gab's da nicht diese alberne Kampagne um die "DDR-Identität", die sich ausgerechnet in so bedeutenden Dingen wie dem Ampelmännchen manifestieren sollte? Da reiht sich der "Ballast der Republik" doch nahtlos ein!
Da ist sie zu sehen, die Dummheit, die Inhumanität des Sozialismus. Das Fehlen jedes Gefühls für Tradition, für Schönheit.
Hier geht es um Architektur und Ästhetik. Ich stimme Ihnen zu, daß während des Sozialismus Erschreckendes gebaut wurde. Gemessen an diesem Maßstab sind westdeutsche Städte schöner. Aber wollen Sie allen Ernstes behauptet, das das meiste, was seit 1945 in Westdeutschland gebaut, ästhetischen Ansprüchen genügt?
Nehmen Sie diese widerwärtige Rekonstruktion des Braunschweiger Stadtschlosses, überhaupt die ganze Stadt und nicht nur dieser Stadt, wie gräßlich hat sie sich verändert. Ich bin noch als Schulkind an den Ruinen des Braunschweiger Stadtschlosses vorbeigegangen. Ich weiß noch sehr gut, wie es aussah. Wie hat eine Bande von gewissenlosen Menschen bar jeder Ästhetik mir die Erinnerungen an meine Vaterstadt zerstört. Mir dreht sich jedes Mal der Magen um, wenn ich diese Stadt sehe. Wenige Gebäude sind, an denen das Auge haften bleibt. Ich flüchte in die Grünalagen an die Oker oder auf die Friedhöfe, wie den des Magni-Friedhofs, wo der Vergessene Lessing liegt. Im Frühling ist sein Grab umgeben von zartblauen Blütenschmuck. Das ist die schönste Zeit, seiner zu Gedenken. Oder den städtischen Friedhof mit dem Grab von Wilhelm Raabe. Eine der schönsten Parkanlagen der Stadt
Es ist wahr, der Sozialismus hinterliess gräßliche Architektur. Soll ich nur in Berlin die Gebäude aufzählen, deren Häßlichkeit dem des Palastes der Republik vergleichbar. Oder in anderen Städten? Nehmen Sie Duisburg. Da dreht sich einem doch der Magen um. Weite Bereiche von Frankfurt. Oder gehen Sie in die Stadten. Diese Architektur ist nicht nur gräßlich, sie ist vorallem einfallslos. Diese langweiligen Wiederholungen anödender Architektur.
Es ist einfach unglaublich, zu welcher miserablen Ästhetik Architekten in einer freien Welt fähig sind. Man man doch froh sein, daß die Bauten der Neogotik, die Neorenaissance und selbst die Bauten der Wilhelmischen Zeit diese miserable Ästhetik der Neuzeit wenigstens mildern.
Die Ablehnung der bauliche Ästhetik des Sozialismus kann nun wirklich nicht bedeuten, daß wir die seit 1945 errichteten Bauten in der freien Welt als ästhetisch annehmbar empfinden. Wirklich nur wenige Bauten überzeugen mich und es ist bezeichnend, daß es nicht die Fassaden, sondern nur die Gestaltung der Innenräume betrifft.
ich stimme Ihnen vollständig zu (obwohl die Stillosigkeit, mit der durch den "Palast" die Optik der Schinkel'schen und Schlüter'schen Architektur verdorben wird, schon einmalig sein dürfte).
Nur muß man das sehen, was meines Erachtens in dieser Diskussion nicht ausgeklammert werden kann: Die Zerstörung der meisten deutschen Städte im Zweiten Weltkrieg. Ein Kriegsverbrechen, auch wenn ich - darüber wurde ja kürzlich hier diskutiert - die Verteufelung Churchills für rechtsextreme Propaganda halte. Alle Seiten haben den Luftkrieg geführt, nur halt die Engländer und Amis mit dem größten "Erfolg".
Ich habe als Kind ein paar Jahre in Frankfurt gewohnt, Anfang der fünfziger Jahre. Das Haus war eines der wenigen in der Straße, das noch stand. Rechts und links waren Trümmergrundstücke. Wenn ich Einkaufen geschickt wurde, dann ging ich nicht die Straße entlang, sondern kletterte über Ruinen.
In der Nähe war ein Berg, den man aus Trümmern zusammengekarrt hatte, das "Scheffel-Eck". Die Frankfurter nannten ihn den "Monte Scherbelino".
Überwiegend wurde auf den halbwegs geräumten Trümmergrundstücken nicht gleich wieder gebaut - dazu fehlte das Geld, fehlte auch die Kapazität -, sondern es entstanden Buden, kleine einstöckige Gebäude, manchmal ganze Zeilen solcher Behelfsbauten.
Dort siedelten sich beliebige Geschäfte an; manchmal waren sie auch bewohnt. Viele Antiquariate waren so untergebracht, und ich habe meine ersten Erfahrungen mit dem Stöbern nach Büchern dort gesammelt.
Und dann begann man langsam, wieder "richtig" zu bauen. Es gab kaum städtebauliche Konzepte. Jeder Investor war willkommen. In Frankfurt entstand damals zum Beispiel "das Hochhaus" der IG Farben. Nach heutigen Wolkenkratzer-Maßstäben ein Winzling, aber damals halt hoch. Es wurde einfach an den Rand der Altstadt geknallt, an den Rand der Anlage, nah beim zerstörten Theater - und da steht es wohl immer noch.
