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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 14 Antworten
und wurde 1.540 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.07.2012 19:33
Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

In dem Artikel, dem ich das Zitat des Tages entnommen habe, wettert Claudius Seidl (früher "Spiegel", jetzt Feuilletonchef der F.A.S.) gegen "pseudobürgerlichen Geschmacks- und Geschichtstotalitarismus".

Warum? Weil ein Gebäude, welches das Stadtbild Potsdams verschandelt, abgerissen werden soll. Freilich kein x-beliebiges häßliches Gebäude, sondern einst ein Vorzeigegebäude der DDR. Da geht es dann für Seidl gleich um Totalitarismus - aber nicht den der Kommunisten, sondern den angeblichen Totalitarismus derer, die für Potsdam das wwollen, was für Paris, Antwerpen oder Prag selbstverständlich ist: Ein architektonisch stimmiges Stadtzentrum.

kallewirsch Offline



Beiträge: 8

28.07.2012 20:57
#2 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Erstmal Hallo an alle hier im Forum!
Sehr guter Blog den du hier hast Zettel, ich lese seit einer Weile regelmäßig mit.

Zum "DDR-Hotel" Abriss habe ich nur eine Frage.
Steuergelder oder Privatinvestor?

So wie ich unsere Jungs kenne, gilt hier bestimmt wieder Ersteres und da muss ich doch sagen:

Ideologie und stimmiges Stadtbild hin oder her.Ein Land das mit 18,9€ Milliarden verschuldet ist, sollte sich
um andere Dinge gedanken machen, als seine Innenstädte mit Landtagsgebäuden aufzuhübschen!
Möge Hr. Seidel doch etwas spenden für den Erhalt des "DDR-Hotels", wenn es ihm denn so am Herzen liegt.
Das gleiche gilt allerdings auch für die andere Seite der "Landtagsgebäude mit historischer Fassade" Fraktion.

Ich kenne jetzt nicht die Zahlen, gehe aber schwer davon aus, daß Paris, Antwerpen und Prag mit ihren
stimmigen Stadtzentren mindestens genauso hoch verschuldet sind wie die Brandenburgische Stadt Potsdam.

Da fällt mir doch glatt ein guter Slogan für Potsdam ein:"Arm aber architektonisch stimmig!"LMAO

Die ideologische Debatte lehne ich gänzlich ab!

„18,9 Milliarden Euro Schulden zum Jahresende“
http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/666896/

Paul Offline




Beiträge: 1.285

28.07.2012 21:56
#3 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Von Architektur habe ich keine Ahnung. Ich kann es also nur aus 'dem Bauch heraus' beurteilen.

Sicher wäre ich mir, wenn das Haus der Kunst in München hochkant stehen würde, wäre es längst abgerissen worden.

Genau so sicher bin ich mir, wenn das Hotel in Potsdam flach liegen würde, würde niemand auf die Idee kommen es abzureißen.
Da es aber 'hochkant' steht verschandelt es das Stadtbild.

grenzenlosnaiv Offline



Beiträge: 88

29.07.2012 03:11
#4 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Ob das gesparte Geld nun ins europäische Ausland geht oder für sinnlose Bauten wie das Nurbürgringdorf in der Diaspora oder ob man in einer Landeshauptstadt ein neues Landtagsgebäude so baut, dass es an den Glanz alter Zeiten erinnert, ist schon ein Unterschied. Und weg ist das Geld bald sowieso und spätestens wenn Rot-Grün wieder an die Macht kommt auch egal, wieviele Schulden man bis dahin gemacht hat, weil dann sicher noch viel viel größere neue gemacht werden bis zum Kollaps. Von daher ist es schon eine 'gute' Investition. Und natürlich muss der häßliche DDR-Bau dann weg, weil er anders als z.B. der Eiffelturm sicher nie als schön empfunden werden, nie ins Stadtbild passen und auch nie zu einer Sehenswürdigkeit wird, auf die die Potsdamer stolz sind.
Egal, wie man nun erklären will, dass man für die Erhaltung dieses Schandflecks ist, es wirkt doch arg seltsam. Ist die DDR und ihre Geschichte etwas, das man nie vergessen sollte? Sicher. Muss man dazu sowas häßliches groß und unübersehbar in der Stadt stehen lassen? Eher nicht.

Was am Rande; als ich kurz nach der Wiedereröffnung der Dresdner Frauenkirche in Dresden war und sah, wie sehr man sich auch auf dem Platz, der sie umgibt, bemühte ein historisch dazu stimmiges Stadtbild herzustellen, da war das für mich ein Zeichen dafür, wie man wirklich aus Ruinen aufersteht, die der ostdeutsche Sozialismus hinterlassen hatte. Und ich war auch etwas stolz auf diese Leistung. Für mich ist das ein besseres Mahnmal als ein altes häßliches DDR-Hotel. Eins, an dem man sich erfreuen kann nämlich.

