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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 14 Antworten
und wurde 2.000 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.09.2012 20:04
Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Zitate aus einem lesenswerten Gespräch mit zwei Elder Statesmen.

Die Lehre aus dem Weg in die jetzige Krise sollte eigentlich sein: Wirtschaftliche und fiskalische Vernunft läßt sich nicht gegen mächtige politische Interessen durchsetzen.

Sollte eigentlich. Denn es sieht so aus, als sei man im Begriff, erneut denselben Fehler zu machen (siehe "Wie Goethes Zauberlehrling". Thilo Sarrazin erklärt die Euro-Krise; ZR vom 17. 7. 2012)

Fritz ( gelöscht )
Beiträge:

10.09.2012 01:06
#2 RE: Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Verehrter Zettel,
ein kritisches Wort von Schmidt zum ESM? Fehlanzeige!
Eine nachdenkliche Äußerung zum EZB-Dammbruch der letzten Woche? Dito!
Stattdessen Euro-Propaganda in Endsieg-Manier.

2025, sollte er dann noch leben, wird er uns sicher mitteilen, daß ESM und Ankauf von Staatsanleihen 2012 ein Riesenfehler waren.
Streng nach der Devise: Ich gebe meine Bilderberg-Positionen erst auf, wenn die Unsinnigkeit so evident ist, daß sich weiteres Leugnen nicht mehr lohnt.
Diesen "Weltökonomen" nehme ich schon lange nicht mehr ernst.

Wir, das Volk, ohne Vermögen und Zweitwohnsitz in Florida, sollten endlich erkennen, daß unsere politisiche "Elite" uns schon seit langem verrät.

Gruß
Fritz

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.09.2012 01:16
#3 RE: Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Zitat von Fritz im Beitrag #
Diesen "Weltökonomen" nehme ich schon lange nicht mehr ernst.

Er war der nach Adenauer bedeutendste deutsche Bundeskanzler. Auch mit 93 Jahren hat er ein klares Urteil und äußert er sich so präzise, wie man es manchem Dreißigjährigen wünschen würde.

Natürlich muß man ihm in der Sache nicht zustimmen. Aber man sollte ihm den Respekt zollen, den dieser große Staatsmann verdient.

Fritz ( gelöscht )
Beiträge:

10.09.2012 01:40
#4 RE: Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #
Er war der nach Adenauer bedeutendste deutsche Bundeskanzler. Auch mit 93 Jahren hat er ein klares Urteil und äußert er sich so präzise, wie man es manchem Dreißigjährigen wünschen würde.


So habe ich auch ein mal gedacht.

Aber bitte vergessen Sie nicht, daß es in der Zunft der Ökonomen, aber auch bei der Bundesbank (Pöhl), erhebliche - und im Nachhinein richtige - Einwände gegen den Euro gab. Und wo blieb Schmidt? Haben wir irgendwas vom "Weltökonomen" gehört?

Ich, aus einer tiefschwarzen Zentrums-Schicht abstammend, war nie ein Freund von Willy Brandt. Heute, obwohl mir seine Politik immer fremd bliebt, halte ich ihn trotzdem nicht für einen Vaterlandsverräter, zolle ich ihm mehr Respekt als Schmidt, bei allen Vorbehalten.
Adenauer bleibt für mich der Größte, trotz vielerlei Einwänden, die man berechtigterweise gegen ihn vorbringen kann. Aber auch einem Ludwig Ehrhard gilt mein großer Respekt. Das war ein wirklicher Ökonom! Der "Dicke" hätte mit Händen und Füßen gegen den Euro gekämpft.
Aber, mein lieber Ludwig Erhard, ich verehre Sie aufrichtig, Sie müßten sich heute für Schwulen- und Zigeunerrechte einsetzen, statt für Marktwirtschaft und ökonomische Vernunft, und deshalb hätte jetzt in der linksverseuchten deutschen Medienlandschaft ein Ludwig Erhard keinerlei Chance mehr.
Schwulonomie statt Ökonomie, das ist Deutschland im Jahre 2012.

