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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 51 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.11.2010 08:53
Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Der "Spiegel" veröffentlicht im aktuellen Heft gleich zwei Gespräche mit Liberalkonservativen. Anlaß zu diesen Anmerkungen.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

09.11.2010 10:20
#2 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat
Ist es der Kern des Konservatismus, daß man die Realität akzeptiert; und andererseits das Wesen linken Denkens, daß man die Menschen umerziehen will?



Ich würde es etwas anders formulieren, lieber Zettel. Es sind ja verschiedene verschiedene Tendenzen:
Es gibt natürlich Linke, die die Menschen selber umerziehen wollen, das ist auch der Punkt, an der sich die Diskussion mit Schwarzer entzündet hat. In die Ecke gehört das ganze PC und Öko-Thema. Das ist aus meiner Sicht noch nicht so weit von den Konservativen entfernt, die wollen Menschen auch zum Besseren erziehen. Dabei ist immer noch in weiten Teilen Konsens, dass der Mensch ein Individuum ist, das für sich und andere verantwortlich ist. Diese Position auf der Linken würde ich sozialdemokratisch oder linkskonservativ nennen, Helmut Schmidt ist ihr bedeutendster Vertreter. Sie hat sich mit der Realität in ihren Grundzügen ausgesöhnt.

Dann gibt es aber auch den (meiner Ansicht nach zunehmenden) Teil der linken Utopisten, wozu auch die Kommunisten gehören. Diese haben ein Problem mit der Realität, weil diese ihrer Meinung nach verdorben ist. Weg vom Rousseauschen Urzustand. Soweit ist man mit dem Konservativen, zumindest wenn er ein Christ ist, noch einig, denn auch wir empfinden den Sündenfall als prägend für unser Menschenbild. Danach ist aber Schluss, und das Ganze geht so weit wie nur möglich auseinander.

Der idealtypische Konservative nimmt die Unvollkommenheit der Welt als Anlass für eine gewisse Demut gegenüber der Schöpfung, weshalb er versucht, sich und andere innerhalb dieser Grenzen zu verbessern. Er empfindet die Unvollkommenheit nicht als Ungerechtigkeit, die ihm von anderen aufgezwungen wird, sondern sozusagen als diesseitig systemimmanent.

Der idealtypische Linke akzeptiert die Unvollkommenheit nicht, er sucht zunächst nach einem bzw. einer Gruppe von Schuldigen (in diesem Sinne war der Nationalsozialismus eine dezidiert linke Bewegung). Kapitalisten, Klerikale, Männer sind es, die diesen Zustand hergestellt haben. Ist der Linke nun wie oben beschrieben ein Linkskonservativer und Realist, so akzeptiert er zumindest die Individualität derjenigen und setzt sich im "Wettstreit der Systeme" mit ihm auseinander. Ist er aber ein Utopist, so nimmt er an, dass alle Kapitalisten, Männer, Klerikalen ja auch nur durch irgendwelche extrinsischen Gründe das tun, was sie tun. Es genügt ihm also nicht, mit ihnen zu streiten, ja nicht einmal sie zu töten, denn aufgrund der Beschaffenheit der Welt würden immer wieder welche nachwachsen. Darum muss die Beschaffenheit der Welt geändert werden, so dass die Schuldigen nicht zur Entfaltung kommen. Gender Mainstreaming ist so ein Beispiel: Man verweiblicht den Mann schon bei der Erziehung, damit seine schlimmen Eigenschaften gar nicht zur Entfaltung kommen können.

Natürlich gibt es letztere Tendenzen der Umerziehung auch im konservativen Spektrum, die Sexualmoral der Evangelikalen und auch der Katholiken ist ein Beispiel dafür. Der Unterschied ist allerdings die Stoßrichtung. Das Erziehungsziel des Konservativen lautet: Wenn alle sich besser verhalten, wird der Zustand auf der Welt besser werden. Der Utopist sagt: "Wenn der Zustand auf der Welt besser ist, werden sich alle besser verhalten".

Gruß Petz

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

09.11.2010 10:21
#3 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zettel, Danke fuer das Zitat zu Frau Schroeder. Als Frau Schroeder zur Ministerin berufen wurde, hatte ich den Eindruck, da werde ein Maedchen aus Hessen ins Amt gehoben, welches sich durch Regionalproporz qualifiziert. Dem ich nicht so, sie hat inhaltliches Format.

Muyserin Offline




Beiträge: 110

09.11.2010 10:39
#4 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Dagny
Frau Schroeder […] hat inhaltliches Format.


„Format“ dürfte – außer bei Helmut Kohl – immer inhaltlich ausfallen. :)
@Dagny: Könnten Sie etwas konkreter werden, woran Sie Frau Schroeders Format ausmachen? Was hat Ihnen an ihr imponiert?

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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

09.11.2010 10:43
#5 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Die Realität anzuerkennen ist noch keine bestimmte politische Richtung, sondern schlicht vernünftig.
Solche Pragmatiker finden sich vor allem bei Liberalen und Konservativen, aber auch bei Sozialdemokraten, selten auch bei Grünen.

Als Definition von Konservatismus ist das m. E. falsch. Realitätsferne gibt es bei Konservativen genauso wie bei anderen politischen Richtungen.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

09.11.2010 10:55
#6 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von RA
Die Realität anzuerkennen ist noch keine bestimmte politische Richtung, sondern schlicht vernünftig.