Hausmann Offline



Beiträge: 710

29.07.2012 08:59
#5 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Mir fehlt dazu eine abschließende Meinung; vielleicht nur der Wunsch, daß die Bürger über Geschmack und Bezahlung sich besser selber einigen sollten. Wer sich im Osten Banken, Versicherungen, Staatsgebäude und dann Schulen, Schwimmhallen, Kindergärten ansieht, macht sich dazu so seine Gedanken. Auch zum verflossenen Palast der Republik. mfG

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

29.07.2012 12:39
#6 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
In dem Artikel, dem ich das Zitat des Tages entnommen habe, wettert Claudius Seidl (früher "Spiegel", jetzt Feuilletonchef der F.A.S.) gegen "pseudobürgerlichen Geschmacks- und Geschichtstotalitarismus".

Warum? Weil ein Gebäude, welches das Stadtbild Potsdams verschandelt, abgerissen werden soll. Freilich kein x-beliebiges häßliches Gebäude, sondern einst ein Vorzeigegebäude der DDR. Da geht es dann für Seidl gleich um Totalitarismus - aber nicht den der Kommunisten, sondern den angeblichen Totalitarismus derer, die für Potsdam das wwollen, was für Paris, Antwerpen oder Prag selbstverständlich ist: Ein architektonisch stimmiges Stadtzentrum.

Es gab sie, die architektonische Moderne in der DDR. Ulrich Müther ist nicht nur auf Grund seiner Arbeiten, auch wegen seiner Biographie ein sehr interessanter und nach meinem Geschmack, bedeutender Vertreter. Und manches was bereits abgerissen wurde, hätte man besser stehen gelassen.
Das angesproche einstige Interhotel "Mercure" gehört allerdings, aus meiner Sicht, nicht dazu.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

29.07.2012 14:18
#7 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Es ist doch schon merkwürdig, dass niemand aus der meinungsventilierenden Kaste auf die Idee käme ein sogenanntes Nazibauwerk zu verteidigen, es vielleicht sogar eindrucksvoll zu finden oder gar als schön zu bezeichnen. Kulturvergessen, hässlich, gigantomanisch, be-/erdrückend, protzig oder düster wären da wohl die angemessenen politisch korrekten Vokabeln aus dem Wortstanzbaukasten.

Dagegen attestiert Seidl sogar diesem potthässlichen Zweckbau wohlwollend "angenehme Proportionen und eine bescheidene Fassade". Toll!

Wenn man, wie ich, von Architektur null Ahnung hat und einem die politischen Ansichten eines Bauherren aus der Vergangenheit völlig schnurz sind (das Haus kann ja nix dafür), betrachtet man das wohl mit dem unverstellten Blick des blutigen Laien. Und mein Laienblick bescheinigt der "neoklassizistischen"* Naziästhetik wenigstens einen bleibenden Eindruck, welchen ich der Bauhaus-Architektur z.B. schlichtweg absprechen würde. Laut Wikipedia bezeichneten die Nazis diese ja als "seelenlos". Dem würde ich mich mal ganz unparteiisch einfach anschließen wollen. Plattenbau mit Prädikat. Wie auch dieser funktionelle Hotelbau da in Potsdam.

Ich wüsste nicht, was daran erhaltenswert sein sollte, denn sowas würde man wohl locker jederzeit nachbauen können. Man nehme, im Gegensatz dazu, nur mal das Berliner Stadtschloss. Da baut man ein Gebäude mit wenigstens historischer Fassade um so etwas wie den Anschein vergangener Kultur zu bewahren. Eine 1 zu 1 Rekonstruktion wie bei der großartigen Dresdner Frauenkirche würde in der heutigen Zeit wahrscheinlich jeden Kostenrahmen sprengen, ganz abgesehen vom Geheule der modernen Kulturwächter. Sowas kriegt man halt nicht so einfach wieder hin. Ein Hotel Mercure dagegen mit Sicherheit. Auch wenn es wegen Hässlichkeit so wohl nicht nochmal gebaut werden würde.

@Erling Plaethe:

Die Architektur des Ulrich Müther finde ich dagegen schon interessant, danke für den Hinweis. Aber ich weiß nicht, ob dies nun insgesamt erhaltenswerte Architektur ist. Es sieht mir so seltsam aus der Zeit gefallen aus - wie das ICC in Berlin. Oder besser: wie eine seltsam zeitgebundene Architektur einer nur kurzen Phase der Moderne. Das Gegenteil von zeitlos, aber eben auch keiner "Epoche" zugehörig.

