihnen genannten Länder sind mit dem Imperium und den Ambitionen der UdSSR auch nicht annähernd vergleichbar.
Zitat von Zettel Wirtschaftlich am Ende?
Darüber gibt es nun reichlich Literatur, das muß ich nicht in epischer Breite ausführen. Hier im Forum sind auch genügend Mitglieder, die das wirtschaftliche Ende aus eigener Anschauung kennen.
Zitat von Zettel Das sehe ich nicht als Gegensatz. Er sah die Probleme und wollte einen modernen, effizienteren Sozialismus. Seine "Vision" war eben nicht der demokratische Rechtsstaat, sondern eine modernisierte kommunistische Diktatur. Die Dynamik der Entwicklung ist Gorbatschow aber aus der Hand geglitten. Am Ende war er Demokrat wider Willen.
Ich habe auch nicht sagen wollen, Gorbatschow sei ein Demokrat gewesen oder hätte einer werden wollen. Natürlich wollte er die Herrschaft der Partei sichern. Er ist aber gescheitert, weil es eben nicht ausreicht, die Probleme zu erkennen (und über einen effizienten Sicherheitsapparat zu verfügen), man muß sie auch lösen können. Diese Fähigkeit besaß Lenin noch, Gorbatschow und seine KPdSU besassen sie nicht mehr.
Zitat von Zettel Das Wirtschaftssystem in China ist gemischt, wie Gorgasal schon geschrieben hat. Es gibt immer noch einen umfangreichen staatlichen Sektor, es gibt immer noch eine allmächtige Bürokratie, der sich zB jeder Investor beugen muß.
Ich beurteile China anders, zumal es nur mehr oder weniger gemischte Wirtschaftssysteme gibt. Sicher sind noch viele große Betriebe in staatlicher Hand, aber das ist nicht der einzige relevante Faktor. Ich war selbst 2004 in China, zu Besuch bei der Familie meiner Frau, die in einer für chinesische Verhältnisse mittleren Stadt (500.000 E) in der Provinz Hunan lebt, also nicht in den Küstenprovinzen. Repräsentativ für ganz China will ich meinen Besuch auch gar nicht nennen, aber dennoch. Der Bruder, bei dem wir wohnten, war einer der höchsten Parteifunktionäre der Stadt, es gab keine Vorzeigeprojekte zu sehen, und ich lebte in der Familie. Außer einer kubanischen Tanztruppe war kein anderer Ausländer in der Stadt. Es war eine Stadt, wie sie nicht untypisch für die mittelchin Provinzen sein dürfte. Die Stadt war eine große Baustelle, ganze Stadtviertel wurden hochgezogen, Straßen gebaut und ausgebessert. Es wimmelte überall von kleinen Läden (Mobiltelefone, Bekleidung, Lebensmittel, Videotheken, Handtaschen zB.) . Der Straßenverkehr war enorm, die Stadt ein Ameisenhaufen. In Shanghai war es ähnlich, nur um ein xfaches potenziert. Anders als in der UdSSR gelingt es der chin Führung bislang, weite Teile der Bevölkerung am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben zu lassen, und zwar nicht durch Zuteilung oder staatliche Versorgung, sondern durch Einräumung aktiver Teilhabe und unternehmerischer Freiheit.
Der Rest ist genau wie bei uns. Wir haben einen großen staatlichen Sektor, eine überbordende Bürokratie sowie einen deutschen und europäischen Gesetzgeber mit krankhafter, alles erstickender Regelungswut.
Was uns von China (noch, der Vorsprung schwindet) unterscheidet, ist mehr Rechtssicherheit und größerer Schutz vor Korruption. Auch in Bezug auf die Menschenrechte weist die VRC noch deutliche, aber kleiner werdende Defizite auf. Was uns allerdings auch von China unterscheidet, ist der Zustand der Führungsschicht und der Gesellschaft überhaupt. Verglichen mit China ist Deutschland ein Altersheim, die politische Klasse eine Ansammlung von Sklerotikern, die vergessen hat, daß der Wohlstand eines Landes nicht von selbst entsteht. Es ist hier nicht möglich, in allen Einzelheiten auf das aktuelle chin System einzugehen, aber die mir zugängliche (meist englischsprachige) Literatur bestätigt mich, zB. „China and Globalization“ von Doug Guthrie, Revised Edition 2009, „China in the 21st Century“ von Wasserstrom, 2010, oder „The Modern Chinese State“ von Shambaugh (Editor, 2000) . Von einem klassischen kommunistischen System ist China bereits meilenweit entfernt.
Zitat von Zettel Und es gibt vor allem außerhalb der Wachstumszonen eine Provinz, in der zum Teil Landwirtschaft und eine bescheidene Industrie noch auf dem Niveau des 19. oder frühen 20. Jahrhunderts sind.
Und? Unsere Industriegesellschaft ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.
Zitat von Zettel Ob das alles nun kommunistisch ist, ist eine Frage der Definition. Soweit ich die chinesische Ideologie verstehe, argumentiert man mit Marx, daß erst aus einem hochentwickelten Kapitalismus heraus der Schritt in den Sozialismus getan werden kann; dh man geht in gewisser Weise hinter Lenin, der das geleugnet hat, zu Marx zurück.
Das ist mE zuerst eine Frage des unvereingenommenen Blicks. Man kann das offizielle Gerede vom Kommunismus etcpp. natürlich für bare Münze nehmen. Ich habe aber keinen Chinesen getroffen, für den die üblichen kommunistischen Ahnherren irgendeine Bedeutung besitzen. Nur Mao ist immer noch sehr vielen Chinesen heilig. Der Kommunismus ist Fassade, offizielle Ideologie, aber keiner glaubt mehr daran. Keinem Chinesen würde es ernsthaft einfallen, zum Kommunismus überzugehen, wenn der Kapitalismus in China hoch genug entwickelt ist.
Wie lächerlich, aus bloßer Parteidisziplin auch gegen den fähigen Kandidaten des Gegners zu stimmen. (Klonovsky)
Zitat von Zettel Versteinert war es. Ob am Ende, wer will das wissen?
Jeder, der als Zeitgenosse dabei war oder darüber gelesen hat. Die UdSSR und ihre Satelliten sind implodiert, weil sie am Ende waren. Sonst gäbe es sie nämlich noch.
Naja, lieber JeffDavis, das ist jetzt aber kein sehr starkes Argument. Wir diskutieren doch darüber, warum sie zusammengebrochen sind. Zu sagen, sie seien zusammengebrochen, weil sie am Ende waren, ist ungefähr wie Fritz Reuters Erkenntnis, daß die Armut von der poverté kommt.
Zitat von JeffDavisEs gibt kein politisches Gebilde, daß unbegrenzte Zeit existiert. Je nach den Umständen bricht es früher oder später zusammen. Das hängt natürlich nicht nur von einem Faktor ab, aber die dynamische Kraft des Kommunismus war restlos verbraucht.
Das scheint mir eine Leerformel zu sein. Was ist denn "dynamische Kraft"? Wie lange kann sich ein Staat oder eine Macht auch noch ohne diese "dynamische Kraft" halten? Wann beispielsweise hatte das Imperium Romanum seine "dynamische Kraft" verbraucht? Ebenso kann ich mit der Metapher des Implodierens wenig anfangen.
