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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 16 Antworten
und wurde 1.704 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.10.2010 04:38
Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Thilo Sarrazin hat ein Buch über die Zukunft Deutschlands geschrieben, nicht über die Einwanderung nach Deutschland, die nur ein Aspekt davon ist. Der Aspekt, mit dem sich der promovierte Ökonom Sarrazin zuvorderst befaßt, ist die Entwicklung der Wirtschaftsleistung.

Das kommentiere ich in dieser dritten Folge der Serie.

Frode Offline




Beiträge: 81

07.10.2010 08:40
#2 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat von Zettel
Ein Abstieg, wo doch Sarrazins Szenario nur Stagnation erwarten läßt? Ja, natürlich. Denn die anderen stagnieren ja nicht. In einer Welt, in der immer mehr Länder mit großer wirtschaftlicher Dynamik in die Erste Liga drängen, ist dort für jemanden, der stagniert, kein Platz mehr.



Guten Morgen,

ich habe ein wenig in der Wikipedia gesurft und dort gesehen, dass dieses Problem der Überalterung nicht einzigartig für Deutschland ist.
http://en.wikipedia.org/wiki/Aging_of_Europe und
http://en.wikipedia.org/wiki/Demographic_transition
Demnach sind die meisten der bisherigen Erstligaländer betroffen.

Also steht eine große Umordnung bevor oder aber die betroffenen Länder denken um und lassen sich etwas einfallen. Witzig wirds nicht.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

07.10.2010 09:42
#3 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Schöner Artikel (wie immer).

2 Anmerkungen:

Zitat
die sechzig schlechten Jahre von 1890 bis 1950



Das ist mir doch etwas ZU simplifiziert.
Zumindest bis 1914 gab es in Deutschland eigentlich auch ein goldenes Zeitalter.
Der Wohlstand stieg spürbar an - und zwar für weite Teile der Bevölkerung.
(Grundlage waren die Wachstumsimpulse aus dem technsischen Fortschritt und aus dem internationalen Handel. So gut weltwirtschaftlich vernetzt wie vor 1914 war Deutschland erst wieder spät im 20. Jahrhundert).

Zitat
Kritischer ist der Anteil der Arbeitenden an der Gesamtbevölkerung; oder - komplementär ausgedrückt - die Zahl der Transferempfänger; vor allem der Rentner und Pensionäre.



Da fehlt noch ein Teil in der Gleichung: die Zahl der Kinder.
Grob gesagt:

Anteil der Arbeitsfähigen an der Gesamtbevölkerung = [Bevölkerung zwischen (sagen wir) 18 und 65] / [Gesamtbevölkerung]

Dieser Hinweis ist deshalb wichtig, weil er einen wichtigen Erklärungsbeitrag zum zu Ende gehenden "Goldenen Zeitalter" leistet.
Deutschland hatte über viele Jahre nämlich ein vergleichsweise günstiges Verhältnis von arbeitender zu nicht-arbeitender Bevölkerung WEIL es so wenig Kinder gab.
Das Geld, das ein Paar nicht in die (nicht vorhandenen) Kinder investierte, konnte stattdessen für viele andere angenehme Dinge ausgegeben werden.

Und viele Jahre lang ging das auch gut.
Wenn man sich die demographischen Zahlen anschaut, dann sieht man ganz gut, dass Deutschland noch im Jahr 2000 ein vergleichbar gutes Verhältnis von arbeitsfähiger zu nicht arbeitender Bevölkerung hatte wie 1900.
(2000 besteht der nicht arbeitsfähige Teil der Bevölkerung überwiegend aus Rentnern. 1900 überwiegend aus Kindern. Das macht aber für die Belastung der arbeitenden Bevölkerung mit "zusätzlichen Mäulern" die man durchfüttern muss erst einmal keinen Unterschied).

Nur ist das eben mittlerweile am kippen.
Wir haben das Spiel einfach zu lange gespielt. Es fehlt jetzt eben langsam auch an arbeitsfähiger Bevölkerung und es gibt zu viele Rentner.