Beste Grüße, Calimero

*Edit: Aus "neoklassischen" "neoklassizistischen" gemacht.

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Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

29.07.2012 15:01
#8 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #7

Die Architektur des Ulrich Müther finde ich dagegen schon interessant, danke für den Hinweis. Aber ich weiß nicht, ob dies nun insgesamt erhaltenswerte Architektur ist. Es sieht mir so seltsam aus der Zeit gefallen aus - wie das ICC in Berlin. Oder besser: wie eine seltsam zeitgebundene Architektur einer nur kurzen Phase der Moderne. Das Gegenteil von zeitlos, aber eben auch keiner "Epoche" zugehörig.

Schauen Sie mal hier, lieber Calimero, auch das ist Bauhaus.
Miami:
http://www.google.de/search?hl=de&cp=12&...LI8XBtAaL9oG4DA
Oder Tel Aviv:
http://www.google.de/search?hl=de&q=art+...GE8XNsgbLgoDoBQ
Oder New York:
http://www.google.de/search?hl=de&q=art+...iw=1156&bih=554
Oder Chicago:
http://www.google.de/search?hl=de&q=art+...iw=1156&bih=554
Mir geht das Herz auf, wenn ich so was sehe. Allein nur wegen der Architektur lohnt sich die Reise in diese vier Städte.
Das ICC wird in Berlin auch "Kampfstern Galaktika" genannt. Ich mag es schon, nur übersteigt sein Unterhalt die Einnahmen. Na ja, typisch Berlin eben.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

29.07.2012 15:12
#9 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #8

Schauen Sie mal hier, lieber Calimero, auch das ist Bauhaus.

New York und Chicago finde gut. Miami und Tel Aviv hebt mich dagegen nicht so an, was aber auch am Einduck nur aus Bildern liegen kann.

Als ich von Bauhaus schrieb, hatte ich aber vor allem die Gropiusstadt im Hinterkopf, aber auch die anderen Gebäude aus dem Wiki-Artikel lösten nicht grade ein Entzücken bei mir aus. Na ja, wie gesagt - ich habe keine Ahnung von Architektur.

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Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.

DrNick Offline




Beiträge: 809

29.07.2012 16:08
#10 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #8

Schauen Sie mal hier, lieber Calimero, auch das ist Bauhaus.


Vielleicht übersehe ich da etwas, aber was hat denn Art déco mit der Bauhausbewegung zu tun?

C. Offline




Beiträge: 2.639

29.07.2012 16:42
#11 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
In dem Artikel, dem ich das Zitat des Tages entnommen habe, wettert Claudius Seidl (früher "Spiegel", jetzt Feuilletonchef der F.A.S.) gegen "pseudobürgerlichen Geschmacks- und Geschichtstotalitarismus".


Wegen so einem hässlichen Bunker? Bei uns im Westen nennt sich das sozialer Wohnungsbau und muss einer lockeren Bebauung weichen.

Zitat von Ludwigshafen
Die LUWOGE möchte damit den Stadtteil aufwerten. Sie fördert das soziale und kulturelle Umfeld und passt ihren Bestand an die Nachfrage an. Um dies zu erreichen, setzt die LUWOGE auf eine Bandbreite von sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Maßnahmen. Diese sollen dazu beitragen, aus dem Wohngebiet der 70er Jahre einen Stadtteil für modernes und attraktives Wohnen zu machen



Ich will nicht zu weit von Potsdam ablenken, wenn ich auf die westdeutschen Scheusslichkeiten hinweise, dafür ist die Potsdamer Diskussion zu interessant, auch wenn sie mir bisher fast völlig entgangen war, wenn ich von dem vorläufig gescheiterten Kunsthallenbau für die Sammlung Plattner absehe.

Zitat von Berliner Morgenpost
Doch nach einer wochenlangen hitzigen Debatte um den damit verknüpften Abriss des 17-stöckigen Hotels Mercure wollte Plattner mit seiner Sammlung nicht mehr dorthin. In einem offenen Brief beendete er das Vorhaben. "Es war nie meine Aufgabe oder Absicht, in die langfristige Stadtplanung von Potsdam einzugreifen", schrieb Plattner. Selbst eine Demonstration von rund 1000 Potsdamern "für die Kunsthalle in Potsdams Stadtmitte und den Abriss des Mercure" stimmte ihn nicht um. Auch nicht die leidenschaftlichen Plädoyers von TV-Moderator Günther Jauch, Mode-Designer Wolfgang Joop und Schauspielerin Nadja Uhl.