Den Dom hatten die Bomber verschont, aber das ganze Viertel darum herum war zerbombt worden. Es gab - das war schon Ende der fünfziger Jahre, wenn ich mich recht erinnere - eine Diskussion darüber, wie der Römerplatz wieder aufgebaut werden sollte.
Heute würde man das gar nicht diskutieren: Selbstverständlich nach historischen Plänen, mindestens die Fassaden. Schließlich ist der Römer ja eines der wichtigsten Bauwerke der deutschen Geschichte, zusammen mit der nicht weit entfernten Paulskirche.
Damals aber wurde das verworfen; vermutlich aus Geldmangel. Stattdessen entstand die potthäßliche Bebauung, die noch heute da steht: Betonbauten, denen man irgendwelche lächerliche Anklänge an mittelalterliche Architektur zu geben versucht hat. Zum Beispiel Symbole von Zünften drangemalt.
So war es wohl in den meisen zerbombten Städten. Wirklich gut daran waren nur die Städte, die von den Kriegsverbrechern verschont worden waren, wie Heidelberg.
Braunschweig kenne ich ein wenig; ich habe dort in meiner Dozenten-Zeit einmal einen Lehrstuhl an der TU vertreten. Ich stimme Ihnen auch da zu. Vor allem das historische Zentrum war jedenfalls damals in einem jämmerlichen Zustand - verkommenes Rotlicht-Milieu.
Nur gab es im Dom ein wunderbares Antiquariat; eines von denen, von denen man denkt, daß es so etwas gar nicht gibt. Ob es wohl noch besteht?
Bei Nachkriegsbauten regierte die Not. Da wäre man versucht zu sagen, Gebäude waren wichtiger als Ästhetik. Es gab schon früher Notzeiten in Deutschland. Zeiten sehr knapper Kassen. Sie erwähnten Schinkel. Ich bin recht oft in seinen Bauten, auch in denen seiner Lehrmeister David und Friedrich Gilly. Die Gebäude, die diese drei Architekten errichten, hatten immer sehr knappe Budgets. Nehmen wir Charlottenhof, Glienicke, Paretz. Gut das sind Schlösser, aber sie sind mit sparsamsten Mittel errichtet wurden. Da hätte ein Schlaun gar nicht erst angefangen. Trotzdem sind diese Gebäude von einer sehr ansprechenden Ästhetik. Ästhetik und Knappheit der Mittel schließen sich also nicht aus, ja die Ästhetik kann die Knappheit der Mittel überstrahlen. Vergleichen sie diese Gebäude mit dem Neuen Palais in Potsdam. Dem sieht man den Mangel der Mittel an.
Von einer Knappheit der Mittel kann heute nicht die Rede sein. Ich bin Alumni der TU Berlin und gelegentlich in der TU Bibliothek. Ein Neubau, den Volkswagen finanzierte. Ich bin kein Architekt, habe aber einen natürlichen Sinn für Ästhetik. Dieser Bau ist häßlich, das es einem auf Gemüt schlägt. Der war bestimmt nicht billig, er hat nur eine billige Ästhetik. Solche Bauten wurden lange nach den Zeiten der Knappheit errichtet.
Ich kenne einen Zweiten Palast, einen Palast der Bundesbank. Aus Glas. Nicht einmal häßlich, durchaus ansprechend. Er steht in dem Viertel am Heiligensee in Potsdam inmitten hundert Jahre alter Prachtbauten.
Das Dorf ist relativ klein. Es bekam Zuwachs. Das hier http://www.zoll.de/z1_bilder/a1_beruf_un...lageplan_pl.jpg Das ist das Ausbildungszentrum der Finanzverwaltung. Mehrstöckig, eines davon hat 10 Geschosse. Das ist eine architektonische Wucherung des Zolls, die nicht nur das Schloß, sondern das ganze Dorf erschlägt. Keine DDR Sünde, das meiste ist neu.
Der Erbauer des Schlosses war kein Schinkel. Wahrscheinlich ein Schüler von F.W. Diterichs, der nicht nur das Ephraim-Palais erbaute. Gewiß, Schinkel ist der Größere, aber diese Mißhandlung seines Bauwerkes hat dieser Architekt nicht verdient.
Sünden dieser Art fallen mir in fast jeder Stadt auf, die ich kennenlerne. Viele sind einfach nur erbärmliche Neubauten und leider gar nicht einsturzgefährdet. Dann der Wohnungsbau. Wer daran lebt, dem wird die Lunge eng.
Ich bin immer wieder erstaunt, mit welchem Sinn für Häßlichkeit die meisten Architekten ihr Bauwerk in bauliche Umgebungen stellen, wo sie nicht hinpassen. Ein preussischer Oberbaudirektor Schinkel hätte das nie erlaubt
Falls Sie mal in Berlin sind, besuchen Sie die Friedrich-Werdersche Kirche, in der nicht nur Skulpturen, sondern auch das künstlerische Erbe von Schinkel ausgestellt ist. Einiges seiner Denkschriften und Pläne kann man recht gut lesen. Dieser Mann war durchdrungen von seiner Aufgabe, einer der wenigen, auf denen die falsche Formel der DDR Künstler des Volkes zutrifft. Ein Patriot im besten Sinne des Wortes.
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