Natürlich wäre "mehr Kinder" hier ein Ausweg.
Allerdings sollte man nicht vergessen, dass dieser Ausweg eine sehr langfristige Investition ist.
Sollte wie durch ein Wunder die Zahl der Kinder pro deutscher Frau über Nacht auf 2,3 steigen, dann würde es viele Jahre dauern, bis sich das positiv auf den Bevölkerungs-Anteil der Arbeitsfähigen auswirkt.
Die nächsten 20 Jahre wäre das erst einmal eine demographische Investition.

Das klingt jetzt alles sehr abstrakt.
Aber ganz konkret:
Die demographische Wunschfamilie mit 3 Kindern muss sich ein Arbeitnehmer eben auch leisten können und wollen - während gleichzeitig aus den von Ihnen beschriebenen Gründen sein Realeinkommen stagnieren wird und seine Rentenbeiträge steigen werden.
Klar: Er KÖNNTE es sich leisten. Aber dafür müsste eben auf viele schöne Dinge verzichtet werden - vom Zweitauto bis zum Strandurlaub.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.10.2010 09:45
#4 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat von Frode
Demnach sind die meisten der bisherigen Erstligaländer betroffen.


Stimmt, lieber Frode. Aber Deutschland ist unter den westlichen Ländern ein Extremfall, was man sieht, wenn man die Karte vergrößert: Ringsherum rot, Deutschland aber dunkelrot.

Allerdings gibt es ähnlich niedrige Geburtenziffern inzwischen in der Ex-UdSSR.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.10.2010 10:02
#5 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat von Florian

Zitat
die sechzig schlechten Jahre von 1890 bis 1950


Das ist mir doch etwas ZU simplifiziert.
Zumindest bis 1914 gab es in Deutschland eigentlich auch ein goldenes Zeitalter.
Der Wohlstand stieg spürbar an - und zwar für weite Teile der Bevölkerung.



Völlig richtig. Ich habe mich da vielleicht mißverständlich ausgedrückt: Ich meinte, daß diejenigen, die ab 1890 geboren wurden, im Lauf ihres Lebens als Erwachsener diese bitteren Erfahrungen gemacht hatten. Ihre Kindheit und Jugend war davon noch nicht betroffen.

Vielleicht hätte ich besser den Jahrgang 1895 als Grenze nehmen sollen; das waren diejenigen, die im Alter zwischen 19 und 23 Jahren eingezogen und an die Front geschickt wurden. Aber ich konnte dem "zwei mal sechzig Jahre" nicht widerstehen.

Zitat von Florian

Zitat
Kritischer ist der Anteil der Arbeitenden an der Gesamtbevölkerung; oder - komplementär ausgedrückt - die Zahl der Transferempfänger; vor allem der Rentner und Pensionäre.


Da fehlt noch ein Teil in der Gleichung: die Zahl der Kinder.
Grob gesagt:
Anteil der Arbeitsfähigen an der Gesamtbevölkerung = [Bevölkerung zwischen (sagen wir) 18 und 65] / [Gesamtbevölkerung]
Dieser Hinweis ist deshalb wichtig, weil er einen wichtigen Erklärungsbeitrag zum zu Ende gehenden "Goldenen Zeitalter" leistet.
Deutschland hatte über viele Jahre nämlich ein vergleichsweise günstiges Verhältnis von arbeitender zu nicht-arbeitender Bevölkerung WEIL es so wenig Kinder gab.
Das Geld, das ein Paar nicht in die (nicht vorhandenen) Kinder investierte, konnte stattdessen für viele andere angenehme Dinge ausgegeben werden.
Und viele Jahre lang ging das auch gut.



Auch das ist vollkommen zutreffend; ich hatte auch überlegt, ob ich es nicht erwähnen sollte. Bei einer Reproduktionsrate von 0,65 wächst die Zahl der zu versorgenden Alten, aber es schrumpft die Zahl der zu versorgenden Kinder. Nur sind Kinder im Schnitt billiger als Alte.

Zitat von Florian
Wenn man sich die demographischen Zahlen anschaut, dann sieht man ganz gut, dass Deutschland noch im Jahr 2000 ein vergleichbar gutes Verhältnis von arbeitender zu nicht arbeitender Bevölkerung hatte wie 1900.
Nur ist das eben mittlerweile am kippen.


