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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 11 Antworten
und wurde 1.937 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.01.2012 11:36
Respekt vor dem Amt Antworten

Der mangelnde Respekt von Journalisten gegenüber dem Staatsoberhaupt kann wohl nicht mit irgendwelchen Eigenheimkrediten begründet werden. Denn er trifft auch Bundespräsidenten, deren Amtsführung völlig makellos war.

patzer Offline



Beiträge: 359

26.01.2012 13:40
#2 RE: Respekt vor dem Amt:Gerechter Zorn Antworten
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.01.2012 00:03
#3 RE: Respekt vor dem Amt Antworten

Zitat von R.A.
Der mangelnde Respekt von Journalisten gegenüber dem Staatsoberhaupt kann wohl nicht mit irgendwelchen Eigenheimkrediten begründet werden. Denn er trifft auch Bundespräsidenten, deren Amtsführung völlig makellos war.

Und daß man sich diesen Mangel an Respekt selbst gegenüber von Weizsäcker erlaubt, ist, lieber R.A., ja nur Ausdruck einer allgemeinen Haltung, die sich bei Journalisten vor allem in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Nicht nur in Talkshows, aber dort besonders extrem.

Sie sind als Moderatoren formal die Herren des Verfahrens, diese Journalisten. Aber ein Moderator ist bekanntlich dem Wortsinn nach ein Mäßiger; und eigentlich ist der Moderator nur dazu da, die Diskussion zu leiten und dann, wenn sie stockt, sie gegebenenfalls durch Fragen zu beflügeln.

Klassische Moderatoren wie Werner Höfer und Erich Böhme haben das auch so gehandhabt. Inzwischen aber benehmen sich Moderatoren zunehmend so, als sei das ihre Sendung und die anderen nur Staffage.

Das kommt ja schon darin zum Ausdruck, daß die Sendung heute meist nach ihrer unwichtigsten Person benannt ist, eben dem Moderator. Niemand wäre auf den Gedanken verfallen, den "Internationalen Frühschoppen" in "Werner Höfer" umzubenennen, oder "Talk im Turm" in "Erich Böhme". Schon die Idee wäre absurd erschienen. Böhme hat einmal sinngemäß gesagt, am besten sei eine Sendung gelaufen, wenn er sich kaum habe einschalten müssen.



Wie kam es dazu? Der WDR hat eine wesentliche Rolle gespielt. Diesen moderatorbezogenen, aggressiven Moderationsstil hat dort zuerst Bettina Böttinger eingeführt, die zu sagen pflegte, daß "sie sich" Gäste einlädt. Der unerträglich narzißtische Frank Plasberg hat das perfektioniert; bei ihm dreht sich die Sendung nur noch um ihn selbst, der den Ablauf bestimmt, unverschämte Fragen stellt und sich wie ein Schullehrer beim Frontalunterricht benimmt.

Ebenso versuchen Interviewer wie Beckmann sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Wie anders war das beim Altmeister des TV-Interviews, Günter Gaus, von dem man immer nur den Hinterkopf sah.

Und wie anders ist es bei der BBC, bei CNN, vom französischen TV ganz zu schweigen, in dem die Journalisten durchweg respektvoll mit ihren Interviewpartnern umgehen. Auch in dieser Hinsicht sind die deutschen TV-Sender unter ihrer linken Dominanz ungewöhnlich stark heruntergekommen.

Herzlich, Zettel

PS: Natürlich gibt es in zB der BBC auch bestimmte Sendeformate wie Hardtalk, das schon im Namen erkennen läßt, daß es auf ein konfrontatives Interview angelegt ist. Aber das sind eben spezielle Formate; ist ist nicht der generelle Stil.

Hausmann Offline



Beiträge: 710

27.01.2012 00:58
#4 RE: Respekt vor dem Amt Antworten

Guten Tag!

