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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 18 Antworten
und wurde 1.409 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.01.2012 02:46
Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Wenn Sie diese Marginalie sorgfältig gelesen haben, dann wird Ihnen vielleicht eine scheinbare Inkonsistenz aufgefallen sein: In der Gesamtstichprobe sehen 62 Prozent das US-Wirtschaftssystem als für sich fair an. Bei den Demokraten sind es 63 Prozent und bei den Republikanern 68 Prozent.

Wie kann der Mittelwert höher sein als beide Ausgangswerte? Deshalb, weil ich in dem Artikel den Wert für diejenigen nicht genannt habe, die weder Demokraten noch Republikaner sind, sondern Unabhängige (Independents). Von diesen sahen nur 57 Prozent das US-Wirtschaftssystem als fair gegenüber sich selbst an.

Man kann das verschieden deuten. Eine mögliche Interpretation ist, daß Unzufriedene überproportional dazu tendieren, mit keiner der Parteien einverstanden zu sein.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.01.2012 08:50
#2 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Barack Obama wird - Charles Krauthammer hatte es prophezeit - seinen Wahlkampf wesentlich auf Klassenkampf aufbauen. Dafür rollt jetzt die journalistische Unterstützung. Auch in Deutschland liest man ja neuerdings häufiger, daß die Amerikaner angeblich mit dem Kapitalismus unzufrieden seien. Munition liefern Artikel wie dieser in der NYT.

Der Autor, Nicolas D. Kristof, zitiert dazu einen Studenten, der ihm eine kapitalismuskritische Frage gestellt habe. Dieser - Jon Emont - hat sich jetzt zu Wort gemeldet - mit einem exzellenten Artikel zu diesem Thema.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.01.2012 10:10
#3 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von Zettel
Anhängern der Linken geht es oft wirtschaftlich gut; sie können überwiegend nicht über die soziale Marktwirtschaft klagen. Sie sind aber überzeugt, daß es der Gesamtheit des Landes schlecht geht. Das ist nun einmal die Grundlage einer linken Weltsicht.


Und sie sind überzeugt dass andere ihrer Hilfe bedürfen. Ihre Hilfe, meinen sie, macht eine Gesellschaft fairer.

So wie im Fairen Handel. Preise werden festgelegt und "partnerschaftliche" Beziehungen zwischen Händlern und Erzeugern aufgebaut. Nicht von den Erzeugern und Händlern, sondern von den Fair Trade-Organisationen. Sie bestimmen wer mit wem zu welchen Konditionen handeln darf. Weil diese Planwirtschaft das Produkt verteuert, wird ihm ein caritatives Image verpasst, welches die Organisation verkörpert.

Die meisten Linken und mit ihnen diejenigen welche den Begriff der Fairness vom ursprünglichen individuellen Bezug auf ein Gesellschaftssystem verlagern, hier die offene Gesellschaft, sind keine Unternehmer, Ingenieure oder Handwerker denen der freie Handel als Vorraussetzung für faire Preise gilt und die nicht selten Organisationen die sich zwischen ihnen und dem Handelspartner stellen, für Wegelagerer, Schutzgelderpresser und Schmarotzer halten.

Die meisten Linken sind in keine Wertschöpfungsketten eingebunden und halten deshalb das Streben nach Wachstum für entbehrlich, nicht aber die Notwendigkeit ihrer gestalterischen Energie Raum zu verleihen. Die Krise ist ihre Chance und deshalb wird unter dem Begriff der Postwachstumsökonomie, oder Wachstumsrücknahme, diskutiert, wie eine Zentralverwaltungswirtschaft die soziale Marktwirtschaft oder den Kapitalismus ablösen kann. Das herbeireden von der Verknappung der Ressourcen oder ihre (un)bewusste Herbeiführung ist eine wichtige Vorraussetzung zur Ausweitung der Zentralplanung.

Viele Grüße, Erling Plaethe

strubbi77 Offline



Beiträge: 337

26.01.2012 11:02
#4 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Das herbeireden von der Verknappung der Ressourcen oder ihre (un)bewusste Herbeiführung ist eine wichtige Vorraussetzung zur Ausweitung der Zentralplanung.