Exakt. Wie zehren noch (auf nichtkannabibalische Art ) von den Baby-Boomern der Geburtsjahrgänge der sechziger Jahre, die jetzt überwiegend am Gipfel ihrer Karriere angekommen sind. Die Zahl der 45jährigen, die jetzt noch über einer Million liegt, wird in einigen Jahrzehnten auf 600.000 geschrumpft sein, schreibt Sarrazin.

Zitat von Florian
Wir haben das Spiel einfach zu lange gespielt. Es fehlt jetzt eben langsam auch an arbeitsfähiger Bevölkerung und es gibt zu viele Rentner

Natürlich wäre "mehr Kinder" hier ein Ausweg.

Allerdings sollte man nicht vergessen, dass dieser Ausweg eine sehr langfristige Investition ist.

Sollte wie durch ein Wunder die Zahl der Kinder pro deutscher Frau über Nacht auf 2,3 steigen, dann würde es viele Jahre dauern, bis sich das positiv auf den Bevölkerungs-Anteil der Arbeitsfähigen auswirkt.

Die nächsten 20 Jahre wäre das erst einmal eine demographische Investition.


Richtig. Und es gibt nicht die Spur eines Hinweises auf eine Bereitschaft zu dieser Investititon. Sarrazin nimmt an, daß die Geburtenziffer von 1,4 konstant bleiben wird; bei den einheimischen Deutschen. Ich fürchte, daß er Recht hat. Und dann greifen nun einmal die eisernen Gesetze der Mathematik: Bei einer Reproduktionsrate von 0,65 hat nun einmal jede Generation nur noch zwei Drittel der Menschen der vorausgehenden Generation.

Ich sehe nicht, wie das Problem gelöst werden könnte; schon gar nicht durch Einwanderung. Deutschland wird vergreisen, und damit wird es aus der Ersten Liga absteigen.

Aber warum, lieber Florian, wird das nicht breit in der Öffentlichkeit diskutiert, sondern solche Nebenfragen wie Erblichkeit der Intelligenz und gar das "Juden-Gen"?

Herzlich, Zettel

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

07.10.2010 10:36
#6 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Sarazin projeziert auch nur das 'jetzt' unter gewissen Annahmne in die Zukunft. Er ignoriert etwaige jetzt unbekannte Effekte. Effekte, die es womoeglich so oder so als Antwort 'der Gesellschaft' auf die Aenderungen geben wuerde. Etwa ein automatisch ansteigendes Rentenalter, da Selbstaendige etc. nicht von junegeren aus dem Beruf gedraengt werden und Angestellte dann nachziehen und laenger arbeiten wollen.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

07.10.2010 10:39
#7 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat von Dagny
Sarazin projeziert auch nur das 'jetzt' unter gewissen Annahmne in die Zukunft. Er ignoriert etwaige jetzt unbekannte Effekte. Effekte, die es womoeglich so oder so als Antwort 'der Gesellschaft' auf die Aenderungen geben wuerde. Etwa ein automatisch ansteigendes Rentenalter, da Selbstaendige etc. nicht von junegeren aus dem Beruf gedraengt werden und Angestellte dann nachziehen und laenger arbeiten wollen.


Naja, genau solche Änderungen will Sarrazin ja bewirken, und genau über solche Änderungen muss diskutiert werden. Ganz so einfach kommen die nämlich nicht. Die SPD propagiert ja schon wieder die Abkehr von der Rente mit 67, dabei ist das schon noch viel zu früh.

Ich lobe jetzt mal Frau Merkel, damit Zettel sich freut: auf diesen Zug ist sie (bislang noch) nicht aufgesprungen. Oder habe ich etwas übersehen?

--
Civilización es la suma de represiones internas y externas impuestas a la expansión informe de un individuo o de una sociedad. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.10.2010 10:58
#8 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat von Dagny
Sarazin projeziert auch nur das 'jetzt' unter gewissen Annahmne in die Zukunft.