Als Ostdeutschen beeindruckten mich beispielsweise die Debatten Wehners im Radio, der Frühschoppen oder die Querschnitte. Auch der Deutsche Fernsehfunk hatte einige niveauvolle Reihen. Heute scheinen die Verkaufssender am ehrlichsten zu sein (selbst beim Wetter ...?). mfG

Reiner aus dem Saarland Offline



Beiträge: 272

27.01.2012 16:04
#5 RE: Respekt vor dem Amt Antworten

Zitat von Zettel
Sie sind als Moderatoren formal die Herren des Verfahrens, diese Journalisten. Aber ein Moderator ist bekanntlich dem Wortsinn nach ein Mäßiger; und eigentlich ist der Moderator nur dazu da, die Diskussion zu leiten und dann, wenn sie stockt, sie gegebenenfalls durch Fragen zu beflügeln.


Treffender kann man deutsche Massenmedien bzw. deutschen Journalismus wohl nicht mehr charakterisieren. All dem wäre nichts hinzufügen.

Es sei denn die Tatsache, dass a.) nicht nur Kommentar und Nachricht nicht mehr voneinander getrennt sind sondern b.) die Redaktionen von z.B. ZDF und ARD mittlerweilen glauben, die Richtlinien der Politik selbst (mit-)bestimmen zu können. Im Augenblick läuft in ARD und ZDF eine höchst aggressive Kampagne gegen die moderne, industrielle Landwirtschaft. Diese Kampagne macht den Eindruck, dass sie genauestens koordiniert ist. Dem Deutschen soll sein Steak und sein Brathähnderl mit medialer Brachialgewalt ausgetrieben werden.

Am letzten Samstag lieferten die Tagesschau bzw. Heute/Heute-Journal eine diesbezügliche Glanznummer ab. Anlässlich der "grünen Woche" in Berlin berichteten beide Hauptnachrichtensendungen kein Wort(!) über die Veranstaltung selbst. Stattdessen wurde eine Anti-Veranstaltung von Bio-Wutbürgern in aller Ausführlichkeit medial inszeniert. Sowas habe ich noch nicht erlebt. Der grell-geschminkte Veganer ist mittlerweilen wichtiger als die gesamte übrige Landwirtschaft (die übrigens Geld ins Land bringt)

Mir reicht's von wegen bekehrenden, schulmeisternden oder gar indoktrinierenden Journalisten und Fernsehmoderatoren.

C. Offline




Beiträge: 2.639

27.01.2012 17:15
#6 RE: Respekt vor dem Amt Antworten

Zitat von Reiner aus dem Saarland
Anlässlich der "grünen Woche" in Berlin berichteten beide Hauptnachrichtensendungen kein Wort(!) über die Veranstaltung selbst. Stattdessen wurde eine Anti-Veranstaltung von Bio-Wutbürgern in aller Ausführlichkeit medial inszeniert.



Lieber Reiner,

seine Sie bitte nicht so hart mit dem ÖR. Die Grüne Woche ist wie der Name schon sagt, eine Veranstaltung der Grünen Kirche.

Zitat von Grüne Partei
Trotz eisigen Schneeregens kamen am Samstagvormittag über 20.000 Menschen zum Berliner Hauptbahnhof, um für gesunde Lebensmittel, gegen Massentierhaltung und Gentechnik zu demonstrieren. Mit dabei waren auch hunderte Grüne. Zeitgleich starten grüne Agrarminister eine Bundesratsinitiative gegen große Tiermastanlagen auf der grünen Wiese



Nun wissen Sie welche Ökosau bis zur nächsten Bundestagswahl durchs grüne Dorf gejagt wird.

http://iceagenow.info

morgenmuffel Offline



Beiträge: 11

28.01.2012 07:43
#7 RE: Respekt vor dem Amt Antworten

Zitat von Zettel
Und daß man sich diesen Mangel an Respekt selbst gegenüber von Weizsäcker erlaubt, ist, ...



Seit Jahren lese ich hier mit, verlinke auch Beiträge von Zettels Raum in andere polititikforen, wenn dort entsprechende Themen diskutiert werden.

