Was mich ehrlich gesagt am Meisten überrascht hat, war die Definition von "Reiche". Mit 200.000 Euro frei verfügbarem Vermögen (des Haushalts!) soll man schon zu den oberen 3% gehören? Das klingt für mich deutlich zu niedrig.
Ein Schnellschuß, lieber Zettel! Noch interessanter als diese oberen 3% finde ich die DIW-Definition, nach der man bereits reich ist, wenn man alleinstehend mehr als 1845 € netto mit nach Hause nimmt. Möchte mal wissen, wie vielen das bewußt ist, wenn das DIW davon spricht, daß sich die Einkommensschere immer weiter öffnet und die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden.
Gut, lieber Diskus, das ist Definitionssache. Und die oberen 3% eines Landes als die Reichen zu bezeichnen ist für mich vertretbar. Aber mit 200.000 Euro gehört man schon dazu? Das ist für mich unvorstellbar. Und da finde ich auch einen Kommentar aus dem Spiegel nicht richtig. Wenn man gut spart, kann man auch als besserer Angestellter in seinem Leben auf diese 200.000 Euro kommen, da muss man kein Unternehmer sein.
bedenken Sie, daß es nicht um 200.000 Euro Vermögen geht, sondern um „frei verfügbare[s] Kapitalvermögen von mindestens 200.000 Euro“. Und liquide Mittel in der Höhe dürften tatsächlich nicht so viele Menschen bereithalten können. In der von Zettel im Artikel verlinkten Ursprungsstudie (PDF runterladen) kann man das ganz gut sehen.
Dass nur 3% der Haushalte über 200.000 € verfügbares Vermögen haben, hat mich zwar überrascht - aber nun gut, das wird schon stimmen. Wenn man den Kreis der "Reichen" aber bereits bei 200.000 € (für den gesamten Haushalt!) beginnen lässt, dann relativiert das aber auch einige Aussagen.
Übrigens darf man realistischerweise bei der Reichtumsverteilung in Deutschland von einem exponentiellen Verlauf ausgehen. Wenn die Gruppe der Reichen bei 200.000 Euro beginnt, dann dürfte sehr wahrscheinlich mehr als die Hälfte der "Reichen" im Bereich 200 Tsd. bis 500 Tsd. Euro Vermögen liegen. Die allermeisten "Reichen" sind dann auf jeden Fall _keine_ Millionäre.
Im Interview haben auf jedoch sowohl Journalist als auch seltsamerweise Herr Lauterbach selbt, ein anderes Bild vor Augen, wenn Sie von "den Reichen" sprechen.
Etwa hier:
Zitat Frage: Also keine riesigen Yachten und goldenen Wasserhähne? Lauterbach: Dieses Klischee trifft nur auf einen Bruchteil der Reichen zu. Überraschend viele führen ein normales bürgerliches Leben als "millionaire next door", wo nicht einmal gute Freunde über die entspannten Vermögensverhältnisse Bescheid wissen. Das hat sicher etwas zu tun mit der Angst vor Neidern, aber vor allem auch mit dem Wissen, dass das Geld in den meisten Fällen eben das Ergebnis harter Arbeit ist. Und dass auch ein Multimillionär nicht vor Verlusten und Pleiten gefeit ist.
Dass Herr Lauterbach davon überrascht ist, dass viele "Reiche" ein "normales bürgerliches Leben" führen, überrascht nun wieder mich. Welches Leben, wenn nicht ein bürgerliches, hätte denn Herr Lauterbach erwartet, wenn jemand 200 Tsd. bis 500 Tsd. Euro hat? Allein schon die Bezeichnung "millionaire next door" klingt irgendwie seltsam für eine komplette Familie mit 200.000 Euro Vermögen.
Ohnehin dürfte die Gruppe der "Mulitmillionäre" nur in sehr kleiner Dosis in seiner 500-Haushalte-Stichprobe vorgekommen sein.
Herr Lauterbach spricht auf jeden Fall sehr schwammig über seine eigenen Forschungsobjekte, wenn er "Millionäre" als synsonym für die von ihm selbst definierten "Reichen" verwendet.
Zitat von energistWerter destello, bedenken Sie, daß es nicht um 200.000 Euro Vermögen geht, sondern um „frei verfügbare[s] Kapitalvermögen von mindestens 200.000 Euro“. Und liquide Mittel in der Höhe dürften tatsächlich nicht so viele Menschen bereithalten können.
Das ist doch aber auch eine merkwürdige Metrik, oder? Die Familie mit 200.000 EUR Ersparnissen auf der hohen Kante, die zur Miete wohnt, ist "reich", während die konsumfreudigen Eigenheimbewohner das nicht sind? Gibt es dafür irgendeine schlüssige Begründung?
Ich weiß es nicht, vermute aber, daß das tatsächlich verfügbare Geld mehr über das „Gefühl“, reich zu sein, aussagt. Also plump ausgedrückt, jemand der zur Miete wohnt, aber eine Million auf dem Konto hat, hat i.d.R. keine Geldsorgen, selbst wenn er morgen seinen Job verliert und vor einer Revolution aus dem Land fliehen muß. Mit einem Immobilienbesitz im Millionenwert kann man aber dennoch „nicht reich“ sein, wenn man monatlich wenig Geld zum Ausgeben hat und so keineswegs vor Ängsten wie oben verschont ist.
Zitat von Florian -------------------------------------------------------------------------------- Übrigens darf man realistischerweise bei der Reichtumsverteilung in Deutschland von einem exponentiellen Verlauf ausgehen. --------------------------------------------------------------------------------
Na, da bin ich dann ja beruhigt. (Zwar die VWL-Vorlesung vergessen, aber immerhin einen Rest an mathematischem "Instinkt" bewahrt - ist ja auch schon was wert).
Dass ein solcher Verlauf in etwa "plausibel" ist, kann man übrigens an den veröffentlichten Vermögen der "Superreichen" erkennen (Forbes 500-Liste o.ä.).
Und mir ging es eigentlich auch nur um die Kern-Vermutung, dass die allermeisten "Reichen" in Deutschland eben gerade keine Millionäre sind, geschweigen denn Multi-Millionäre.
Naja sehr sinnvoll ist das trotzdem nicht. Man kann sich überlegen, dass eine sehr hohe Steuer auf Grundstückseigentum bspw. viele Leute dazu zwingen würde, ihre Häuser mit ordentlich Discount zu verkaufen, und die wären dann auf einmal reich.
Auf der anderen Seite muss ein Forscher den Wert relativ niedrig ansetzen, alleine schon, um den nötigen Stichprobenumfang zu bekommen. Würde man nur Bargeld-Millionäre in der Stichprobe verwenden (die vermutlich auch nicht sonderlich daran interessiert sind, Auskünfte zu erteilen), dann könnte man quantitativ Probleme bekommen.
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