Im Gegensatz zu Seidls postkapitalischem Pamphlet mit eingeschlossener Beschimpfung des "Pseudobürgertums", wird über die städtebauliche Entwicklung Potsdams differenzierter diskutiert und es wird keinesfalls angedacht das sozialistische Städtebauerbe völlig auszuradieren.

Aber was lässt man in einer Stadt stehen, reisst es ab oder baut hinzu die folgendermaßen charakterisiert wird:

Zitat von PNN
Potsdam – die Stadt des Militarismus, in der Staat und Militär mehr galten als Zivilität und Bürgertugend;

Potsdam – die Stadt der kulturellen Vielfalt, in der sich italienische Renaissance, französisches Rokoko und holländischer Einschlag zu einem besonderen Potsdamer Geist der Toleranz ergänzt haben;

Potsdam – die Stadt des „preußischen Stils“, „eine Stadt der Selbstzucht und der Lebensverliebtheit, vornehm und einfach, adelig und bürgerlich“ (Hans-Joachim Schoeps);

Potsdam – die Welt der Potsdam-Deutschen, die zusammen mit den Moskau-Deutschen die erste deutsche Demokratie der Weimar-Deutschen in die Zange nahmen und vereint erstickten (Arnold Brecht);

Potsdam – die Stadt der „nationalen Revolution“ von 1933, in der der Marschall und der Gefreite sich die Hände reichten und die alten Eliten das Bündnis mit den neuen schlossen;

Potsdam – die Trümmerstadt, in der die Weltgeschichte zum Weltgericht wurde und Deutschland die Quittung für den zwölfjährigen Machtrausch der NS-Bewegung ausgestellt bekam;

Potsdam – die sozialistische Stadt des „roten Preußen“, in der der braune Ungeist samt seinen feudal-militaristischen Ursachen bis auf den letzten Ziegelstein ausgetrieben wurde;

Potsdam nach 1989 – die Stadt des Brückenbaus, in der sich die Bewahrung des Alten und die Schaffung des Neuen harmonisch zusammenfinden.


http://www.pnn.de/potsdam/615273/

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Hausmann Offline



Beiträge: 710

29.07.2012 17:41
#12 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Apropos Abriß: Der fällt zwar vermutlich nicht Architektur, kann aber auch klug gestaltet und ergänzt werden, wie man bei manchen ostdeutschen "Neubau"gebieten erlebte und wo sich die Wohnqualität dadurch spürbar verbesserte - sogar im Vergleich zu neueren privaten Eigenheimsiedlungen. mfG

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

29.07.2012 20:19
#13 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Zitat von DrNick im Beitrag #10

Vielleicht übersehe ich da etwas, aber was hat denn Art déco mit der Bauhausbewegung zu tun?

Die Architektur des Art Deco, der Streamline Moderne und die Bauhaus Architektur beeinflussten sich als prägende Stile der Architektonischen Moderne gegenseitig, so dass es manchmal schwierig ist, sie auseinanderzuhalten. Die Weiße Stadt in Tel Aviv ist reine Bauhaus Architektur, der Art Deco Distrikt in Miami ist nur Bauhaus inspiriert weil viele der Architekten bei Bauhaus Lehrern studierten. Das Art Deco in New York und Chicago dagegen war ursprünglich ein Mix aus sehr vielen klassischen Einflüssen und wurde erst später Art Deco genannt.
Insofern haben Sie natürlich recht. Man kann nicht alles dem Bauhaus zurechnen, obgleich der Architektonischen Moderne. Ich wollte nur einen Zugang schaffen zu einer, wie ich finde, beeindruckenden Stilepoche, welche bis in unsere Zeit hineinwirkt. Als Beispiele möchte ich aus Berliner Sicht den Potsdamer Platz aber auch das Gesundheitszentrum in Berlin-Kreuzberg nennen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.552

29.07.2012 20:48
#14 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

..."von Architektur habe ich keine Ahnung..." Na und? Die meisten Architekten auch nicht.
Hans Magnus Enzensberger merkte vor gut 30 Jahren an, daß es sich "bei der Dichtkunst, im Gegensatz zur Architektur, um eine nichtterroristische Form der Kunstausübung" handle.

Zur einprägsamsten Orientierung über "Bauhaus & was danach kam": Tom Wolfe, From Bauhaus to Our House (1981) (dt. Mit dem Bauhaus leben; ist sogar noch lfb.) Ihm paßt die ganze Richtung nicht, und wenn man dazu neigt, in Büchern Stellen am Rand anzustreichen, braucht man den Stift gar nicht erst abzusetzen.