Jetzt, wo selbst Spanien, Italien und Frankreich wackleln, fällt Schmidt intelligenterweise schon der Sündenfall Griechenlands auf.
Der Euro ist - ob mit oder ohne Griechenland - einfach eine Mißgeburt, und das mag "Weltökonom" Schmidt bis heute nicht zugeben.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.09.2012 12:26
#5 RE: Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #
Er war der nach Adenauer bedeutendste deutsche Bundeskanzler.

Das sehe ich völlig anders. Die Nummer Zwei war - trotz diverser Kritikpunkte - Helmut Kohl. Und dann vielleicht Willy Brandt, weil Ludwig Erhard in seiner Zeit als Kanzler nicht viel bewirken konnte.

Schmidt dagegen hat nur zwei wirkliche Verdienste: Seine harte Haltung nach innen gegenüber dem Terrorismus, und seine außenpolitische Standfestigkeit bei der Nachrüstung.
Ansonsten war seine Bilanz eher schlecht, insbesondere bei Wirtschaft und Finanzen hat er Deutschland mit seinem typisch linken Vulgär-Keynesianismus in die Sackgasse geführt. Ohne die Wende 1983 wäre unser Land ziemlich abgestiegen.

Zitat
Auch mit 93 Jahren hat er ein klares Urteil ...


Klar schon, aber nicht beeindruckend. Das Wetter von gestern können auch schlechte Meteorologen bewundernswert präzise beschreiben.
Schmidts Urteile kommen je nach Thema 10-20 Jahre zu spät, wenn die Sachlage ohnehin schon eindeutig geklärt ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.09.2012 15:51
#6 Wer ist ein großer Staatsmann? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #
Zitat von Zettel im Beitrag #
Er war der nach Adenauer bedeutendste deutsche Bundeskanzler.

Das sehe ich völlig anders. Die Nummer Zwei war - trotz diverser Kritikpunkte - Helmut Kohl. Und dann vielleicht Willy Brandt, weil Ludwig Erhard in seiner Zeit als Kanzler nicht viel bewirken konnte.

Schmidt dagegen hat nur zwei wirkliche Verdienste: Seine harte Haltung nach innen gegenüber dem Terrorismus, und seine außenpolitische Standfestigkeit bei der Nachrüstung.


Wie bestimmt man Größe, lieber R.A.? Objektive Maßstäbe gibt es nicht. Aus meiner Sicht ist ein großer Staatsmann, wer die Herausforderungen und Möglichkeiten seiner Zeit erkennt und auf sie so reagiert, daß er damit den Interessen seines Landes dient. Dazu gehört analytische Klarheit, dazu gehört Mut und ein moralischer Kompaß.



Bismarck beispielsweise war in seiner Jugend ein eingefleischter Preuße gewesen; alles andere als ein Alldeutscher. Er hat die Notwendigkeit der deutschen Einigung erkannt und sie konsequent betrieben. Er hat die Gefahren für den Frieden in Europa gesehen und versucht, ihnen durch ein System von Bündnissen zu begegnen. Anders als dann Wilhelm wollte er Deutschland nicht zur Kolonialmacht machen, weil ihm klar war, daß das zur Konfrontation mit England führen mußte. Sein Handeln war immer rational, basierend auf klaren Analysen.

Churchill hat schon in den zwanziger Jahren erkannt, daß das Diktat von Versailles für Deutschland auf Dauer unannehmbar war und irgendwann eine Reaktion auslösen würde. Deshalb wollte er England aufrüsten. Er hat schon vor 1945 die Gefahr eines kommunistischen Vordringens nach Europa erkannt und wollte deshalb die Invasion von Süden her, die die britischen und amerikanischen Truppen nach Prag und hinter die Oder gebracht hätte.

Auch für ihn gilt: Klare Analysen, darauf fußend ein konsequentes Handeln.



