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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 8 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.12.2011 15:06
Marginalie: Normalität an einer Berliner Schule Antworten

Ich habe, da meine Eltern berufsbedingt oft umzogen, in den fünfziger Jahren recht viele Schulen "durchlaufen". Sehr strenge wie in Baden-Württemberg, wo einer der Schulleiter ein Pietist war, Mitglied der Herrenhuter Brüdergemeinde. Dort mußte man aufstehen, wenn man redete; und die ganze Klasse - auch noch in der Oberstufe - erhob sich, wenn beispielsweise die Schulsekretärin das Klassenzimmer betrat.

Ich habe auch liberalere Schulen erlebt, wie beispielsweise eine Reformschule in Hessen.

Diszipliniert ging es überall zu. Wer zu spät kam, der wurde ins Klassenbuch eingetragen; auch in der Reformschule. Auch dort war es ausgeschlossen, daß man mit dem Banknachbarn "schwätzte" oder sich im Unterricht eine Mütze aufgesetzt hätte; daß man gar gegenüber einem Lehrer (oder auch nur einem Studenten, der an der Schule sein Praktikum machte) unhöflich gewesen wäre.



Manches davon war reformbedürftig. Schläge in der Schule, wie ich sie noch in der Grundschule erlebt habe. Lehrer, die Schüler in ihrer Würde verletzten. Dergleichen.

Aber daß man einmal auf den Gedanken kommen würde, Disziplin und Respekt als solche in Frage zu stellen und es als einen Fortschritt zu preisen, wenn ständig Unruhe im Klassenzimmer herrscht, wenn Schüler ungefragt dazwischenbrabbeln, wenn sie sich frech gegenüber dem Lehrer verhalten - das hätte ich mir während meiner Schulzeit nie vorstellen können.

Aber es hat sich dann so entwickelt. Die Lehrer waren machtlos. Als mir meine Frau einmal eine Videoaufzeichnung einer Unterrichtsstunde zeigte, war ich nachgerade fassungslos.

Jetzt scheint - hoffentlich! - wieder die Normalität zurückzukehren. Wenigstens in Ansätzen. Dazu diese Marginalie.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

29.12.2011 20:16
#2 RE: Marginalie: Normalität an einer Berliner Schule Antworten

Es widerstrebt mir, dieses Lob der Disziplin zu lesen. Warum muss es den Automatismus aus Sanktionen geben? Warum funktioniert Respekt, Hoeflichkeit offenbar nicht auf einer Basis ohne Zwang und mit weniger Regeln?

(Mir ist die disziplinierende Wirkung verbindlicher Regeln selbstverstaendlich bewusst und ich habe solche selber schon in gruppendynamische Prozesse gezielt eingebracht. Nur warum funktioniert laissez fair an dieser Stelle oft nicht?)

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

29.12.2011 23:17
#3 RE: Marginalie: Normalität an einer Berliner Schule Antworten

Zitat von Zettel
Auch dort war es ausgeschlossen, daß man ... sich im Unterricht eine Mütze aufgesetzt hätte



Das ist der Grund, warum ich für ein Kopftuchverbot an deutschen Schulen bin: Es ist schwer zu begründen, warum Tim und Leon ihre Baseballkappen abnehmen sollen und Lara ihr Mützchen nach neuester Mode, wenn Mümine und Aische ihr Kopftuch tragen dürfen. "Meine Mütze / Kappe ist für mich genauso wichtig wie für ... ihr Kopftuch!" Oder: "So religiös ist die ... gar nicht; die trägt das Kopftuch auch nur, weil sie das schick findet." Es ist immer dämlich, wenn ich dann herumeiern muss: "Das mit dem Kopftuch ist was anderes, aber von Dir verlange ich, dass Du Deine Kappe abnimmst!"

Aus diesem Grund: Kopftuchverbot für alle. Wenn in der islamischen Türkei ein Kopftuchverbot offenbar mit dem Islam vereinbar ist, dann wohl auch hier.

Ein türkischer Vater sagte mir neulich, fein lächelnd, als ich ihn darauf ansprach, wieso seine Tochter jetzt auf einmal mit Kopftuch kommt: "Ja, in Deutschland können wir unsere Religion viel besser leben als in der Türkei ..."

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

29.12.2011 23:19
#4 RE: Marginalie: Normalität an einer Berliner Schule Antworten

Zitat von Dagny
Es widerstrebt mir, dieses Lob der Disziplin zu lesen. Warum muss es den Automatismus aus Sanktionen geben? Warum funktioniert Respekt, Hoeflichkeit offenbar nicht auf einer Basis ohne Zwang und mit weniger Regeln?



