Eigentlich hatte ich mich ja im Frühjahr entschlossen, mich auf Themen aus Wissenschaft, Literatur und verwandten Gebieten zu konzentrieren. Es ist anders gekommen; ich habe mich doch wieder von der Politik fangen lassen.
Jetzt habe ich mich gefreut, daß eine Meldung, die Aufsehen erregt hat, mir wieder einmal Gelegenheit gibt, einen Beitrag zur Serie "Neues aus der Forschung" zu schreiben.
Er wurde wieder einmal länger als geplant; deshalb folgt der zweite Teil getrennt. Er wird das enthalten, was mich an diesem Fall besonders interessiert: Dieser überraschende Befund exemplifiziert, wie Wissenschaftler mit Anomalien umgehen.
Zitat Jetzt habe ich mich gefreut, daß eine Meldung, die Aufsehen erregt hat, mir wieder einmal Gelegenheit gibt, einen Beitrag zur Serie "Neues aus der Forschung" zu schreiben.
Und ich freue mich, ihn zu lesen. Herzlichen Dank!
Zitat von Erling PlaetheWas ist mit der dunklen Materie, was mit der dunklen Energie? Gäben diese nicht einen wunderbaren Äther ab?
Ein entschiedenes Nein. Es gibt den Aether nicht. Es ist ein Relikt der Newtonschen Physik.
Zu Zettels Link mit den Anomalien: Denke es gibt 2 Typen: Einmal die erklaerbare Abweichung vom erwarteten Verhalten. Erklaerbar dadurch, dass man eine VErstaendnisebene tiefer geht und dort die Erklaerung findet. Zum anderen Anomalien, die sich (nach aktuellem Stand des Wissens) nicht erklaeren lassen. Die Pioneer Anomalitaet gehort dazu und moeglicherweise der neu beobachtete Effekt.
Solche Anomalien ruetteln am Fundament unserer wissenschaftlichen Grundueberzeugung (Allgemeine Relativitaetstheorie, Quantenmechanik). Aber davon, diese Theorien ratlos ueber den Haufen zu werfen, ist man weit entfernt. Dazu funktionieren diese Theorien zu gut.
In der Tat, lieber Zettel, ein lesenswerter und gut verständlich geschriebener Artikel, selbst für einen einfachen Hinkelsteinhändler wie mich . Die Bücher gibt's übrigens auch gebraucht bei Amazon.de.
Sie schreiben: "Als ein unerwarteter Nebeneffekt wurde die Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit gemessen." Dazu dann doch noch eine praktisch relevante Frage : Wann startet die USS Enterprise?
Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.
Zitat von Erling PlaetheWas ist mit der dunklen Materie, was mit der dunklen Energie? Gäben diese nicht einen wunderbaren Äther ab?
Ein entschiedenes Nein. Es gibt den Aether nicht. Es ist ein Relikt der Newtonschen Physik.
Warum die Theorie des Äthers verworfen wurde, hat Zettel ja in seinem Artikel erläutert. Ich wollte auf die nach der bestehenden Theorie weder sicht- noch messbaren 96% dunkler Materie und Energie hinaus und ihren wohl immerhin möglichen Einfluss auf die Lichtgeschwindigkeit.
Nachtrag: Ich bin ebenfalls schon sehr gespannt auf Teil 2!
Zitat von JeffDavis Die Bücher gibt's übrigens auch gebraucht bei Amazon.de
Und für den Kindle. Sofort zu bekommen, bequem zu lesen.
Danke für die freundlichen Kommentare! Ich bin bei Artikeln aus diesen nichtpolitischen Bereichen immer a bisserl unsicher, ob sie denn Leser finden. Insofern freut mich die Kommentierung.
Zitat von Erling Plaethe Warum die Theorie des Äthers verworfen wurde, hat Zettel ja in seinem Artikel erläutert. Ich wollte auf die nach der bestehenden Theorie weder sicht- noch messbaren 96% dunkler Materie und Energie hinaus und ihren wohl immerhin möglichen Einfluss auf die Lichtgeschwindigkeit.
Nachtrag: Ich bin ebenfalls schon sehr gespannt auf Teil 2!
Dunkle Materie und Dunkle Energie sind Konzepte, die sich nolens volens mit der ART vereinbaren lassen. Dunkle Materie bedeutet schlicht, dass man Materie nicht "sieht", weil sie nicht leuchtet. Dunkle Energie ist auch nur ein (moeglicher) Faktor in einer von Einsteins Gleichungen.
