Mit einer erschreckenden Erregung haben diejenigen, die die Vernunft auf ihrer Seite wähnen, sich auf diese “archaische Rituale” wie die Beschneidung gestürtzt, die angeblich an Kindesmisshandlung grenzten. Wer unter denen, die da so energisch applaudierten, hat es auch letztes Jahr schon für nötig befunden gegen eine allgemein bekannte Praxis zu protestieren?
Offensichtlich ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht absolut. Aus keinem höheren Grund als der Eitelkeit der Eltern werden kleinen Mädchen Ohrlöcher gestochen und kleinen Jungen die Segelohren angelegt. Ganz atheistische Eltern haben das Recht, ihre Kinder nicht gegen Masern zu impfen, womit sie nicht nur das Wohl ihres eigenen Kindes, sondern auch das Wohl fremder Neugeborener gefährden.
In dieser ganzen Debatte um die Rolle der Religion in einer freien Gesellschaft äußerte sich ein überraschend starker antiliberaler und antireligiöser Reflex, für den Vernunft und Religion unvereinbar sind und der in gelebter Religion immer schon den Aberglauben sieht, den die moderne Gesellschaft austreiben müsse.
Zitat von Zettel im Beitrag #1Auch Harald Martenstein hat wohl seinen liberal-konservativen Vermittlungsausschuß. Ein Beispiel.
Martenstein hätte sich den ganzen Vorspann schenken können, er wirkt seltsam konstruiert, aber das mag daran liegen, dass er als Kind andere Erfahrungen mit der Beichte gesammelt hat als ich, er ist immerhin fast dreißig Jahre älter. An der Beichte ist sowieso schon alles freiwillig, selbst für ein Kind, was es nicht sagen will, sagt es nicht. Punkt. Die Beichte muss auch nicht zwingend im abgedunkelten Beichtstuhl, sondern es gibt auch das Beichtgespräch in lichten Räumen. Die Fixierung auf Sex scheint mir eher Martensteins Problem zu sein als das eines katholischen Priesters. Aber ich will ihm das mal so glauben, erinnere aber bei der Gelegenheit daran, dass mit 14 Jahren die volle Religionsmündigkeit besteht. Zumindest in der katholischen Kirche ist die Beichte als ein Angebot zu sehen, ohne Verpflichtung zur Annahme.
Mir kommt Marteinsteins Erzählung vor wie Hohmanns weitschweifigen Ausführungen, was alles die Juden zum Tätervolk machen könnte, um zu dem Schluss zu kommen, dass sie kein Tätervolk sind.
Zitat von MartensteinIch bin nicht wirklich für ein Verbot der Beichte, mehr noch, ich bin dagegen. Ich möchte lediglich einen Denkanstoß im aktuellen Religionsdiskurs geben. Ich finde, dass auch die Religionskritik, wenn man es damit übertreibt, einen Schlag ins Totalitäre kriegt. Ich bin gegen Freiheitszwang. Sich selbst zu befreien ist einfach schöner.
Zitat von Hausmann im Beitrag #3OT und nur interessehalber werter theophil,
Zitat Ganz atheistische Eltern haben das Recht, ihre Kinder nicht gegen Masern zu impfen
Verstehe ich richtig, daß unter konfessionslosen Eltern die Impfgegnerschaft besonders ausgeprägt ist? mfG
Das meinte ich natürlich nicht :-) Ich wollte ausdrücken, dass nur weil man konfessionslos ist, man noch lange nicht rational handelt (ohne jetzt eine Impfdebatte anstoßen zu wollen).
Zitat von theophil im Beitrag #2Aus keinem höheren Grund als der Eitelkeit der Eltern werden kleinen Mädchen Ohrlöcher gestochen
(ohne jetzt eine Ohrringdebatte anstoßen zu wollen): Nach meiner Erfahrung ist es heutzutage die Eitelkeit der kleinen Mädchen - die Segelohren wollte sie aber behalten.
Und zu dem "überraschend starken antiliberalen ... Reflex" eine Meinung aus Russland: Ihr seid offenbar weit vorangeschritten auf dem Weg in die Diktatur!. Ich wüßte auch nicht, wie man das umdrehen könnte. Martenstein ist nicht so wortgewaltig wie die Alten, Kraus, Tucholsky, Kästner, ...
Zitat von KästnerEr (Gott)blickte stolz auf seine Erde Und sah Tuberkeln, Standard Oil und Waffen, Da kam aus Deutschland die Beschwerde: "Du hast versäumt, uns Führer zu erschaffen!"
