Da schau her, ich weiß von Verwandten, daß es Betriebsferienlager gab, z.B. von der Wismut - jedes Jahr in das selbe Kaff zu fahren war nicht die Freude an sich, aber Verpflichtung, weil die Eltern arbeiteten und für den Nachwuchs keine Betreuung hatten. -Dann gab es noch die Gewerkschaftsunterkünfte, die aber schwer zu erwischen waren, wenn sie an der See lagen. Gruß, Inger
Zitat von IngerDa schau her, ich weiß von Verwandten, daß es Betriebsferienlager gab, z.B. von der Wismut - jedes Jahr in das selbe Kaff zu fahren war nicht die Freude an sich, aber Verpflichtung, weil die Eltern arbeiteten und für den Nachwuchs keine Betreuung hatten.
An diesen Aspekt hatte ich noch gar nicht gedacht. Leuchtet aber ein.
Ich vermute, daß diese Methode, daß die Kombinate usw. ihre eigenen Ferienanlagen hatten, hauptsächlich bezweckte, daß die Leute auch im Urlaub nicht aus der sozialen Kontrolle entlassen werden sollten.
Man arbeitete im Kollektiv, man verbrachte seine Freizeit im Kollektiv, und man sollte auch im Kollektiv Urlaub machen.
Daß jemand einfach privat einen Urlaub plant - das bedeutet ja, daß er sich der totalitären Kontrolle zu entziehen versucht.
Und die meisten haben sich daran wohl gewöhnt, ja eine Mentalität der Unselbständigkeit entwickelt.
Hier im Forum wird in einem anderen Thread über Mentalitätsunterschiede zwischen Deutschen und Amerikanern diskutiert. Ich hätte nie für möglich gehalten, daß vierzig Jahre Leben in zwei verschiedenen Systemen ausreichten, um die Mentalität von Ost- und Westdeutschen sich so auseinanderentwickeln zu lassen.
ich bin in Westdeutschland und Berlin aufgewachsen und lebe seit 1989 im Ostberlin und dem Berliner Umland. Zuerst als Illegaler, ein zersetzender Element, der unangemeldet in der DDR übernachtete und jeden Tag die Grenzkontrolle Bornholmer Strasse passierte.
Die meisten meiner jetzigen Freunde sind in der DDR groß geworden. Auch viele, die ich in den alten Bundesländern kenne, sind ebenfalls in der DDR groß geworden. Dann gibt es unter meinen Bekannten noch einige Westdeutsche, die längere Zeit im Ausland verbrachten oder Österreicher oder Schweizer sind, die in Deutschland wohnen. Es gibt nur drei Freunde, auf die das alles nicht zutrifft. Das ist eine eindeutige Präferenz. Es gibt also solche und solche. Die kenne ich auch, sie sind zu knutschen und ich wohne mitten unter ihnen. Gewöhnungsbedürftig.
Das es solche Auseinanderentwicklungen gibt, ist richtig. Allerdings nicht nur in Richtung mangelnder Unternehmung, sondern auch umgekehrt. Mit einer Frau zusammenzusein, die wie ich in Westdeutschland aufwuchs, ist für mich nicht mehr vorstellbar. Darauf verzichte ich dankend.
Es war nicht nur der Grund der Überwachung, der die Betriebe veranlasste, Ferienanlagen anzubieten. Das war auch dem Mangel besonders in den begehrten Ferienregionen geschuldet. Ostsee ist so ein Beispiel. Auch die AdW hatte als Betrieb solche Ferienanlagen. Wie Sie als Wissenschaftler wissen, arbeiten in solchen Instituten nicht nur Akademiker.
Das bedeutet jedoch nicht, daß unternehmende Menschen nicht abseits der Ferienanlagen der Kombinate selbständig, das gab es auch in der DDR, Ferien organisierten. So selten war es gar nicht. Sich selbst nicht darum kümmern zu müssen, war halt bequem. Aber eben immer der gleiche Trott.
Die Betriebsferienlager und -heime dienten auch der sozialen Kontrolle, da haben Sie völlig recht. Hauptsächlich? Kommt darauf an, die Kontrolle des Einzelnen weniger...zur Überwachung der Bürger gab es mehr als 100.000 haupt- und nebenberufliche Mitarbeiter des MfS.
Es wurde niemand davon abgehalten, privat Urlaub zu planen (zumindest Erwachsene nicht, dazu unten mehr). Reisebeschränkungen im Inland wären wohl nicht durchsetzbar gewesen, anders als der Sowjetunion und kommunistischen Staaten wie Nordkorea, die zuvor immer autoritär regiert wurden.