Werter Zettel, ich interpretiere den zitierten Satz derart, dass Sie Kritik an Alt-BP v.Weizsäcker als eine Ungeheuerlichkeit betrachten.
Ist dieser Eindruck richtig?

Wenn ja, woher stammt Ihre Wertschätzung für v.Weizsäcker?
Ich sehe ihn ähnlich kritisch wie Karlheinz Deschner, siehe hier:
http://www.youtube.com/watch?v=3r_YqXaSimg

Gruß

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.01.2012 15:27
#8 Weizsäcker, Deschner Antworten

Zitat von morgenmuffel

Zitat von Zettel
Und daß man sich diesen Mangel an Respekt selbst gegenüber von Weizsäcker erlaubt, ist, ...

Seit Jahren lese ich hier mit, verlinke auch Beiträge von Zettels Raum in andere polititikforen, wenn dort entsprechende Themen diskutiert werden.

Werter Zettel, ich interpretiere den zitierten Satz derart, dass Sie Kritik an Alt-BP v.Weizsäcker als eine Ungeheuerlichkeit betrachten.
Ist dieser Eindruck richtig?


Nein, lieber morgenmuffel, das ist er nicht.

Es ist nur schlicht empirisch so, daß v. Weizsäcker hohes Ansehen genießt; das höchste aller lebenden Alt-Bundespräsidenten. Wenn man sogar mit ihm so umspringt, dann ist das ein besonders deutliches Zeichen für den mangelnden Respekt der Moderatoren gegenüber ihren "Gästen", die sie eben nicht als solche behandeln.

Mit meiner persönlichen Beurteilung Weizsäckers hat das zunächst einmal nichts zu tun.

Zitat von morgenmuffel
Wenn ja, woher stammt Ihre Wertschätzung für v.Weizsäcker?
Ich sehe ihn ähnlich kritisch wie Karlheinz Deschner, siehe hier:
http://www.youtube.com/watch?v=3r_YqXaSimg

Wie gesagt, eine persönliche Wertschätzung wollte ich mit meinem Hinweis nicht ausdrücken. Aber zu dem Video, das Sie verlinken, einige Bemerkungen.



-- Deschner ist aus meiner Sicht so etwas wie ein jakobinischer Günter Wallraff. Mir weit sympathischer als Wallraff, weil er kein Lügner und Täuscher ist, und aus anderen Gründen. Aber doch jemand, der sich (Hochhuth ist auch so ein Fall) in ständiger Empörtheit befindet.

Ich habe sein erstes Buch, "Kitsch, Konvention und Kunst", als es erschien, sehr geschätzt; ich möchte fast sagen, es hat mir jungem Mann "die Augen geöffnet".

Aber auch damals war schon dieses Manichäische bei Deschner da: Die Schriftsteller, mit denen er sich befaßte, hat er entweder vernichtend kritisiert (zum Teil zu Recht, wie Hans Carossa; zum Teil zu Unrecht, wie Hermann Hesse) oder in den Himmel gehoben (wie Hans Henny Jahnn, der seine Qualitäten hat, mit dem ich persönlich aber nichts anfangen kann).

Deschner hat sich dann immer mehr zum nachgerade fanatischen "Kirchenkritiker" entwickelt. Was für Wallraff der Kapitalismus, das ist für ihn die Katholische Kirche. Gewiß, anders als Wallraff liest er wenigstens und kann schreiben. Ich habe ein oder zwei dieser Bücher gelesen (ich glaube, eines hieß "Und abermals krähte der Hahn") und andere ungelesen in meiner Bibliothek stehen. Denn ich habe mich zunehmend gefragt: Was soll das? Was lerne ich aus einer solchen einseitigen Darstellung aller negativen Details in der Geschichte der Katholischen Kirche?

-- v. Weizsäcker ist mir damals, als er Präsident war, durch seine Klugheit, seinen souveränen Stil und dann durch die berühmte Rede vom Mai 1985 positiv in Erinnerung. Seine manchmal moralisierende Attitüde und sein zunehmend etwas huldvolles Benehmen gefielen mir weniger.