Ich glaube Frau Schröder meinte. Die Unterschiedlichkeit der Menschen, ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Präferenzen anzuerkennen sei konservativ. Und weil sie sich selbst als konservativ bezeichnet, sind diese Unterschiede füpr sie eben Realität.

Linke erklären solche Unterschiede ja häufig, Meister Petz hat es ausgeführt, mit den bestehenden gesellschaftlichen (Herrschafts-)verhältnissen. Selbst ihre eigenen Präferenzen hinterfragen sie und erklären sie durch die Verhältnisse. ("Ich will ja nur deswegen Kinder und Familie, weil cih von den bösen bösen Märchen beeinflusst wurde" ) Wie unglücklich muss das politisch korrekte Wollen Wollen eigentlich machen?!

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

09.11.2010 12:00
#7 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von dirk
Ich glaube Frau Schröder meinte. Die Unterschiedlichkeit der Menschen, ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Präferenzen anzuerkennen sei konservativ.


Richtig, das meinte sie, und das ist letztlich nur eine Variante von "die Realität anerkennen". Und eben bei Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten zu finden - oder bei einigen eben nicht.

Im Kern hat sie zwischen linken Traumtänzern und anderen unterschieden. Eine Konservatismus-Definition ist das nicht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.11.2010 13:14
#8 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Lieber Petz,

Ihr sehr gedankenreicher Beitrag macht mir wieder einmal deutlich, wie schwer es ist, solche Begriffe wie links, rechts, konservativ, liberal usw. zu definieren. Wir glauben alle zu wissen, was das ist; und wenn wir es durchdenken, dann lösen sich diese Begriffe - das ist mein Eindruck - immer mehr auf.

Sie haben Recht: Auch Konservative wollen erziehen. Manche sogar sehr; Sie erwähnen die Evangelikalen. Andererseits gibt es Linke (oder solche, die dort gemeinhin veortet werden), die gerade nicht erziehen wollen; nehmen Sie Bakunin und überhaupt anarchistische Strömungen.

Liegt, wie Sie vermuten, der Unterschied darin, ob man sozusagen direkt oder indirekt erziehen will, ob man beim Individuum ansetzt oder bei der Gesellschaft? Auf den ersten Blick einleuchtend - aber setzen nicht auch Linke ganz erheblich beim Individuum an; man denke an die Erziehungsdikatur in der DDR? Und legen nicht andererseits Konservative gerade Wert auf die Institutionen?



Wie sieht es mit dem Realismus aus? Marxisten halten sich für die größten Realisten; realissimo. Man kann behaupten, daß Sie die Welt falsch sehen (was ich glaube), aber sie wollen dem Anspruch nach die Welt schnörkellos genau so sehen, wie sie ist. Sie haben - die richtigen Marxisten, also heute Leute wie Bisky und Gysi, nicht linke Spinner - ja nicht vor, die Welt voluntaristisch umzukrempeln; sie wollen nur dem zum Durchbruch verhelfen, was in der Realität schon angelegt ist, was "zur Wirklichkeit drängt". (Bloch übrigens war in diesem Punkt gerade kein Marxist, sondern eher ein Voluntarist).

Also auch diese Dimension realistisch-utopisch scheint mir nur bedingt tauglich, zwischen Konservativen und Linken zu unterscheiden. Es gibt utopische und realistische Linke. Die meisten Konservativen sind vielleicht eher realistisch. Aber gab es nicht auch einmal die Idee einer "konservativen Revolution"? Könnte man Bush mit seiner Idee einer Demokratisierung der Welt nicht nachgerade einen Utopiker nennen?

Sie sehen, ich bin auch nach der Lektüre Ihres schönen Beitrags weiter ratlos, lieber Petz. Man erleuchte mich!, um mit Gorgasal zu sprechen.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.11.2010 13:19
#9 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Muyserin

Zitat von Dagny
Frau Schroeder […] hat inhaltliches Format.


„Format“ dürfte – außer bei Helmut Kohl – immer inhaltlich ausfallen. :)



Hm, ist es nicht gerade - wie der Name sagt - etwa Formales, also eben gerade nicht Inhaltliches?

So ist es jedenfalls bei, sagen wir, dem DIN-Format oder einem Textformat. Aber auch im psychologischen Bereich scheint es mir so zu sein. Wenn ich jemandem Format bescheinige, dann sehe ich vom Inhaltlichen weitgehend ab - ich kann zum Beispiel jemandem, der politisch mein Gegner ist, dennoch Format zubilligen.

Herzlich, Zettel

Muyserin Offline




Beiträge: 110

09.11.2010 13:27
#10 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Zettel
Wenn ich jemandem Format bescheinige, dann sehe ich vom Inhaltlichen weitgehend ab - ich kann zum Beispiel jemandem, der politisch mein Gegner ist, dennoch Format zubilligen.
Herzlich, Zettel



Da Sie Ihre Argumentation an der Stelle ansetzen. für die ich eine Schwäche habe - die Sprache – kann ich ja gar nicht anders, als Ihnen beizupflichten. :) Dennoch klingt „inhaltliches Format“ in meinen Ohren leicht tautologisch. Irgendeine Schnittmenge zwischen meiner und der Meinung meines Kontrahenten muss es ja schon geben, wenn ich ihm Format bescheinige. Sonst müsste ich ja allen, die nur sturköpfig genug auftreten, Format bescheinigen.

--
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Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

09.11.2010 14:11
#11 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Danke für das Lob

Zitat von Zettel
aber setzen nicht auch Linke ganz erheblich beim Individuum an; man denke an die Erziehungsdikatur in der DDR? Und legen nicht andererseits Konservative gerade Wert auf die Institutionen?