Ich glaube, es ging in erster Linie um soziale Stabilität. Kann sein, dass das jetzt ein Euphemismus ist. So in der Art: Das System hier ist zwar nicht das Gelbe vom Ei, aber mein Arbeitgeber bzw. der Staat sorgt dafür, dass ich drei Wochen im Jahr billig Urlaub machen kann. Das haben die nicht mal im Westen! Außerdem: Ist doch schön hier mit den Kollegen. Also wieder reingehauen ab Montag!
Privatwirtschaftlich organisierten Tourismus (=Schwarzmarkt) wollte man natürlich auch unterbinden.
Ähnlichkeiten mit der Mitarbeiterfürsorge kapitalistischer Unternehmen und insbesondere mit KdF sind reiner Zufall.
Jetzt zum Blogbeitrag ;-)
Meine Ferienlager-Erfahrung beschränkt sich auf einen Aufenthalt in den letzten Monaten der DDR (1990) und ist sicher nicht repräsentativ. Die meisten Plätze wurden über Kontingente der Staatsbetriebe und Institutionen vergeben, also im allgemeinen an die Kinder der dort arbeitenden Menschen.
Soweit ich mich erinnern kann, gab es zwischen den Elternhäusern meiner Ferienlagerkollegen (-genossen?) weniger Unterschiede als heute bei meinen Kommilitonen an der Uni - kaum ein Bonzenkind, kaum ein Arbeiterkind, fast alles mittlere Angestellte in staatlichen Institutionen und Großbetrieben. Aber wie gesagt, es war das Jahr 1990, und im Gegensatz zu früheren Zeiten wurde nicht der geringste Druck auf die Eltern ausgeübt, ihre Kinder in Ferienlager zu schicken. Gerade bei Arbeitern dürfte das eine Rolle gespielt haben.
Liegt der Unterschied zum NS-Staat nicht eher in der längeren, hm, Evolutionszeit?
Wie ja bereits angeklungen ist, dürfte für Organisation der Ferienlager nach Betriebszugehörigkeit eine Einteilung in "Klassen" eher nicht schuld sein.
Auch die Überwachungsmotive möchte ich doch mal anzweifeln. Wie erwähnt war privater Urlaub trotz Ferienlager gang und gäbe. Meine Eltern, meine Schwester und ich sind zu unserer Kinderzeit zweimal im Jahr privat verreist - einmal zum Skifahren und einmal an die Ostsee. Das haben auch alle Bekannten aus meinem Umfeld so oder so ähnlich gemacht.
Die Ferienlager waren auch inhaltlich (zumindest die beiden, in denen ich war) meiner Erinnerung nach rein auf Freizeit ausgerichtet. Die in FDJ- oder Pionierlagern übliche Portion ideologischer Schulung gab es da nicht.
Ich vermute, die Ferienlager waren schlicht und einfach dem Anspruch des Staates geschuldet, das Leben "seiner" Bürger möglichst umfassend zu planen und zu organisieren. Es wurde sich eben um möglichst alles gekümmert. Denn ein organisiertes Leben hat weniger Freiraum und auch weniger Bedarf nach Freiraum als eines, das von seinen "Inhabern" selbstverantwortlich organisiert werden muss. Das ar, so denke ich, zumindest die Art, wie die SED-Clique gedacht hat.
Zitat von BocheWie ja bereits angeklungen ist, dürfte für Organisation der Ferienlager nach Betriebszugehörigkeit eine Einteilung in "Klassen" eher nicht schuld sein.
Aber ist sie nicht vielleicht doch eine implizite Folge gewesen? Meine Bemerkung war durch eine Passage in dem TV-Bericht angeregt worden, auf den ich mich bezogen hat. Da berichtete eine ehemalige Teilnehmerin eines "normalen" Ferienlagers, wie neidisch man auf das Lager der "Professorenkinder" war, das auch komfortabler war, besser versorgt usw.
Aber du kannst das besser beurteilen. Ich versuche ja nur, als Außenstehender das eine odere andere zu verstehen und räume gern ein, daß du, 20prozent und andere, die Erfahrungen in der DDR hatten, ungleich kompetenter sind.
In Antwort auf:Auch die Überwachungsmotive möchte ich doch mal anzweifeln. Wie erwähnt war privater Urlaub trotz Ferienlager gang und gäbe. Meine Eltern, meine Schwester und ich sind zu unserer Kinderzeit zweimal im Jahr privat verreist - einmal zum Skifahren und einmal an die Ostsee. Das haben auch alle Bekannten aus meinem Umfeld so oder so ähnlich gemacht.
