Hier ist die Lösung des kleinen Quiz: Die Staaten, die laut der AP-Meldung den Boykott der Feier zur Verleihung des Nobelpreises an Liu Xiaobo angekündigt haben, sind fett hervorgehoben:

(A) Afghanistan
(B) Brasilien
(C) Cuba
(D) Irak
(E) Kasachstan
(F) Marokko
(G) Nordkorea
(H) Rußland
(I) Syrien
(K) Vietnam

Falls dem ein oder anderen die Namen auf dieser Liste etwas überraschend vorkommen, mache ich hier mal ein Versuch die Motive dieser Staaten zu erklären:

Kuba und Russland dürften keine große Überraschung sein, da beide Staaten ja selbst berühmt dafür sind Kritiker ihres Systems ähnlich wie Xiabao zu behandeln (bzw. auch vor dem ein oder anderen Mord nicht zurückschreckt).

Bei Marokko ist auf den ersten Blick nicht unbedingt ersichtlich warum es Chinas Boykott unterstützt.
Sicherlich hat Marokko auch nicht den besten Namen was Menschenrechte angeht und auch gute Handelsbeziehungen zu China spielen sicher eine Rolle, letztlich treffen diese Punkte aber auf praktisch die Hälfte aller Staaten der Welt zu - von daher bleibt die frage warum Marokko für mich im Moment unbeantwortet (falls ein anderer Forumsteilnehmer eine Idee hat, ich würde mich über eine Belehrung freuen).
Es würde mich allerdings nicht überraschen wenn wir demnächst von einem großen Investment Chinas in Marokko oder einer Unterstützung der marokkanischen Seite in der Westsahara-Frage durch China lesen.

Irak und Kasachstan würde ich vornehmlich Präsident Obama anlasten.
Obamas Appeasement- und Rückzugspolitik bringt viele Staaten dazu, sich zu überlegen auf wen sie sich verlassen können.
Kasachstan wird seine Schlüsse daraus gezogen haben, dass unter Obama die NATO begonnen hat ihre Osterweiterung zu beenden und sich näher an Russland zu binden. Wenn sich die beiden großen Brüder verbünden sucht man sich halt einen neuen der auf einen aufpasst, falls es mal Streit geben sollte.
Dass der Irak, ein Staat der durch das Eingreifen der USA erst in seiner heutigen Form entstanden ist und in dem noch US-Truppen stehen, sich als einziger halbwegs-demokratischer Staat für eine Unterstützung von Chinas Boykott ausgesprochen hat, ist ein Armutszeugnis für Barack Obamas Aussenpolitik und zeigt wohin sich der, als Leuchtturmdemokratie im arabischen Raum geplante, Irak (und wohl bald auch Afghanistan) entwickeln werden.
Nachdem die westlichen Demokratien sie von Gewaltherrschaft befreit haben wenden sie sich dem autoritären Russland und dem kommunistischen China zu.

Alles in allem zeigen diese 5 Staaten dass ihnen gute Beziehungen zu China wichtiger sind als die zu den USA und Europa, noch vor 2 Jahren (vor Obamas Amtsantritt) hätten zumindest Kasachstan, der Irak und Marokko, vielleicht auch Russland, Chinas Boykott nicht unterstützt.

Auch interessant: http://www.wadinet.de/blog/?p=3185

Zitat von freiewelt

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Es würde mich allerdings nicht überraschen wenn wir demnächst von einem großen Investment Chinas in Marokko oder einer Unterstützung der marokkanischen Seite in der Westsahara-Frage durch China lesen.
Irak und Kasachstan würde ich vornehmlich Präsident Obama anlasten. Obamas Appeasement- und Rückzugspolitik bringt viele Staaten dazu, sich zu überlegen auf wen sie sich verlassen können.

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So sehe ich das auch; und das war eigentlich auch das Motiv für das kleine Quiz: Darauf aufmerksam zu machen, wie parallel zum Machtverlust der USA in verschiedenen Weltregionen der Einfluß Chinas wächst.

Am meisten überrascht hat mich Rußland. Warum hat man sich so ostentativ auf die Seite der Unterdrückung der Meinungsfreiheit gestellt, wo man doch gern den Eindruck erwecken möchte, Rußland sei der Staat eines lupenreinen Demokraten?

Wie ist überhaupt das russisch-chinesische Verhältnis? Ich bin darüber schlecht orientiert.

Danke für Ihren interessanten Beitrag, und willkommen im kleinen Zimmer!

Herzlich, Zettel

Danke für die Willkommensgrüße

Zum russisch-chinesischen Verhältnis dürfte das hier ganz aufschlussreich sein.

Dass Russland es sich leisten kann so etwas ganz offen durch zu ziehen liegt wohl daran, dass sie sich sicher sind, dass die USA daraus keine Konsequenzen ziehen werden.
Dass Russland damit Recht hat sieht man schön an der aktuellen SPON-Schlagzeile "Russland beteiligt sich an NATO-Raketenschild" - was Rasmussen & Co. jetzt feiern ist ja bei Lichte betrachtet eine klare Niederlage der NATO, die ihr eigenes Raketenschild nicht durchbringen konnte/wollte, und lieber ihren osteuropäischen Mitgliedern eine Niederlage zufügt, anstatt mit Russland selbstbewusst einen Konflikt aus zu tragen.
Russland wird sich auch weiterhin als demokratischer Rechtsstaat verkaufen, aber wenn es sich entscheiden muss China oder dem Westen einen Gefallen zu tun, dann brauchen Medwedew/Putin nicht lange zu überlegen.

Ich finde es interessant dass eineresites damit argumentiert wird die alternden europaeischen Gesellschaften seien dem Untergang geweiht (Akademikerinnen kriegen keine Kinder; verkehrte Bevoelkerungspyramide etc - siehe den monothematischen Professor Heinsohn), waehrend dies andererseits fuer China nicht gelten soll.

Um Mark Steyn zu zitieren: "China will get old before it gets rich".

Zitat von john j

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Ich finde es interessant dass eineresites damit argumentiert wird die alternden europaeischen Gesellschaften seien dem Untergang geweiht (Akademikerinnen kriegen keine Kinder; verkehrte Bevoelkerungspyramide etc - siehe den monothematischen Professor Heinsohn), waehrend dies andererseits fuer China nicht gelten soll.
Um Mark Steyn zu zitieren: "China will get old before it gets rich".

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China wird durch die Ein-Kind-Politik ebenfalls erhebliche Probleme bekommen. Es gibt nur drei wesentliche Unterschiede:

Erstens bleibt China auch mit einer geringeren Bevölkerung noch das bevölkerungsreichste Land der Erde und somit ein Kandidat für die Hegemonie.

Zweitens kann eine Diktatur die Altersarmut, die mit Vergreisung zwangsläufig einhergeht, gleichgültig sein. Dann sind die Alten halt arm; so wie jetzt die Millionen von Wanderarbeitern. Was wollen sie machen, die Alten? Ihre Krückstöcke gegen die Volksbefreiungsarmee schwingen?

Und drittens ist China kein Einwanderungsland. Die chinesische Kultur wird durch die Überalterung nicht bedroht.

Herzlich, Zettel