Er war ein Hauptziel der kommunistischen und kommunistisch inspirierten Propaganda. Teils vielleicht, weil er der Präsident der Wiedervereinigung war. Vor allem aber wohl, weil sich an seiner Familie die kommunistische Propagandathese von der engen Verflechtung zwischen Großbürgertum, Industrie und Nationalsozialismus festmachen ließ.



-- Das Video, das Sie verlinkt habe, finde ich ärgerlich. Erstens, weil es schlampig gemacht ist. In dem Text aus dem Off wird v. Weizsäckers Vater mit Ribbentrop verwechselt. Zweitens, weil - jedenfalls in dieser You-Tube-Version - unklar ist, wer eigentlich dieses Video gemacht hat (im Untertext heißt es, es sei "zensuriert" - gemeint offenbar "zensiert" - worden und stamme von "KAOS Berlin"; wer ist das? Wer hat es "zensiert"?).

-- Was nun Deschners Behauptungen angeht, kann ich dazu aus eigener Kenntnis wenig sagen. In dem Video sieht man offenbar linke Demonstranten, die Plakate gegen Weizsäcker schwenken, auf denen "Boehringer" steht. Wenn ich es richtig verstehe, behauptet Deschner, v.Weizsäcker sei an diesem Unternehmen beteiligt, dieses wiederum habe Giftgas hergestellt, und dieses sei von den USA in Vietnam eingesetzt worden.

Ich habe jetzt nachgesehen, was die Wikipedia dazu schreibt:

Zitat
Ende Juni 1958 schied Weizsäcker bei Mannesmann aus und war bis 1962 persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Waldthausen, zu dem über seine Frau familiäre Beziehungen bestanden. Danach war er von 1962 bis 1966 Mitglied der Geschäftsführung des Chemie- und Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim in Ingelheim am Rhein. Boehringer Ingelheim lieferte im Folgejahr 1967 720 Tonnen Trichlorphenolatlauge an Dow Chemical. „Mit großer Betroffenheit“ habe er erst Jahre nach seiner Tätigkeit bei Boehringer von Agent Orange erfahren, sagte von Weizsäcker.

Also v. Weizsäcker war bis 1966 Geschäftsführer einer Firma, die 1967 ein Herbizid (denn darum handelte es sich) an einen US-Chemiekonzern lieferte, der dieses wiederum an die US-Streitkräfte verkaufte, die es einsetzten, um in Vietnam den Urwald zu entlauben.

Agent Orange wurde bekanntlich nicht gegen Menschen eingesetzt. Es ist auch nicht selbst schädlicher als andere Herbizide, wie sie auch in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Menschen (sowohl Vietnamesen als auch US-Soldaten) erkrankten, weil das Herbizid mit Dioxin verunreinigt war. Ob ein Zusammenhang mit Mißbildungen besteht, ist unklar. Siehe auch dazu die Wikipedia.



Und auf diese dünne, diese erbärmlich dünne Story wurde ein Angriff auf Weizsäckers Integrität aufgebaut!

Die kommunistische Propaganda hat dergleichen routinemäßig gemacht; siehe Lübke. Daß Deschner sich dafür hat einspannen lassen, ist bedrückend. Verwunderlich nicht, weil er eben sehr zum Eiferertum neigt.

Herzlich, Zettel

PS: Willkommen im kleinen Zimmer, mit ausdrücklichem Dank für Ihren interessanten Hinweis - auch wenn ich Ihr Urteil in diesem Fall nicht teile. Daß ich es interssant fand, sehen Sie, lieber morgenmuffel, an der Länge meiner Antwort.



