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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 13 Antworten
und wurde 1.476 mal aufgerufen
 Sprache und Literatur
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.07.2007 04:04
Gedanken beim Wiederlesen von Karl May Antworten

... mache ich mir hier.

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

21.07.2007 12:50
#2 Von Bagdad nach Stambul Antworten

Hallo Zettel

Danke, du hast mir den Tag versaut, der Hinweis das dieses Buch lesenswert ist, würde noch nicht reichen mit dem lesen (online) anzufangen, ein Buch lese ich (fast) nur in Buchform, aber ich Unglücklicher habe einmal in meiner Jugend Karl Mays Gesamtwerk bekommen, nichts leichter als ein Buch aus dem Regal zu holen...

Gruß Feynman

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.07.2007 23:52
#3 RE: Von Bagdad nach Stambul Antworten

Lieber Feynman,

viel Vergnügen!

Für ein Verständnis der Schia empfehle ich vor allem das Kapitel "Die Todeskarawane", das fast auch in der Gegenwart spielen könnte. Und das auch künstlerisch nicht ohne ist, mit entsetzlichen Szenen des Leides, des Todeskultes, des Gemetzels. (Allerdings müßtest du die doch eventuell im Internet bei Gutenberg oder der Karl-May-Gesellschaft lesen, denn ich vermute, daß die Bamberger Ausgabe da stark gekürzt und zensiert ist; habe es aber jetzt nicht nachgeprüft).

Beklemmend auch die Szene im Kapitel "In Damaskus", wo Karl May in einer Ruine von Baalbeck in völliger Dunkelheit sich befreit, gegen seinen Feind kämpft, schließlich fliehen kann. Die beiden sind Meter, manchmal Zentimeter voneinander entfernt, aber wissen nicht, wo der andere ist. May kriecht durch modrige Gänge, von denen er nicht sehen kann, ob man plötzlich in die Tiefe stürzt,

Wodurch er sich rettet ..., nein, das verrate ich nicht.

Da dürften Erinnerungen von May an seine Kindheit mitspielen, als er blind war.

Herzlich, Zettel

Libero Offline



Beiträge: 393

24.07.2007 20:49
#4 RE: Von Bagdad nach Stambul Antworten

Lieber Herr Zettel,

sowohl Atmosphäre wie die Namen der Stämme sind nicht erfunden. Der Schweizer Ingenieur John H. Mueller lebte in den Dreissiger Jahren als englischer Agent im Irak. Offiziell war er Bahningenieur. Sein Erinnerungsbuch "Verrat in Schwarzen Zelten" beschreibt Wüstenritte und die Empfindungen dabei, die Fährtensucherqualitäten der Beduinen und die Geschichten, die dabei lautstark erzählt wurden. Natürlich Heldensagen, die wirklich passierten. Viehraub, Verrat, Niedermetzelung eines ganzen Stammes. Einer entkam, der Verräter mit seinen Getreuen. Ein Nachfahr von ihm fiel 60 Jahre später dem Bluträcher in die Hände. Mitten in einem Palast der saudischen Könige. Davon schreibt Mueller aber nichts, ich habe nur den Werdegang des Verräters, er brach das Versprechen des sicheren Geleits, recherchiert. Ebenfalls lesenswert Sir Wilfred Thesiger Abenteuer in Arabien. Und natürlich die dänische Expedition nach Felix Arabia, von dem Überlebenden Carsten Niebuhr selbst erzählt. Manchmal komisch, manchmal tragisch, wenn er von dem Tod seiner Gefährten erzählt. Karl May konnte aus vielen deutschen Reiseerzählungen der Orientreisen schöpfen. In einigen Bücher nennt er sie auch im Erzählfluß, zum Beispiel Eduard Vogel oder Heinrich Barth.

Herzlichst
Libero

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.07.2007 03:49
#5 RE: Von Bagdad nach Stambul Antworten

Lieber Libero,

Danke für diese interessanten Informationen!