Aber die Erziehungsdiktatur in der DDR hatte ja das Ziel der Kollektivierung. Ich finde, man kann das schön an den Jugendorganisationen sehen. Die waren in der DDR von oben verordnet. Das Verhältnis ist daher ex negativo definiert. Nicht, um die Jugendlichen zu guten Sozialisten zu machen, sondern um dafür zu sorgen, dass es nichts mehr anderes als Sozialisten gibt. Wo bleibt da das Individuum?
Was die Konservativen und die Institutionen angeht: Natürlich ist es wahr, dass (gerade im praktizierten Katholizismus) Institutionen oft als Selbstzweck angesehen werden. Ich denke, das entscheidende Stichwort ist hier "Autorität". Autorität im ganz ursprünglichen Sinne der auctoritas als "Urheberschaft" ist aus meiner Sicht gesellschaftlich unverzichtbar, aber man kann z. B. als Liberaler dem Linken wie dem Konservativen vorwerfen, Autorität an Institutionen auszulagern.

Zitat von Zettel
Wie sieht es mit dem Realismus aus? Marxisten halten sich für die größten Realisten; realissimo. Man kann behaupten, daß Sie die Welt falsch sehen (was ich glaube), aber sie wollen dem Anspruch nach die Welt schnörkellos genau so sehen, wie sie ist. Sie haben - die richtigen Marxisten, also heute Leute wie Bisky und Gysi, nicht linke Spinner - ja nicht vor, die Welt voluntaristisch umzukrempeln; sie wollen nur dem zum Durchbruch verhelfen, was in der Realität schon angelegt ist, was "zur Wirklichkeit drängt". (Bloch übrigens war in diesem Punkt gerade kein Marxist, sondern eher ein Voluntarist).


Aber das ist ja keine Realität im empirischen Sinne, sondern Metaphysik. Vielleicht liegt der Unterschied darin, dass der Konservative Empirie und Metaphysik auseinanderhalten kann. Ein konservativer Wissenschaftler kann an das liebe Jesulein und die Engel glauben und trotzdem korrekte empirische Forschung betreiben. Warum treiben sich die Linken vorrangig in den Gesellschaftswissenschaften rum? Und was das "so sehen, wie es ist" angeht: Warum dann stets dieser Hang zum "Entlarven"? Ich habe den Eindruck, vielen Linken scheint eine These um so plausibler, je kontraintuitiver sie formuliert ist. Das verwechseln die dann mit Intellekt.

Zitat von Zettel
Also auch diese Dimension realistisch-utopisch scheint mir nur bedingt tauglich, zwischen Konservativen und Linken zu unterscheiden. Es gibt utopische und realistische Linke. Die meisten Konservativen sind vielleicht eher realistisch. Aber gab es nicht auch einmal die Idee einer "konservativen Revolution"? Könnte man Bush mit seiner Idee einer Demokratisierung der Welt nicht nachgerade einen Utopiker nennen?

Das ist ja eine Kritik der Linken, die gerade dort anscheinend ihren Pragmatismus entdeckt haben. Aber wenn man genau hinschaut, steckt da auch ein Programm dahinter, nämlich eine Begründung des Werterelativismus anhand momentaner Zustände. Ob Bush ein Che-Guevara-Relist ist (seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche), ist schwer zu beurteilen. Ich halte seine Politik jedenfalls nicht für symbolisch, sondern unterstelle ihm, dass er eine Machbarkeitsabwägung getroffen hat.

Zitat von Zettel
Sie sehen, ich bin auch nach der Lektüre Ihres schönen Beitrags weiter ratlos, lieber Petz. Man erleuchte mich!, um mit Gorgasal zu sprechen.

Begriffsanalyse ist ja auch kein geeignetes Mittel, um schlauer zu werden, sie kann allenfalls sehr kluge Konditionale aufstellen. Aber mir sind die immer noch lieber als die Realdefinitionen ("Ein Rechter ist einer, der was gegen Ausländer hat"), die man bei seinem täglichen Medienkonsum so über sich ergehen lassen muss.

Gruß Petz

Michel Offline



Beiträge: 265

09.11.2010 17:24
#12 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Den Konservativismus zu definieren fällt auch schwerer als das bei der Linken und dem Liberalismus der Fall ist. Jeder wird zustimmen, dass das Kernanliegen der Linken ist, Distinktionsmöglichkeiten abzubauen. Das Programm des Liberalismus ist es, die Entscheidungsbereiche der Einzelnen zu entkoppeln und dort wo das nicht möglich ist formale Verfahren einzuführen, die Konflikte einhegen. Aber wie soll man den Konservativismus definieren der Erhalt des Bestehenden reicht nicht aus, da Konservative durchaus eine politische Agenda verfolgen. Auch fehlt es an bekannten Vordenkern. Der häufig genannte Edmund Burke vertrat einen Liberalkonservativismus und war zeitlebens Whig und nicht etwa Tory. Ähnlich verhält es sich mit anderen Kandidaten. Carl Schmitt wird nicht als konservativ eingeordnet, sondern rechts davon. Mir kommt es so vor als würde allein der Versuch eine konservative politische Theorie zu erstellen entweder zu einer Radikalisierung führen, die mit den Konservativismus nicht vereinbar ist oder eben zu einen Liberalkonservativismus.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

09.11.2010 18:01
#13 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Michel
Aber wie soll man den Konservativismus definieren der Erhalt des Bestehenden reicht nicht aus, da Konservative durchaus eine politische Agenda verfolgen. Auch fehlt es an bekannten Vordenkern. Der häufig genannte Edmund Burke vertrat einen Liberalkonservativismus und war zeitlebens Whig und nicht etwa Tory. Ähnlich verhält es sich mit anderen Kandidaten. Carl Schmitt wird nicht als konservativ eingeordnet, sondern rechts davon. Mir kommt es so vor als würde allein der Versuch eine konservative politische Theorie zu erstellen entweder zu einer Radikalisierung führen, die mit den Konservativismus nicht vereinbar ist oder eben zu einen Liberalkonservativismus.

