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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 10 Antworten
und wurde 949 mal aufgerufen
 Zeitgeschichte und Politik
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.07.2007 22:34
Über die jüdisch-tschechisch-deutsche Kultur Antworten

Es ist für mich wohl ein Lebensthema, mit dem ich nicht fertig werde.

Die jüdisch-deutsch-tschechische Kultur - wie war das möglich, daß Verbrecher sie vernichtet haben?

Es gab ja die "deutsche Emigration in Prag". Viele dachten, sie wären dort in Sicherheit vor den Nazis.

Sie haben nicht mit deren krimineller Energie gerechnet.

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

14.07.2007 10:15
#2 RE: Über die jüdisch-tschechisch-deutsche Kultur Antworten

> Die Tschechei - ja, ich weiß, das ist politically incorrect, sie so zu nennen

Wirklich? Das wusste ich nicht, obwohl ich in der Nähe daheim bin, aber bei uns sagt jeder Tschechei.

> Viele wissen ja nicht einmal, daß Prag westlich von Wien liegt!

In West/Ost habe ich Prag/Wien noch nie eingeteilt, eher noch Nord/Süd, weil ich irgendwo dazwischen zuhause bin.

> ein Schlauberger

Der möchte ich nicht sein. Einen Gedanken möchte ich denoch kurz skizzieren. Die deutsche Sprache, Kultur ist nicht auf das Gebiet des deutschen Staates beschränkt. Man möchte fast meinen das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Anderseits ist es nicht notwendig als deutscher Staatsbürger an dieser Kultur teilzunehemen. Erschreckende Beispiele gibt es in Deustchland und auch in Österreich zuhauf. War das schon PI?

Kafka zum Lachen? Teilweise sicher, aber als Josef K. am Ende des Prozesses wie ein Tier geschlachtet wird, ist selbst dir nicht zum Lachen zumute.

Herzlich Feynman

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

14.07.2007 12:20
#3 RE: Über die jüdisch-tschechisch-deutsche Kultur Antworten

Gerade eine kleine Umfrage unter Bekannten gemacht:
3 von 4 glaubten, dass Wien westlicher läge.

Herzlich Feynman

Sparrowhawk ( Gast )
Beiträge:

14.07.2007 14:00
#4 RE: Über die jüdisch-tschechisch-deutsche Kultur Antworten

Der pc-Ausdruck heißt "Tschechien."

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.07.2007 19:21
#5 RE: Über die jüdisch-tschechisch-deutsche Kultur Antworten

Lieber Feynman,

ich habe den Test oft in meinen Vorlesungen gemacht. Das Ergebnis war
schlechter als deins. Ungefähr 90 Prozent falsche Antworten.

Es ist eben so, daß die Tschechei nicht so wahrgenommen wird, wie sie
war und - glaube ich - heute wieder wird.

Sie war multikulturell, vor den Kommunisten.

Ja nicht nur Juden, Tschechen, Deutsche, sondern auch Ungarn, beispielsweise.

Aus meiner Sicht ist die Tschechei das Zentrum Europas, nicht nur geographisch.



Ich glaube halt nicht, daß die deutsche Kultur ohne die jüdische
existieren kann.

Ich glaube, daß das Umgekehrte auch gilt. Ich glaube, daß die Jeckel
oder Jäckel Israel geprägt haben. Jedenfalls das alte.

Schon möglich, daß es heute immer mehr von Russen und Sephardim
geprägt wird.



Es gibt ein Verhältnis zwischen Deutschen und Juden, das
unbegreiflicherweise die Mordtaten der Nazi-Verbrecher überstanden
hat.


Es liegt, glaube ich, an der Ernsthaftikeit und am Witz.



Das sind ja die beiden Konstanten der jüdischen Kultur. Woody Allan,
den ich absolut verehre (naja, wer tut das nicht), verkörpert das. Es
ist die Auflösung der Ernsthaftigkeit im Witz. Es ist das Lachen über
das Absurde.



Niemand kann das so gut wie wir Juden und wir Deutsche.

E.T.A.Hoffmann, das war auch so ein Witzbold. Keller war es. Nur
merken das viele nicht, dh sie trauen sich nicht zu lachen.