Eine Verknappung von Resourcen ist noch kein Beginn einer Zentralplanung, das ist eigentlich der Punkt an dem die Marktwirtschaft richtig in Fahrt kommt:
- Preis steigt bei knappem Gut
- Suche nach Ersatzmöglichkeiten
- Effizienterer Einsatz der entsprechenden Resource
- Suche nach neuen Quellen die davor nicht wirtschaftlich nutzbar waren.
Ich würde sogar sagen, dass Marktwirtschaft nur funktioniert, wenn es knappe Güter gibt.
Wenn aber auf einmal etwas wie Geld unendlich ist, funktioniert das ganze nicht mehr.

Hias Offline



Beiträge: 138

26.01.2012 11:17
#5 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Sie haben sich das falsche Beispiel ausgesucht, lieber Ehrling Plaethe. Gerade der Agrarhandel ist von heftigen Wettbewerbsverzerrungen durch die Industrieländer gekennzeichnet. Die USA und die EU subventionieren die Produktion von Agrargütern in einem Maße, die den freien Ländern fast keine Chance läßt. Die Sache mit dem Fairen Handel kann und soll man kritisieren, aber dabei sollte man nicht aus den Augen lassen, dass EU und USA mit Subventionen und Zöllen ihrerseits einen "unfairen Handel" betreiben.

Abgesehen davon sollte man gerade für die ärmeren Ländern nicht ausser acht lassen, dass die jetzt gerade erfolgreichen Schwellenländer meist eben nicht durch freien Welthandel, sondern gerade durch Subvention, Zollschranken und andere Einschränkungen ihre Wirtschaft aufgebaut haben. Beispiele dafür sind neben China, auch Taiwan und Südkorea.

Zitat
Das herbeireden von der Verknappung der Ressourcen oder ihre (un)bewusste Herbeiführung ist eine wichtige Vorraussetzung zur Ausweitung der Zentralplanung.



Herbeireden von Verknappung?? Ich persönlich glaube ja nicht daran, dass uns das Erdöl in den nächsten Jahrzehnten ausgehen wird, aber alleine die Tatsache, dass inzwischen der energie- und kostenintensive Abbau von Ölsand in Kanada rentabel ist, ist doch schon ein Hinweis, dass Erdöl vielleicht nicht versiegen wird, aber aufgrund immer höherer Abbaukosten doch deutlich knapper und teurer wird. Nur mal so als Beispiel.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.01.2012 11:33
#6 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von strubbi77

Ich würde sogar sagen, dass Marktwirtschaft nur funktioniert, wenn es knappe Güter gibt.
Wenn aber auf einmal etwas wie Geld unendlich ist, funktioniert das ganze nicht mehr.


Ich auch. Nur wird die Verknappung die ich meine, durch staatliche Eingriffe erzeugt. Und sie wird als Begründung zur Ausweitung derselben angeführt, weil Marktversagen festgestellt wird.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.01.2012 11:51
#7 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von Hias
Sie haben sich das falsche Beispiel ausgesucht, lieber Ehrling Plaethe. Gerade der Agrarhandel ist von heftigen Wettbewerbsverzerrungen durch die Industrieländer gekennzeichnet. Die USA und die EU subventionieren die Produktion von Agrargütern in einem Maße, die den freien Ländern fast keine Chance läßt. Die Sache mit dem Fairen Handel kann und soll man kritisieren, aber dabei sollte man nicht aus den Augen lassen, dass EU und USA mit Subventionen und Zöllen ihrerseits einen "unfairen Handel" betreiben.


Also mir gefällt mein Beispiel auch noch nach Ihrer Analyse, die ich teile. Den Handel durch Subventionen und Zölle zu lenken ist in meinen Augen auch ein "fairer Handel" nur dass anstelle der Fair Trade-Organisation die EU-Agrarpolitik tritt, bzw. die der USA.

Zitat von Hias
Abgesehen davon sollte man gerade für die ärmeren Ländern nicht ausser acht lassen, dass die jetzt gerade erfolgreichen Schwellenländer meist eben nicht durch freien Welthandel, sondern gerade durch Subvention, Zollschranken und andere Einschränkungen ihre Wirtschaft aufgebaut haben. Beispiele dafür sind neben China, auch Taiwan und Südkorea.


Ist das wirklich so? Hat nicht gerade das Gegenteil, eine stetig sich bessernde Wettbewerbsfähigkeit gekoppelt mit niedrigen Arbeitskosten zum Aufstieg der Schwellenländer geführt?