Ich würde gern einmal Näheres zur Arbeitsweise von Karl May lesen. Er muß ja für jedes der guten Werke (zB den Orient-Zyklus) ausgiebig recherchiert haben. Hat er dann, wie Arno Schmidt, Zettelkästen angelegt? Wie ist er zu allen diesen fremdsprachigen Einsprengseln gelangt, die - soweit ich das beurteilen kann - allesamt sprachlich richtig sind?

Übrigens fällt mir jetzt beim Wiederlesen etwas auf, was ich damals als Acht- bis Zwölfjähriger natürlich nicht bemerken konnte: Wie sehr in diesem Orient-Zyklus auch das Geschehen auf die Verhältnisse im jeweiligen Teil des Osmanischen Reichs abgestimmt ist.

In Kairo also die Verhältnisse einer morbiden städtischen Kultur - Reichtum, Arroganz, Heuchelei.

Nähert man sich dem Roten Meer, dann überwiegt über Kapitel hinweg Seemännisches.

Die Kapitel über den Irak, die Schia usw.

Dann ist man in Stambul (übrigens ohne Anatolien zu durchqueren, dorthin geht es per Schiff) mit seinem Völkergemisch, seinen mafiösen Strukturen usw.

Auf dem Balkan herrschen wieder ganz andere Verhältnisse. Aber soweit bin ich noch nicht.

Als Kind und Jugendlicher sah man nur das Fremde und das Abenteuer. Erst jetzt entdecke ich, wieviel Mühe sich May gemacht hat, auf einer bestimmten Ebene realistisch zu schreiben; so kolportagehaft auch die Handlung ist.

Herzlich, Zettel

Libero Offline



Beiträge: 393

25.07.2007 19:14
#6 RE: Von Bagdad nach Stambul Antworten

Lieber Herr Zettel

Auch mir ist es als Kind nicht aufgefallen, woher auch, ich kannte ja die Bücher von Karl May. Auf ihn geht mein Interesse am Orient zurück. Das Lesen von Reiseerzählungen wurde mein Hobby. Wie er arbeitet, kann ich leider nicht sagen. Ich weiß nur, wie die deutschen Forschungsreisenden arbeiteten. Sie refinanzierten sich durch Bücher und Vortragsreisen. Aus den sehr lebendigen Schilderungen hat er vieles adaptiert. Öfters denkt man, aha, das hat er von dem. Näheres findet man in den Jahrbücher der Karl May Gesellschaft.

Man macht sich keine Vorstellungen, wie ungeheuer populär die damaligen Forschungsreisenden waren. Das Interesse am Orient war sehr ausgeprägt. Es war keineswegs ungefährlich, den Orient zu bereisen. Der tollkühne Heinrich von Maltzan wagte auch die Hadsch nach Mekka. Das bereitet er ähnlich wie Emin Pascha, der im Sudan wirkte, sehr gründlich vor. Übrigens gab es auch kühne Frauen, die alleine reisend bis zu Assassinen vordrangen. Die kühnste, Freya Stark, wirkte aber erst nach Karl May.

Seine im Westen der USA spielenden Romane sind weniger farbig. Es gab auch nicht soviele Forschungsreisende, die Interesse an den Indianer hatten. Anders sieht es mit seinen südamerikanischen Romane aus. Süd- und Mittelamerika wurde von vielen besucht, die ihre Reisebeschreibungen veröffentlichten.

Libero

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.07.2007 23:14
#7 RE: Von Bagdad nach Stambul Antworten

Lieber Libero,

ich freue mich, daß Sie das ähnlich sehen wie ich - der Orient-Zyklus ist realistischer und auch besser geschrieben als die Old-Shatterhand-Romane. Auch nicht so klamaukhaft; die skurrilen Gestalten à la "Die vekehrten Toasts", Sam Hawkins, Sans-Ear, Old Wabble, Old Death, Tante Droll usw. machen ja den Wilden Westen manchmal zu einem Kuriositätenkabinett.