Das stimmt zwar, liebe Dagny, aber das sagt er auch ausdrücklich. Er entwirft Szenarien und macht keine Prognosen. (Wie schön wäre es, wenn auch die Entwickler von Klimamodellen das laut sagen würden!).

Nur kann man bei einem Szenario eben abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, daß es so kommen wird. Und leider ist es sehr wahrscheinlich, daß sich an der Geburtenziffer der Deutschen nichts ändern wird; jedenfalls nicht wesentlich und nicht in absehbarer Zeit.

Zitat von Dagny
Effekte, die es womoeglich so oder so als Antwort 'der Gesellschaft' auf die Aenderungen geben wuerde. Etwa ein automatisch ansteigendes Rentenalter, da Selbstaendige etc. nicht von junegeren aus dem Beruf gedraengt werden und Angestellte dann nachziehen und laenger arbeiten wollen.


Die Erhöhung des Rentenalters wird wohl unausweichlich sein. Zugleich steigt aber auch die Lebenserwartung. Ich habe keine konkreten Zahlen in Erinnerung, vermute aber, daß eine Anhebung des Rentenalters deswegen nur einen geringen Effekt auf das Szenario haben würde.

Herzlich, Zettel

PS: Schön, einmal wieder etwas von Ihnen zu lesen! Beim A'team habe ich Sie auch schon vermißt.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

07.10.2010 12:46
#9 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat
Aber warum ... wird das nicht breit in der Öffentlichkeit diskutiert, sondern solche Nebenfragen wie Erblichkeit der Intelligenz und gar das "Juden-Gen"?


Lieber Zettel,

ich könnte mit gut vorstellen, daß man mit allen Mitteln versucht, dieses Thema zu vermeiden, weil dann klar würde, daß Lieblingsvorhaben der Wählerschaft wie "Öko" (Windmühlchen) und "Selbstverwirklichung" per Alleinerziehung usw. dann den Bach runtergehen würden, da man sie sich dann einfach nicht mehr leisten könnte.

Herzlich, Thomas

C. Offline




Beiträge: 2.639

07.10.2010 13:46
#10 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat von Zettel

Aber warum, lieber Florian, wird das nicht breit in der Öffentlichkeit diskutiert, sondern solche Nebenfragen wie Erblichkeit der Intelligenz und gar das "Juden-Gen"?



Es stellt sich mir die Frage, wen Du mit "Öffentlichkeit" meinst, immerhin wurde das Buch mittlerweile 1,1 Millionen Mal verkauft und hat immer noch breite Zustimmung und kaum jemand, der es jetzt wirklich gelesen hat, wird immer noch über das Juden-Gen diskutieren. Die "Öffentlichkeit" möchte diese Diskussion verhindern, hervorragend hat das Peter Mersch in seinem Beispiel Sigmar Gabriel: Wie uns die Politik immer ärmer macht zum Ausdruck gebracht:

Zitat von Peter Mersch
Der vorliegende Artikel zeigt demgegenüber auf, dass sich Sigmar Gabriels eigenes Menschenbild auf eine in höchstem Maße problematische, in der Politik und den Medien weit verbreitete Ideologie zu stützen scheint, die die zunehmende Verarmung unserer Gesellschaft nicht verhindert, sondern bewirkt.



Sarrazins Logik ist ein Frontalangriff auf die unlogische politische Ideologik der "sozialen Gerechtigkeit", aus der Politiker ihre Existenzberechtigung saugen.

Zitat von Peter Mersch
Es ist diese respektlose und letztlich inhumane Haltung, die unser Land zunehmend verarmen und dequalifizieren lässt. Thilo Sarrazin ist der Entwicklung auf die Schliche gekommen und hat sie öffentlich gemacht. Dafür soll er nun aus seiner Partei ausgeschlossen werden, und zwar von denen, die für die von ihm bemängelte Fehlentwicklung maßgeblich verantwortlich waren.

http://www.iceagenow.com/

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

07.10.2010 14:47
#11 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Lieber Florian,

Zitat von Florian
Aber ganz konkret:
Die demographische Wunschfamilie mit 3 Kindern muss sich ein Arbeitnehmer eben auch leisten können und wollen - während gleichzeitig aus den von Ihnen beschriebenen Gründen sein Realeinkommen stagnieren wird und seine Rentenbeiträge steigen werden.
Klar: Er KÖNNTE es sich leisten. Aber dafür müsste eben auf viele schöne Dinge verzichtet werden - vom Zweitauto bis zum Strandurlaub.