Adenauers Leitlinien waren Freiheit und (klein)europäische Einigung. Er widerstand allen Versuchungen, sich mit den Sowjets um den Preis einer Neutralisierung Deutschlands zu verständigen. Er ließ Erhard freie Hand bei der Durchsetzung der Marktwirtschaft. Er beherrschte brillante die Balance zwischen Washington und Paris.

Bei Helmut Kohl sehe ich eigentlich keine ausgeprägten Verdienste; sieht man davon ab, daß er 1989 den Mantel der Geschichte ergriff.

Zu Helmut Schmidt haben Sie, lieber R.A., schon genannt: Kompromißloser Kampf gegen den Terrorismus; Durchsetzung des Nachrüstungesbeschlusses.

Als sein Hauptverdienst sehe ich es aber an, daß er Deutschland vor einem Abgleiten nach links bewahrt hat, das in den siebziger Jahren durchaus möglich gewesen wäre. Er regierte im Grunde gegen seine Partei.

Beim Kampf gegen den Terrorismus ging es um das Staatsverständnis. Bei der Nachrüstung ging es darum, ob Deutschland sich in Abhängigkeit von der UdSSR begibt.

Was die keynesianische Wirtschaftspolitik angeht: Sie war ja damals noch erfolgreich. Schiller gelang mit diesem Instrumentarium der Weg aus der Rezession.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.09.2012 17:04
#7 RE: Wer ist ein großer Staatsmann? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #
Aus meiner Sicht ist ein großer Staatsmann, wer die Herausforderungen und Möglichkeiten seiner Zeit erkennt und auf sie so reagiert, daß er damit den Interessen seines Landes dient. Dazu gehört analytische Klarheit, dazu gehört Mut und ein moralischer Kompaß.

Da sind wir uns doch schon mal einig.

Zitat
Bei Helmut Kohl sehe ich eigentlich keine ausgeprägten Verdienste; sieht man davon ab, daß er 1989 den Mantel der Geschichte ergriff.


Dieses Ergreifen ist schon mal ein großes Verdienst. Denn das hat er nicht nur entschlossen (Mut und moralischer Kompaß) gemacht, der hat es gegen Widerstände durchgezogen und mit hohem Geschick international verhandelt.
Und er konnte das, weil er sich bis dahin eine stabile Basis geschaffen hatte: Er hatte das Land marode übernommen, aber in weiten Bereichen reformiert und saniert - Deutschland war handlungsfähig.
Und nach der eigentlichen Einheit und der ersten Phase der DDR-Sanierung kam 1984 die zweite Reformphase Kohls, die war auch nicht schlecht - nicht umsonst hat rot/grün erst einmal alle möglichen Maßnahmen zurückgedreht (um sie später wieder einführen zu müssen).

Zitat
Als sein Hauptverdienst sehe ich es aber an, daß er Deutschland vor einem Abgleiten nach links bewahrt hat, das in den siebziger Jahren durchaus möglich gewesen wäre.


Das betrifft ja nun genau die beiden genannten Beispiele: Härte gegen innere und äußere Feinde. Ansonsten aber hat er den "Marsch durch die Institutionen" und den gesellschaftlichen Linksruck nicht verhindert. Wohl auch nicht verhindern können - also keine Schuldzuweisung, aber auch kein Verdienst.

Zitat
Was die keynesianische Wirtschaftspolitik angeht: Sie war ja damals noch erfolgreich. Schiller gelang mit diesem Instrumentarium der Weg aus der Rezession.