Edit: "1996" zu "1966" korrigiert. Dank an Uwe Richard für den Hinweis. Schreibweise von "Wallraff" korrigiert.

morgenmuffel Offline



Beiträge: 11

28.01.2012 19:39
#9 RE: Weizsäcker, Deschner Antworten

Werter Zettel, danke für ihre Antwort, die ich in der gebotenen Ausführlichkeit so nicht erwartet hatte.
Ich versuche ebenso ausführlich darzulegen, warum Deschner -trotz aller seiner Mängel- bei v.Weizsäcker richtig liegt.
Sie enden mit:

Zitat von Zettel
Also v. Weizsäcker war bis 1966 Geschäftsführer einer Firma, die 1967 ein Herbizid (denn darum handelte es sich) an einen US-Chemiekonzern lieferte, der dieses wiederum an die US-Streitkräfte verkaufte, die es einsetzten, um in Vietnam den Urwald zu entlauben.

Agent Orange wurde bekanntlich nicht gegen Menschen eingesetzt. Es ist auch nicht selbst schädlicher als andere Herbizide, wie sie auch in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Menschen (sowohl Vietnamesen als auch US-Soldaten) erkrankten, weil das Herbizid mit Dioxin verunreinigt war. Ob ein Zusammenhang mit Mißbildungen besteht, ist unklar. Siehe auch dazu die Wikipedia.



Und auf diese dünne, diese erbärmlich dünne Story wurde ein Angriff auf Weizsäckers Integrität aufgebaut!



Wikipedia gibt im Wesentlichen den Inhalt des SPIEGEL-Artikels von 1991 wieder, diesen hier: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13487619.html
Auszug:
Dow Chemical wendet sich an die Firma Boehringer in Ingelheim, bittet um Hilfe. Die Deutschen schreiben zurück, man sei mit "einer Erweiterung des Abkommens vom 19. März 1965 einverstanden", weise aber darauf hin, daß bereits eine andere US-Firma "die Anfrage nach unserem Know-how für den gleichen Regierungszweck" gestellt habe.

Da wird also 1965 eine bereits bestehende Abmachung erweitert.
RvW war die Nr.2 zu dieser Zeit bei Boehringer Ingelheim:

1962-1966
Geschäftsführender Gesellschafter des chemisch-pharmazeutischen Unternehmens C. H. Böhringer in Ingelheim am Rhein.
http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/WeizsaeckerRichardV/

Der wichtigere und für "unseren Fall" entscheidende SPIEGEL-Artikel ist dieser hier:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13681543.html

Ich zitiere:
Bei ihrer Suche nach Wahrhaftigkeit stießen die Firmenforscher auf ein Schreiben vom 17. Dezember 1964. Inhalt: Berichte über Verhandlungen zwischen Boehringer und dem amerikanischen Chemiekonzern Dow Chemical über den "akneerregenden Stoff". Die Chlorakne ist ein sicheres Zeichen für eine Dioxinvergiftung, sie hatte im Hamburger Werk Boehringers eine Reihe von Arbeitern befallen. Das Schreiben ist an zwei Herren gerichtet, vieren dient es zur Kenntnisnahme. Einer von ihnen: Dr. v. Weizsäcker.

Ich denke doch, dass in diesem Video über Deschner und v.Weizsäcker wesentlich mehr Substanz steckt als gemeinhin bekannt.

Und Sie haben Recht, die militärische Variante enthielt wesentlich mehr Dioxin als die zivile:
"When we initiated the herbicide program in 1960s, we were aware of the potential for damage due to dioxin contamination in the herbicides," Clary wrote. "We were even aware that the 'military' formulation had a higher dioxin concentration than the 'civilian' version due to the lower cost and speed of manufacture. However, because the material was to be used on the 'enemy,' none of us were overly concerned." http://www.chicagotribune.com/health/age...,0,674174.story

Dieses militärische Herstellungsverfahren, billig aber hochgefährlich durch Dioxin, war wohl das aus Ingelheim von der Fa. Boehringer, welches Deschner in seinem Buch "Der Moloch" wie folgt hinsischtlich der Abläufe beschreibt:

Ein deutscher Beitrag zum Vietnamkrieg

Eines der bekanntesten dieser Chemikalien war das in
den sechziger Jahren in den USA entwickelte »Agent Oran-
ge«. Mit Dioxin verseucht, mit hochgiftigen Substanzen,
wurde es in solch ungeheueren Mengen zur Entlaubung des
Dschungels, zum systematischen Ruinieren der Felder, der
Dörfer eingesetzt, dass der US-Chemiewaffenhersteller Dow
Chemical, Midland, bereits in »Lieferschwierigkeiten«
kam.