Ihren Ausführungen möchte ich mich anschließen. Sie weisen auf eine Problematik hin, die von Sozialpolitikern gerne unterschlagen wird. So hat etwa Frau von der Leyen, als sie noch Familienministerin war, eine höhere Geburtenrate ausschließlich als Lösung unserer demographischen Probleme gepriesen. Dahinter steht der Fehler, den so gut wie alle Politiker machen, nämlich nur das Verhältnis von Personen im erwerbsfähigen Alter zu Ruheständlern zu sehen, aber die Kinder als Kostenfaktor zu unterschlagen. "Die Jungen zahlen für die Alten", wie immer so schön gesagt wird, während tatsächlich die Mittleren für die Jungen und die Alten aufkommen müssen. Letztere Einteilung führt aber zu ganz anderen Ergebnissen.
Ein steiler Anstieg der Geburtenrate (wenn man sie denn nennenswert beeinflussen könnte), brächte zunächst für eine sehr lange Zeit eine erhebliche Belastung für die Gesellschaft. Worauf Sie hinweisen, wird im folgenden Artikel genauer eingegangen, den ich empfehlen möchte: http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E...n~Scontent.html

MfG

Florian Offline



Beiträge: 3.180

07.10.2010 16:42
#12 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Danke für die Zustimmung.
Wir sind uns da ja einig.

Nur ein Detail-Hinweis:

Sie schreiben:

Zitat
Nur sind Kinder im Schnitt billiger als Alte.



Ich kenne keine quantitative Untersuchung dieser Frage. Aber ich glaube nicht, dass das so stimmt.

Denn bei dieser Betrachtung muss man auch alle Kosten mit berücksichtigen, die die Eltern (zumindest teilweise) nicht direkt tragen (sondern nur indirekt über Steuern und Abgaben). Nämlich Kosten für Ganztagsbetreuung, Schule, Krankenversicherung, Studium, etc. etc.
Alle diese Kosten muss die Gemeinschaft der Arbeitsfähigen eben (wie auch immer) mitfinanzieren.

Umgekehrt ist (gesellschaftlich gerechnet) nicht die gesamte Rente die ein Rentner bekommt, gesellschaftliche Kosten.
Denn der durchschnittliche Rentner konsumiert weniger, als er Rente bekommt.
Einen Teil spart er, bzw. vererbt er oder verschenkt er.
Belastend für die arbeitsfähige Bevölkerung ist aber nur der Konsum der Rentner.
(Man sieht das leichter, wenn man sich das Geld einmal wegdenkt und nur die produzierten und verbrauchten Güter betrachtet und den Generationentransfer als einen Güterstrom von der arbeitsfähigen Bevölkerung hin zur nicht arbeitsfähigen Bevölkerung sieht).

Ganz grob gerechnet ist ein Kind daher vermutlich ähnlich teuer wie ein Rentner.

Übrigens finde ich den in diesem Thread verlinkten FAZ-Artikel ebenfalls sehr erhellend.
Er zeigt u.a. auch sehr schön, dass eben auch der "klassische" Bevölkerungsaufbau in Tannenform seine Schattenseiten hat. (z.B. dass er nur dann nachhaltig ist, wenn viele Menschen schon in relativ jungen Jahren sterben).

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.10.2010 17:14
#13 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat von C.

Zitat von Zettel

Aber warum, lieber Florian, wird das nicht breit in der Öffentlichkeit diskutiert, sondern solche Nebenfragen wie Erblichkeit der Intelligenz und gar das "Juden-Gen"?


Es stellt sich mir die Frage, wen Du mit "Öffentlichkeit" meinst, immerhin wurde das Buch mittlerweile 1,1 Millionen Mal verkauft und hat immer noch breite Zustimmung und kaum jemand, der es jetzt wirklich gelesen hat, wird immer noch über das Juden-Gen diskutieren.