Aus meiner Sicht konnte und kann niemand wissen, wie lange der Kommunismus der UdSSR und damit deren osteuropäisches Kolonialreich noch hätten bestehen können. Nach Andropow und Tschernenko war ein Generationswechsel unausweichlich; aber statt Gorbatschow hätte man auch einen schneidigen jungen Machtpolitiker wählen können, der der Linie Andropows gefolgt wäre; schon zu Breschnews Zeiten hatten dafür Leute wie Schelepin und Poljanski bereitgestanden. Niemand kann wissen, ob es dann nicht heute noch die UdSSR gäbe; so wie die Dinge in China sich ganz anders hätten entwickeln können, wenn die Viererbande gesiegt hätte.
Zitat von JeffDavis
Zitat von ZettelPolitisch am Ende? Das Regime in Cuba ist seit Jahrzehnten politisch am Ende; das der Mullahs ist es, die Diktatur in Burma ist es. Totalitäre Systeme können sich fast unbegrenzt halten, solange der Sicherheitsapparat noch funktioniert. Und ob der funktioniert, hängt wesentlich von den Privilegien ab, die seine Angehörigen haben.
Das ist wirklich allzusehr vereinfacht und monokausal gedacht. Es gibt etliche Faktoren, von denen der Fortbestand einer Diktatur abhängt, beileibe nicht nur der Sicherheitsapparat. Die von Ihnen genannten Länder sind mit dem Imperium und den Ambitionen der UdSSR auch nicht annähernd vergleichbar.
Natürliich nicht. Es geht ja nicht um die Größe, sondern darum, wie lange sich ein System halten kann, wenn seine Legitimität gegenüber der Bevölkerung erschöpft ist. Ich behaupte, daß das ein totalitäres (oder ein sonstiges repressives) System so lange kann, wie der Repressionsapparat funktioniert.
Revolutionen brechen in der Regel nicht dann aus, wenn es den Leuten besonders schlecht geht, sondern wenn der Repressionsapparat nicht mehr funktioniert; was oft an Schwäche an der Spitze liegt. Chomeini hätte möglicherweise nicht gesiegt, wenn nicht der Schah schon vom Tod gezeichnet gewesen wäre.
Zitat von JeffDavis
Zitat von Zettel Wirtschaftlich am Ende?
Darüber gibt es nun reichlich Literatur, das muß ich nicht in epischer Breite ausführen. Hier im Forum sind auch genügend Mitglieder, die das wirtschaftliche Ende aus eigener Anschauung kennen.
Diese Antwort reicht mir nicht, lieber JeffDavis. Solange die Repression funktionierte, hatten die Sowjetbürger eben jeden Mangel zu ertragen. Auch die DDR war in ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten wesentlich deswegen geraten, weil sie die wachsenden Konsumbedürfnisse ihrer Bevölkerung nicht befriedigen konnte.
Und warum mußte sie diese zu befriedigen versuchen? Weil eben ihre Legitimität ins Rutschen gekommen war. Unter anderem wegen des Prozesses von Helsinki.
Damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage. Ich behaupte, daß ohne den Prozeß von Helsinki durchaus eine Entwicklung hätte eintreten können, die nicht zum Zusammenbruch des Sowjetimperiums geführt hätte.
Wir sind uns ja klar darüber, daß wir beide die jeweilige Vermutung nicht beweisen und die des anderen nicht widerlegen können. Wir können nur konstatieren, wie es gekommen ist. Ob es mit Notwendigkeit so gekommen ist, können wir ebensowenig mit Sicherheit sagen, wie welche alternative Entwicklungen ebenfalls möglich gewesen wären.
Zitat von ZettelNaja, lieber JeffDavis, das ist jetzt aber kein sehr starkes Argument.
Vielleicht reden wir aneinander vorbei. Wenn Sie die Frage aufwerfen, ob das politische System der UdSSR - obwohl versteinert - eventuell noch nicht am Ende gewesen sei, weil es noch hätte fortbestehen können, dann finde ich die Frage nicht sinnvoll. Da es beide, UdSSR und WP, offensichtlich nicht mehr gibt, müssen sie am Ende gewesen sein. Sonst würden sie noch heute, wenn auch versteinert, existieren.
Zitat von Zettel Das scheint mir eine Leerformel zu sein. Was ist denn "dynamische Kraft"? Wie lange kann sich ein Staat oder eine Macht auch noch ohne diese "dynamische Kraft" halten? Wann beispielsweise hatte das Imperium Romanum seine "dynamische Kraft" verbraucht? Ebenso kann ich mit der Metapher des Implodierens wenig anfangen.
Das sind Begriffe, mit denen ich versuche, komplexe geschichtliche Phänomene zusammenfassen. Das Forum ist kein historisches Seminar und ich kann eine historische Entwicklung, mit der sich hunderte, wenn nicht mehrere tausend Regalmeter Bücher beschäftigen, hier nicht in seitenlangen Ausführungen zusammenfassen. Jeder, der die Entwicklung der UdSSR und ihrer Version des Kommunismus von 1917 bis etwa Stalins Tod mit dem Zustand der UdSSR Mitte und Ende der 80er Jahre vergleicht, erkennt unschwer, was gemeint ist.
Das gilt auch für die Implosion des kommunistischen Systems. Es ist nicht - wie zB das NS-Regime oder Pol Pots Steinzeitkommunismus - durch militärische Gewalt von außen, und auch nicht durch eine Revolution oder einen Bürgerkrieg wie 1917 gestürzt worden, sondern ist schäbig und mit häßlichem Knirschen in sich zusammengefallen.
Zitat von Zettel Aus meiner Sicht konnte und kann niemand wissen, wie lange der Kommunismus der UdSSR und damit deren osteuropäisches Kolonialreich noch hätten bestehen können. Nach Andropow und Tschernenko war ein Generationswechsel unausweichlich; aber statt Gorbatschow hätte man auch einen schneidigen jungen Machtpolitiker wählen können, der der Linie Andropows gefolgt wäre; schon zu Breschnews Zeiten hatten dafür Leute wie Schelepin und Poljanski bereitgestanden. Niemand kann wissen, ob es dann nicht heute noch die UdSSR gäbe; so wie die Dinge in China sich ganz anders hätten entwickeln können, wenn die Viererbande gesiegt hätte.
Eben, da die Viererbande nicht gesiegt hat und der schneidige junge Machtpolitiker nicht gewählt worden ist, ist die Frage nicht nur müssig, sondern falsch gestellt. Ich sehe nicht, wie hypothetische Ereignisse das geschichtliche Faktum der Implosion des kommunistischen Systems in Frage stellen sollen. Aus hypothetischen What if - Szenarien folgern Sie, daß niemand das Ende voraussehen konnte, statt - wie es mE richtig wäre - aus dem Ausbleiben eben dieser Ereignisse und dem tatsächlichen Ablauf den Rückschluß zu ziehen, daß das System am Ende war.
Zitat von Zettel Natürliich nicht. Es geht ja nicht um die Größe, sondern darum, wie lange sich ein System halten kann, wenn seine Legitimität gegenüber der Bevölkerung erschöpft ist.
