Wir neigen dazu, die Kaida als eine Organisation anzusehen, die hauptsächlich gegen den Westen gerichtet ist. Das liegt aus unserer Perspektive nahe, aber es stimmt nur vordergründig:
Das erklärte Ziel der Kaida ist die Errichtung des Kalifats; also eine islamistische Revolution in den Ländern Arabiens. Der Kampf gegen den Westen soll lediglich dazu dienen, die westlich orientierten Regierungen in Arabien zu schwächen und auf der anderen Seite die Massen Arabiens für die Ziele der Dschihadisten zu gewinnen.
Assad hat für den 25.Februar ein Verfassungsreferendum angekündigt. Die de-facto-Einparteienherrschaft der Baath-Partei wird aufgehoben werden, die Legislaturperiode des Präsidenten soll auf zwei Amtszeiten zu je sieben Jahren beschränkt werden (Assad müsste folglich in 18 Monaten abtreten!), das Mindestalter wieder auf 40 Jahre angehoben werden (Bashar hatte es auf 34 gesenkt, um im Jahr 2000 an die Macht zu kommen).
- Der Präsident muss in den letzten 10 Jahren kontinuierlich in Syrien gelebt haben (und mit einer Syrerin verheiratet sein). Folglich schließt man alle Regime-Gegner im Ausland aus.
- Eine siebenjährige Amtszeit für eine Präsidentschaft gibt es nirgendwo auf dieser Welt.
- Artikel 91 gibt dem Präsidenten Immunität außer im Fall von Verrat.
- Wenn es keine weitere Nominierung für eine Präsidentschaft gibt wird nicht gewählt. Wobei nur das Parlament nominieren kann und dabei 50 Stimmen für eine Nominierung nötig sind.
- Artikel 95 ermächtigt den Präsidenten einen Premier zu ernnen. Und es gibt ihm das Recht einen Premier zu entlassen.Somit muss ein Präsdient die Meinung des Parlaments nicht wirklich befürchten.
- Aritkel 111: Gibt dem Präsidenten legislative Macht.
- Der Präsident muss Muslim sein. Damit werden die seit Tausenden Jahren dort lebenden Christen aus dem Amt ausgeschlossen.
- 11 Tage zwischen Ankündigung und Wahl sind ein rekordverdächtig kurzer Zeitpunkt.
- vor allem: Wie soll die Wahl überhaupt stattfinden? Z.B. in den Provinzen Homs, Hama, Idleb, Daraa, Rif Dimashq? Gibt es einen Mindestanteil an Ja-Stimmen, bei dem die Verfassung in Kraft tritt und was passiert im Falle einer Ablehnung?
Die Opposition besteht nicht nur aus Islamisten. Die Islamisten würden in Syrien eine große Opposition gegen sich haben- Kurden, Christen, Assad-Anhänger. Mit der Opposition habe ich mich schon näher beschäftigt: http://arprin.wordpress.com/2011/12/10/n...ten-aus-syrien/. Ein ägyptisches Szenario droht nicht, eher ein tunesisches. Das ist aber allemal besser als ein Bürgerkrieg.
Momentan besteht die Gefahr einer sich selbsterfülllenden Prophezeiung: Die Rücksichtslosigkeit, mit der Armee und Sicherheitskräfte gegen jeden Kritiker des Regimes vorgehen, treibt immer mehr Menschen in die Hände der Free Syrian Army. Ein blutiger Bürgerkrieg rückt immer näher, der am Ende tatsächlich Islamisten an die Macht bringt, wie Straftors Artikel befürchtet. In Syrien würde dann alles schlimmer werden.
Dieses Szenario kann man aber nicht verhindern, indem man die ganze Demonstrationsbewegung zusammenschießen lässt, sondern indem man endlich einen friedlichen Dialog, ohne Haft, Folter und Mord, sondern mit einem Mehrparteiensystem und freien Wahlen, beginnt. Dieser Dialog muss ernst gemeint sein- es ist nicht möglich, einen Dialog anzubieten, während die Armee und Sicherheitskräfte weiter foltern und morden. Wenn es zu einem Bürgerkrieg kommt, dann ist Assad der Hauptverantwortliche dafür. Und natürlich seine Schutzmächte Russland und China: http://arprin.wordpress.com/2012/02/04/d...em-burgerkrieg/
Eine militärische Intervention der NATO sollte aber vermieden werden. Man wird kein UN-Mandat bekommen, es gibt im Gegensatz zu Libyen keine größere Region, die sich unter der Herrschaft der Aufständischen befindet und es gibt die Gefahr eines regionalen Flächenbrandes mit dem Iran, Irak, Libanon und der Türkei.