Zitat aus Leseprobe
________
Has there ever been another place on earth where so many people of wealth and power have paid for and put up with so much architecture they detested as within thy blessed borders today?

I doubt it seriously. Every child goes to school in a building that looks like a duplicating-machine replacement-parts wholesale distribution warehouse. Not even the school commissioners, who commissioned it and approved the plans, can figure out how it happened. The main thing is to try to avoid having to explain it to the parents.

Every new $900,000 summer house in the north woods of Michigan or on the shore of Long Island has so many pipe railings, ramps, hob-tread metal spiral stairways, sheets of industrial plate glass, banks of tungsten-halogen lamps, and white cylindrical shapes, it looks like an insecticide refinery. I once saw the owners of such a place driven to the edge of sensory deprivation by the whiteness & lightness & leanness & cleanness & bareness & spareness of it all. They became desperate for an antidote, such as coziness & color.
...
I find the relation of the architect to the client in America today wonderfully eccentric, bordering on the perverse. In the past, those who commissioned and paid for palazzi, cathedrals, opera houses, libraries, universities, museums, ministries, pillared terraces, and winged villas didn't hesitate to turn them into visions of their own glory. Napoleon wanted to turn Paris into Rome under the Caesars, only with louder music and more marble. And it was done. His architects gave him the arc de Triomphe and the Madeleine. His nephew Napoleon III wanted to turn Paris into Rome with Versailles piled on top, and it was done. His architects gave him the Paris Opéra, an addition to the Louvre, and miles of new boulevards. Palmerston once threw out the results of a design competition for a new British Foreign Office building and told the leading Gothic Revival architect of the day, Gilbert Scott, to do it in the Classical style. And Scott did it, because Palmerston said do it.
...
But after 1945 our plutocrats, bureaucrats, board chairmen, CEO's, commissioners, and college presidents undergo an inexplicable change. They become diffident and reticent. All at once they are willing to accept that glass of ice water in the face, that bracing slap across the mouth, that reprimand for the fat on one's bourgeois soul, known as modern architecture.
_________

Oder eben "pseudobürgerlicher Geschmacksterrorismus".

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

29.07.2012 21:48
#15 RE: Zitat des Tages: DDR-Architektur Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #14
All at once they are willing to accept that glass of ice water in the face, that bracing slap across the mouth, that reprimand for the fat on one's bourgeois soul, known as modern architecture.
_________

Oder eben "pseudobürgerlicher Geschmacksterrorismus".



Daniel Kehlmann über "Hooking up" von Tom Wolfe:

Zitat von http://www.lyrikwelt.de/rezensionen/hookingup-r.htm
Auch seine Angriffe auf die Gegenwartsliteratur enthalten eine Wahrheit, auf die man über die amerikanische Hegemonie besorgte Europäer nachdrücklich hinweisen muss: dass nämlich Mailer, Roth und Bellow tatsächlich Schüler europäischer Traditionen sind und dass etwa John Updike Proust näher steht als Hemingway oder Steinbeck. Nur kommt gerade in diesem Bereich Wolfe wieder sein größtes Manko in die Quere: sein fast vollständiger Mangel an Kunstverstand.

Kaum ein anderer hat ein so feines Gespür für soziale Abstufungen, für Statussymbole und gesellschaftliche Trends, für die Lächerlichkeiten der Selbstdarstellung von Macht, sei sie nun akademisch, wissenschaftlich oder politisch. Wann immer er jedoch Kunstwerke interpretiert, sind die Ergebnisse katastrophal. Keine Sekunde lang kommt Wolfe auf den Gedanken, dass Henry James womöglich nicht bloß deshalb als ein besserer Schriftsteller als Theodore Dreiser gelten könnte, weil eine Verschwörung "verschwitzter Intellektueller" es so durchgesetzt hätte, oder dass John Updike A Man in Full vielleicht deswegen den Rang eines Kunstwerks absprach, weil das wirklich seiner Meinung entsprach.

Wolfes Instinkt für vorgeschobene ästhetische Argumente lässt ihn blind dafür werden, dass es manchmal tatsächlich ästhetische Kriterien gibt, hinter denen keine Machtinteressen stehen. So widerfährt ihm, was vielen Ideologiekritikern früher oder später geschieht: Sein polemischer Ansatz wandelt sich selbst zur Ideologie. Hooking Up ist ein Buch, das gerade die Leser mögen werden, die sich auch darüber ärgern. Jenen Lesern aber, die diesem Buch rückhaltlos zustimmen, möchte man lieber nicht begegnen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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