Das Problem ist, dass der politische Konservatismus im Gegensatz zum Marxismus oder dem Liberalismus niemals entkoppelt von den tatsächlichen bestehenden Verhältnissen denkbar ist. Ich halte z. B. Hobbes aus heutiger Sicht für einen großartigen konservativen Denker, der allerdings zu seiner Zeit als antiklerikaler Revoluzzer und damit alles andere als konservativ angesehen wurde. Bei Carl Schmitt ist es umgekehrt, er bekämpfte die Weimarer Republik aus reaktionären Gründen und ließ sich deshalb mit den Nazis ein.

Vielleicht ist gerade das das Erfolgsprinzip des politischen Konservatismus, dass er so herrlich theoriefrei ist (man könnte nämlich auch sagen: ideologiefrei). Der Konservative begründet sein Handeln aus einem allgemeinen - nicht spezifisch politischen Wertesystem heraus. Kein Wunder, dass sich so wenige Konservative, die sich wissenschaftlich betätigen, sich ausgerechnet in der Politischen Theorie finden.

Gruß Petz

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

09.11.2010 20:36
#14 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Muyserin

Zitat von Dagny
Frau Schroeder […] hat inhaltliches Format.


„Format“ dürfte – außer bei Helmut Kohl – immer inhaltlich ausfallen. :)



Hm, ist es nicht gerade - wie der Name sagt - etwa Formales, also eben gerade nicht Inhaltliches?
So ist es jedenfalls bei, sagen wir, dem DIN-Format oder einem Textformat. Aber auch im psychologischen Bereich scheint es mir so zu sein. Wenn ich jemandem Format bescheinige, dann sehe ich vom Inhaltlichen weitgehend ab - ich kann zum Beispiel jemandem, der politisch mein Gegner ist, dennoch Format zubilligen.
Herzlich, Zettel




Ich hatte im Kopf, jemandem unterschiedliche Formate zuzubilligen. Ein guter Redner hat nach einer launigen Bierzeltrede 'rethorisches Format'. Ein Politiker mag sich im Laufe seiner Karriere staatsmaenisches Format erarbeiten (Ich denke an den Altkanzler -(Schmidt, natuerlich)) oder auch Joschka Fischer, bei dem kommt auch das koerperliche Format hinzu.

Die Causa Schroeder vs. Schwarzer weitet sich nun aber aus. Frau Schroeder zeigt in meinen Augen, dass sie nicht die Quoten-Hessin ist, sondern eben auch inhaltlich was auf dem Kasten hat: Sprich inhaltliches Format. Ich lehne mich auch nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich Frau Schwarzer abspreche, den Zeitpunkt fuer den Rueckzug aus der ersten Reihe verpasst zu haben. Junge Karrierefrauen a la Frau Schroeder nehmen Frau Schwarzer nicht mehr ernst und begruenden das ganz vernuenftig.

Michel Offline



Beiträge: 265

09.11.2010 22:22
#15 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat
Der Konservative begründet sein Handeln aus einem allgemeinen - nicht spezifisch politischen Wertesystem heraus.



Das ist richtig, Konservative betrachten Politik immer aus einer Art Innenperspektive mit definierten Grenzen zum Außen. Liberale und Linke versuchen universelle Programme zu entwickeln. Das erschwert es für Konservative natürlich eine politische Theorie aufzubauen. Einen Vorteil würde ich darin jedoch nicht sehen. M.E. gehen Konservative hinter den Erkenntnismöglichkeiten zurück, die sich aus universellen Ansätzen ergeben.

Apollo ( gelöscht )
Beiträge:

09.11.2010 22:39
#16 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Dagny
Junge Karrierefrauen ...

Google bringt den Beweis:
Karrierefrauen 24.300,
Karrieremänner 1.900,
Karrierefrau 263.000,
Karrieremann 2.820 Treffer.
FrauInnen sind eben doch die besseren MenschInnen. Das nur mal als Einstieg ...

Ministerin Schröder tut also gut daran, die Frauenquote einzuführen. Und sie sollte sich dabei nicht durch Nebensachen wie etwa den Gleichheitsgrundsatz gem. GG Art. 3 (Ist das auch schon faschistisch? Man kriegt ja nicht mehr jeden Schwenk mit.) aus dem Tritt bringen lassen.
Zumal die Quote ja nicht überall gelten soll. Bei den Knastinsassen dürfen die Männer ruhig weiter 90% stellen; das hat nichts mit Diskriminierung zu tun.
Auch dass Frauen sich genauso oft wie Männer entschließen sollten, wenigstens einen Beruf zu lernen, das hat (so wie ich das überblicke) Schröder noch nie gefordert. Warum auch, wenn Frauen die geborenen Konzerncheffinnen sind?
„Für mich bedeutet Konservatismus, die Realität zu akzeptieren.“ Und Realität ist nun mal, dass die Quote die Realität ist (oder so).