Die räumliche Größe habe ich auch nicht gemeint. Ich bezweifle bereits, ob das kommunistische System der UdSSR jemals eine Legitimität besessen hat, denn das russische Volk, erst recht nicht die anderen über 120 Völker der ehemaligen UdSSR, haben es nie in einer fairen Wahl bestätigt. Die Frage nach der Legitimität einer Diktatur hilft mE sowieso nicht weiter, auch nicht die nach der Funktionsfähigkeit des Repressionsapparates (dazu siehe unten).
Mir geht um die berühmte Dynamik (vielleicht ein schlechtes Wort, mir fällt aber derzeit kein besseres ein). Vergleichen Sie mal die Geschichte der UdSSR von 1917 bis sagen wir Stalins Tod. Die Ausdehnung der kommunistischen Parteien erst in Europa, dann in den anderen Kontinenten, die enorme Anziehungskraft der Ideologie, das messianische Sendungsbewußtsein ihrer Vertreter, die militärische und politische Kraft, die gewaltige Vitalität dahinter. Und dann zeigen Sie mir in Burma, im Iran, in Kuba oder anderen diktatorischen Systemen dieser Art (Argentinien unter der Junta, Idi Amins Uganda zB.), wo da etwas auch nur annähernd vergleichbares sein soll. Das kann man nicht vergleichen.
Zitat von Zettel Ich behaupte, daß das ein totalitäres (oder ein sonstiges repressives) System so lange kann, wie der Repressionsapparat funktioniert.
Da SS, SD, Gestapo und alle anderen Sicherheitsorgane im NS-Deutschland, im faschistischen Italien, und in Japan bis in die letzten Kriegstage hinein sehr gut funktioniert haben, kann Ihre Behauptung nicht stimmen. Denn ihrer Existenz ist durch militärische Gewalt von außen ein Ende bereitet worden. Das gilt zB auch für Saddams Irak. Bei Ceaucescus Sturz 1989 hat die Securitate sogar glänzend funktioniert, denn sie war mW an seinem Sturz beteiligt. Der Repressionsapparat hat im übrigen auch in den anderen kommunistischen Systemen bis zum Schluß funktioniert. An dessen technischer Einsatzbereitschaft liegt es also nicht.
Zitat von Zettel Revolutionen brechen in der Regel nicht dann aus, wenn es den Leuten besonders schlecht geht, sondern wenn der Repressionsapparat nicht mehr funktioniert; was oft an Schwäche an der Spitze liegt.
Sie haben Davila gelesen. Das widerspricht allerdings nicht meinen Ausführungen. Nicht der Repressionsapparat ist entscheidend, sondern der Machtwille der politischen Führung. Das ist ein wichtiger Unterschied! Wie Davila sinngemäß schreibt, sind Revolutionen dann erfolgreich, wenn die Führung nicht mehr von ihrer Sache überzeugt ist. Wie ich vorher schrieb: Wenn die dynamische Kraft der Ideologie erschöpft ist...
Zitat von Zettel Diese Antwort reicht mir nicht, lieber JeffDavis. Solange die Repression funktionierte, hatten die Sowjetbürger eben jeden Mangel zu ertragen. Auch die DDR war in ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten wesentlich deswegen geraten, weil sie die wachsenden Konsumbedürfnisse ihrer Bevölkerung nicht befriedigen konnte.
Mir genügt die Antwort, denn die fehlende Flexibilität der Planwirtschaft, die lähmende Bürokratie, die mangelnde Produktivität einerseits und Verschwendung andererseits, die „Tuchta“, der veraltete Maschinenpark, die ungenügende Innovationsfähigkeit, die Unlust der Arbeiter, usw.usf., sind allgemein bekannt. Darüber gibt es ebenfalls hunderte von Regalmetern Fachliteratur. Die wachsenden Konsumbedürfnisse der DDR-Bürger hätten nach Ihrer Lesart die Führung nicht beeindrucken dürfen, da der Repressionsapparat funktionierte.
Zitat von Zettel Und warum mußte sie diese zu befriedigen versuchen? Weil eben ihre Legitimität ins Rutschen gekommen war. Unter anderem wegen des Prozesses von Helsinki.
Die fehlende Legitimität der kommunistischen Regime war schon Jahrzehnte vorher ins Rutschen gekommen, falls es sie je gegeben hat. Helsinki hat daran den geringsten Anteil. Eine nicht vorhandene oder „ins Rutschen gekommene“ Legitimität als Begründung dafür zu nehmen, daß die kommunistische Führung gezwungen war, die Konsumbedürfnisse ihrer Bürger zu befriedigen, finde ich arg „zusammengebastelt“.
Zitat von Zettel Ich behaupte, daß ohne den Prozeß von Helsinki durchaus eine Entwicklung hätte eintreten können, die nicht zum Zusammenbruch des Sowjetimperiums geführt hätte.
Einen überzeugenden Beweis oder auch nur einen schlüssigen Vortrag (wie wir Juristen sagen würden), für diese These sehe allerdings noch nicht einmal ansatzweise.
Wie lächerlich, aus bloßer Parteidisziplin auch gegen den fähigen Kandidaten des Gegners zu stimmen. (Klonovsky)
Zitat von ZettelNaja, lieber JeffDavis, das ist jetzt aber kein sehr starkes Argument.
Vielleicht reden wir aneinander vorbei. Wenn Sie die Frage aufwerfen, ob das politische System der UdSSR - obwohl versteinert - eventuell noch nicht am Ende gewesen sei, weil es noch hätte fortbestehen können, dann finde ich die Frage nicht sinnvoll. Da es beide, UdSSR und WP, offensichtlich nicht mehr gibt, müssen sie am Ende gewesen sein. Sonst würden sie noch heute, wenn auch versteinert, existieren.
Diese Aussage, lieber JeffDavis, ist tautologisch. Ich habe das durch die Armut und die poverté auszudrücken versucht.
Ebenso könnten Sie, was das heutige Spiel gegen Serbien angeht, auf die Frage, ob Deutschland hätte gewinnen können, antworten: Sie konnten nicht gewinnen, sonst hätten sie ja nicht verloren.
Sie benutzen die Formulierung "am Ende sein" sinnleer. Wenn etwas zu Ende geht, dann war es am Ende, das ist eben tautologisch. Sinnvoll wird die Frage erst, wenn man "am Ende sein" in einem engeren Sinn versteht: Gab es strukturelle Faktoren, die ein Fortbestehen gar nicht ermöglichten? (In der Analogie: War das spielerische Unvermögen der deutschen Mannschaft so groß, daß ein Sieg gar nicht möglich gewesen wäre?)
Das bezweifle ich, im einen Fall wie im anderen. Der Sozialismus in der UdSSR und mit ihr der in Osteuropa ist aufgrund einer Entwicklung zusammengebrochen, an der viele kontingente - eben kontingente - Faktoren beteiligt waren. Dazu gehörte die Fehlentscheidung, die Schlußakte von Helsinki werde dem Sowjetimperium mehr nützen als schaden; sie hat ihm weit mehr geschadet. Dazu gehörte die politische Entwicklung in Deutschland, die eine sozialliberale Koalition an die Macht brachte. Dazu gehörte, daß die Abteilung XX des MfS die Wahl von Barzel verhinderte, eine aus der Perspektive der Kommunisten verhängnisvolle Fehlentscheidung. Dazu gehörte der Tod von Andropow mit erst 69 Jahren; er hätte das Zeug zu einem zweiten Stalin gehabt. Dazu gehörte, daß das Politbüro mit Gorbatschow meinte einen Reformator des Systems zu wählen, und es bekam dessen Totengräber.
