Wir haben ja ab hier eine kleine OT-Diskussion rund um das Thema was die eingesessenen, oder Kulturdeutschen denn ausmacht, wodurch sie identifizierbar/unterscheidbar sind.
Meiner Erfahrung nach ist es vor allem die gemeinsame Sprache, die meine Landsleute klar erkennbar macht. Natürlich gibt es da noch ein paar andere Ähnlichkeiten/Gemeinsamkeiten, die mir zeigen, dass ich gerade auf Deutsche gestoßen bin - aber das erste was ich erkenne ist immer die Sprache. Komischerweise ist es relativ einfach zu unterscheiden, wer deutsch als Muttersprachler spricht. Das gilt für Österreicher und Deutschschweizer genauso wie für Sachsen, Hessen, Pfälzer oder Bayern. Aber trotz der Unmenge an deutschen Dialekten und Mundarten, die man ja gar nicht alle kennen kann, haben die Sprecher alle irgendetwas gemeinsam. Was ist das?
Warum kann man so leicht einen Dialekt/eine Mundart von einem fremdsprachlichen Akzent unterscheiden?
Wird in jeder Sprache in der Kindheit/Jugend eine bestimmte Klangfarbe und Lautbildungsart angelegt, die man auch durch Training später nicht mehr los wird? Und, ist man in der Lage ebendiese besondere Sprachfärbung unbewusst als die eigene zu erkennen, egal, welcher Dialekt/welche Sprache damit gesprochen wird?
Mal in die Runde fragend ... Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Ich vermute, dass das erst seit dem Zeitalter des Rundfunks so ist, dass eben jeder deutsche Muttersprachler, gleich mit welchem Dialekt er aufwächst, von Standarddeutsch umgeben ist und das mehr oder minder beherrscht. Das Hochdeutsche hat einige lautliche Eigenheiten, die in anderen Sprachen recht selten sind und die in ihrer Gesamtheit einem Fremden die völlige Anpassung erschweren.
Zitat von CalimeroWarum kann man so leicht einen Dialekt/eine Mundart von einem fremdsprachlichen Akzent unterscheiden?
Ich weiß gar nicht, ob das so ist, lieber Calimero.
Dialekte haben, grob gesagt, zwei Eigenheiten:
Erstens eine Sprachfärbung (die Phonologie und die Prosodie sind spezifisch für diesen Dialekt; also zum Beispiel der sächsische Singsang oder die im Hessischen fehlende Unterscheidung zwischen harten und weichen Konsonanten - "Begleidung" kann Bekleidung sein oder auch Begleitung). Die Sprachfärbung bleibt meist mehr oder weniger auch dann erhalten, wenn der Betreffende Hochdeutsch spricht.
Zweitens gibt es spezifische Varianten für einzelne Wörter, die häufig von Ort zu Ort verschieden sind ("hinne" für hinten, aber auch "hinde"). Diese Dialekt-Eigenheiten verschwinden in der Regel, wenn man Hochdeutsch spricht.
Die spezifische Sprachfärbung nun gibt es auch beim Akzent. Ich sehe da keinen Unterschied, ob nun jemand mit schwäbischem, norddeutschem, französischem oder türkischem Akzent spricht.
Linguistisch gesehen. Natürlich wissen wir, daß Schwäbisch ein deutscher Akeznt ist und ein französischer Akzent das nicht ist. Aber die Übergänge sind fließend - vom niederrheinischen zum holländischen Akzent zum Beispiel.
Schade, daß Califax sich so selten sehen läßt; er könnte das besser erläutern.
Zitat von ZettelDie spezifische Sprachfärbung nun gibt es auch beim Akzent. Ich sehe da keinen Unterschied, ob nun jemand mit schwäbischem, norddeutschem, französischem oder türkischem Akzent spricht.
Linguistisch gesehen. Natürlich wissen wir, daß Schwäbisch ein deutscher Akeznt ist und ein französischer Akzent das nicht ist. Aber die Übergänge sind fließend - vom niederrheinischen zum holländischen Akzent zum Beispiel.
Dazu kommt noch, dass in Gegenden mit starkem Dialekt die zugezogenen Ausländer nicht Standarddeutsch mit Akzent erlernen, sondern Dialekt mit Akzent. Meine Vermieterin ist so ein Beispiel, sie ist gebürtige Tschechin und spricht vom Wortgebrauch und der Morphologie einen oberpfälzischen Dialekt, aber die Sprachfärbung macht einem Fritz Muliar alle Ehre.
Zitat von Meister PetzDazu kommt noch, dass in Gegenden mit starkem Dialekt die zugezogenen Ausländer nicht Standarddeutsch mit Akzent erlernen, sondern Dialekt mit Akzent. Meine Vermieterin ist so ein Beispiel, sie ist gebürtige Tschechin und spricht vom Wortgebrauch und der Morphologie einen oberpfälzischen Dialekt, aber die Sprachfärbung macht einem Fritz Muliar alle Ehre.
Bei Turkodeutschen (mal sehen, ob ich dieses Wort durchsetzen kann ) ist das ja auch häufig. Ich vermute, daß es auch beim Ruhrgebietsdeutsch eine Rolle gespielt hat, wie vermutlich bei vielen Slangs; dort mischte sich das Westfälische mit dem Polnischen.
