Ich habe unten mal die Kernaussagen zusammengestellt, und denen zufolge hat nicht das Landgericht zu tief ins Kölsch-Glas geschaut; vielmehr gibt es anscheinend Regelungen des Gesetzgebers, die kaum eine andere Entscheidung möglich machten.
Zitat Nach den Vorschriften muss der Glücksspielanbieter nicht nur Minderjährige, sondern auch finanziell schwache Personen vor einer Überforderung schützen. [...] Nicht die privaten Glücksspielanbieter haben sich die extrem strengen Vorschriften ausgedacht, sondern die deutschen Politiker in dem Bestreben, das Glücksspiel weiter rein staatlich zu betreiben. [...] Die Politik verhindert privaten Wettbewerb durch strengste Schutzvorschriften, aber die eigenen Monopolbetriebe halten sich dann nur mangelhaft daran. Man kann es privaten Glücksspielanbietern, die rigoros vom Markt gedrängt werden, wohl kaum verübeln, dass sie die Verantwortlichen beim Wort nehmen.
*edit*
Habe mal nachgeschaut. Grundlage ist wahrscheinlich der Glücksspielstaatsvertrag, der in § 8 den Anbietern einiges an Pflichten auferlegt:
Zitat Die zur Teilnahme am Sperrsystem verpflichteten Veranstalter sperren Personen, die dies beantragen (Selbstsperre) oder von denen sie aufgrund der Wahrnehmung ihres Personals oder aufgrund von Meldungen Dritter wissen oder aufgrund sonstiger tatsächlicher Anhaltspunkte annehmen müssen, dass sie spielsuchtgefährdet oder überschuldet sind, ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen oder Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen oder Vermögen stehen (Fremdsperre).
Offensichtlich rechnen sich die Staatsmonopolisten keine großen Chancen in einer Hauptverhandlung aus. Anders kann ich mir das blitzartige zurückrudern nicht erklären.
Zitat von ZettelGestern war Aschermittwoch. Durchaus möglich also, daß dieses Urteil, über das "Welt-Online" heute berichtet, ein Produkt der Tollen Tage ist.
Nein, keinesfalls. Die Klägerin hat den Beweis angetreten, dass das Glückspielmonopol nur ein Vorwand ist, unliebsame Wettbewerber vom Markt fernzuhalten.
Zitat von DrNickIch habe unten mal die Kernaussagen zusammengestellt, und denen zufolge hat nicht das Landgericht zu tief ins Kölsch-Glas geschaut; vielmehr gibt es anscheinend Regelungen des Gesetzgebers, die kaum eine andere Entscheidung möglich machten.
Danke!
Tja, da habe ich, entgegen meiner Gewohnheit, einmal etwas geschrieben - wenn auch nur eine KKK-Glosse -, ohne zuvor gründlich zu recherchieren. Es scheint, daß ich danebengelegen habe; nein, es ist sicher.
Mal sehen, vielleicht schreibe ich einen Nachtrag oder einen weiteren Artikel. Das, was ich im Vorspann geschrieben habe, galt leider auch für diesen Artikel selbst. Sorry.
Zitat von C.Nein, keinesfalls. Die Klägerin hat den Beweis angetreten, dass das Glückspielmonopol nur ein Vorwand ist, unliebsame Wettbewerber vom Markt fernzuhalten.
Ein Umstand, der ja von Anfang an klar war, interessant waren da nur die Verrenkungen, um das zu begründen, von wegen "Schutz vor Spielsucht"! LOL! Wenn jetzt das Sportwettenmonopol fällt, wie lange lässt es sich noch für Lotto aufrechterhalten?