Vielen Dank, lieber Jorge Arprin, für diesen informativen Beitrag!
Ich muß gestehen, daß mir Ihr Blog bisher entgangen war; ich habe jetzt einiges gelesen und bin beeindruckt. Er ist jetzt in der Blogroll von ZR (die, nebenbei, dringend der Renovierung bedarf - aber ich scheue die Arbeit).
Was Sie zur Situation in Syrien schreiben, entspricht meinem Kenntnisstand; allerdings sind Sie weitaus detaillierter informiert als ich.
Ansonsten nur eine kleine Anmerkung, qui n'a rien à voir:
Zitat von Jorge Arprin- Eine siebenjährige Amtszeit für eine Präsidentschaft gibt es nirgendwo auf dieser Welt.
Der Hintergrund ist kurios: Nach der französischen Niederlage gegen Preußen gab es monarchistische Bestrebungen. Nach dem Debakel mit Napoléon III wollte man eine Rückkehr der Bourbonen.
Deren Thronprätendent war der Comte de Chambord. Dieser hatte aber bestimmte traditionalistische Forderungen (zum Beispiel die Abschaffung der Trikolore als Nationalflagge), die keine Mehrheit fanden. Also etablierte man ihn vorläufig als Präsidenten - und die sieben Jahre waren das, was man ihm als wahrscheinliche Lebenserwartung zubilligte.
So steht es jedenfalls in der Wikipedia. Danach hat sich das tradiert, bis 2002 das septennat durch das quinquennat, die jetzige fünfjährige Amtszeit des Präsidenten, abgelöst wurde.
Herzlich, Zettel
PS: Ich möchte Sie, wie alle Blogger, die hier im kleinen Zimmer schreiben, einladen, einen Hinweis auf Ihren Blog als Signatur einzurichten. Dann passiert es nicht mehr, daß mir und vermutlich anderen ein so interessanter Blog wie Ihrer entgeht.
Der Zukunftsausblick von Nir Rosen läßt sich in einem Wort zusammenfassen: Somalia
Zitat In this scenario, some villages in rural Hama and Homs governorates will fight between each other. Damascus will see further assassinations and bombings. Working class Alawite neighborhoods of Damascus, where members of the security forces live - such as Ish al Warwar, Mazze 86 and Sumeria - will be besieged, or face reprisals from angry Sunni. In Aleppo, powerful rival Sunni clans - who hate each other and have access to arms - will turn on each other and feud as soon as the state weakens. The elites of Aleppo might once have preferred for the Assads to stay in power, but increasingly they are giving up hope that he can pull them back from the abyss.
The divide in Syria is not merely between Sunnis and Alawites. In Daraa and Suweida, Druze and Bedouins may clash once again. So too with other sects further north in Misyaf.
If this civil war comes to pass, it will lead to a humanitarian crisis. Already, there is a diesel shortage in much of Syria. And in much of the country, electricity is shut down at least some of the time - even if this is often done for punitive or offensive security reasons. In opposition strongholds, normal government services have ceased. Garbage is piled high; children do not go to school. Eventually, if this continues, infrastructure will start to collapse. Electricity will cease to be available. People will turn to generators if they have access to them. Fuel for cooking and heating will be even harder to come by. Already medicines for children and chronic conditions is hard to obtain
Syrien - wie ja eigentlich Ägypten und Libyen auch - zeigt überdeutlich, daß es einem muslimischen Staat mit Interessenausgleich nicht geben kann. Verschiedene Interessen und Volksgruppen können nur in einem möglichst tyrannischen Führerstaat mit vorgehaltener Waffe zum "friedlichen" Zusammenleben gebracht werden.
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