Und so fort. Aus dem Zusammenwirken und dieser und vieler anderer Faktoren ergab sich aus meiner Sicht der schließliche Kollaps des Sowjetimperiums. Nicht daraus, daß ihm "die Dynamik fehlte".
Aber das ist, lieber JeffDavis, natürlich eine Frage des allgemeinen Geschichtsbilds. Ich sehe in der Geschichte keine Gesetze am Werk, sondern ganz überwiegend Zufälle. Allenfalls ganz allgemeine Regeln gelten vielleicht.
Zitat von Zettel Diese Aussage, lieber JeffDavis, ist tautologisch. Ich habe das durch die Armut und die poverté auszudrücken versucht.
Ich gehe von der unstreitigen Tatsache aus, das es die UdSSR und ihr System nicht mehr gibt. Der Grund dafür ist, daß sie am Ende iSv. nicht weiter überlebensfähig war, nicht mehr entwicklungs- und anpassungsfähig war, eben nicht nur versteinert. Dieses Ende beruht auf einem Bündel verschiedener Ursachen und ist das Ergebnis eines historischen Prozesses. Mit Tautologie hat das nichts zu tun. Sie knüpfen einen hypothetischen Geschehensablauf an ein nicht existentes Alternativereignis und leugnen damit de facto, daß es aus einem bestimmten Grund gerade nicht zu diesem Ereignis gekommen ist (sondern zum Ende des Systems). In einem Gerichtsverfahren hätten Sie mit dieser Argumentation keine Chance.
Der Unterschied zwischen unseren Meinungen dürfte auf das unterschiedliche Geschichtsbild zurückzuführen sein (siehe unten).
Zitat von Zettel Und so fort. Aus dem Zusammenwirken und dieser und vieler anderer Faktoren ergab sich aus meiner Sicht der schließliche Kollaps des Sowjetimperiums. Nicht daraus, daß ihm "die Dynamik fehlte".
Wie bereits erläutert, die fehlende Dynamik ist der Begriff, mit dem ich den komplexen und sich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden Prozeß zusammengefaßt habe, weil ich in einem Forum gezwungen bin, mich kurz zu fassen und keine Möglichkeit habe, tausende von Regalmetern Fachliteratur auch nur annähernd in konzentrierter Form wiederzugeben. Sie können natürlich bestreiten, daß man die Entwicklung so zusammenfassen darf, aber mE kann jeder, der sich mit Geschichte etwas auskennt, verstehen, was ich meine.
Natürlich ist die UdSSR aus vielen Gründen zusammmengebrochen. Ob und welcher Grund dafür entscheidend war, in welchem Verhältnis zueinander die Gründe stehen, ist die nächste Frage.
Zitat von Zettel Aber das ist, lieber JeffDavis, natürlich eine Frage des allgemeinen Geschichtsbilds. Ich sehe in der Geschichte keine Gesetze am Werk, sondern ganz überwiegend Zufälle. Allenfalls ganz allgemeine Regeln gelten vielleicht.
„Die Geschichte kennt keine Gesetze , die es gestatten würden vorauszusagen, aber Bezugsrahmen, die es gestatten zu erklären; und Tendenzen, die es gestatten vorauszuahnen.“ (Davila) Das trifft es sehr genau; Marx hat Unrecht, aber auch der Zufall spielt nur eine ganz untergeordnete Rolle.
Wie lächerlich, aus bloßer Parteidisziplin auch gegen den fähigen Kandidaten des Gegners zu stimmen. (Klonovsky)
Zitat von Zettel Diese Aussage, lieber JeffDavis, ist tautologisch. Ich habe das durch die Armut und die poverté auszudrücken versucht.
Ich gehe von der unstreitigen Tatsache aus, das es die UdSSR und ihr System nicht mehr gibt. Der Grund dafür ist, daß sie am Ende iSv. nicht weiter überlebensfähig war, nicht mehr entwicklungs- und anpassungsfähig war, eben nicht nur versteinert. Dieses Ende beruht auf einem Bündel verschiedener Ursachen und ist das Ergebnis eines historischen Prozesses. Mit Tautologie hat das nichts zu tun.
Sie hätten, lieber JeffDavis, zitieren sollen, worauf sich meine Aussage bezog, nämlich diese Passage von Ihnen:
Zitat von JeffDavisDa es beide, UdSSR und WP, offensichtlich nicht mehr gibt, müssen sie am Ende gewesen sein. Sonst würden sie noch heute, wenn auch versteinert, existieren.
Das ist eine reine Tautologie: Sie sagen, daß sie am Ende waren, weil sie am Ende waren.
Wir sind uns ja offenbar einig, daß es ein Bündel verschiedener Ursachen gab; ich hatte von einer Reihe von Faktoren gesprochen. Strittig zwischen uns ist aber, wie es scheint, die konkrete Beschaffenheit dieser Ursachen.
Sie sprechen in Metaphern - versteinert, keine Dynamik usw. - und verstehen das als das Etikett für eine Vielzahl von Faktoren, die Sie nicht im einzelnen auflisten können. Ich nehme an, Sie meinen Faktoren wie die Prädominanz des milítärisch-industriellen Komplexes, die Ineffiziens der Bürokratie, die schlechte Arbeitsmoral in der Wirtschaft, die Unfähigkeit der Partei, junge und undogmatische Leute an die Spitze zu lassen. Vielleicht meinen Sie auch etwas anderes; Sie müßten es schon bitte a bisserl konkretisieren.
Ich leugne ja alle diese Sachverhalte gar nicht. Ich bestreite nur, daß sie die unmittelbare Ursache - die causa efficiens - für den Zusammenbruch ab 1990 waren. Das Imperium hätte noch Jahrzehnte so weitermachen können.
Es gab überhaupt keine revolutionäre Situation; die Leute mußten ja buchstäblich zur Aufmüpfigkeit getragen werden. Es gab, von ein paar Intellektuellen abgesehen, keinen Wunsch nach Demokratie oder gar der Wiedereinführung des Kapitalismus. Ein Staatsbankrott stand auch nicht bevor; die UdSSR zahlte bis zum Schluß pünktlich. Also, man hätte noch lange weiterwurschteln können.
Daß es ab 1990 krachte, lag aus meiner Sicht teils an Gorbatschow und teils - in Wechselwirkung mit seinen versuchten Reformen - an den Ereignissen in den europäischen Kolonien der UdSSR. Dort gab es demokratische Traditionen, dort gab es die katholische Tradition in Polen. Dort gab es den Willen zu einer radikalen Veränderung, der eben - das war ja meine Ausgangsthese gewesen - wesentlich durch den Prozeß von Helsinki angestoßen und befördert wurde, durch die Entspannungspolitik.
Zitat von JeffDavisSie knüpfen einen hypothetischen Geschehensablauf an ein nicht existentes Alternativereignis und leugnen damit de facto, daß es aus einem bestimmten Grund gerade nicht zu diesem Ereignis gekommen ist (sondern zum Ende des Systems). In einem Gerichtsverfahren hätten Sie mit dieser Argumentation keine Chance.