Aus meiner Sicht ist es so, daß Deutsche und Juden zusammengehören.
Das habe ich ja schon geschrieben. Es ist eine gemeinsame Kultur.

Was die Nazi-Verbrecher angerichtet haben, ist entsetzlich und so
fürchterlich, daß man es gar nicht fassen kann.

Aber seltsam - diese Verbundenheit scheint weiter zu bestehen. Kafka
"gehört" "den Juden" und "den Deutschen".

So lustig ist sie, diese Welt. Kafka wußte das, und hat eben nur
Lustiges geschrieben.

Frankfurter Offline



Beiträge: 233

15.07.2007 15:22
#6 RE: Über die jüdisch-tschechisch-deutsche Kultur Antworten

Diese ganze Angelegenheit ist so unsäglich traurig. Eine Tragödie nicht nur für die Juden sondern auch für die Deutschen. Was sogar noch mehr erschüttert, es gab im Prä-Nazi Europa kaum ein Land, in dem die Juden so gut integriert waren. Es gab kein Land in dem die Juden einen grösseren Beitrag zu Kultur und Wissenschaften geleistet haben, als in Deutschland. Man müsste sich mal die Mühe machen alle deutsch-jüdischen Nobelpreisträger aufzulisten. Deswegen ist das, was während der Nazi-Zeit passierte so absolut unbegreiflich.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.07.2007 07:30
#7 Jüdische Kultur in Frankfurt, Judenwitze Antworten

L:eber Frankfurter,

es ist genauso, wie Sie schreiben. Es ist das, was mich "bewegt" hat, seit meiner Jugend. Es ist unfaßbar.

Erlauben Sie mir etwas Persönliches, Sie werden es nicht falsch verstehen: Ich bin ein "Frankfurter".

Mein Ur-Urgroßvater ist aus Osteuropa nach Frankfurt (dem am Main) eingewandert, mit einem (auch) jüdischen Namen, den ich also auch trage.



Sei dem, wie dem sei - Frankfurt war immer eine Stadt, in der die jüdische Kultur verankert war.

Mein Großvater, vor 1900 geboren, war Prokurist in einer jüdischen Firma, "Goldstein und Söhne". Er hat immer mit größter Hochachtung von den Juden gesprochen, vom Mäzenatentum, von der Liberalität.

Frankfurt war u.a. deshalb eine so freie, eine so reiche Stadt vor der Nazi-Zeit, weil sie jüdisch geprägt war. Es gab so gut wie keinen Antisemitismus.

Wie ja überhaupt der Antisemitismus in Deutschland vor den Nazis nie eine Basis gehabt hatte. Er kommt aus Osteuropa, und Hitler war halt Österreicher. Goldhagens Buch ist eines der schlechtesten, die ich jemals gelesen habe. Er kann nocht nichtmal Deutsch, also hatte er gar keinen Zugang zu den Quellen.




Daß der von Osteuropa geprägte Hitler in Deutschland seine Wahnideen umsetzen konnte, dieser Mann, der Preußen gehaßt hat wie sonst nichts, ist eine Ironie der Geschichte.




Mein Großvater hat vom Laubhüttenfest erzählt, von den "Schabbes-Goys".

Er kannte jede Menge Judenwitze.

Zum Beispiel:

Mosche kommt nach Hause. Der Arzt hat ihm die gebrochenen Hände eingegipst, dann aber auch noch die gesunden Füße.

Sarah fragt: Ja wie hast du das denn können erlauben? Hättest du doch müssen reden.

Mosche antwortet: Ja, wie hab ich denn können reden? Hab ich doch eingegipst gehabt die Hände.