Wie wäre es, bei Kindermord eine Quote einzuführen?
Nein, ich meine nicht, dass die Männer jetzt genauso viele Kinder ermorden sollen wie die Frauen. Es wäre aber viel gewonnen, wenn die Frauen ihre mörderischen Aktivitäten auf Männerniveau runterfahren würden.
Eine weltfremder Wunsch, ich weiß. Und ein Ansinnen, das Schröder nie, ich wiederhole ausdrücklich: NIEMALS unterstützen würde. Sie sieht das pragmatisch: „Für mich bedeutet Konservatismus, die Realität zu akzeptieren.“

Männer erleiden 85% der Arbeitsunfälle. Frau Ministerin, wie kriegen wir hier die Quote unter? Sollen wir jetzt den Frauen die Knochen brechen, wegen der sozialen und überhaupt Gerechtigkeit?
Ach so, verstehe. Selbst schuld, der Depp von Maurer. Warum fällt er auch vom Gerüst? Soll sich ein Beispiel an der Gleichstellungsbeauftragtin nehmen. Der passiert ja auch nichts beim ... ja, wie nennen wir das eigentlich?

Obwohl Frauen 50% der Weltbevölkerung stellen, sind bei uns in der Chirurgie nur 12% der Fachärzte Frauen. Und das, obwohl Frauen die besseren Medizinerinnen sind. 40% sollten es deshalb schon sein. Und wenn die Kliniken den Frauenanteil nicht freiwillig hochschrauben, dann wird Schröder es eben per Gesetz tun.
Wie meinen, das wäre absurd?
Stimmt. Um zu operieren braucht´s Sachkenntnis. Aber scheinbar glaubt Schröder, dass jede Trottelin Konzerne leiten kann.

Der verehrte Herr Bundespräsident hat angeregt, Sarrazin aus der Bundesbank zu werfen, „damit die Diskussion Deutschland nicht schadet - vor allem auch international“.
Gegen die Quotenvorhaben (also die regierungsoffizielle Diskriminierung) hat Wulff nichts gesagt. Verfassungsbruch scheint Deutschland nicht zu schaden, auch nicht international.


Tut mir leid, aber unter liberal und konservativ stelle ich mir was anderes vor.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

09.11.2010 22:45
#17 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Apollo
Ministerin Schröder tut also gut daran, die Frauenquote einzuführen. ...
Auch dass Frauen sich genauso oft wie Männer entschließen sollten, wenigstens einen Beruf zu lernen, das hat (so wie ich das überblicke) Schröder noch nie gefordert.


Mir ist nicht ganz klar, was Frau Schröder denn nun eigentlich will.

Zitat von SPON
Die Ministerin lehnt es ab, Frauen im Berufsleben durch staatliche Zwangsmaßnahmen wie Quoten zu fördern. Eine Quote sei auch immer "eine Kapitulation der Politik". Gleichzeitig wies sie den Frauen eine Mitschuld daran zu, dass sie oft weniger verdienen als Männer. "Die Wahrheit sieht doch so aus: Viele Frauen studieren gern Germanistik und Geisteswissenschaften, Männer dagegen Elektrotechnik - und das hat eben auch Konsequenzen beim Gehalt. Wir können den Unternehmen nicht verbieten, Elektrotechniker besser zu bezahlen als Germanisten."


http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...,727648,00.html

--
La historia claramente demuestra que gobernar es tarea que excede la capacidad del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

09.11.2010 23:13
#18 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Michel
Konservative betrachten Politik immer aus einer Art Innenperspektive mit definierten Grenzen zum Außen.

Tun sie das? Aus meiner Sicht betrachten sie die Aufgaben und suchen nach Lösungen. Oder was meinen Sie genau damit?

Zitat von Michel
Einen Vorteil würde ich darin jedoch nicht sehen. M.E. gehen Konservative hinter den Erkenntnismöglichkeiten zurück, die sich aus universellen Ansätzen ergeben.

Welche Erkenntnismöglichkeiten sollen das denn sein? Obwohl (oder vermutlich eher weil) ich selber Philosophie studiert habe, kann ich mir nichts schlimmeres als den Platonischen Philosophenstaat vorstellen, und unter einem Kanzler Luhmann oder einem Innenminister Habermas möchte ich keinen Tag leben.

Gruß Petz

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

09.11.2010 23:48
#19 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Meister Petz

Zitat von Michel
Einen Vorteil würde ich darin jedoch nicht sehen. M.E. gehen Konservative hinter den Erkenntnismöglichkeiten zurück, die sich aus universellen Ansätzen ergeben.

Welche Erkenntnismöglichkeiten sollen das denn sein?


Das verspricht ja eine Unterhaltung genau nach meinem Geschmack zu werden! Als (ab sofort) stiller Zuhörer möchte ich nur Michel und Sie bitten, nicht zu erlahmen, und diese Frage endlich einmal abschließend zu klären

Herzlich, Ungelt

Michel Offline



Beiträge: 265

09.11.2010 23:54
#20 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat
Oder was meinen Sie genau damit?



Im Konservativismus ist die Identifikation mit einer Sache ein Grund diese zu unterstützen. Unsere Interessen sind durchzusetzen weil es eben die unsrigen sind. Im Liberalismus würde man unseren Interessen das gleiche Gewicht zumessen wie den der anderen, da sie das Problem formal betrachten und es daher für die Legitimität von Interessen nicht darauf ankommen darf, wer sie vertritt. Linke würden den eigenen Interessen sogar gar kein oder sogar negatives Gewicht zugestehen.