Sie haben ja gleich zu Beginn Ihres Artikels geschrieben, daß Zeitungsberichte über Gerichtsentscheidungen mit Vorsicht zu genießen sind. Das grundlegende Problem scheint mir zu sein, daß die Welt v.a. in der Überschrift "Gericht verbietet Sportwetten für Hartz-IV-Empfänger" den Eindruck erweckt, daß Hartz-IV-Empfänger keine Sportwetten eingehen dürfen und daß die Anbieter die Pflicht haben, dies zu überprüfen. Der eigentliche Artikel in der Welt macht dann aber - vorsichtig formuliert - nicht hinreichend klar, daß das Gericht etwas anderes gesagt hat. (Leider ist das eigentliche Urteil nicht verfügbar; auf der Homepage des Landgerichts Köln findet sich nur ein Link zu einer dpa-Meldung.) Immerhin heißt es im Artikel der Welt:
Zitat In der Begründung heißt es, dass die Lottoläden keine Geschäfte mit Personen mehr tätigen dürfen, von denen bekannt ist, "dass sie Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen stehen, insbesondere Hartz-IV-Empfänger".
Entscheidend ist hier erstens das "von denen bekannt ist" und zweitens das "in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen". Die Anbieter müssen also erstens nicht etwa überprüfen, ob jemand Hartz-IV bezieht; nur wenn es bekannt ist, ergeben sich hieraus u.U. Pflichten für den Anbieter. Und zweitens dürften sie wahrscheinlich auch dann, wenn sie es wissen, die Wette nur dann ablehnen, wenn Wetteinsatz und Einkommen in einem problematischen Verhältnis stehen, wenn also etwa ein ALGII-Empfänger mehrere hundert EUR auf den Ausgang eines Rennens setzen möchte. (Daß ein ALGII-Empfänger nicht ein paar EUR setzen dürfte, geht aus dem Bericht über das Urteil nicht hervor.) Und diese Pflicht des Anbieters scheint mir recht unmittelbar aus dem § 8 des Glücksspielstaatsvertrags zu folgen, was immer man von dieser Regel halten mag.
Genau um dieses Szenario geht es ja auch in dem lawblog-Interview, in dem Testkäufe der Kläger geschildert werden:
Zitat Die Testkäufer haben sich vor dem Verkaufspersonal laut unterhalten. Etwa so:
“Wieso tippst du schon wieder für 50 Euro? Du hast doch Schulden bis über beide Ohren!” “Ach lass mal, etwas Spaß muss sein.” Oder: “Du kannst doch hier kein Glücksspiel machen, wenn du schon mit dem Geld vom Amt nicht klarkommst?” “Aber das ist doch der einzige Weg, wie ich von Hartz IV runterkommen kann.”
Die Verkäufer haben meist gelacht und noch viel Glück gewünscht. Die Sportwette abgelehnt hat keiner.
Was also von dem ganzen Fall übrig bleibt, dürfte also nur die Einsicht sein, daß in der Presse häufig sehr unzuverlässig über Gerichtsentscheidungen berichtet wird und daß unser Nanny-Staat sich mit seinen Regelungen zunmehmend lächerlich macht.
Das Urteil ist auf den ersten Blick absurd. Bei genauerer Betrachtung logisch und folgerichtig, weil es im Nanny-Staat nicht anders geht. Unsere Sozialgesetzgebung sieht nämlich nicht vor, die Menschen mit einem bestimmten Geldbetrag auszustatten, sondern jeden im Deutschland befindlichen Menschen ein Luxusleben zu gewährleisten – und zwar unabhängig(!) von seinem Verhalten. Das (und nicht das Urteil) ist absurd, aber Gesetzeslage.
Wer heute eine Million verbrennt, muss (da gibt es keinen Ermessensspielraum) ab morgen von den Arbeitenden mit Wohnung, Kleidung, Nahrung usw. versorgt werden. Folglich muss der Gesetzgeber das Geldverbrennen verbieten, wenn das System noch eine Weile (lange geht das sowieso nicht mehr) halten soll. Wir werden in Zunft noch viel mehr Urteile dieser Klasse erleben.