Zitat von Hias
Herbeireden von Verknappung?? Ich persönlich glaube ja nicht daran, dass uns das Erdöl in den nächsten Jahrzehnten ausgehen wird, aber alleine die Tatsache, dass inzwischen der energie- und kostenintensive Abbau von Ölsand in Kanada rentabel ist, ist doch schon ein Hinweis, dass Erdöl vielleicht nicht versiegen wird, aber aufgrund immer höherer Abbaukosten doch deutlich knapper und teurer wird. Nur mal so als Beispiel.


Verknappung wird herbeigeredet durch den Klimawandel und seine angebliche Ursache - das CO2. Und herbeigeführt durch die dauerhafte Verringerung des Angebotes mittels der Energiewende.

Viele Grüße, Erling Plaethe

strubbi77 Offline



Beiträge: 337

26.01.2012 12:27
#8 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von Erling Plaethe

Zitat von strubbi77

Ich würde sogar sagen, dass Marktwirtschaft nur funktioniert, wenn es knappe Güter gibt.
Wenn aber auf einmal etwas wie Geld unendlich ist, funktioniert das ganze nicht mehr.


Ich auch. Nur wird die Verknappung die ich meine, durch staatliche Eingriffe erzeugt. Und sie wird als Begründung zur Ausweitung derselben angeführt, weil Marktversagen festgestellt wird.


Da verstehe ich die staatlichen Eingriffe auch nicht immer. Entweder es gibt messbare externe Kosten, die dann entsprechend über Steuern in direkte Kosten umgewandelt werden oder es gibt sie eben nicht.
Wir haben das hier ja auch schon am Beispiel des Verbots von Leuchtmitteln mit niedriger Energieeffizienz durchgespielt. Ein Verbot führt zu einer entsprechenden Fehlallokation, von teuren Leuchtmitteln in der Abstellkammer. Da führt der staatliche Eingriff zu höheren Kosten in einem Teilsystem.

Die Frage ist ja auch immer ob es sich um Markt- oder um Staatsversagen handelt. Vieles wird als Marktversagen bezeichnet obwohl der Staat entsprechend versagt hat. Siehe Griechenlandkriese.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.01.2012 12:46
#9 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von strubbi77
Die Frage ist ja auch immer ob es sich um Markt- oder um Staatsversagen handelt. Vieles wird als Marktversagen bezeichnet obwohl der Staat entsprechend versagt hat.


Ehrlich gesagt kenne ich überhaupt kein Beispiel für echtes "Marktversagen".
Entweder ist es direktes Staatsversagen, oder aber es geht nur darum, daß die vom Markt aufgezeigt Realität nicht den Wünschen mancher Leute entspricht.

Wenn z. B. der Preis einer Villa in München zu hoch ist für mein Budget, dann ist das kein "Marktversagen" - sondern der Markt zeigt damit korrekt an, daß es dort weniger Villen gibt als Interessenten und daß genügend viele Konkurrenten mehr Geld für die Villa ausgeben wollen als ich.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.01.2012 13:42
#10 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Ich will ja nicht pingelig sein und vielleicht hat der geehrte Zettel die folgende Bemerkung ja auch kommen sehen; loswerden möchte ich sie trotzdem:

Das US-Wirtschaftssystem wird niemals fair sein, so wie jedes andere auch nicht, weil es das m.E. gar nicht sein kann. Ein System funktioniert - gut oder weniger gut oder auch sehr schlecht, es hat aber keine moralische Eigenschaft. Die Personen die es repräsentieren haben Eigenschaften, auch moralische, aber sind doch schwerlich so gleichgeschaltet, dass sie sich in jeder Situation identisch verhalten.

Sollte dieser Unsinn Obamas Wahlkampfstrategie sein, wird diese ihm im Land der Freiheit noch gewaltig auf die Füsse fallen, da bin ich mir ziemlich sicher.

Viele Grüße, Erling Plaethe

strubbi77 Offline



Beiträge: 337

26.01.2012 14:22
#11 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Das US-Wirtschaftssystem wird niemals fair sein, so wie jedes andere auch nicht, weil es das m.E. gar nicht sein kann. Ein System funktioniert - gut oder weniger gut oder auch sehr schlecht, es hat aber keine moralische Eigenschaft. Die Personen die es repräsentieren haben Eigenschaften, auch moralische, aber sind doch schwerlich so gleichgeschaltet, dass sie sich in jeder Situation identisch verhalten.