Andererseits scheint es Grenzen der Mischung zu geben. Im Elsaß zum Beispiel sprechen nach meiner Beobachtung zugezogene Franzosen (wenn überhaupt) natürlich Deutsch mit französischem Akzent. Die eingesessenen Elsässer sprechen aber Alemannisch ohne französischen Akzent und - glaube ich - auch Französisch ohne alemannischen Aktzent.
Für die lexikalische Ebene ist das bekannt; da gibt es die (allerdings wohl umstrittene) Unterscheidung zwischen compound bilinguals (die beiden Sprachen werden von einem gemeinsamen konzeptuellen System aus kontrolliert) und den coordinate bilinguals mit - angeblich - getrennten konzeptuellen Repräsentationen für jede Sprache.
Kritisch ist wohl das Alter des jeweiligen Spracherwerbs. Sprechen ist halt eine außerordentlich komplexe motorische Fertigkeit; und wie bei der ganzen Motorik lassen sich solche extrem subtilen Koordinationen im höheren Alter kaum noch neu lernen; weswegen Balletteusen und Turner so früh anfangen müssen.
Und weswegen Henry Kissinger immer noch Englisch mit deutschem Akzent spricht.
Zitat von CalimeroAber trotz der Unmenge an deutschen Dialekten und Mundarten, die man ja gar nicht alle kennen kann, haben die Sprecher alle irgendetwas gemeinsam. Was ist das?
So, jetzt nochmal ausführlich: Eine Mundart, wie sie in deutschen Landen noch vor hundert Jahren gang und gäbe war, spricht heute kaum einer mehr, und schon gar nicht mit Außenstehenden. Da bekommen Sie bestenfalls ein regional eingefärbtes Hochdeutsch zu hören.
Wenn Sie eine "echte" Mundart hören wollen, dann belauschen Sie einmal Donauschwaben, die nach der Wende nach aus Rumänien nach Deutschland gekommen sind. Da verstehen Sie erst einmal kein Wort, und selbst nach einer Stunde intensiven Zuhörens bestenfalls ein Viertel.
Zitat von lukasEine Mundart, wie sie in deutschen Landen noch vor hundert Jahren gang und gäbe war, spricht heute kaum einer mehr, und schon gar nicht mit Außenstehenden. Da bekommen Sie bestenfalls ein regional eingefärbtes Hochdeutsch zu hören.
Vermutlich hat sich da im letzten halben Jahrhundert viel geändert; vielleicht u.a. aufgrund des TV.
In den sechziger Jahren traf man fast überall in Deutschland noch auf Leute, die so sprachen, daß der nicht Eingeweihte kaum ein Wort verstehen konnte. Sie sprachen beispielsweise das vokalreiche Oberhessisch ("Aisch hun Papair" - können Sie das übersetzen?), richtig Schwäbisch (Zimmerwirtinnen in Tübingen haben damit manchen norddeutschen "Herren" zur Verzweiflung gebracht) oder einen der vielen Dialekte, die man unter "Platt" zusammenfaßt.
Aber stimmt, inzwischen hört man das nur noch selten. Die es sprachen, waren meist 50+; jetzt deckt sie also das Erdreich.
Zitat von lukasEine Mundart, wie sie in deutschen Landen noch vor hundert Jahren gang und gäbe war, spricht heute kaum einer mehr, und schon gar nicht mit Außenstehenden. Da bekommen Sie bestenfalls ein regional eingefärbtes Hochdeutsch zu hören.
Vermutlich hat sich da im letzten halben Jahrhundert viel geändert; vielleicht u.a. aufgrund des TV.
Ja, das fing mit dem Grammophon an und hat dann durch das 20. Jahrhundert gewirkt.
Zitat von ZettelIn den sechziger Jahren traf man fast überall in Deutschland noch auf Leute, die so sprachen, daß der nicht Eingeweihte kaum ein Wort verstehen konnte. Sie sprachen beispielsweise das vokalreiche Oberhessisch ("Aisch hun Papair" - können Sie das übersetzen?), richtig Schwäbisch (Zimmerwirtinnen in Tübingen haben damit manchen norddeutschen "Herren" zur Verzweiflung gebracht) oder einen der vielen Dialekte, die man unter "Platt" zusammenfaßt.
Aber stimmt, inzwischen hört man das nur noch selten. Die es sprachen, waren meist 50+; jetzt deckt sie also das Erdreich.
Es gibt sie schon noch: in isolierten Orten konnte sich das örtliche Platt am ehesten halten; ebenso in Aussiedlergebieten, die von den Massenmedien der Metropole abgeschnitten waren (Siebenbürgen, Banat und deutsche Kolonien überall in der neuen Welt).
Aber das wird es wohl sein, was alle Dialekte, die man so auf der Straße hört, eint: sie sind im Grunde genommen Hochdeutsch. Wenn dagegen ein Siebenbürger Sachse sich im Hochdeutschen versucht, dann kann er durchaus den Eindruck erwecken, er sei vor ein paar Jahren erst aus Ostanatolien eingeflogen.
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