Zitat
Welche Erkenntnismöglichkeiten sollen das denn sein?



Eben die Fragen nach universellen Gesetzmäßigkeiten, wie etwa Marktgesetze, die Dynamik von Institutionen usw.

Edit: Und am Wichtigsten aber keine Erkenntnismöglichkeit im eigentlichem Sinn, die Frage ob es überpositives Recht gibt.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

10.11.2010 00:49
#21 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Michel
Im Konservativismus ist die Identifikation mit einer Sache ein Grund diese zu unterstützen. Unsere Interessen sind durchzusetzen weil es eben die unsrigen sind. Im Liberalismus würde man unseren Interessen das gleiche Gewicht zumessen wie den der anderen, da sie das Problem formal betrachten und es daher für die Legitimität von Interessen nicht darauf ankommen darf, wer sie vertritt. Linke würden den eigenen Interessen sogar gar kein oder sogar negatives Gewicht zugestehen.

Hm, ich bin noch nie auf die Idee gekommen, das an Hand der Interessenvertretung zu definieren. Deshalb bitte ich zum Verständnis noch um ein paar Klärungen.
1. Über welche Interessen reden wir? Nationale? Partikulare? Private? Staatliche? Ökonomische? Strategische?
2. Was hat das mit Ihrer These

Zitat von Michel
Konservative betrachten Politik immer aus einer Art Innenperspektive mit definierten Grenzen zum Außen.

zu tun?
3. Inwiefern geben die Linken ihren eigenen Interessen kein oder ein negatives Gewicht? In der - die Diskussion beförderndern - Schwarzer-Köhler-Debatte wirft doch gerade die Linke der Konservativen vor, die eigenen Interessen (nämlich die der Frauen) zu verraten?

Zitat von Michel

Zitat
Welche Erkenntnismöglichkeiten sollen das denn sein?


Eben die Fragen nach universellen Gesetzmäßigkeiten, wie etwa Marktgesetze, die Dynamik von Institutionen usw.
Edit: Und am Wichtigsten aber keine Erkenntnismöglichkeit im eigentlichem Sinn, die Frage ob es überpositives Recht gibt.


Beim letzten würde ich zustimmen. Die Marktgesetze würde ich gerne von den dafür zuständigen Wissenschaftlern untersucht wissen (es gibt wenig Erschreckendes als Politologen und leider manchmal auch Philosophen, die über nationalökonomische Themen reden). Und was die Dynamik von Institutionen angeht: Ich finde, das ist eine empirische Frage und keine theoretische. Universelle Gesetzmäßigkeiten sind gar nicht so häufig zu finden, und wenn diese vermeintlich vorhandenen auf konkretes politisches Handeln angewandt werden sollten, kommt sowas dabei raus, was wir heute vor 21 Jahren zum Glück überwunden haben.

Gruß Petz

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.11.2010 00:56
#22 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Meister Petz

Zitat von Zettel
aber setzen nicht auch Linke ganz erheblich beim Individuum an; man denke an die Erziehungsdikatur in der DDR? Und legen nicht andererseits Konservative gerade Wert auf die Institutionen?


Aber die Erziehungsdiktatur in der DDR hatte ja das Ziel der Kollektivierung. Ich finde, man kann das schön an den Jugendorganisationen sehen. Die waren in der DDR von oben verordnet. Das Verhältnis ist daher ex negativo definiert. Nicht, um die Jugendlichen zu guten Sozialisten zu machen, sondern um dafür zu sorgen, dass es nichts mehr anderes als Sozialisten gibt. Wo bleibt da das Individuum?



Das stimmt, lieber Petz. Ich hatte Sie aber so verstanden, daß es um eine etwas andere Dimension geht: Setzt man mit seinen Bemühungen bei den "Verhältnissen" an, oder versucht man die Menschen durch direkte Einflußnahme (also vor allem Erziehung) zu ändern?

Zitat von Meister Petz
Was die Konservativen und die Institutionen angeht: Natürlich ist es wahr, dass (gerade im praktizierten Katholizismus) Institutionen oft als Selbstzweck angesehen werden. Ich denke, das entscheidende Stichwort ist hier "Autorität". Autorität im ganz ursprünglichen Sinne der auctoritas als "Urheberschaft" ist aus meiner Sicht gesellschaftlich unverzichtbar, aber man kann z. B. als Liberaler dem Linken wie dem Konservativen vorwerfen, Autorität an Institutionen auszulagern.


Sind das nicht vielleicht zwei Dimensionen? autoritär - liberal (libertär) und links-rechts?

Der amerikanische Konservatismus ist ganz überwiegend liberalkonservativ. Der Grundwert ist die Freiheit des Einzelnen. Ich habe einmal die Unabhängigkeitserklärung mit der entsprechenden Deklaration der Französischen Revolution verglichen. Die eine beginnt mit den Rechten des Einzelnen, die anderen mit der Gesellschaft.

Der europäische Konservatismus hat viel eher autoritäre Züge. Das erklärt sich - natürlich - historisch: Die europäische konservative Bewegung entstand als Reaktion auf den Vormärz. Zuvor gab es eigentlich keine "Konservativen"; jedenfalls habe ich das in Bezug auf das 18. Jahrhundert nie gelesen. Die amerikanische konservative Bewegung entstand als Reaktion auf sozialdemokratische Experimente in den USA; beginnend mit Roosevelt. Zuvor hatte es im Grunde zwei gegensätzliche Spielarten des Konservatismus gegeben: Den der Yankees und den der Südstaatler.