Genau das US-Wirtschaftssystem repräsentiert die Summe der wirtschaftlichen Einzelentscheidungen mit direktem Einfluss auf die in den USA handelnden Personen.
Die Frage ist ja auf welchem Level Fairniss hergestellt werden soll, damit die Personen die in der Umfrage gefragt werden das System als fair bezeichnen.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

26.01.2012 14:31
#12 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von R.A.
Ehrlich gesagt kenne ich überhaupt kein Beispiel für echtes "Marktversagen".



Öffentliche Güter.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.01.2012 14:52
#13 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von Rayson

Zitat von R.A.
Ehrlich gesagt kenne ich überhaupt kein Beispiel für echtes "Marktversagen".


Öffentliche Güter.



Aber kann es da überhaupt einen Markt geben, der dann versagt?

Beim Markt brauche ich doch Teilnehmer, die etwas tauschen, was ihnen gehört - Sachen oder Arbeitskraft oder was auch immer. Sie müssen über die Tauschobjekte aber verfügen können.

Und bei öffentlichen Gütern gibt es doch gar keine Eigentumsrechte. Ich kann einen Kubikmeter Luft atmen, oder verschmutzen - aber ich kann ihn Dir nicht verkaufen.

Von diesen (wahrscheinlich naiven) Annahmen aus kann man von "Marktversagen" genausowenig sprechen wie von "Hammerversagen", wenn der Hammer keine Schraube in die Wand kriegt. Dafür ist es halt gar nicht anwendbar. "Hammerversagen" wäre es doch erst, wenn er den Nagel nicht in die Wand kriegt, obwohl der Hammer dafür gedacht ist.

Na ja, wahrscheinlich reden wir hier letztlich über Definitionsfragen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.01.2012 15:22
#14 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von strubbi77

Zitat von Erling Plaethe
Das US-Wirtschaftssystem wird niemals fair sein, so wie jedes andere auch nicht, weil es das m.E. gar nicht sein kann. Ein System funktioniert - gut oder weniger gut oder auch sehr schlecht, es hat aber keine moralische Eigenschaft. Die Personen die es repräsentieren haben Eigenschaften, auch moralische, aber sind doch schwerlich so gleichgeschaltet, dass sie sich in jeder Situation identisch verhalten.

Genau das US-Wirtschaftssystem repräsentiert die Summe der wirtschaftlichen Einzelentscheidungen mit direktem Einfluss auf die in den USA handelnden Personen.
Die Frage ist ja auf welchem Level Fairness hergestellt werden soll, damit die Personen die in der Umfrage gefragt werden das System als fair bezeichnen.



Es ist ja gerade das Kennzeichen der Marktwirtschaft, offen zu sein und frei. Der Markt ist nach meinem Verständnis kein System; seine Regulierung, seine Begrenzung ist das System was dem Markt auf-, ein-, oder zugesetzt wird. Also sind die Regeln und die Gesetze das System welches bewertet werden kann. Und ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren dass diese Diskussion über Fairness von Obama geführt wird, um weitere Regeln und Gesetze hinzuzufügen. Also ein System zu schaffen.
Es gibt Menschen die halten sich an Regeln und andere tun es nicht, deren Verhalten dann als unfair bezeichnet werden kann. Aber was für den einen unfair ist, kann für den anderen eine Bagatelle sein. Ein Gesetz stellt eine Einschränkung dar die sich auf unterschiedliche Personen unterschiedlich stark auswirkt. Ich vermag nicht einem Regelwerk eine moralische Qualität zuzugestehen, auch wenn es sich erst durch handelnde Personen beginnt, auf andere auszuwirken und ich ersteren dann eine Art kollektiven Geist zugestehen müsste.
Aber da gibt es sicher unterschiedliche philosophische Auffassungen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

26.01.2012 15:25
#15 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von R.A.

Und bei öffentlichen Gütern gibt es doch gar keine Eigentumsrechte.