Man kann sein Geld auf verschiedene Weise verbrennen, z.B. in dem man sein Auto ins Parkverbot stellt oder zu schnell fährt. Die Strafzettel bringen einen erst mal nicht um. Da aber Hartz-IV das Existenzminimum gewährleistet, ist nach Abzug des Bußgelds dieses Minimum unterschritten (schwere Verletzung der Menschenwürde!), weshalb die Gemeinschaft den Fehlbetrag ausgleichen muss. Nicht bei einem Strafzettel. Aber wenn sich irgendwas über 200€ ansammelt ist es so weit. Nur eine Frage der Zeit, bis höchstrichterlich entschieden wird, dass die Hartz-IV-Sklaven sich an die StVO halten müssen. Wetten dass?
Zitat von DrNickSie haben ja gleich zu Beginn Ihres Artikels geschrieben, daß Zeitungsberichte über Gerichtsentscheidungen mit Vorsicht zu genießen sind. Das grundlegende Problem scheint mir zu sein, daß die Welt v.a. in der Überschrift "Gericht verbietet Sportwetten für Hartz-IV-Empfänger" den Eindruck erweckt, daß Hartz-IV-Empfänger keine Sportwetten eingehen dürfen und daß die Anbieter die Pflicht haben, dies zu überprüfen. Der eigentliche Artikel in der Welt macht dann aber - vorsichtig formuliert - nicht hinreichend klar, daß das Gericht etwas anderes gesagt hat.
Das sehe ich inzwischen genauso, und ärgere mich, daß ich entgegen meiner Gewohnheit nicht gründlich recherchiert habe, bevor ich etwas schreibe.
Ich hatte halt Lust auf wieder mal ein KKK; nach all den schweren Themen. Irgendwie steckte da auch noch der Karneval in den Neuronen, und so kam's dazu.
Werde mir Mühe geben, daß so etwas nicht so bald wieder passiert. Ich habe es ja durch den Nachtrag so halbwegs zu reparieren versucht.
Sie scheinen meinen Beitrag als eine Art von Salz-in-die-Wunde-reiben zu verstehen. Deswegen eine Klarstellung: ich wollte mit meiner Anmerkung nicht noch einmal auf die erste Version Ihres Beitrags, sondern nur auf einen Punkt in Ihrem Nachtrag von 19.15 eingehen. Ich hätte das vielleicht deutlicher machen sollen. Sie schreiben ja im Nachtrag:
Zitat Allerdings ist mir nach dem bisher Recherchierten immer noch nicht klar, wie das Kölner Landgericht es begründet, jeden Hartz-IV-Empfänger automatisch von Sportwetten auszuschließen.
Wenn ich das, was von der Entscheidung des Landgerichts Köln bekannt ist, richtig interpretiere, geht es nicht darum, jeden ALGII-Empfänger automatisch von Sportwetten auszuschließen. Vielmehr scheint es nur um Fälle zu gehen, in denen die Annahmestelle erkennen kann, daß jemand ALGII bezieht, und möglicherweise geht es auch nur um Beträge einer gewissen Größenordnung (Rubbellose für 1 € dürften z.B. unproblematisch sein).
Das eigentlich Ärgerliche an der ganzen Geschichte scheint mir hier die Berichterstattung der Medien zu sein, und zwar auch von "Qualitätsmedien" wie WELT oder dpa. Es gibt anscheinend bei Journalisten inzwischen einen tiefverwurzelten Impuls, aus jedem Gesetz, jeder Entscheidung oder Stellungnahme zum Reizthema "HartzIV" (ich sage eigentlich lieber ALGII) einen Riesenskandal zu machen, weil sich das halt immer gut verkauft. Das war im letzten Jahr bei dem Westerwelle-Interview so, in den letzten Wochen bei den Verhandlungen zur Erhöhung des Regelsatzes und auch jetzt wieder bei dem Kölner Urteil. Es muß wohl immer eine Schlagzeile herauskommen, mit der unterstellt wird, daß es ALGII-Beziehern ganz schlecht geht, daß sie diskriminiert werden, daß eine Regelung gegen die Verfassung oder die Menschwürde verstößt usw. usf.