Bis zur Umorganisation des amerikanischen Parteienystems in den sechziger Jahren fiel die Unterscheidung konservativ-progressiv dadurch überhaupt nicht mit dem Gegensatz zwischen den beiden Parteien zusammen.

Es gab die konservativen Südstaaten-Demokraten und die progressiven Ostküsten-Demokraten: es gab die konservativen Yankees des Mittelwestens, der Präriestaaten usw. und die progressiven Republikaner ebenfalls der Ostküste. Der Republikaner Nelson D. Rockefeller zum Beispiel war zugleich ein liberal.

Zitat von Meister Petz

Zitat von Zettel
Wie sieht es mit dem Realismus aus? Marxisten halten sich für die größten Realisten; realissimo. (...)


Aber das ist ja keine Realität im empirischen Sinne, sondern Metaphysik. Vielleicht liegt der Unterschied darin, dass der Konservative Empirie und Metaphysik auseinanderhalten kann. Ein konservativer Wissenschaftler kann an das liebe Jesulein und die Engel glauben und trotzdem korrekte empirische Forschung betreiben.



Marxismus ist schlechte Wissenschaft, aber dem Anspruch nach doch eben Wissenschaft. Marx war ja ungemein stolz darauf, kein utopischer Sozialist zu sein, der sich etwas ausmalt. Er wollte vorhersagen, wie es aus objektiven Gründen werden würde.

Zitat von Meister Petz

Zitat von Zettel
Aber gab es nicht auch einmal die Idee einer "konservativen Revolution"? Könnte man Bush mit seiner Idee einer Demokratisierung der Welt nicht nachgerade einen Utopiker nennen?

Das ist ja eine Kritik der Linken, die gerade dort anscheinend ihren Pragmatismus entdeckt haben. Aber wenn man genau hinschaut, steckt da auch ein Programm dahinter, nämlich eine Begründung des Werterelativismus anhand momentaner Zustände. Ob Bush ein Che-Guevara-Relist ist (seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche), ist schwer zu beurteilen. Ich halte seine Politik jedenfalls nicht für symbolisch, sondern unterstelle ihm, dass er eine Machbarkeitsabwägung getroffen hat.



Das nehmen natürlich auch linke Utopisten in Anspruch. Soyons réalistes, demandons l'impossible.

Also, lieber Petz, mir scheint es - Michel schreibt Ähnliches, ich antworte gleich noch darauf - viel schwieriger zu sein, den Konservativen zu fassen als den Liberalen oder den Sozialdemokraten. Oder auch den Sozialisten.

Die Spielarten des Sozialismus, vom Kommunismus bis zum Nationalsozialismus sind einander, so scheint es mir, ungleich ähnlicher als die Spielarten dessen, was Konservatismus genannt wird.

Herzlich, Zettel

Meister Petz Offline




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10.11.2010 00:58
#23 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Ungelt
Als (ab sofort) stiller Zuhörer möchte ich nur Michel und Sie bitten, nicht zu erlahmen, und diese Frage endlich einmal abschließend zu klären



Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse, lieber Ungelt. Wenn ein Philosoph glaubt, eine Frage abschließend geklärt zu haben, bekommt ihm das meistens nicht gut. Also lieber den Vorhang zu - und alle Fragen bleiben offen!

Gruß Petz

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

10.11.2010 01:25
#24 RE: Zitate des Tages: Zweimal liberalkonservativ Antworten

Zitat von Zettel
Setzt man mit seinen Bemühungen bei den "Verhältnissen" an, oder versucht man die Menschen durch direkte Einflußnahme (also vor allem Erziehung) zu ändern?

Die Frage ist doch, was ist Ziel, und was ist Mittel? Hier ist die direkte Einflussnahme das Mittel, das dem Ziel der Umwandlung der Verhältnisse dient. Nehmen wir ein Gegenbeispiel der konservativen Jugendorganisationen - Ministranten und Pfadfinder. Ich war einige Jahre lang Ministrant, und das Erziehungsziel dort war, mich zu einem frommen Katholiken zu machen. Nicht um die Katholisierung der Welt zu erreichen, sondern um mein Seelenheil zu befördern.

Zitat von Zettel
Sind das nicht vielleicht zwei Dimensionen? autoritär - liberal (libertär) und links-rechts?

Deshalb habe ich ja extra, um nicht missverstanden zu werden, mich auf die auctoritas im Sinne einer nicht zwingenden (im Sinne einer Herrschaft), sondern natürlichen Autorität bezogen. Diese Autorität bildet keinen Gegensatz zu liberal, weil ja auch ein Liberaler durchaus Autoritäten akzeptiert, solange sie ihm nicht von außen aufgezwungen werden.

Zitat von Zettel
Der amerikanische Konservatismus ist ganz überwiegend liberalkonservativ. Der Grundwert ist die Freiheit des Einzelnen. Ich habe einmal die Unabhängigkeitserklärung mit der entsprechenden Deklaration der Französischen Revolution verglichen. Die eine beginnt mit den Rechten des Einzelnen, die anderen mit der Gesellschaft.

Politisch ja. Moralisch halte ich den europäischen Konservatismus für windelweich im Vergleich zu den USA.

Zitat von Zettel
Marxismus ist schlechte Wissenschaft, aber dem Anspruch nach doch eben Wissenschaft. Marx war ja ungemein stolz darauf, kein utopischer Sozialist zu sein, der sich etwas ausmalt. Er wollte vorhersagen, wie es aus objektiven Gründen werden würde.