Das paßt tatsächlich nicht zu dem, was ich zu wissen glaubte.
Unsere Verwandten in Frankfurt/Oder mußten jeweils einen "Ferienplatz beantragen", egal ob auf dem Campingplatz oder in einem Hotel. Ob man ihn bekam, hing von der Kaderakte ab, vor allem aber von den richtigen Beziehungen. Einfach hinschreiben und buchen - das konnten jedenfalls sie nicht.
Als wir, noch zu DDR-Zeiten, im Sommer 1990 als erste Westdeutsche auf einem FKK-Zeltplatz südlich von Berlin waren, haben wir natürlich viele Gespräche gehabt. Wer dort Urlaub machen wollte, der mußte den Stellplatz jeweils bei einer "Zentralen Zeltplatzverwaltung" oder so ähnlich "beantragen".
Es gab aber auch die Möglichkeit, auch bei einer Ablehnung doch vom Platzwart bedacht zu werden. Dazu mußte man sich mit diesem gut stellen. Er bekam also von den Thüringern Thüringer Wurst mitgebracht, von Leuten mit Westkontakten vielleicht eine Schallplatte usw.
In Antwort auf:Ich vermute, die Ferienlager waren schlicht und einfach dem Anspruch des Staates geschuldet, das Leben "seiner" Bürger möglichst umfassend zu planen und zu organisieren. Es wurde sich eben um möglichst alles gekümmert. Denn ein organisiertes Leben hat weniger Freiraum und auch weniger Bedarf nach Freiraum als eines, das von seinen "Inhabern" selbstverantwortlich organisiert werden muss.
Das, lieber Boche, war es, was ich eigentlich sagen wollte. Vielleicht habe ich es mit "totalitäre Kontrolle" etwas zu stark formuliert.
Herzlich, Zettel
PS: Ich habe mich über deinen ersten Beitrag hier gefreut und freue mich auf weitere.
In Antwort auf:Aber ist sie nicht vielleicht doch eine implizite Folge gewesen? Meine Bemerkung war durch eine Passage in dem TV-Bericht angeregt worden, auf den ich mich bezogen hat. Da berichtete eine ehemalige Teilnehmerin eines "normalen" Ferienlagers, wie neidisch man auf das Lager der "Professorenkinder" war, das auch komfortabler war, besser versorgt usw.
Das kann natürlich sein. Wobei die "Intelligenz" in der DDR ja eigentlich nicht wirklich durchgehend bevorzugt wurde, man durchaus also auch Bevorzugungen in Ferienlagern der Bauarbeiter hätte erwarten können. Ich selbst war von der Arbeitsstelle meiner Mutter aus in einem Pädagogen-Ferienlager und von der Arbeitsstelle meines Vaters aus in einem Lager eines veterinärmedizinischen Forschungsbetriebs. Beide Lager unterschieden sich in meiner Erinnerung nicht. Und zwischen Kindern von Direktoren oder Arbeitern/Lehrern wurde meines Wissens auch kein Unterschied gemacht. Aber ich kann das nur aus meiner kindlichen Erinnerung und aus meinem begrenzten Umfeld heraus beurteilen und will nicht abschließend bestreiten, dass es in dieser Angelegenheit Klassenunterschiede gegeben hat. Ich könnte mir zum Beispiel gut vorstellen, dass die SED-Elite durchaus eigene Kinderferienlager betrieben hat. Aber im großen Stil in der ganzen Gesellschaft - das glaube ich nicht so recht.
In Antwort auf:Unsere Verwandten in Frankfurt/Oder mußten jeweils einen "Ferienplatz beantragen", egal ob auf dem Campingplatz oder in einem Hotel.
Das müsste ich noch mal bei meinen Eltern erfragen. Aber grundsätzlich kann das nicht ganz so gewesen sein. und wohl nur staatliche/gewerkschaftliche Einrichtungen betroffen haben. Denn meine Eltern haben sich zum Beispiel eine Privatunterkunft für unsere alljährlichen Urlaube organisiert. Ich müsste mich sehr täuschen - aber beantragen mussten sie dazu sicher nichts (Beziehungen brauchten sie allerdings...). Und ich war mehrfach mit dem Rad unterwegs und habe mich dann mit Freunden vor Ort bei der Campingplatzverwaltung gemeldet und (meist) einen Platz bekommen, ohne Bestechung.
Aber letztlich habe ich ja dann verstanden, was du sagen wolltest. Und gern schaue ich hier nun mal häufiger rein. Ich muss mich nur erstmal dran gewöhnen, Blog-Beiträge an anderen Orten zu diskutieren. Aber das ist ja letztlich auch nur ein Klick.
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