Zitat von DrNickVielmehr scheint es nur um Fälle zu gehen, in denen die Annahmestelle erkennen kann, daß jemand ALGII bezieht, und möglicherweise geht es auch nur um Beträge einer gewissen Größenordnung (Rubbellose für 1 € dürften z.B. unproblematisch sein).
Lieber DrNick,
wobei auch hier die Begründung schwer nachvollziehbar ist, da auch dem Gericht bekannt sein dürfte, dass ALGII Beziehern ein kleines 'Vermögen' zusteht, dessen Verwendung keinerlei Restriktionen unterliegt. Der Loseverkäufer kann m.E. also schlecht auch bei einem 50€ Los ablehnen, selbst wenn er weiß, dass er einen ALGII-Bezieher vor sich hat.
Zitat von MartinDer Loseverkäufer kann m.E. also schlecht auch bei einem 50€ Los ablehnen, selbst wenn er weiß, dass er einen ALGII-Bezieher vor sich hat.
Das ist natürlich ein Vagheitsproblem: Ab welchem Verhältnis zwischen Einkommen und Wetteinsatz wird es problematisch? 50€ sind bei ALGII etwa 1/7 des monatlich zur Verfügung stehenden Geldes. Das könnte man vielleicht noch hinnehmen, aber bei 50€ pro Woche dürfte nach den Regeln des Staatsvertrags Schluß sein.
Bei der Gelegenheit eine kleine Presseschau. Immerhin zwei Zeitungen schaffen es, über den Fall sachlich zu berichten:
Zitat von DrNickSie scheinen meinen Beitrag als eine Art von Salz-in-die-Wunde-reiben zu verstehen.
Neinein, lieber DrNick, überhaupt nicht. Ich fand alle Ihre Beiträge richtig, sachlich und fair. Es ist einfach nur so, daß ich mich über mich selbst ärgere, weil man sich im allgemeinen auf das verlassen kann, was in ZR steht.
Zitat Sie schreiben ja im Nachtrag:
Zitat Allerdings ist mir nach dem bisher Recherchierten immer noch nicht klar, wie das Kölner Landgericht es begründet, jeden Hartz-IV-Empfänger automatisch von Sportwetten auszuschließen.
Wenn ich das, was von der Entscheidung des Landgerichts Köln bekannt ist, richtig interpretiere, geht es nicht darum, jeden ALGII-Empfänger automatisch von Sportwetten auszuschließen. Vielmehr scheint es nur um Fälle zu gehen, in denen die Annahmestelle erkennen kann, daß jemand ALGII bezieht, und möglicherweise geht es auch nur um Beträge einer gewissen Größenordnung (Rubbellose für 1 € dürften z.B. unproblematisch sein).
Ich hatte das zunächst auch gedacht - aber wie ist es mit der Strafandrohung von ich glaube 250.000 Euro vereinbar, sobald einem Hartz-IV-Empfänger eine Sportwette verkauft wird? Oder ist auch die eine Ente?
Dieses "in denen die Annahmestelle erkennen kann" ist für meine Begriffe nicht justiziabel. Muß der Langzeit-Arbeitslose, der vielleicht Maurermeister ist, abgerissen aussehen, damit man in ihm einen Hartzer vermutet? Die Fälle bei den Testkäufen sind doch an den Haaren herbeigezogen. Und selbst sie sind nicht wasserdicht. Die Frau am Schalter muß das ja nicht beachtet haben, was da geredet wurde; sie kann es für Witzelei gehalten haben usw.
Im Staatsvertrag ist an den Fall der Sperre gedacht, wie ihn Spielbanken schon lange praktizieren: Daß ein süchtiger Spieler sich erkennbar ruiniert und er dann gesperrt wird. Mit schriftlichem Bescheid usw. Das auf den Fall des Hartzers zu übertragen, der mal ein paar Euro riskiert, erscheint mir, sagen wir, mutig.