Zitat von theophil im Beitrag #2Aus keinem höheren Grund als der Eitelkeit der Eltern werden kleinen Mädchen Ohrlöcher gestochen
(ohne jetzt eine Ohrringdebatte anstoßen zu wollen): Nach meiner Erfahrung ist es heutzutage die Eitelkeit der kleinen Mädchen - die Segelohren wollte sie aber behalten.
Ich verstehe nicht so recht, was dieser Text sagen möchte und was Papst Benedikt, die Rechte von Schwulen und die Energiesparlampe jetzt miteinander zu tun haben.
Zitat von ZettelWer bin ich, daß ich diese meine Haltung anderen, nämlich den Betroffenen, aufdrängen darf?
Und genau darum geht es; um das Aufdrängen des eigenen Glaubens und dem Zwang daran teilhaben zu müssen. Ehrlich gesagt, wäre ich erfreut, man würde es genauso verbieten, dass Kinder beichten müssen oder getauft werden. Auch wenn jeder da andere Erfahrungen macht, so stellte die Kommunion und die damit einhergehende erste Beichte für mich einen Zwang dar, der soweit ging, dass ich mir bei der Beichte etwas ausdachte und den Priester somit belog, weil mir beim besten Willen nichts zum Beichten einfiel. Und auch im Vorfeld war mir der Gedanke, jemand total fremden persönliche Dinge mitteilen zu 'müssen' äußerst unangenehm, dennoch musste ich es eben tun. Und anders als die Schule oder notwendige medizinische Untersuchungen, die man als Kind über sich ergehen lassen muss, erfüllten die religiösen Rituale keinen echten, für mich und mein weiteres Leben, wichtigen Zweck. Ich sehe eine liberale Haltung in dieser Frage nunmal so, dass jeder Erwachsene Glauben kann, was er will und vom Staat unbeeinflusst auch allen Riten nachgehen kann, wie er Lust hat oder sich berufen fühlt; aber Kinder sollte man davor verschonen oder wenn nötig eben schützen.
Zitat von grenzenlosnaivaber Kinder sollte man davor verschonen oder wenn nötig eben schützen.
Das liberale Problem liegt im "man".
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von C.An der Beichte ist sowieso schon alles freiwillig, selbst für ein Kind, was es nicht sagen will, sagt es nicht. Punkt. Die Beichte muss auch nicht zwingend im abgedunkelten Beichtstuhl, sondern es gibt auch das Beichtgespräch in lichten Räumen. Die Fixierung auf Sex scheint mir eher Martensteins Problem zu sein als das eines katholischen Priesters. Aber ich will ihm das mal so glauben, erinnere aber bei der Gelegenheit daran, dass mit 14 Jahren die volle Religionsmündigkeit besteht. Zumindest in der katholischen Kirche ist die Beichte als ein Angebot zu sehen, ohne Verpflichtung zur Annahme.
Immerhin ist sie ein Sakrament, und Sündenvergebung ohne Beichte? Was mich aber an Martensteins Text stört, ist die Erhebung der Ohrenbeichte zu einem Bestandteil der Religion. Gibt es denn eine evangelische oder katholische Religion? Oder heißt die Religion nicht "Christentum"?
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von grenzenlosnaivaber Kinder sollte man davor verschonen oder wenn nötig eben schützen.
Das liberale Problem liegt im "man".
Generell oder nur, wenn man ein christlicher Liberaler bzw. liberaler Christ ist? Wobei die beiden Sachen für mich eh ein Widerspruch in sich sind. Für mich gehört es eben zum Kern eines liberalen Staates, dass er seine Bürger vor anderen Bürgern schützt, aber nicht vor sich selbst. Insbesondere die, die zu jung oder irgendwie beeinträchtigt sind und es (noch) nicht selbst können. Wie weit das geht, darüber kann man natürlich diskutieren, aber die Sache an sich, ist für mich recht eindeutig.
Zitat von ZettelWer bin ich, daß ich diese meine Haltung anderen, nämlich den Betroffenen, aufdrängen darf?