Naja, ich meine natürlich die mediale Öffentlichkeit, dear C. Kleine Beckmesserei: 1,1 Mio ist die gegenwärtige Druckauflage (Stand 1. Oktober), nicht die verkaufte Auflage. Allerdings hält der Verlag es für möglich, daß die gesamte Druckauflage verkauft werden wird. Siehe hier.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.10.2010 20:15
#14 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat von Florian
Sie schreiben:

Zitat
Nur sind Kinder im Schnitt billiger als Alte.


Ich kenne keine quantitative Untersuchung dieser Frage. Aber ich glaube nicht, dass das so stimmt.
Denn bei dieser Betrachtung muss man auch alle Kosten mit berücksichtigen, die die Eltern (zumindest teilweise) nicht direkt tragen (sondern nur indirekt über Steuern und Abgaben). Nämlich Kosten für Ganztagsbetreuung, Schule, Krankenversicherung, Studium, etc. etc.
Alle diese Kosten muss die Gemeinschaft der Arbeitsfähigen eben (wie auch immer) mitfinanzieren.
Umgekehrt ist (gesellschaftlich gerechnet) nicht die gesamte Rente die ein Rentner bekommt, gesellschaftliche Kosten.
Denn der durchschnittliche Rentner konsumiert weniger, als er Rente bekommt.



Sie haben Recht, lieber Florian. Ich habe das vielleicht zu Unrecht als gegeben angenommen. Leider habe ich auch noch keine Zahlen gefunden.

Es ist offensichtlich, daß man die Transferleistung an die Person von den gesamtgesellschaftlichen Kosten trennen muß.

Da geht für mich nun das Problem schon los: Gelten Kinder eigentlich als Empfänger von Transferleistungen? Ich meine, unabhängig vom Kindergeld und sonstigen Vergünstigungen? Jedenfalls werden sie ja vermutlich beim BIP/Kopf der Bevölkerung mitgezählt (oder bezieht man da nur die erwachsene Bevölkerung ein?)

Wenn sie mitgezählt werden, dann erhalten sie Transferleistungen von ihren Eltern, sofern diese arbeiten. Diese Kosten pro Kind dürften aber deutlich niedriger liegen als das durchschnittliche Einkommen eines Rentners oder Pensionärs.

Sodann die gesamtgesellschaftlichen Kosten. Diese dürften bei Kindern vor allem in der Finanzierung von Schulen usw. bestehen, bei Rentnern dürften es überwiegend Gesundheitskosten sein.

Für die Berechnung des BIP/Kopf ist das allerdings, soweit ich das als ökonomischer Laie durchschaue, unerheblich. Da ist Kopf gleich Kopf, und es zählt nur der Output aller Arbeitenden in Relation zur Zahl aller Einwohner.

Und die vielen "dürften" weisen schon darauf hin, daß ich da ziemlich im Dunklen tappe.

Herzlich, Zettel

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

08.10.2010 17:25
#15 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Lieber Zettel,

jetzt erhält Sarrazin bzw. sein Buch nochmals ganz prominente Unterstützung. Es wird so manchen lernresistenten Politiker ins Schwitzen bringen.

Ein SPD-Auschluß von Sarrazin wird damit zu einem Eklat werden, denn Historiker "Wehler ist nicht nur so nebenbei und der privaten Gesinnung - nicht der Mitgliedschaft - nach Sozialdemokrat, sondern zusammen mit Jürgen Habermas derjenige Intellektuelle, der das sozialliberale Geschichts- und Gesellschaftsbild in den vergangenen fünfzig Jahren wohl am stärksten wissenschaftlich artikuliert hat." schreibt die FAZ

Zitat
Hans-Ulrich Wehler, Deutschlands bedeutendster Sozialhistoriker, verteidigt Thilo Sarrazin in einem Zeitungsbeitrag. Damit gibt er der Debatte um dessen umstrittene Integrationsthesen eine völlig neue Wendung.