Ein anderer Punkt, der mir weiter unklar ist: Aus dem Staatsvertrag kommt, soweit ich sehe, nur Paragraph 8 Absatz 2 in Betracht, und dort die Passage, daß diejenigen zu sperren sind, die "Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen oder Vermögen stehen". Aber wieso ist das bei Hartzern denn der Fall, die zehn oder zwanzig oder vielleicht 50 Euro riskieren? Sie tun das eben, und es wird sie nicht ruinieren, denn sie bekommen ja im nächsten Monat wieder ihr Geld. Dafür leben sie halt vielleicht drei Tage von der Tafel und verzichten aufs Kino und die neuen Schuhe.
Da verknüpft das Gericht nun den Staatsvertrag mit dem Warenkorb, und darin sehe ich nach wie vor etwas höchst bedenkliches: Weil im Warenkorb Glücksspiele nicht vorkommen, wird von vornhrein unterstellt, daß der Hartzer sie sich nicht leisten kann.
In diesem Punkt bleibe ich bei dem, was ich im ursprünglichen Text geschrieben habe: "Was geht das den Staat an, der diese Menschen doch nicht wie Haustiere halten darf, denen er ihr Futter zuteilt, die er striegelt und die er Gassi führt?"
Zitat von ZettelIch hatte das zunächst auch gedacht - aber wie ist es mit der Strafandrohung von ich glaube 250.000 Euro vereinbar, sobald einem Hartz-IV-Empfänger eine Sportwette verkauft wird? Oder ist auch die eine Ente?
Das Ordnungsgeld dürfte dann fällig werden, wenn nachgewiesen wird, daß Westlotto einem "erkennbaren" ALGII-Bezieher eine Wette verkauft, z.B. durch erneute Testkäufe.
Zitat von Zettel Dieses "in denen die Annahmestelle erkennen kann" ist für meine Begriffe nicht justiziabel. Muß der Langzeit-Arbeitslose, der vielleicht Maurermeister ist, abgerissen aussehen, damit man in ihm einen Hartzer vermutet? Die Fälle bei den Testkäufen sind doch an den Haaren herbeigezogen. Und selbst sie sind nicht wasserdicht. Die Frau am Schalter muß das ja nicht beachtet haben, was da geredet wurde; sie kann es für Witzelei gehalten haben usw.
In der Tat ist das völlig unscharf. Aber das kommt davon, wenn man in einem Gesetz (oder Staatsvertrag) Formulierungen verwendet, die kleine klaren Kriterien beinhalten: Wann "muß" ich annehmen, daß z.B. ein Spielsüchtiger vor mir steht; wann genau steht ein Spieleinsatz "in keinem Verhältnis [zum] Einkommen oder Vermögen". Zu überlegen, welche klaren Pflichten der Anbieter aus dem § 8 folgen, ist so aussichtlos wie der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln. Und dieses ganze Wischiwaschi dürfte wohl allein dem Umstand geschuldet sein, daß man das staatliche Monopol auf dem Umweg über das Ziel der "Suchtprävention" retten wollte.
Zitat von Zettel Da verknüpft das Gericht nun den Staatsvertrag mit dem Warenkorb, und darin sehe ich nach wie vor etwas höchst bedenkliches: Weil im Warenkorb Glücksspiele nicht vorkommen, wird von vornhrein unterstellt, daß der Hartzer sie sich nicht leisten kann.
An der Stelle muß ich übrigens zurückrudern: Ich hatte ja weiter oben benevolent vermutet, daß ein gelegentliches Glücksspiel eines (bekannten) Hartzers unproblematisch ist, daß also nur verhindert werden soll, daß der Hartzer einen größeren Teil seines Geld für Wetten ausgibt (mehr dürfte der Staatsvertrag auch nicht hergeben); anscheinend hat das Gericht aber tatsächlich den Staatsvertrag genau so mit dem Warenkorb verknüpft, wie Sie es darstellen. Das geht aus dem oben schon erwähnten Interview mit dem Anwalt der Klägerin hervor:
Zitat Wie konnten Sie das Gericht davon überzeugen, dass Hartz-IV-Empfänger sich nicht ab und zu doch mal einen Spielschein leisten dürfen?