Mit Gerichtsverfahren, lieber JeffDavis, habe ich keine Erfahrung und strebe sie auch nicht an.
Was die Analyse historischer Entwicklungen angeht, bewegen wir uns beide, scheint mir, innerhalb der Regeln der Zunft. Nur sehen Sie eher strukturelle Momente als die unmittelbare Ursache für den Untergang des Sowjetimperiums an und ich eher kontingente Momente; wobei ich die strukturellen ja nicht leugne. Ich sehe sie als notwendige, aber nicht als hinreichende Ursache für den Zusammenbruch an.
Zitat von JeffDavis
Zitat von ZettelAber das ist, lieber JeffDavis, natürlich eine Frage des allgemeinen Geschichtsbilds. Ich sehe in der Geschichte keine Gesetze am Werk, sondern ganz überwiegend Zufälle. Allenfalls ganz allgemeine Regeln gelten vielleicht.
„Die Geschichte kennt keine Gesetze , die es gestatten würden vorauszusagen, aber Bezugsrahmen, die es gestatten zu erklären; und Tendenzen, die es gestatten vorauszuahnen.“ (Davila) Das trifft es sehr genau; Marx hat Unrecht, aber auch der Zufall spielt nur eine ganz untergeordnete Rolle.
So sehen Sie es, und ich sehe es halt anders. Ich glaube, daß wir dazu tendieren, das Faktische zum Notwendigen zu erklären. Es ist verführerisch, in dem sehr komplexen Geflecht von Faktoren, die in ihrer Interaktion zu historischen Entwicklungen führen, Gesetzmäßigkeiten am Werk zu sehen. Die Geschichte ähnelt insofern a bisserl einer Rorschach-Vorlage. Aber wie wäre die Geschichte Europas weitergegangen, wenn - beliebtes Beispiel - Grouchy sich bei Waterloo anders verhalten hätte und/oder Blücher nicht rechtzeitig eingetroffen wäre?
Über Marx sind wir uns einig. Das ist Scharlatanerie. Spengler hat wie Marx den Grad der Determiniertheit historischer Abläufe überschätzt. Meiner Sichtweise am nächsten kommt Arnold Toynbee, der mit einer nachgerade naturwissenschaftlichen Methode vorgeht: Er verfügte über ein enyzklopädisches historisches Wissen und prüfte nun einzelne Hypothesen über mögliche Gesetzmäßigkeiten daran, ob sie sich durch Gegenbeispiele falsifizieren lassen.
Es gibt nach Toynbee solche Gesetzmäßigkeiten in dem Sinn, daß ähnliche Situationen dazu tendieren, sich ähnlich zu entwickeln. Aber das muß nicht so sein. Die einzelnen Zivilisationen, die er untersuchte, haben ein ganz verschiedenes Schicksal gehabt.
Vielleicht ist es ja das, was Dávila mit "Tendenzen, die es gestatten, vorauszuahnen" meint; man könnte es jedenfalls so interpretieren.
Zitat von Zettel Sie hätten, lieber JeffDavis, zitieren sollen, worauf sich meine Aussage bezog, nämlich diese Passage von Ihnen:
Zitat von JeffDavisDa es beide, UdSSR und WP, offensichtlich nicht mehr gibt, müssen sie am Ende gewesen sein. Sonst würden sie noch heute, wenn auch versteinert, existieren.
Das ist eine reine Tautologie: Sie sagen, daß sie am Ende waren, weil sie am Ende waren.
Sie hätten unschwer am Gesamtzusammenhang erkennen können, wie es gemeint ist. Ich bin nicht D65.
Zitat von Zettel Wir sind uns ja offenbar einig, daß es ein Bündel verschiedener Ursachen gab
Ja, da sind wir uns einig.
Zitat von Zettel Sie sprechen in Metaphern - versteinert, keine Dynamik usw. - und verstehen das als das Etikett für eine Vielzahl von Faktoren, die Sie nicht im einzelnen auflisten können. Ich nehme an, Sie meinen Faktoren wie die Prädominanz des milítärisch-industriellen Komplexes, die Ineffiziens der Bürokratie, die schlechte Arbeitsmoral in der Wirtschaft, die Unfähigkeit der Partei, junge und undogmatische Leute an die Spitze zu lassen. Vielleicht meinen Sie auch etwas anderes; Sie müßten es schon bitte a bisserl konkretisieren.
Ähnliche Faktoren hatte ich bereits in einem meiner Beiträge beispielhaft aufgezählt. Den von Ihnen genannten Faktoren kann ich - soweit ich sie nicht ebenfalls genannt habe - 100%ig zustimmen. Wenn man die tausende von Regalmetern durchlesen und stichwortartig zusammenfassen würde, kämen sicher noch mehr dazu, der wachsende Nationalismus der mittelasiatischen Völker zB., oder die Überlastung des Militärs und sein Prestigeverlust durch den Afghanistankrieg.
Zitat von Zettel Ich leugne ja alle diese Sachverhalte gar nicht. Ich bestreite nur, daß sie die unmittelbare Ursache - die causa efficiens - für den Zusammenbruch ab 1990 waren. Das Imperium hätte noch Jahrzehnte so weitermachen können. Es gab überhaupt keine revolutionäre Situation; die Leute mußten ja buchstäblich zur Aufmüpfigkeit getragen werden. Es gab, von ein paar Intellektuellen abgesehen, keinen Wunsch nach Demokratie oder gar der Wiedereinführung des Kapitalismus. Ein Staatsbankrott stand auch nicht bevor; die UdSSR zahlte bis zum Schluß pünktlich. Also, man hätte noch lange weiterwurschteln können.
Hat man aber nicht, an dieser Tatsache kommen Sie nicht vorbei. Und zwar nicht, weil man nicht weiterwurschteln wollte, sondern weil man es nicht konnte. Entweder stimmt Ihre These nicht (meine Meinung) oder wir haben entscheidende Faktoren übersehen oder zu gering bewertet. Das vermag ich aber nicht zu erkennen.
Zitat von Zettel So sehen Sie es, und ich sehe es halt anders. Ich glaube, daß wir dazu tendieren, das Faktische zum Notwendigen zu erklären. Es ist verführerisch, in dem sehr komplexen Geflecht von Faktoren, die in ihrer Interaktion zu historischen Entwicklungen führen, Gesetzmäßigkeiten am Werk zu sehen. Die Geschichte ähnelt insofern a bisserl einer Rorschach-Vorlage. Aber wie wäre die Geschichte Europas weitergegangen, wenn - beliebtes Beispiel - Grouchy sich bei Waterloo anders verhalten hätte und/oder Blücher nicht rechtzeitig eingetroffen wäre?
Das trifft es aber nicht. Wenn Blücher zu spät gekommen wäre, hätte Wellington wahrscheinlich die Schlacht verloren, aber an den Kräfteverhältnissen, an Napoleons strategischer und politischer Lage, und an der Entschlossenheit aller europäischen Mächte, ihn endgültig zu besiegen, hätte das überhaupt nichts geändert. Er hätte ein paar Monate später eine Schlacht gegen Preußen, Russen und Österreicher verloren. Er war - wie ich jetzt wieder sagen würde - schlicht am Ende. Ebensowenig kann man zB. behaupten, Deutschland hätte den 2.WK gewonnen, wenn der Rußlandfeldzug nicht wegen des Balkanfeldzuges einige Wochen später begonnen hätte als geplant. Oder Japan den Krieg gegen die USA, wenn es bei Pearl Harbor auch die US-Träger versenkt hätte.