Mit besonderer Herzlichkeit,

Zettel



Frankfurter Offline



Beiträge: 233

16.07.2007 09:10
#8 RE: Jüdische Kultur in Frankfurt, Judenwitze Antworten

Hier ich habe alle Deutsch-Jüdischen Nobelpreisträger aufgelistet. Für Vollständigkeit wird nicht garantiert:

Nobel Preise in Physik

Albert Einstein (1921)
James Franck (1925)
Otto Stern (1943)
Wolfgang Pauli (1945)
Felix Bloch (1952)
Max Born (1954)

Nobel Preise in Chemie

Adolf von Baeyer (1905)
Otto Wallach (1910)
Richard Willstatter (1915)
Fritz Haber (1918)
Max Perutz (1962)


Nobel Preise für Medizin

Paul Ehrlich (1908)
Robert Bárány (1914)
Otto Meyerhof (1922)
Karl Landsteiner (1930)
Otto Heinrich Warburg (1931)
Otto Loewi (1936)
Ernst Chain (1945)
Gerty Cori (1947)
Hans Adolf Krebs (1953)
Fritz Lipmann (1953)
Konrad Bloch (1964)

Nobel Preise für Literatur

Paul Johann Ludwig von Heyse (1910)
Nelly Sachs (1966)

Wenn das Abendland, so wie wir es kennen, untergehen sollte. So tragen sicherlich die Nazis einen Grossteil der Verantwortung. Wobei die Kommunsten natürlich auch ihren Teil beigetragen haben.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.07.2007 09:38
#9 RE: Jüdische Kultur in Frankfurt, Judenwitze Antworten

Lieber Frankfurter,

und man könnte alle die Musiker, die Theaterleute, die Bildenden Künstler auflisten.

Max Liebermann ist meines Erachtens der größte Maler des 20. Jahrhunderts. Jedenfalls der Intelligenteste. Er hat dieses Spiel von Objekten, Beleuchtung, Licht und Schatten, Reflektion so verstanden wie keiner sonst.

Jedenfalls keiner, den ich kenne.

Herzlich, Zettel

Libero Offline



Beiträge: 393

24.07.2007 21:01
#10 RE: Über die jüdisch-tschechisch-deutsche Kultur Antworten

Lieber Herr Zettel

das war das größte anzunehmende Unglück, das passieren konnte. Was einer ist, was einer war, beim Scheiden wir es offenbar. Deutschland ist ersichtlich ärmer geworden. Das ist nicht zu leugnen.

Sie werden Fontane Gedicht zu seinem 75 Geburtstag kennen, wo er zunächst die Namen der preussischen Familien aufzählt, die er in den Wanderungen schilderte und dann überging zu den Namen, die seiner am Ehrentag gedachten. Das waren dann ganz andere Namen, wie er wortwörtlich sagt. Das Gedicht schließt mit der Zeile
Kommen Sie Kohn
Das genau fehlt, die guten Menschen, an denen das jüdische Deutschland so reich war. Menschen des Alltags, nicht Menschen, deren Namen, verbunden mit einer Leistung, überliefert wurden.

Deswegen schmerzt es mich immer, wenn jemand von Gutmenschen schreibt. Weiß denn wirklich niemand, daß du ursprünglich eine Diffamierung der Katharer und der Juden war?

Herzlichst
Libero

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.07.2007 04:13
#11 RE: Über die jüdisch-tschechisch-deutsche Kultur Antworten

Lieber Libero,

ich freue mich, daß Sie das so sehen wie ich!

Zitat von Libero
Sie werden Fontane Gedicht zu seinem 75 Geburtstag kennen, wo er zunächst die Namen der preussischen Familien aufzählt, die er in den Wanderungen schilderte und dann überging zu den Namen, die seiner am Ehrentag gedachten. Das waren dann ganz andere Namen, wie er wortwörtlich sagt. Das Gedicht schließt mit der Zeile
Kommen Sie Kohn

Ja, Fontane war auch in dieser Hinsicht Preuße.

Kaum ein Land in Deutschland, in Europa kannte so wenig Antisemitismus wie Preußen.

Ich empfinde es als eine absurde Geschichtsklitterung, wenn ausgerechnet dieses Land mit dem Antisemitismus des Österreichers Hitler in Verbindung gebracht wurde und wird.
In Antwort auf:
Deswegen schmerzt es mich immer, wenn jemand von Gutmenschen schreibt. Weiß denn wirklich niemand, daß du ursprünglich eine Diffamierung der Katharer und der Juden war?


Ich muß zugeben, daß ich das auch nicht wußte. Wo könnte man darüber etwas lesen?

Herzlich, Zettel

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