Das ist nicht das Kernproblem, sondern die Nicht-Rivalität im Konsum, meist verbunden mit der Nichtausschließbarkeit. Dann beschreibt "Marktversagen" den Umstand, dass der Markt gar nicht erst zustande kommt. Was ja eigentlich mit zu seinen Aufgaben als Verwalter knapper Ressourcen gehört und was letztlich zu Fehlallokation von Ressourcen führt.

Ansonsten bin ich natürlich bei dir: Die Verdammung als "Marktversagen" ist oft nichts anderes als die Enttäuschung darüber, die eigenen Wünsche nicht erfüllt zu bekommen, oder ziemlich billiges "benefit of hindsight".

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

26.01.2012 16:04
#16 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von Erling Plaethe
So wie im Fairen Handel. Preise werden festgelegt und "partnerschaftliche" Beziehungen zwischen Händlern und Erzeugern aufgebaut. Nicht von den Erzeugern und Händlern, sondern von den Fair Trade-Organisationen. Sie bestimmen wer mit wem zu welchen Konditionen handeln darf. Weil diese Planwirtschaft das Produkt verteuert, wird ihm ein caritatives Image verpasst, welches die Organisation verkörpert.

Die meisten Linken und mit ihnen diejenigen welche den Begriff der Fairness vom ursprünglichen individuellen Bezug auf ein Gesellschaftssystem verlagern, hier die offene Gesellschaft, sind keine Unternehmer, Ingenieure oder Handwerker denen der freie Handel als Vorraussetzung für faire Preise gilt und die nicht selten Organisationen die sich zwischen ihnen und dem Handelspartner stellen, für Wegelagerer, Schutzgelderpresser und Schmarotzer halten. (…)



Aus meiner Sicht treten die Fair-Trade-Organisationen einfach in der Rolle eines Großhändlers oder Exporteurs/Importeurs auf. Der Begriff der Fairness wird im »Fairen Handel« nicht auf die Gesellschaft verlagert, sondern auf zwei Geschäftsbeziehungen angewendet: (1) auf die Geschäftsbeziehung zwischen Erzeuger und Fair-Trade-Unternehmen und (2) auf die Geschäftsbeziehung zwischen Abnehmer und Fair-Trade-Unternehmen.

In einer Marktwirtschaft können Unternehmen unterschiedlicher Rechtsform nebeneinander existieren. Dazu zähle ich ausdrücklich auch die Genossenschaft (das Genossenschaftsprinzip wurde ja von Liberalen »erfunden«). Nehmen wir als Beispiel für Fair-Trade-Organisationen die GEPA: Was soll an dieser Rechtsform auszusetzen sein? Dass sie in Konkurrenz zu bestehenden Großhändlern und Importeuren steht?

In der Marktwirtschaft ist es zulässig, ein Produkt moralisch zu überhöhen, wenn es Kunden gibt, die dieses Produkt haben möchten. Tatsächlich werden ja viele Produkte in irgendeiner Form überhöht. Ich darf doch als Kunde immer noch selbst entscheiden, mit wem ich Geschäfte mache ;-)

Oft sind Fair-Trade-Angebote von bestechender Einfachheit. Beispiel Tee-Kampagne: Darjeeling-Tee wurde direkt bei den Erzeugern in Indien gekauft und in Großpackungen >=250 Gramm verkauft. Der Preis war nach beiden Seiten »fair«: Die Tee-Bauern bekamen den Tee zufriedenstellend vergütet und die Kunden bekamen Mittelklasse-Darjeeling zu einem annehmbaren Preis (bezogen auf 100 Gramm). De facto wurden die Lagerkosten des Händlers auf die Kunden verteilt. Warum sollte man als Student oder Berufseinsteiger diesen Tee nicht kaufen? Heute habe ich etwas höhere Ansprüche, aber prinzipiell hatte der Tee damals ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.