So einfach ist es nicht. Die Abläufe und Zusammenhänge sind wesentlich komplexer. Das macht es gerade so schwierig, Prozesse richtig ein- und abzuschätzen, ohne in den Marxschen Fehler zu verfallen oder sonst der Versuchung nachzugeben, vorschnell "Gesetzmäßigkeiten" zu erkennen.
Mit Toynbee müßte ich mich noch mehr beschäftigen, aber mW geht die Kritik gerade der Historiker an seiner Methode dahin, er habe Metaphern und Mythen den gleichen Wert zugebilligt wie den Tatsachen/Zahlen, und zu sehr auf die Sicht der Religion gesetzt. Er dürfte - darin Spengler vergleichbar - der vergleichenden Geschichtswissenschaft zuzuordnen sein. Von einer naturwissenschaftlichen Methode Toynbees habe ich gerade nicht gelesen. Aber da mache ich mir lieber selbst ein Bild, als allein auf die Kritk Dritter zu vertrauen.
Wie lächerlich, aus bloßer Parteidisziplin auch gegen den fähigen Kandidaten des Gegners zu stimmen. (Klonovsky)
Zitat von Zettel Ich leugne ja alle diese Sachverhalte gar nicht. Ich bestreite nur, daß sie die unmittelbare Ursache - die causa efficiens - für den Zusammenbruch ab 1990 waren. Das Imperium hätte noch Jahrzehnte so weitermachen können. Es gab überhaupt keine revolutionäre Situation; die Leute mußten ja buchstäblich zur Aufmüpfigkeit getragen werden. Es gab, von ein paar Intellektuellen abgesehen, keinen Wunsch nach Demokratie oder gar der Wiedereinführung des Kapitalismus. Ein Staatsbankrott stand auch nicht bevor; die UdSSR zahlte bis zum Schluß pünktlich. Also, man hätte noch lange weiterwurschteln können.
Hat man aber nicht, an dieser Tatsache kommen Sie nicht vorbei. Und zwar nicht, weil man nicht weiterwurschteln wollte, sondern weil man es nicht konnte. Entweder stimmt Ihre These nicht (meine Meinung) oder wir haben entscheidende Faktoren übersehen oder zu gering bewertet. Das vermag ich aber nicht zu erkennen.
Noch einmal gesagt, lieber JeffDavis: Aus meiner Sicht waren alle diese Faktoren notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für den Kollaps des Sowjetimperiums. Mit allen diesen strukturellen Schwächen hätte man noch lange weiterwurschteln können; siehe Cuba oder Nordkorea.
Gewiß wäre man gegenüber den USA und dann auch China allmählich (weiter) ins Hintertreffen geraten. Aber es gibt genügend historische Beispiele dafür, daß eine Großmacht, auch nachdem sie ihren Zenith überschritten hatte, mit ihrer Staats- und Gesellschaftsordnung noch lange weiter existieren konnte. Byzanz konnte das noch über Jahrhunderte, beispielsweise. Oder nehmen sie Spanien nach dem Sieg über die Armada.
Zusammengebrochen ist die UdSSR nach meiner Behauptung nicht wegen dieser Faktoren, so sehr sie auch Ausdruck eines Niedergangs waren; sondern auslösend war die Politik Gorbatschows und vor allem die Entwicklung in Osteuropa; die eben - ich wiederhole es - wesentlich erst durch die Schlußakte von Helsinki möglich wurde.
Zitat von JeffDavis
Zitat von ZettelSo sehen Sie es, und ich sehe es halt anders. Ich glaube, daß wir dazu tendieren, das Faktische zum Notwendigen zu erklären. Es ist verführerisch, in dem sehr komplexen Geflecht von Faktoren, die in ihrer Interaktion zu historischen Entwicklungen führen, Gesetzmäßigkeiten am Werk zu sehen. Die Geschichte ähnelt insofern a bisserl einer Rorschach-Vorlage. Aber wie wäre die Geschichte Europas weitergegangen, wenn - beliebtes Beispiel - Grouchy sich bei Waterloo anders verhalten hätte und/oder Blücher nicht rechtzeitig eingetroffen wäre?
Das trifft es aber nicht. Wenn Blücher zu spät gekommen wäre, hätte Wellington wahrscheinlich die Schlacht verloren, aber an den Kräfteverhältnissen, an Napoleons strategischer und politischer Lage, und an der Entschlossenheit aller europäischen Mächte, ihn endgültig zu besiegen, hätte das überhaupt nichts geändert. Er hätte ein paar Monate später eine Schlacht gegen Preußen, Russen und Österreicher verloren.
Jetzt sind aber Sie es, lieber JeffDavis, der das Was-wäre-gewesen-wenn-Spiel spielt.
Ich sehe für das, was Sie vermuten, keine Belege. Bonaparte hat nach seiner Flucht von Elba noch einmal eine Welle der Begeisterung geweckt (in Frankreich, von der Provence abgesehen, aber auch in ganz Europa) Die royalistischen Truppen liefen scharenweise zu ihm über. In kürzester Zeit hat Bonaparte aus ihnen und in großer Zahl neu Rekrutierter wieder eine Armee aus dem Boden gestampft. Zugleich hat er eine Verfassungsreform eingeleitet, die Frankreich zu einem der modernsten Staaten Europas gemacht hätte, den Staaten, die in Wien tagten, weit voraus.
Die Cent Jours hätten durchaus der Beginn einer Restauration der anderen Art sein können, nämlich einer napoléonischen .
Sie bestreiten diese Möglichkeit, wenn ich Sie recht verstehe, und zwar mit dem Argument, daß sein Scheitern ja zeige, daß er "schlicht am Ende" gewesen sei.
Aus meiner Sicht ist das eine petitio principii. Sie setzen voraus, was Sie doch gerade erst belegen müßten - daß es nicht ebenso anders hätte kommen können.
Das ist eben unser Dissens. Ich halt das Element des Zufalls für wichtiger als Sie. Daß es so kam, belegt nicht, daß es so hatte kommen müssen. Die Geschichte ist offen; erst dem rückblickenden Historiker mag es sich so darstellen, als habe es so kommen müssen. Aber nur, wenn er Determinist ist wie Sie.
Zitat von Jeff DavisMit Toynbee müßte ich mich noch mehr beschäftigen, aber mW geht die Kritik gerade der Historiker an seiner Methode dahin, er habe Metaphern und Mythen den gleichen Wert zugebilligt wie den Tatsachen/Zahlen, und zu sehr auf die Sicht der Religion gesetzt. Er dürfte - darin Spengler vergleichbar - der vergleichenden Geschichtswissenschaft zuzuordnen sein.
Ich wühle mich seit einiger Zeit durch "A study of history"; die gekürzte Fassung, was immer noch ein paar tausend Seiten sind.
Die Kritik, die Sie zitieren, kann ich nicht nachvollziehen. Natürlich war er kein historischer Materialist, hat also die Wirkung von Religion und des sonstigen "Überbaus" in seine Analysen einbezogen.