Schiller war bei Schmidts Amtsantritt schon Geschichte. Und unter Schmidt ging es wirtschaftlich rapide den Bach runter: Bei Amtsantritt lag die Arbeitslosigkeit bei 2,6%, am Ende seiner Kanzlerschaft bei 9,1%. Die Staatsverschuldung hat er in dieser Zeit vervierfacht, die Wirtschaftsentwicklung stagnierte.
Natürlich ist das nicht allein Schmidts Schuld, es gab diverse Faktoren. Aber in der Gesamtsicht war seine Amtszeit keine Erfolgsgeschichte.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

10.09.2012 17:06
#8 RE: Wer ist ein großer Staatsmann? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #

Bismarck beispielsweise war in seiner Jugend ein eingefleischter Preuße gewesen; alles andere als ein Alldeutscher. Er hat die Notwendigkeit der deutschen Einigung erkannt und sie konsequent betrieben. Er hat die Gefahren für den Frieden in Europa gesehen und versucht, ihnen durch ein System von Bündnissen zu begegnen. Anders als dann Wilhelm wollte er Deutschland nicht zur Kolonialmacht machen, weil ihm klar war, daß das zur Konfrontation mit England führen mußte. Sein Handeln war immer rational, basierend auf klaren Analysen.


Außenpolitisch betrachtet trifft das sicher zu aber innenpolitisch verhielt sich Bismarck wenig rational. Er hat dem politischen Gegner eine Stärke gegeben, welche dieser aus eigener Kraft wohl nie erreicht hätte und die Bismarck nicht mehr begrenzen konnte.
Das Handeln welches ihn zur Einführung der Sozialgesetze brachte, halte ich für weniger rational.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Am_Rande Offline




Beiträge: 196

10.09.2012 17:13
#9 RE: Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Sehr verehrter Zettel, sehr verehrte Mitdiskutanten,

zum Glück gibt es ja das Internet, und (noch) gibt es kein „Ministerium für Wahrheit“, das die Vergangenheit den Erfordernissen der Tagespolitik anpasst.
Daher ist es - meiner Meinung nach - sehr interessant, zu vergleichen, was Herr Schmidt im Jahre 2012 (nach der Euroeinführung) sagt und was er 1997 (vor der Euroeinführung) gesagt hat. Ich beziehe mich auf einen Schmidtschen Artikel aus „Der Zeit“ Nr. 25/97 vom 13.06.1997.
Es ist sehr unterhaltsam, zu lesen, wie Herr Schmidt heute der Politik von damals Naivität vorwirft:
2012:

Zitat
[…]
Spiegel: Waren die Gründungsmitglieder in Maastricht zu naiv?
Schmidt: Verwöhnt durch das relativ gute Funktionieren des vorangegangenen Europäischen Währungssystems, meinten die Regierungen, so ähnlich würde das auch mit dem Euro klappen, alles würde sich schon einrenken. Sie haben übersehen, dass es dazu ökonomischer Verabredungen, einer wirtschafts- und finanzpolitischen Koordinierung bedarf.
Spiegel: Es gab durchaus strenge Auflagen. Es wurden Grenzen in der Haushaltspolitik und bei der Staatsverschuldung gezogen.
Schmidt: Die Deutschen haben nicht richtig hingeschaut. […]


Und zu lesen, wie er dasselbe schon 1997 getan hat, allerdings unter anderem Vorzeichen:
1997:

Zitat
[…]
In der Tat: Schon bisher hat Deutschland durch sein Insistieren auf der "strikten Einhaltung" der fünf Maastrichter Konvergenz-Kriterien (also der Maßstäbe, an denen der ökonomische Gleichlauf der Teilnehmerstaaten gemessen werden soll) und durch seinen "Währungs-Rassismus" (Michel Rocard) gegenüber Südeuropa und besonders gegenüber Italien sich so unbeliebt gemacht wie niemals zuvor in den letzten fünfzig Jahren. […] Gottlob ist der Maastrichter Vertrag um einiges klüger als die Herren Stoiber ("eisenhart an den Stabilitätskriterien festhalten") oder Schäuble ("strenge Wahrung der vereinbarten Kriterien") noch in den allerletzten Tagen. Denn über den Maastrichter Kriterien steht der Artikel 104 c des EU-Vertrages: "Wenn ein Staat keines oder nur eines dieser Kriterien erfüllt, so . . . wird berücksichtigt, ob das Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage." Entscheidend bleibt also die qualifizierte Mehrheit des Europäischen Rates. Im Klartext: Der politische Wille der Regierungschefs entscheidet. […] Dagegen wird der Binnenwert des Euro auf dem gemeinsamen Markt und damit auch in Deutschland ähnlich stabil sein wie bisher die D-Mark, denn die Europäische Zentralbank ist genauso unabhängig von politischen Weisungen wie bisher die Bundesbank. […] "Warum sind dann aber die Herren der Bundesbank gegen den Euro?" Antwort: Weil es sie schmerzt, zur untergeordneten Filiale herabgestuft zu werden, und weil sie ihre in der Welt ziemlich einmalige Ideologie für alleinseligmachend halten. […]