Wir haben uns an der jüngsten Debatte um Hartz IV orientiert. Es wurde ja ausführlich diskutiert, ob in der Grundsicherung auch ein Betrag für Glücksspiel enthalten sein soll. Am Ende wurde das abgelehnt. Ausgaben für Glücksspiel sind also nicht vorgesehen und damit logischerweise eine finanzielle Überforderung.
"Logischerweise" - das ist mal ein klares "non sequitur". Aus der Tatsache, daß der Warenkorb (demnächst) keinen Alkohol mehr enthält, folgt natürlich nicht, daß eine Flasche Bier ab und zu eine "finanzielle Überforderung" wäre. Das Gericht hatte natürlich über eine wettbewerbsrechtliche Frage zu befinden (und nicht über Hartz-IV usw.), aber wenn es sich wirklich auf diese Linie festgelegt hat, dann wäre Ihre ursprüngliche These völlig korrekt: "Jecken vom Landgericht" würde es dann schon sehr gut treffen.
Ärgerlich ist übrigens, daß das eigentliche Urteil nicht verfügbar und man hier ausschließlich auf Berichte aus zweiter Hand angewiesen ist. Jede mickrige GmbH & Co. KG muß ihre Bilanz öffentlich machen, und wenn ein Landgericht "im Namen des Volkes" urteilt, hält man es noch nicht mal für nötig, eine ausführlichere Pressemeldung herauszugeben.
Zitat von DrNickDas Ordnungsgeld dürfte dann fällig werden, wenn nachgewiesen wird, daß Westlotto einem "erkennbaren" ALGII-Bezieher eine Wette verkauft, z.B. durch erneute Testkäufe. (…) An der Stelle muß ich übrigens zurückrudern: Ich hatte ja weiter oben benevolent vermutet, daß ein gelegentliches Glücksspiel eines (bekannten) Hartzers unproblematisch ist, daß also nur verhindert werden soll, daß der Hartzer einen größeren Teil seines Geld für Wetten ausgibt (mehr dürfte der Staatsvertrag auch nicht hergeben); anscheinend hat das Gericht aber tatsächlich den Staatsvertrag genau so mit dem Warenkorb verknüpft, wie Sie es darstellen. Das geht aus dem oben schon erwähnten Interview mit dem Anwalt der Klägerin hervor (…).
An dieser Stelle muss aber vielleicht darauf hingewiesen werden, dass ALG-II-Empfänger ein Schonvermögen zur Verfügung haben, mit dem sie prinzipiell machen können, was sie wollen — auch Wetten abschließen oder Lotto spielen. Gerade bei älteren Arbeitslosen kann sich ein bestimmter Betrag angesammelt haben (da ist das Schonvermögen höher) — dann müssen sie übrigens auch in keiner Weise als Arme erkennbar sein.
Zur Größe des Vergehens für die maximale Höhe des Ordnungsgeldes: Der Anbieter von Sportwetten oder Lotto müsste dann schon bewusst um arme bzw. suchtgefährdete Spieler werben und/oder gezielt Angebote für diese Zielgruppe machen und/oder vielleicht gar Annahmestellen für Arme einrichten. Einzelfälle mit Testkäufern können unmöglich 250.000 Euro »kosten«.
Zitat von stefanolix An dieser Stelle muss aber vielleicht darauf hingewiesen werden, dass ALG-II-Empfänger ein Schonvermögen zur Verfügung haben, mit dem sie prinzipiell machen können, was sie wollen — auch Wetten abschließen oder Lotto spielen. Gerade bei älteren Arbeitslosen kann sich ein bestimmter Betrag angesammelt haben (da ist das Schonvermögen höher) — dann müssen sie übrigens auch in keiner Weise als Arme erkennbar sein.