Persoenlich spannender finde ich die Pioneer Anomalitaet. Im Bereich der Gravitationsphysik gibt es eher "terra inkognota" - Laengenbereiche zu denen es keine Experimente gibt, welche das Gravitationsgesetz experiemtell ueberpruefen koennten.
Urlauber
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gelöscht
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Beiträge:
25.09.2011 22:08
#11 RE: Neues aus der Forschung (11): Die schnellen Neutrinos
Zitat von ZettelIch bin bei Artikeln aus diesen nichtpolitischen Bereichen immer a bisserl unsicher, ob sie denn Leser finden.
Auf jeden Fall. Vielen Dank dafür. Wenn man nicht kommentiert liegt´s vielleicht (für meine Person ganz sicher) daran, dass man ... keine Ahnung hat und deshalb besser die Klappe hält.
vielleichteinlinker
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gelöscht
)
Beiträge:
25.09.2011 23:10
#12 RE: Neues aus der Forschung (11): Die schnellen Neutrinos
Zitat von ZettelIch bin bei Artikeln aus diesen nichtpolitischen Bereichen immer a bisserl unsicher, ob sie denn Leser finden. Insofern freut mich die Kommentierung.
Finden sie (offensichtlich)! Ich freu' mich auf 11/2 und 12 und 13 und 14... und die vielen noch kommenden "Anmerkungen zur Sprache"
Zitat von ZettelIch bin bei Artikeln aus diesen nichtpolitischen Bereichen immer a bisserl unsicher, ob sie denn Leser finden. Insofern freut mich die Kommentierung.
Doch doch... Die Mischung macht diesen Blog so toll.
Immer nur dämliche Politiker ... gäääähn... aber quirlige Neutrinos schneller als das Licht von denen einige das Glück haben sich nicht auf den endlosen Umläufen im Cern zu langweilen (oder aufeinanderzuknallen) sondern die Schweiz verlassen und nach Italien dürfen ... das hat schon was.
Ob die das Higgs-Bosom aus Versehen mit nach Gran Sasso geschickt haben?
Eher nein. Neutrinos sins im Standardmodell der Teilchenphysiker gut verankert und haben nicht die Eigenschaften der angesprochenen Tachyonen. Letztere stellen eher eine mathematische Kuriosität der ART dar.
Zitat von JeffDavis Die Bücher gibt's übrigens auch gebraucht bei Amazon.de
Und für den Kindle. Sofort zu bekommen, bequem zu lesen.
O nein! Nicht noch mehr Bücher auf meiner "Zu lesen"-Liste! Ich komme doch so schon nicht hinterher, und mit dem Kindle wächst die Liste noch schneller als mit toten Bäumen!
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von ZettelEs könnte neben den vier Dimensionen der Raumzeit noch weitere Dimensionen geben, durch welche die schnellen Neutrinos gewissermaßen hindurchtunneln.
Ich habe ja so gut wie keine Ahnung von Physik (obwohl ich mich bemühe, etwas Schritt zu halten), aber das wäre auf Anhieb auch meine erste Erklärung gewesen. Es dürfte wohl erheblich leichter fallen, zusätzliche Dimensionen anzunehmen als die Konstante Lichtgeschwindigkeit in Frage zu stellen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
In diesem zweiten Teil versuche ich wie im ersten, die jetzige Diskussion über die OPERA-Befunde in einen allgemeineren Kontext zu stellen.
Gute Wissenschaftler sind revolutionäre Konservative (ich hätte auch schreiben können: Konservative Revolutionäre). Ich illustriere das mit dem Beispiel Max Planck.
Die konservative Reaktion auf die jetzigen Daten besteht darin, nach Fehlerquellen und Unstimmigkeiten zu suchen; in der Erwartung, daß in Wahrheit Neutrinos gar nicht schneller sein können als das Licht.
Die Revolutionären unter den Physikern tendieren hingegen dazu, die Herausforderung anzunehmen und nach Lösungen zu suchen. Ich nenne in dem Artikel zwei davon.
Zitat von ZettelEs könnte neben den vier Dimensionen der Raumzeit noch weitere Dimensionen geben, durch welche die schnellen Neutrinos gewissermaßen hindurchtunneln.
Ich habe ja so gut wie keine Ahnung von Physik (obwohl ich mich bemühe, etwas Schritt zu halten), aber das wäre auf Anhieb auch meine erste Erklärung gewesen. Es dürfte wohl erheblich leichter fallen, zusätzliche Dimensionen anzunehmen als die Konstante Lichtgeschwindigkeit in Frage zu stellen.