In manchen Klassen und Kursen funktioniert es, in anderen nicht. - Solange der Umgang respektvoll ist und insgesamt durch Zuverlässigkeit geprägt ist, kann ich immer damit leben, wenn mal ein Schüler zu spät kommt. Darüber sehe ich hinweg, solange ich weiß, dass meine Freundlichkeit nicht ausgenutzt wird. Jeder hat mal einen guten Grund, warum er zu spät sein könnte. Aber wenn es einreißt, muss man Maßnahmen ergreifen. Leider sind immer nur 80 % der Schüler so verantwortungsbewusst, mit der Freundlichkeit verantwortungsbewusst umzugehen. Die anderen 20 % nutzen das dann gerne aus.

M. Möhling Offline



Beiträge: 33

30.12.2011 01:31
#5 RE: Marginalie: Normalität an einer Berliner Schule Antworten

Repressive Kräfte schmieren den Unterdrückungsapparat, bis den Schülern das Blut aus den Nagelbetten spritzt, es ist empörend. :-)

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.257

30.12.2011 08:52
#6 RE: Marginalie: Normalität an einer Berliner Schule Antworten

Zitat von Dagny
Warum funktioniert Respekt, Hoeflichkeit offenbar nicht auf einer Basis ohne Zwang und mit weniger Regeln?



Weil Kinder und Jugendliche bis zu einem gewissen Alter Hedonisten und gnadenlose Opportunisten sind. Wenn ein 5-10 jaehriges Kind seine Ernaehrung selbst bestimmen koennte, gaebe es den ganzen Tag nur Kuchen und Schokolade, bei 15-jaehrigen ausschliesslich Burger, Bier und Zigaretten. Freundlichkeit gibt's nur gegen Gegenleistung u.ae. Anderes Verhalten MUSS bei diesen Menschlein erzwungen / erzogen werden.

-> Respekt und Hoeflichkeit kann man (auf freiwilliger Basis) nur von entwickelten Persoenlichkeiten erwarten, die sich Gedanken ueber die Konsequenzen ihrer Handlungen und deren Wirkung auf Dritte machen (falls das Prinzip bei einer Mehrheit der Erwachsenen auch nicht funktioniert, haben wir ein Problem; das endet dann in einem staatlich vollstaendig durchregulierten Irrenhaus).

Gruesse,
F.Alfonzo

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

30.12.2011 09:04
#7 RE: Marginalie: Normalität an einer Berliner Schule Antworten

Zitat von F.Alfonzo

Zitat von Dagny
Warum funktioniert Respekt, Hoeflichkeit offenbar nicht auf einer Basis ohne Zwang und mit weniger Regeln?



Weil Kinder und Jugendliche bis zu einem gewissen Alter Hedonisten und gnadenlose Opportunisten sind. Wenn ein 5-10 jaehriges Kind seine Ernaehrung selbst bestimmen koennte, gaebe es den ganzen Tag nur Kuchen und Schokolade, bei 15-jaehrigen ausschliesslich Burger, Bier und Zigaretten. Freundlichkeit gibt's nur gegen Gegenleistung u.ae. Anderes Verhalten MUSS bei diesen Menschlein erzwungen / erzogen werden.




Ja, bei vielen, aber nicht bei jedem im gleichen Maße. Burger habe ich zum Beispiel nie soooo sehr gemocht und eher selten gegessen, mit Bier sieht es ähnlich aus und Zigaretten habe ich nie auch nur einen Finger dran gesetzt (mit letzterem war ich sogar in der Mehrheit, geraucht hat nur eine kleine Minderheit, das hatte nicht mit einem Mangel an Möglichkeiten zu tun) Und Freundlichkeit gibt es auch ohne Gegenleistung, auch bei Jugendlichen, aber natürlich nicht bei allen.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

30.12.2011 09:33
#8 RE: Marginalie: Normalität an einer Berliner Schule Antworten

Zitat von F.Alfonzo
bei 15-jaehrigen ausschliesslich Burger, Bier und Zigaretten



Mit 15 gab es ab und zu einen Burger, nie Bier und auch keine Zigaretten. Dafür gab es andere Laster, Computerspielen zum Beispiel.

Zitat

Weil Kinder und Jugendliche bis zu einem gewissen Alter Hedonisten und gnadenlose Opportunisten sind.

Und Sadisten. Ich bin ich keinem Alter so grausam gemobbt worden, wie mit 15. Da hätte ich mir gerne mehr Härte vom Lehrpersonal gewünscht.

Galileo Offline



Beiträge: 8

30.12.2011 10:54
#9 . Antworten

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