Da sprang ein deutsches Unternehmen in die Bresche,
der Chemie-Konzern Ernst Boehringer, Ingelheim.
An der Spitze dieses Unternehmens aber stand seinerzeit
der spätere Präsident des Evangelischen Kirchentages und
ehemalige Präsident der Bundesrepublik Deutschland Dr.
Richard von Weizsäcker, keine wichtige Entscheidung fiel
ohne ihn. Der deutsche Waffenproduzent half dem ameri-
kanischen Chemiewaffenhersteller Dow Chemical aus, er
lieferte ihm »ein modernes Verfahren zur Herstellung von
Zutaten für den Kampfstoff Agent Orange«.
Und je mehr
Boehringer-Gift auf Vietnam niederging, desto mehr stieg
Boehringer in Ingelheim auf. »So lange der Vietnam-Krieg
andauert, sind keine Absatzschwierigkeiten zu erwarten«,
beschrieb man optimistisch die Lage in der Firma. »Tat-
sächlich ging unter Weizsäcker die Weiterentwicklung des
Hauses Boehringer steil nach oben. Der offizielle Haupt-
lieferant für Agent Oranges Dow Chemical in Midland/
Michigan, lobte den großartigen Kooperationsgeist, den
der Boehringer-Konzern zeigte.«

So steht in der Strafanzeige des früheren Mannheimer
Amtsgerichtsdirektors Rudolf Deichner vom Dezember 1989
gegen Bundespräsident Dr. Richard von Weizsäcker
wegen »Beteiligung an Völkermord« und anderen Straf-
taten, in einer Anzeige, die seitdem deutsche Staatsanwalt-
schaften, eher weniger als mehr, darf man vermuten, be-
schätigt.


Zum letzten Absatz fällt mir spontan die Rechtsstaatslücke "weisungsgebundene Staatsanwältschaft" ein, die Frau Leutheuser-Schnarrenberger erkannt hat und abschaffen wollte.
Passiert ist leider nichts...

Werter Zettel, was Deschner im Video sagt, und was er schreibt, das hat Substanz.
Ganz so unwissend war der Alt-Bundespräsident nicht, wie er -auch laut Wikipedia- mitteilte.
Ich denke, der Eintrag sollte ergänzt werden.

Gruß Morgenmuffel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.01.2012 23:46
#10 RE: Weizsäcker, Deschner Antworten

Zitat von morgenmuffel
Werter Zettel, was Deschner im Video sagt, und was er schreibt, das hat Substanz.
Ganz so unwissend war der Alt-Bundespräsident nicht, wie er -auch laut Wikipedia- mitteilte.

Wie ich schon schrieb, lieber morgenmuffel, kann ich aus eigener Kenntnis dazu nichts sagen. Ich habe die Sache damals nicht verfolgt, ich habe seither nichts dazu gelesen und möchte, ehrlich gesagt, auch jetzt keine Zeit darauf verwenden, dazu zu recherchieren.

Lassen Sie mich aber zwei Punkte nennen, die mir wichtig erscheinen.



Erstens geht es offenbar darum, ab wann Boehringer die Gefahren, die von Dioxin ausgehen, hätte erkennen müssen. Ich sehe nicht, wie man dem Juristen v. Weizsäcker, der in der Geschäftsleitung für Steuern und Personal zuständig war, den Vorwurf machen kann, diese Gefahren nicht erkannt zu haben.