Man sieht, - so denke ich – auch Herr Schmidt ist nur ein Politiker:

Zitat
Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?


Und wer ihn für einen "Weltökonomen" hält, darf das gerne glauben – dies ist ja (noch) ein freies Land.

Edit: Link eingefügt

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.09.2012 17:30
#10 RE: Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Zitat von Am_Rande im Beitrag #

Und zu lesen, wie er dasselbe schon 1997 getan hat, allerdings unter anderem Vorzeichen:
1997:

Zitat
[…]
In der Tat: Schon bisher hat Deutschland durch sein Insistieren auf der "strikten Einhaltung" der fünf Maastrichter Konvergenz-Kriterien (also der Maßstäbe, an denen der ökonomische Gleichlauf der Teilnehmerstaaten gemessen werden soll) und durch seinen "Währungs-Rassismus" (Michel Rocard) gegenüber Südeuropa und besonders gegenüber Italien sich so unbeliebt gemacht wie niemals zuvor in den letzten fünfzig Jahren. […] Gottlob ist der Maastrichter Vertrag um einiges klüger als die Herren Stoiber ("eisenhart an den Stabilitätskriterien festhalten") oder Schäuble ("strenge Wahrung der vereinbarten Kriterien") noch in den allerletzten Tagen. Denn über den Maastrichter Kriterien steht der Artikel 104 c des EU-Vertrages: "Wenn ein Staat keines oder nur eines dieser Kriterien erfüllt, so . . . wird berücksichtigt, ob das Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage." Entscheidend bleibt also die qualifizierte Mehrheit des Europäischen Rates. Im Klartext: Der politische Wille der Regierungschefs entscheidet. […] Dagegen wird der Binnenwert des Euro auf dem gemeinsamen Markt und damit auch in Deutschland ähnlich stabil sein wie bisher die D-Mark, denn die Europäische Zentralbank ist genauso unabhängig von politischen Weisungen wie bisher die Bundesbank. […] "Warum sind dann aber die Herren der Bundesbank gegen den Euro?" Antwort: Weil es sie schmerzt, zur untergeordneten Filiale herabgestuft zu werden, und weil sie ihre in der Welt ziemlich einmalige Ideologie für alleinseligmachend halten. […]


Könnten Sie, lieber Am Rande, bitte die Quelle für dieses Zitat verlinken?

notquite Offline



Beiträge: 506

10.09.2012 20:54
#11 RE: Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Was genau ist denn an diesen Aussagen bitte bemerkenswert? Ich lese gerade im Sarrazin und dort steht über Schmidt sinngemäß unter anderem, es sei seine Tragik, dass er auch für den größten Unsinn noch eine hervorragende, auf den ersten Blick zustimmungsfähige Formulierung finden könne. Mit knapp 20 Jahren nimmt Schmidt nun auch wenigstens zum Teil eine Position ein, für die er den "Stammtisch" und die schon damals kritischen liberalen bis konservativen Politiker verhöhnt und über die er - siehe oben - vor 15 Jahren zum gleichen Thema noch ungehemmt gehetzt hat, so what? Für seine immer gleichen Folgerungen, dass nämlich Deutschland gefälligst zu zahlen habe, sonst Autobahn, hat diese Bemerkung ja auch keinerlei Konsequenzen.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