Mit Spengler, den ich einigermaßen kenne, hat er nichts gemeinsam. Daß man die beiden gern in dieselbe Schublade steckt, liegt daran, daß beide in Kulturen (bei Toynbee civilizations) die größte Einheit der Analyse gesehen haben. Aber das ist eine oberflächliche Ähnlichkeit. Spengler verstand sich als einen Seher, der mit dem "physiognomischen Blick", den er mit Goethe gemeinsam zu haben vermeinte, und mit Nietzsches Pessimismus die großen Zusammenhänge darzulegen trachtete. Toynbee war ein ungemein faktenversessener Empiriker.
Natürlich kann man das beides "vergleichende Geschichtswissenschaft" nennen; aber damit ist wenig gesagt.
Zitat von Jeff DavisVon einer naturwissenschaftlichen Methode Toynbees habe ich gerade nicht gelesen.
Falls Sie Toynbee einmal lesen sollten, achten Sie bitte darauf: Er geht wie ein Naturwissenschaftler vor, indem er ein Problem formuliert und dann eine Reihe von Theorien entwickelt. Dann geht er systematisch das immense Material durch, das ihm zur Verfügung steht, und scheidet, ganz à la Popper, diejenigen Theorien aus, die durch Fakten widerlegt werden. Das ist wirklich von Spengler so weit entfernt wie ein Formel-1-Auto von einem Ochsenkarren.
Zitat von Zettel Noch einmal gesagt, lieber JeffDavis: Aus meiner Sicht waren alle diese Faktoren notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für den Kollaps des Sowjetimperiums. Mit allen diesen strukturellen Schwächen hätte man noch lange weiterwurschteln können; siehe Cuba oder Nordkorea.
Wir drehen uns jetzt im Kreis, glaube ich. Meines Erachtens stoßen Sie an die Grenzen Ihres Geschichtsbildes. Sie können im Grunde nie plausibel erklären, warum die UdSSR gerade nicht weitergewurschtelt hat, sondern in sich zusammengefallen ist. Willkürlich mit Gorbatschow und Helsinki zwei beliebige Faktoren als entscheidend herauszugreifen, überzeugt nicht. G&H befinden sich nicht im luftleeren Raum, und sie sind auch nicht vom Himmel gefallen. Sondern sie sind das Ergebnis (H) bzw. stehen in (G) einer konkreten historischen Lage mit einem vielfältigen und vor allem vorgegebenen Geflecht wechselseitiger Interessen, Beziehungen und Kräfteverhältnisse, in dem sich G nicht frei bewegen und H seine Wirkung nicht auf einfach-mechanistische Weise entfalten kann, weil es Dutzende anderer G's und H's gibt, die in der gleichen Weise agieren.
Ohne die anderen Faktoren wäre H bedeutungslos geblieben, G hätte ohne die wirtschaftliche und personelle Erschöpfung der UdSSR Erfolg haben können. Der Umstand, daß man theoretisch wie Nordkorea oder Kuba hätte weitermachen können, ist keine Erklärung dafür, warum genau das in der UdSSR nicht passiert ist.
Das hat mit Determinismus nichts zu tun, denn ich betrachte im Nachhinein die komplette Entwicklung und ziehe aus dem Gesamtbild einen Schluß, ohne den Anspruch zu erheben, daß sich der Prozeß 1 zu 1 auf andere geschichtliche Prozesse übertragen lasse oder gar Voraussagen gestattte (das wäre Marx). Aber er enthält einen „Bezugsrahmen, der gestattet zu erklären“.
Den gleichen Fehler begehen Sie mE auch bei Ihrer Kausalkette Busch/perfekter Plan – Schröder/Wortbruch – Chirac, Schröder, Putin/antiamerikanische Allianz – westliche Geschlossenheit perdü - Saddam nicht ins Exil = Krieg.
Zitat von Zettel Aber es gibt genügend historische Beispiele dafür, daß eine Großmacht, auch nachdem sie ihren Zenith überschritten hatte, mit ihrer Staats- und Gesellschaftsordnung noch lange weiter existieren konnte. Byzanz konnte das noch über Jahrhunderte, beispielsweise. Oder nehmen sie Spanien nach dem Sieg über die Armada.
Weder hat Byzanz Jahrhunderte nach Überschreiten eines Zeniths weiter existiert, noch hat Spanien den Zenith mit der Niederlage der Armada erreicht. Das sind keine Beispiele für Ihre These, sondern historisch unzutreffende Aussagen.
Das gilt auch für Ihre Napoleon-Hypothese, die - soweit ich das sehe – kein Historiker ernsthaft vertritt, und für die ich keinerlei Belege sehe. Ich spiele kein Was-wäre-wenn-Spiel, sondern bewerte die damaligen historischen Verhältnisse. Von einer Welle der Begeisterung in ganz Europa kann keine Rede sein, auch in Frankreich nicht. Europa war kriegsmüde und anti-napoleonisch, Frankreich personell und wirtschaftlich nach über 20 Jahren nahezu ununterbrochener Kriege erschöpft. Napoleon hätte sich weder in eine europäische Friedensordnung eingefügt, noch wäre er der Mann gewesen, sich mit alltäglicher Regierungs- und Verwaltungsarbeit zu begnügen. Keine europäische Regierung hätte ihn als Mann an der Spitze Frankreichs geduldet.
Ich erliege deshalb keiner petitio principii, sondern Sie stoßen mE auch hier an die Grenzen Ihres Geschichtsbildes. Sie orientieren sich zu sehr an einigen wenigen, äußerlichen Ereignissen und Gegebenheiten und ziehen aus ihnen zu weitreichende Schlüsse. Außerdem fallen - zumindest was Militär und Außenpolitik betrifft - zu viele Gesichtspunkte unter den Tisch oder werden ungenügend vertieft.
Der Hinweis zB, Napoleons alte Soldaten seien zu ihm überlaufen und er habe eine neue Armee aus dem Boden gestampft, zeigt das deutlich: Eine napoleonische Armee ändert nichts an den militärischen, politischen oder wirtschaftlichen Kräfteverhältnissen. Sie berücksichtigen weder die Armeen, die im Zeitpunkt der Schlacht von Waterloo noch gar nicht voll moblisiert waren (die anderen deutschen Staaten, Österreich, Preußen, Rußland, Schweden, Spanien usw.), noch die Blockade durch die Royal Navy, weder die Zahl der grundsätzlich zur Verfügung stehenden franz Männer im Verhältnis zu den Gegnern, noch die Zahl der franz Deserteure und Fahnenflüchtigen, nicht die geographische Lage Frankreichs gegenüber der Koalition (Vier-Fronten-Krieg), nicht den Nationalismus in den anderen europäischen Staaten, und nicht den Stand der militärischen Taktik in den verschiedenen Steitkräften. Diese Liste ließe sich noch fortsetzen, aber man sieht, was gemeint ist.
Zitat von Zettel Ich halt das Element des Zufalls für wichtiger als Sie. Daß es so kam, belegt nicht, daß es so hatte kommen müssen. Die Geschichte ist offen; erst dem rückblickenden Historiker mag es sich so darstellen, als habe es so kommen müssen. Aber nur, wenn er Determinist ist wie Sie.