Der "Spiegel" nennt ein Schreiben vom 17. 12. 1964, das an den Vorstand gerichtet war. Über den Inhalt des Schreibens erfährt der Leser so gut wie nichts, außer daß "über Verhandlungen zwischen Boehringer und dem amerikanischen Chemiekonzern Dow Chemical über den 'akneerregenden Stoff'" berichtet wird.

Dieses Schreiben ging an den Juristen v. Weizsäcker z.K. Ja, hätte er denn jetzt Recherchen anstellen sollen, was es mit diesem Stoff auf sich hat?

Er war nicht zuständig, er konnte das als Nichtchemiker überhaupt nicht beurteilen.

Jeder in einer Führungsposition findet täglich viele solche Schreiben und Dokumente in seiner Postmappe. Man liest das, zeichnet es ab, und das war's. "z.K." besagt eben genau dies - daß der Adressat nicht zuständig ist; daß von ihm keine Aktion erwartet wird, sondern daß er nur auf dem Laufenden gehalten werden soll.

Aus diesem Vorgang dem späteren Bundespräsidenten einen Vorwurf zu machen, halte ich für nachgerade absurd.



Das zweite ist die Machart dieses "Spiegel-Artikels". Daß der Inhalt des Schreibens nicht zitiert wird, sondern nur der eine Begriff "akneerregender Stoff" herausgepickt wird, ist ein Beispiel. Wenn eine Auskunft v.Weizsäckers zitierte wird, dann heißt es "behauptete v. Weizsäcker"; wenn das Unternehmen eine Auskunft gibt, dann heißt es "gesteht das Unternehmen ein". Und so fort.

Der Artikel informiert nicht, sondern er desinformiert. Im Grunde gibt es keinen irgendwie substantiierbaren Vorwurf gegen v.Weizsäcker, aber die Story ist so montiert, daß der Leser glaugen soll, ihm sei etwas vorzuwerfen.

Herzlich, Zettel

Florian Online



Beiträge: 3.171

30.01.2012 16:15
#11 RE: Respekt vor dem Amt Antworten

So langsam scheint auch bei den Medien der Aufregungs-Pegel zurückzugehen.

Hier ein angenehm unaufgeregter Blick auf die Wulff-Geschichte im Tagesspiegel:

Zitat
http://www.tagesspiegel.de/meinung/kontrapunkt-was-bleibt-wenn-christian-wulff-bleibt/6127602.html




Enthält auch einige nette Zitate.
Selbst Joschka Fischer kann ich zustimmen:

Zitat
Joschka Fischer wurde dieser Tage von „Cicero“ gefragt, ob er sich selbst vorstellen könnte, Bundespräsident zu werden. Er antwortete: „Nein. Ich habe mein Leben so geführt, dass ich den hohen moralischen Standards, die neuerdings an öffentliche Ämter durch die Medien angelegt werden, nicht mehr gerecht werde. Demnächst wird der Bundespräsident über das Wasser wandeln müssen und dann wird man ihn fragen, ob er am Ende den Erwerb dieser Fähigkeit sich nicht hat subventionieren lassen.“

Tiefseetaucher Offline




Beiträge: 353

31.01.2012 09:36
#12 RE: Respekt vor dem Amt Antworten

Zitat
So langsam scheint auch bei den Medien der Aufregungs-Pegel zurückzugehen

Ja und nein, wie man hier sieht:
http://www.tagesschau.de/inland/wulff886.html
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/1/0,3672,8467777,00.html

http://www.sueddeutsche.de/politik/bunde...ngnis-1.1271330

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass ARD und ZDF ihre Artikel weit oben auf ihrer Hauptseite bringen, direkt unterhalb der Berichterstattung zum EU-Gipfel, während er bei der SZ erst sehr weit unten auftaucht.

Bei Spiegel, FAZ und Zeit habe ich keinen entsprechenden Artikel gefunden.

Tiefseetaucher

A common mistake that people make when trying to design something completely foolproof is to underestimate the ingenuity of complete fools.
Douglas Adams

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