Und genau darum geht es; um das Aufdrängen des eigenen Glaubens und dem Zwang daran teilhaben zu müssen. Ehrlich gesagt, wäre ich erfreut, man würde es genauso verbieten, dass Kinder beichten müssen oder getauft werden. Auch wenn jeder da andere Erfahrungen macht, so stellte die Kommunion und die damit einhergehende erste Beichte für mich einen Zwang dar, der soweit ging, dass ich mir bei der Beichte etwas ausdachte und den Priester somit belog, weil mir beim besten Willen nichts zum Beichten einfiel. Und auch im Vorfeld war mir der Gedanke, jemand total fremden persönliche Dinge mitteilen zu 'müssen' äußerst unangenehm, dennoch musste ich es eben tun. Und anders als die Schule oder notwendige medizinische Untersuchungen, die man als Kind über sich ergehen lassen muss, erfüllten die religiösen Rituale keinen echten, für mich und mein weiteres Leben, wichtigen Zweck. Ich sehe eine liberale Haltung in dieser Frage nunmal so, dass jeder Erwachsene Glauben kann, was er will und vom Staat unbeeinflusst auch allen Riten nachgehen kann, wie er Lust hat oder sich berufen fühlt; aber Kinder sollte man davor verschonen oder wenn nötig eben schützen.
Und was gedenken Sie dann In Fällen wie meinem zu tun? Ich bin seit ich denken kann Mitglied der katholischen Kirche und praktizierte im Laufe meines Lebens mal mehr, mal weniger. Schon als Kind war es für mich daher auch ganz normal, zur Beichte zu gehen. Weder das Beichten im achso schlimmen Beichtstuhl, noch im Gespräch mit dem Pfarrer hat mir jemals etwas ausgemacht. Auch habe ich mich nie gezwungen gefühlt, irgendwelche Sünden zu erfinden. Wenn es wenig zu berichten gab, hab ich halt nur wenig berichtet. Eigentlich taten mir eher die Pfarrer leid, dass sie sich am laufenden Band Trivialitäten, wie ich und wohl auch so mancher anderer Heranwachsender zu berichten hatten, anhören mussten...
Lange Rede, kurzer Sinn. Alle Ihre Bemühungen, arme schwache Kinder und Heranwachsende vor dem verderblichen und traumatischen Erfahrungen der Religion zu schützen, hätten in meinem Fall wohl nur dazu geführt, dass ich ein gutes Sakrament wohl nicht mit der gleichen Unbefangenheit als notwendig und angenehm hätte erfahren können, wie ich das tat.
Zitat von Bistum MainzWas sind „lässliche Sünden“?
Die Moraltheologie spricht bei einer teilweisen Abwendung von Gottes Willen und damit von Gott selbst von einer „lässlichen Sünde“. Lässliche Sünden werden auch „Wundsünden“ oder „alltägliche Sünden“ genannt. Sie können, müssen aber nicht gebeichtet werden. Auch andere Formen der Buße (z.B. ein Bußgebet, Teilnahme an einem Bußgottesdienst usw.) können von lässlichen Sünden befreien.
Zitat von Bistum MainzWas sind „Todsünden“?
„Todsünde“ ist ein moraltheologischer, kein biblischer Begriff. Unter Todsünde wird eine schwere Verfehlung verstanden, der eine voll zu verantwortende und freie Entscheidung des Menschen zugrunde liegt. Eine Lossprechung von Todsünden kann nur in der persönlichen Beichte ermöglicht werden. „Todsündenkataloge“ früherer Jahrhunderte bedürfen heute aufgrund der Erkenntnis über komplizierte Zusammenhänge menschlichen Handelns und über Faktoren, die die Freiheit des Menschen einschränken, einer kritischen Überprüfung
Im Katechismus wird die Kombination von Gottesdienst und individueller Beichte empfohlen.
Zitat von Katechismus1482 Das Bußsakrament kann auch in einer gemeinschaftlichen Feier stattfinden, in der man sich gemeinsam auf das Bekenntnis vorbereitet und zusammen für die erhaltene Vergebung dankt. Hier werden das persönliche Sündenbekenntnis und die individuelle Absolution eingegliedert in einen Wortgottesdienst mit Lesungen und Homilie, gemeinsamer Gewissenserforschung, gemeinsamer Bitte um Vergebung, gemeinsamem Beten des Vaterunsers und gemeinsamer Danksagung. Eine solche gemeinschaftliche Feier bringt den kirchlichen Charakter der Buße klarer zum Ausdruck. Wie immer es gefeiert werden mag, das Bußsakrament bleibt stets seiner Natur nach eine liturgische und somit kirchliche und öffentliche Handlung [Vgl. SC 26-27].
Zitat von grenzenlosnaivFür mich gehört es eben zum Kern eines liberalen Staates, dass er seine Bürger vor anderen Bürgern schützt, aber nicht vor sich selbst. Insbesondere die, die zu jung oder irgendwie beeinträchtigt sind und es (noch) nicht selbst können.
Für die Erziehung der Kinder waren früher mal die Eltern zuständig. Aus liberaler Sicht ist das die erstrebenswertere Variante.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
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