Es ist, wie bereits erläutert, kein Determinismus, wenn ich ein historisches Ereignis als Ergebnis eines vorangegangenen komplexen und langen Prozesses betrachte. Determinismus wäre es, wenn ich behaupte, am Anfang eines Prozesses dessen Ende voraussagen zu können, weil er nach denselben Regeln ablaufe wie alle anderen.
Ebensowenig steht es der Offenheit der Geschichte entgegen, wenn ich die Ansicht vertrete, ein Ereignis stehe nicht ohne Grund am Ende eines geschichtlichen Prozesses. Die Geschichte bleibt weiter offen, auch wenn sich für einzelne Prozesse in ihr bestimmte „Tendenzen und Bezugsrahmen“ formulieren lassen. Die Schwächen Ihres Geschichtsbildes habe ich bereits oben bei G&H aufgezeigt.
Wie lächerlich, aus bloßer Parteidisziplin auch gegen den fähigen Kandidaten des Gegners zu stimmen. (Klonovsky)
Zitat von JeffDavisWir drehen uns jetzt im Kreis, glaube ich.
Noch schlimmer, lieber JeffDavis: Mir scheint zunehmend, daß wir gar nicht so verschiedener Meinung sind.
Sie bestreiten nicht (mehr), daß es neben den strukturellen auch andere Faktoren (wie eben den Prozeß von Helsinki und die Politik Gorbatschows) gab, die zum Kollaps des Sowjetimperiums führten. Ich habe nie den Anteil der strukturellen Faktoren bestritten. Wir müssen aufpassen, daß wir nicht jeden Streitpunkt verlieren.
Zitat von JeffDavis G&H befinden sich nicht im luftleeren Raum, und sie sind auch nicht vom Himmel gefallen. Sondern sie sind das Ergebnis (H) bzw. stehen in (G) einer konkreten historischen Lage mit einem vielfältigen und vor allem vorgegebenen Geflecht wechselseitiger Interessen, Beziehungen und Kräfteverhältnisse, in dem sich G nicht frei bewegen und H seine Wirkung nicht auf einfach-mechanistische Weise entfalten kann, weil es Dutzende anderer G's und H's gibt, die in der gleichen Weise agieren.
Ja selbstverständlich ist das so. Sie können jedes Kausalgeflecht immer weiter aufdröseln. Ich behaupte, daß G & H die causa efficiens für Z waren (den Zusammenbruch des Sowjetimperiums). Ich behaupte weder, daß sie nicht selbst ihre Ursachen hatten, noch natürlich, daß nicht zahllose (dh nicht aufzählbare) andere Faktoren eine Rolle gespielt hätten.
Zitat von JeffDavisDen gleichen Fehler begehen Sie mE auch bei Ihrer Kausalkette Busch/perfekter Plan – Schröder/Wortbruch – Chirac, Schröder, Putin/antiamerikanische Allianz – westliche Geschlossenheit perdü - Saddam nicht ins Exil = Krieg.
Nein. (Der Mann heißt übrigens Bush ). Auch dort greife ich aus einem Kausalgeflecht eine Kausalkette heraus. Anders geht es gar nicht. Und Sie machen es ja auch nicht anders, wenn Sie für Z den Verlust von "Dynamik" oder "Versteinerung" verantwortlich machen. Auch da kann man nicht nur fragen, was sich konkret hinter diesen Metaphern verbirgt, sondern man kann zu jedem der einzelnen konkreten Faktoren ein Kausalgeflecht aufspannen. Der Bürokratismus der Sowjets stammt natürlich aus dem Zarenreich, wie auch der Gulag. Warum gab es ihn im Zarenreich? Da ist man dann vielleicht beim Kampf Iwans des Schrecklichen gegen die Bojaren. Und so fort.
Zitat von JeffDavis
Zitat von ZettelAber es gibt genügend historische Beispiele dafür, daß eine Großmacht, auch nachdem sie ihren Zenith überschritten hatte, mit ihrer Staats- und Gesellschaftsordnung noch lange weiter existieren konnte. Byzanz konnte das noch über Jahrhunderte, beispielsweise. Oder nehmen sie Spanien nach dem Sieg über die Armada.
Weder hat Byzanz Jahrhunderte nach Überschreiten eines Zeniths weiter existiert, noch hat Spanien den Zenith mit der Niederlage der Armada erreicht.
Das wundert mich jetzt. Byzanz hatte seine größte Macht und Ausdehnung im 6. Jahrhundert. Man kann den Zenith sicher auch anders ansetzen; jedenfalls bestand das "Reich", als 1453 Konstantinopel fiel, noch aus dieser Stadt, einem kleinen Gebiet, ungefähr entsprechend dem heutigen europäischen Teil der Türkei, und ein paar verstreuten Enklaven im heutigen Griechenland. - Was Spanien angeht, haben Sie mich mißverstanden: Mit dem Sieg der Briten über die Armada war der Zenith Spaniens überschritten (auch hier kann man natürlich auch ein anderes Datum ansetzen, aber spätestens der Pyrenäische Friede lag schon jenseits des Zeniths), aber es existierte noch Jahrhunderte danach in exakt der "versteinerten" Weise, die sie zu Recht der letzten Phase der UdSSR attribuieren.
Zitat von JeffDavisDas sind keine Beispiele für Ihre These, sondern historisch unzutreffende Aussagen.
Ich fände es hilfreich, lieber JeffDavis, wenn Sie mit solchen apodiktischen Behauptungen a bisserl vorsichtiger wären. Nicht alles, was nicht Ihrer Meinung oder Ihrer Betrachtungsweise entspricht, muß unzutreffend sein.
Zitat von ZettelAber es gibt genügend historische Beispiele dafür, daß eine Großmacht, auch nachdem sie ihren Zenith überschritten hatte, mit ihrer Staats- und Gesellschaftsordnung noch lange weiter existieren konnte. Byzanz konnte das noch über Jahrhunderte, beispielsweise. Oder nehmen sie Spanien nach dem Sieg über die Armada.
Weder hat Byzanz Jahrhunderte nach Überschreiten eines Zeniths weiter existiert, noch hat Spanien den Zenith mit der Niederlage der Armada erreicht.
Das wundert mich jetzt. Byzanz hatte seine größte Macht und Ausdehnung im 6. Jahrhundert. Man kann den Zenith sicher auch anders ansetzen; jedenfalls bestand das "Reich", als 1453 Konstantinopel fiel, noch aus dieser Stadt, einem kleinen Gebiet, ungefähr entsprechend dem heutigen europäischen Teil der Türkei, und ein paar verstreuten Enklaven im heutigen Griechenland.
Und Trapezunt, nicht zu vergessen, wo noch bis 1461 ein Kaiser von osmanischen Gnaden herrschte.
Aber JeffDavis' Ansicht zu Byzanz wundert mich auch, und ich würde mich über eine Erklärung freuen. Spätestens nach der Eroberung von Byzanz durch die Kreuzfahrer 1204 wüsste ich nicht, wie man anders als von einem überschrittenen Zenit sprechen kann. Die Restauration unter den Palaiologoi war ganz entschieden ein schwächeres Reich als das unter Phokas.
-- El liberalismo pregona el derecho del individuo a envilecerse, siempre que su envilecimiento no estorbe el envilecimiento del vecino. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
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