Ich habe mich inzwischen noch etwas weiter umgesehen und gefunden, daß diese Vermutung wohl die häufigste von denen ist, die gegenwärtig geäußert werden; der Artikel ist entsprechend ergänzt.
Das Problem dürfte sein, so etwas experimentell zu prüfen. Die gesamte Stringtheorie - dh alle Theorien, die man unter diesen Begriff subsumiert - leidet ja darunter, daß man sie bisher nicht experimentell prüfen kann.
Wissenschaftlich fruchtbarer sind immer Erklärungen, die zu testbaren Vorhersagen führen. Soweit ich es überblicke, müßte vor allem erklärt werden, warum die OPERA-Neutrinos schneller als das Licht waren (wenn sie es denn waren) und die Supernova-1987A-Neutrinos nicht. Wen jemand das erklären kann, dann gibt es vielleicht auch testbare Vorhersagen.
Interessante Zusammenstellung. Vielleicht lohnt sich auch ein Vergleich mit der Situation Ende des 19. Jahrhunderts, als man Planck nahelegte, nicht Physik zu studieren, da alles geklärt sei. Die wenigen offenen Punkte glaubte man bald zu schliessen. Nur hat dieses "Schliessen" das Tor zur modernen Physik geöffnet.
(Nichtsdestotrotz wird jede neue Theorie die aktuellen Theorien als gültigen Grenzwert enthalten. Die - flapsig gesagt - Abstrusität der Physik wird keinesfalls abnehmen)
Zitat von Zettel Das Problem dürfte sein, so etwas experimentell zu prüfen. Die gesamte Stringtheorie - dh alle Theorien, die man unter diesen Begriff subsumiert - leidet ja darunter, daß man sie bisher nicht experimentell prüfen kann.
Kluge Leute behaupten, dass die Stringtheorie gar keine "Theorie" im eigentlichen Sinne ist, sondern vielmehr eine nicht prüfbare Hypothese. Ich wüsste jetzt nicht, welche Vorhersagen die Stringtheorie gemacht hat, die geprüft werden können. Deshalb kann sie eigentlich nicht den Status einer Theorie haben.
Also die tatsächliche Lösung ist wie folgt: Die feinen Herren Physiker haben bei der Bestimmung der Entfernung die GPS Koordinaten bei Google Earth eingegeben und die Entfernung Luftlinie dort ausgemessen. Tatsächlich aber wandern die Neutrinos durch die Erde hindurch auf geradester Strecke, welche ja nicht gleich der Strecke auf der Oberfläche ist, da die Erde doch rund ist, wie irgendjemand mal behauptet hat. Rechnung: http://www.wolframalpha.com, Eingabe: "((2*earth radius*sin(730534.61m/(2*earth radius)))/730534.61m)*730534.61m/speed of light - 730534.61m/speed of light" ohne Anführungszeichen. Ergebnis: 1.3 µs
Wenn man nun noch berücksichtigt, dass der Erdradius an der Stelle etwas vom Äquatorradius abweichend ist und die entsprechende Lichtgeschwindigkeit im Medium Erde niedriger ist als in Vakuum ergibt sich (bestimmt) 1.2 µs = 2 mal der bestimmte Zeitvorsprung! ZUFALL????
P.S.: Ich habe keine Ahnung und das Paper nicht gelesen, finde das aber witzig.
Sehr guter Artikel, ich wuenschte, Sie wuerden mehr zur Wissenschaft schreiben anstatt dem immer wieder aergerlichen Politik-Thema... es gibt so viele interessante Dinge auf der Welt, die man noch lernen und diskutieren kann, bevor Deutschland pleite macht.
Interessant die Gegenueberstellung von skeptischen und progressiven Wissenschaftlern... Wissenschaft lebt letztendlich davon, dass die Progressiven entweder widerlegt werden oder sich den Weg zum Mainstream muehsam erkaempfen muessen, aktuell z.B. beim Thema Klimawandel. Oder in der Oekonomie, wo Oesterreicher und Keynesianer im Moment keine Chance gegen die in Lehre und Forschung dominierenden Neoklassiker haben.
Btw: Physik ist fuer mich persoenlich sowieso die interessanteste Wissenschaft; leider war ich zu doof fuer's Elektrotechnikstudium. Aber vielleicht ist es sogar besser, das ganze als Hobby zu verfolgen, denn als "Profi" lernt man halt nicht nur das Faszinierende kennen, sondern auch die unangenehmen, mit der Wissenschaft nicht direkt in Verbindung stehenden Dinge (das weiss ich jetzt als Volkswirt).
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