11.09.2012 13:10
#12 RE: Wer ist ein großer Staatsmann? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #
Bismarck [...] hat die Gefahren für den Frieden in Europa gesehen und versucht, ihnen durch ein System von Bündnissen zu begegnen.
Bismarck war der Frieden in Europa unwichtig. Mittel seiner Politik waren die von ihm mit herbeigeführten drei Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich. Was als deutsche Einigung betrachtet wird, war in Wahrheit die erfolgreiche Erlangung der Hegemonie Preußens in Mitteleuropa; nicht nur gegen Österreich, sondern auch gegen die übrigen deutschen Staaten, z.B. in der Gasteiner Konvention. Den Kolonialismus setzte er ein, als er meinte, ihn als Quelle für Zwietracht in Europa brauchen zu können.
Auch innenpolitisch ist Bismarcks Wirken bis in die Gegenwart verheerend. Die unsägliche Argumentation in der Verfassungskrise führte zu einem Demokratiedefizit in Deutschland, das 1918 den Frieden behinderte. Die Einführung der neuen Parafiski für die Sozial"versicherung" ist ebenfalls ein Unglück für das Deutschland unserer Tage, vielleicht sogar das größte von allen.

Bismarck hatte Zeitgenossen, die Deutschland und Europa mehr gebracht hätten. Am besten kann man das an der Hilflosigkeit Bismarcks gegenüber dem viel machtloseren Abgeordneten Eugen Richter erkennen.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

11.09.2012 13:24
#13 RE: Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Zitat von Am_Rande im Beitrag #
Es ist sehr unterhaltsam, zu lesen, wie Herr Schmidt heute der Politik von damals Naivität vorwirft:
2012:

Zitat
[…]
Spiegel: Waren die Gründungsmitglieder in Maastricht zu naiv?
Schmidt: Verwöhnt durch das relativ gute Funktionieren des vorangegangenen Europäischen Währungssystems, meinten die Regierungen, so ähnlich würde das auch mit dem Euro klappen, alles würde sich schon einrenken.[…]

Von welchem "relativ guten Funktionieren" spricht er da? Kurz vor dem Maastricht-Vertrag ging es im EWR wegen der Währungsunion in Deutschland und den Defiziten in den anderen EWR-Ländern richtig rund. Es ist das Lehrbuchbeispiel dafür, daß Abwertungserwartungen sich auf die Zinsstruktur durchschlagen können, die in Deutschland damals sogar invers wurde (kurzfristige Zinsen > langfristige Zinsen).

Auch mein Eindruck ist, daß Schmidts Medienerfolg der Vergeßlichkeit und dem übertriebenen Respekt seiner Gesprächspartner geschuldet ist. Was ist damit, daß Schmidt, Giscard d’Estaing und Carter Khomeinis Aufstieg unterstützt haben, bis es zu spät war? Kein Wort!

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

13.09.2012 15:20
#14 RE: Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Schmidt demontiert sich auch sonst gerade fleißig:
"Altkanzler Schmidt verteidigt Tian’anmen-Massaker"
http://www.welt.de/politik/deutschland/a...n-Massaker.html

Man kann nur hoffen, daß es sich um Senilität handelt und nicht um das zynische Signal eines elder statesman an Russen, Chinesen und die noch verbliebenen kleinkalibrigeren Schlagetotregime: "Egal was ihr macht, bei Deutschland habt ihr Rückendeckung - zumindest nach einer kleinen Bedenkzeit".

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

13.09.2012 15:51
#15 RE: Zitat des Tages: Schmidt und Giscard Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #14
"Altkanzler Schmidt verteidigt Tian’anmen-Massaker"

Schlimm.
In einigen Punkten mag das ja richtig sein - vielleicht z. B. lag die Opferzahl tatsächlich niedriger als oft kolportiert.
Aber es war ja deutlich nicht so, daß sich da überforderte Soldaten gegen randalierende Demonstranten wehren mußten. Sondern da ist die Armee mit Panzern über die Leute gefahren.
Und dann als Ausrede bringen, die chinesische Führung hätte ja das Gesicht verloren - geht wirklich nicht.

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