Von Jürgen Kaube
08. Oktober 2010
Soeben hat der Historiker Hans-Ulrich Wehler das Deutschland-Buch von Thilo Sarrazin in der „Zeit“ kommentiert. Es ist nicht untertrieben zu sagen, dass dieser Beitrag der Debatte eine völlig neue Wendung gibt. Sie wird die SPD in fast unlösbare Argumentationsschwierigkeiten bringen - von den nicht-lesenden Verfassungsorganen ganz zu schweigen. Von heute an kann Sarrazins Verlag ein Plakat drucken, auf dem untereinander steht: „Sarrazins Formulierungen sind überhaupt nicht hilfreich“ (Angela Merkel) - „Ich habe das Buch nicht gelesen“ (Angela Merkel) - „Ein Buch kann so verstören, dass manche es gar nicht mehr lesen wollen“ (Guido Westerwelle) - „Sarrazins Buch trifft ins Schwarze“ (Hans-Ulrich Wehler) - „Verkaufte Auflage: 1,1 Millionen“.
Hans-Ulrich Wehler gehört zu den besten Kennern dessen, wovon Sarrazin handelt, der sozialen Schichtung in Deutschland nämlich. Und er bezeichnet das Buch nun als „das Reformplädoyer eines geradezu leidenschaftlichen Sozialdemokraten“. Wehler muss es wissen, er ist selbst ein Linker: völlig unverdächtig rechtspopulistischer Neigungen, unanfällig für Irrationalismen - Wehler hat einst den Historikerstreit gegen Relativierungen des Nationalsozialismus in Gang gebracht -, unempfänglich für eine elitäre Missachtung von Unterschichten. Und als ein solcher fordert er, endlich die Stärken des Buches von Sarrazin zur Kenntnis zu nehmen.



Der lesenswerte komplette Artikel hier:

♥lich Nola

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.10.2010 17:58
#16 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat von Zettel
Nur sind Kinder im Schnitt billiger als Alte.


Darüber mußte ich doch etwas grübeln. Konkrete Zahlen habe ich dazu natürlich auch nicht.

Aber ich bin geneigt, das zu bezweifeln.

Bei den direkten Ausgaben (Nahrung, Kleidung, Wohnung ...) mag es zwar stimmen, aber in unserem Kontext (was leistet eine Generation für die anderen) kommen ja auch die nicht-monetären Kosten dazu. Und der Zeitaufwand für die Kinder ist halt erheblich, deutlich höher als bei den Alten, bei denen nur die kleine Minderheit der Pflegebedürftigen versorgt werden muß.
Wobei dieser Zeitaufwand bei den Eltern als entgangener Lohn abgeschätzt werden kann (vor allem, wenn die Mutter nur halbtags oder gar nicht arbeitet). Auch die Gehälter von Kindergartenpersonal und Lehrern wäre da zu rechnen.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

08.10.2010 18:04
#17 RE: Notizen zu Sarrazin (3): Das Ende des Goldenen Zeitalters Antworten

Zitat von R.A.

Zitat von Zettel
Nur sind Kinder im Schnitt billiger als Alte.


Darüber mußte ich doch etwas grübeln. Konkrete Zahlen habe ich dazu natürlich auch nicht.
Aber ich bin geneigt, das zu bezweifeln.



Ich auch. Man sollte hier ja nur die Netto-Transferleistungen zählen, nicht die Zahlungen, die die Senioren für sich selbst respektive die Eltern für ihre eigenen Kinder leisten.

Bei Kindern kommt vor allem Krippe, Kita, Kindergarten, Schule zusammen. Vielleicht noch (umgelegt) kleinere Beträge für Spielplätze und Musikschulen. Und die Krankheitskosten sollte man zumindest bei familienversicherten Kindern voll als Transferleistung rechnen.

Senioren kosten uns ein paar Parkbänke. Ihre Kaffeefahrten zahlen sie selbst. Und im Gegensatz zu Kindern zahlen sie meistens noch Krankenversicherungsbeiträge und Steuern. Natürlich sind die letzten sechs Monate krankheitsbedingt teuer - aber davor hat der typische Rentner 15 Jahre lang KV-Beiträge geleistet.

--
Civilización es la suma de represiones internas y externas impuestas a la expansión informe de un individuo o de una sociedad. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

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