Anmerkung: Dem Exporteur im ersten Absatz wurde der Importeur hinzugefügt.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.01.2012 16:49
#17 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Lieber stefanolix,

Ich habe überhaupt kein Problem damit, Fair Trade-Produkte zu kaufen und natürlich können sie moralisch überhöht werden. Und selbstverständlich sind die Fair Trade-Organisationen Zwischenhändler denen ich nicht ihre Daseinsberechtigung abspreche.
Aber sie sind nicht moralischer als jeder andere Grosshändler der Zulieferer von sich abhängig macht, Preise diktiert und eher Parallelen mit einem Kolonialherren aufweist. Kaffeebauern in Guatemala und Costa Rica haben mir dieses Bild vermittelt. Die Bauern befinden sich vielleicht immer in irgendeiner Abhängigkeit, aber bei den Fair Trade-Organisationen werden sie wie abhängig Beschäftigte behandelt. Diese Organisationen verhalten sich wie jeder andere Angehörige eines Kartells auch.
Übrigens trifft dies auch auf den grössten Bio-Grosshändler in Deutschland zu. Nur wer bereit ist, sich ausschliesslich von diesem beliefern zu lassen, bekommt einen Vertrag. Das nur nebenbei.
Mir ging es darum, das Geschäftskonzept als protektionistisch und der freien Marktwirtschaft abgewandt, darzustellen, ähnlich der Kritik auf der Wikipedia Seite.
Über das Attribut "fair" wollte ich zwei moralische Ansätze gegenüberstellen bei denen es um ganz profane Machtinteressen geht. Bei Fair Trade ist es der durchaus erfolgreiche Versuch Marktmechanismen zum Vorteil der Organisationen ausser Kraft zu setzen und den Markt nach ihren Bedürfnissen zu regulieren.
Im Falle Obamas ist es ebenfalls das Bestreben den Markt stärker zu regulieren.
Ich kann übrigens bestätigen, dass es Bauern gibt, die mit den Fair Trade-Organisationen mehr Geld verdienen als mit normalen Händlern.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.01.2012 17:09
#18 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Aber sie sind nicht moralischer als jeder andere Grosshändler der Zulieferer von sich abhängig macht, Preise diktiert und eher Parallelen mit einem Kolonialherren aufweist. Kaffeebauern in Guatemala und Costa Rica haben mir dieses Bild vermittelt. Die Bauern befinden sich vielleicht immer in irgendeiner Abhängigkeit, aber bei den Fair Trade-Organisationen werden sie wie abhängig Beschäftigte behandelt.


Gerade weil die "Fair"-Trade-Organisationen über dem Marktpreis bezahlen, haben sie natürlich eine besondere Machtstellung.
Schließlich gibt es sehr viele Kaffebauern oder ähnliche Produzenten - und nur wenige bekommen das Privileg, eine solche Organisation beliefern zu dürfen und damit deutlich besser zu verdienen als ihre Kollegen, die im Prinzip mit der gleichen Arbeit das gleiche Produkt herstellen.
Es gibt m. W. keine Kriterien, wie diese wenigen Privilegierten "fair" ausgesucht werden, das macht die Organisation bzw. ihr Vertreter vor Ort frei Schnauze.

Eine solche Machtstellung lädt natürlich zu Mißbrauch geradezu ein. Es würde mich sehr wundern, wenn man nicht vor Ort interessante Geschichten darüber erfahren könnte, wie die lokalen Repräsentanten mit den Bauern umgehen.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

26.01.2012 19:21
#19 RE: Marginalie: Ist das US-Wirtschaftssystem fair? Antworten

Zitat von RA
Na ja, wahrscheinlich reden wir hier letztlich über Definitionsfragen.



Ja und Nein. Einerseits haben sie recht: es ist eine Definitionsfrage ob man unter "Versagen" nur die Unfähigkeit eine gewünschte (bei Ökonomen effiziente) Allokation herzustellen bezeichnet oder dazu einen Vorwurf, eine Verurteilung mitschwingen lässt. Sie und Rayson so wie die meisten der Zimmerleute sind vermutlich eher formal denkende Menschen (liberale wohl im allgemeinen), denen ist das wurscht.

Andererseits gilt das nicht für alle. Wenn andere Marktversagen hören, dann verselbständigt sich in deren Köpfen die im "Versagen" enthaltene Wertung und überträgt sich auf den "Markt" (falls sie nicht schon da ist). Von wirklichem Versagen kann aber nur gesprochen werden, wenn es eine reale(!) Möglichkeit gibt, es besser machen. Welchem Vorwurf wollte man sonst machen. Aber fast überall wo "Marktversagen" ist, ist das Staatsversagen noch größer. Ich sehe das daher ähnlich wie sie und benutze den Begriff Marktversagen nur vorsichtig!

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