Zur Größe des Vergehens für die maximale Höhe des Ordnungsgeldes: Der Anbieter von Sportwetten oder Lotto müsste dann schon bewusst um arme bzw. suchtgefährdete Spieler werben und/oder gezielt Angebote für diese Zielgruppe machen und/oder vielleicht gar Annahmestellen für Arme einrichten. Einzelfälle mit Testkäufern können unmöglich 250.000 Euro »kosten«.
Anscheinend doch. Bei Spiegel online gibt es inzwischen einen Bericht (http://www.spiegel.de/panorama/gesellsch...,750196,00.html), in dem mehrfach auf den Sprecher des Landgerichts verwiesen wird und der insofern eine gewisse Verläßlichkeit aufweisen dürfte:
Zitat Eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln droht dem Wettanbieter Westlotto ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro pro Einzelfall an, falls er Wettscheine von Hartz-IV-Empfängern annimmt. Das Verbot beziehe sich aber vorläufig nicht auf Lotto-Tippscheine, sagte Gerichtssprecher Dirk Eßer.
Im Bericht steht auch noch etwas Erhellendes zur Reichweite des Verbots:
Zitat Laut Gerichtssprecher Eßer müssen die Betreiber der Annahmestellen bei ihren Kunden nicht nachforschen, wie es um die finanzielle Situation bestellt ist. Auch lägen Wetten über kleine Euro-Beträge noch im Ermessensspielraum. Sobald es aber um höhere Beträge gehe und sobald der Betreiber einer Annahmestelle über die finanziell schwierige Situation des Kunden wisse, dürften die Scheine nicht mehr angenommen werden.
Damit hätte man zwar noch das schon diskutierte Vagheitsproblem, aber immerhin müßten die Anbieter nicht einfach jedem "Hartzer" die Wette verweigern, was ja nicht zuletzt aufgrund des von Ihnen erwähnten Schonvermögens völlig absurd wäre.
Zitat von DrNickDamit hätte man zwar noch das schon diskutierte Vagheitsproblem, ...
Mit ähnlichen Vagheitsproblemen habe ich beruflich häufiger zu tun. In vielen Bereichen kann der Gesetzgeber auch nur vage formulieren und z. B. vorschreiben, daß man sich "angemessen" um dieses oder jenes Problem zu kümmern habe.
Damit geht man um, indem man sich zuerst überlegt, wie das Problem im eigenen Geschäftsbetrieb überhaupt auftauchen könnte, und wie "angemessen" dabei abgegrenzt werden kann. Und diese Überlegung und ihre Ergebnisse müssen ordentlich dokumentiert werden. Und dann muß man Maßnahmen treffen, damit das Gesetz auch im Geschäftsbetrieb so umgesetzt wird, wie das aus den Vorüberlegungen folgt.
Im konkreten Beispiel könnte das z. B. so aussehen, daß in erster Linie für den Schutz von Minderjährigen gesorgt werden muß. Und daß Hartz-IV-Empfänger nicht per se ausgeschlossen sind (wg. Schonvermögen), aber krasse Vermögensprobleme (egal ob Hartz-IV oder nicht) zu Handlungsbedarf führen. Und dann gibt es z. B. eine Anweisung an die Lottostellen, sich grundsätzlich den Ausweis zeigen zu lassen (wegen Altersbegrenzung). Und dann kann die Zentrale vielleicht eine Liste rumschicken mit Leuten in Privatinsolvenz, und die wird dann gegengeprüft.
Wenn solche Verfahren vorliegen und auch durchgeführt werden, ist die Firma erst einmal geschützt. Dann wechselt nämlich die Beweislast, dann müßten Aufsicht oder Kläger erst einmal nachweisen, daß die Abgrenzungsüberlegungen offenkundig falsch oder die Maßnahmen offensichtlich untauglich sind oder daß die Maßnahmen in den Annahmestellen ignoriert werden.
Hier aber war es offenbar so, daß die Gesellschaft das Gesetz einfach ignoriert hat und dann reichen einfache Beispiele wie die Testkäufer, um sie ins Unrecht zu setzen.
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