Das tut die Astrologie auch. Sie konstruiert Gesetzmäßigkeiten aus empirisch wahrnehmbaren Phänomenen und macht Voraussagen (ungefähr mit dem gleichen Erfolg). Trotzdem würden wir einen Astrologiegläubigen nicht unbedingt als Realisten bezeichnen.

Zitat von Zettel
Also, lieber Petz, mir scheint es - Michel schreibt Ähnliches, ich antworte gleich noch darauf - viel schwieriger zu sein, den Konservativen zu fassen als den Liberalen oder den Sozialdemokraten. Oder auch den Sozialisten.Die Spielarten des Sozialismus, vom Kommunismus bis zum Nationalsozialismus sind einander, so scheint es mir, ungleich ähnlicher als die Spielarten dessen, was Konservatismus genannt wird.

Daran wird weder der Kommunist noch der Nationalsozialist eine Freude haben . Ich habe ja in meiner Antwort an Michel vorgeschlagen, dass es eben genau daran liegt, dass er sehr wenig theoriegeleitet handelt; Michel bedauert das, ich finde das einen seiner Vorzüge. Aber bei einem Punkt würde ich widersprechen: Dass es einfacher wäre, den Liberalen zu fassen. Wenn man in die Kommentarspalten des A-Teams oder der Bissigen schaut, gibt es selbst unter ihnen selbst ständig heiße Diskussionen darüber, was nun liberal ist und was nicht.

Gruß Petz

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.11.2010 02:08
#25 Gemeinsames Fundament, verschiedene Gebäude Antworten

Zitat von Michel
Den Konservativismus zu definieren fällt auch schwerer als das bei der Linken und dem Liberalismus der Fall ist. Jeder wird zustimmen, dass das Kernanliegen der Linken ist, Distinktionsmöglichkeiten abzubauen. Das Programm des Liberalismus ist es, die Entscheidungsbereiche der Einzelnen zu entkoppeln und dort wo das nicht möglich ist formale Verfahren einzuführen, die Konflikte einhegen. Aber wie soll man den Konservativismus definieren der Erhalt des Bestehenden reicht nicht aus, da Konservative durchaus eine politische Agenda verfolgen. Auch fehlt es an bekannten Vordenkern. Der häufig genannte Edmund Burke vertrat einen Liberalkonservativismus und war zeitlebens Whig und nicht etwa Tory. Ähnlich verhält es sich mit anderen Kandidaten. Carl Schmitt wird nicht als konservativ eingeordnet, sondern rechts davon. Mir kommt es so vor als würde allein der Versuch eine konservative politische Theorie zu erstellen entweder zu einer Radikalisierung führen, die mit den Konservativismus nicht vereinbar ist oder eben zu einen Liberalkonservativismus.


Schöner Beitrag!

Vielleicht kann man im Konservatismus (oder Konservativismus, was mir eigentlich besser gefällt) zwei Komponenten unterscheiden, nämlich eine gemeinsame Basis und die u.U. sehr verschiedenen Gebäude, die auf diesem Fundament errichtet werden.

Die Basis ist aus meiner Sicht Skepsis und - in der Tat - Realismus. Es ist ja kein Zufall, daß die meisten Menschen mit wachsender Lebenserfahrung konservativer werden. Viele beginnen als Linke und enden als Konservative - aber wo sind Beispiele für die umgekehrte politische Entwicklung? Ich kenne keine.

Man wird konservativ, weil man lernt, daß gutgemeinte Versuche, die Welt zu verbessern, fast stets in deren Verschlecherung münden; daß Vertrauen fahrlässig ist, wenn es nicht mit gegenseitigen Sicherheiten verbunden ist; daß die Menschen ein gutes und ruhiges Leben haben wollen und nicht ihr Leben einer Idee widmen; daß es fahrlässig ist, gegen die biologische Natur des Menschen, diejenige von Mann und Frau angehen zu wollen.



Das ist die konservative Basishaltung. Welches politische Gebäude auf diesem Fundament steht, das hängt von der historischen Lage ab.

Was gestern progressiv war, kann auf dieser zweiten Ebene heute konservativ sein; wir haben in einem anderen Thread beispielsweise über den Nationalismus des Vormärz diskutiert, der eben durchaus progressiv gewesen ist.

Konservative können liberal sein wie ganz überwiegend die amerikanischen Konservativen; sie können autoritär sein wie, sagen wir, der erzkonservative junge Bismarck, der sich als Reaktionär stilisiert hat. Es gibt eine elitär-konservative Haltung, wie sie Ernst Jünger und Gottfried Benn gepflegt haben; aber es gibt auch den eher egalitären Konservatismus beispielsweise der Tea Party. Es gibt einen religiösen Konservatismus wie bei den Evangelikalen, aber auch einen ganz säkular-rationalen wie bei den meisten Necons in den USA.



In Deutschland fehlt es seit einem Jahrhundert an einer vorzeigbaren konservativen Tradition. Die konservative Oberschicht, deren Niedergang Fontane mit Mitgefühl und Thomas Mann mit ironischem Zynismus geschildert hat, ging mit dem Ersten Weltkrieg unter. Es blieben Einzelgänger wie Jünger und Benn; wie Hans Freyer und Arnold Gehlen, die heute fast vergessen sind.

Der Nazismus hat den deutschen Konservatismus endgültig vernichtet; er war nicht nur dessen Opfer, sondern wurde zu allem Überfluß auch noch als dessen Mittäter denunziert. Als wenn die Nazis Konservative gewesen wären und nicht Sozialisten.

Herzlich, Zettel

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