Besonders freue ich mich, daß auch Sie die Südamerika-Romane schätzen. "Am Rio de la Plata" und "In den Cordilleren" halte ich für die überhaupt besten Reiseerzählungen von May.

Was die literarischen Vorbilder angeht, spielte natürlich Cooper eine Rolle, dann der Expeditionsbericht von Lewis und Clark und die Werke von Charles Sealsfield. Aber Sie dürften Recht haben - zeitgenössische Expeditionsberichte standen May aus dem Wilden Westen längst nicht in dem Maß zur Verfügung wie aus dem Orient.

Herzlich, Zettel

Libero Offline



Beiträge: 393

26.07.2007 07:54
#8 RE: Von Bagdad nach Stambul Antworten

Lieber Herr Zettel

Besonders freue ich mich, daß auch Sie die Südamerika-Romane schätzen. "Am Rio de la Plata" und "In den Cordilleren" halte ich für die überhaupt besten Reiseerzählungen von May.
Das ist auch Nostalgie. Spanisch ist meine mir entschwundende Muttersprache. Es gibt auch einige Episoden in anderen seiner Bücher, die im Land meiner Geburt spielen. Mein Lieblingsfilm mit Burt Lancaster und Gary Cooper heißt auf Deutsch das wahre Kreuz. In der Hafenmühle dieser Stadt verlebte ich die Kinderjahre.

Libero

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.07.2007 12:26
#9 Vera Cruz Antworten

Lieber Libero,

ich weiß nicht, wie oft ich "Vera Cruz" schon gesehen habe; es ist auch einer meiner Lieblingsfilme. Er gehört ja zu der Gattung, die ich oben beschrieben habe: Eine gemischte Gruppe macht sich auf, ein Ziel zu erreichen und gerät dabei von Abenteuer in Abenteuer.

Oft gehört es zu diesem Genre, daß wie hier innerhalb der Gruppe der Abenteurer Spannungen herrschen.

So, wie in einem meiner anderen Lieblingsfilme, "Der Schatz der Sierra Madre". Oder - auch da ist ja das Grundthema dasselbe - in "Lohn der Angst".



Um noch mal auf Karl May zu kommen: Er hat ja auch die Mexikanische Revolution thematisiert und dabei - bemerkenswerterweise - eindeutig für Beníto Juárez Stellung genommen. Den Kaiser nannte er manchmal den "armen Max".

Wie Karl May ja überhaupt nach heutigen Maßstäben ausgesprochen "progressiv" war; nicht nur in dem Schinken "Und Friede auf Erden". Er trat für die Indianer ein, so wie das erst in den Edel-Western seit den Siebzigern wieder geschah. Er hat immer wieder gegen die Arroganz des Abendlandes angeschrieben.

Herzlich, Zettel

Libero Offline



Beiträge: 393

26.07.2007 14:17
#10 RE: Vera Cruz Antworten

Lieber Herr Zettel

leider hat er die Armenier negativ gesehen und das mehrfach. Erstaunlich ist sein Bild des Türken, zum Beispiel den des Schmiedes in den Schluchten des Balkans, ich glaube er hieß Schimin. Wahrscheinlich hat er Moltkes türkische Reiseerinnerungen gelesen. Der hätte auch als Erzähler sein Geld verdienen können.

Die Beschreibung der Menschen und des Landes sind ein wohl einmaliges authentisches Zeugnis deutscher Sprache, das durch seine literarische und witzige Art besticht.
Helmuth Graf von Moltke Unter dem Halbmond. Erlebnisse in der alten Türkei 1835 - 1839.
http://www.amazon.de/Unter-Halbmond-Erle...i/dp/3865031978

Freut mich, das das andere auch so empfinden. Die Edition Erdmann ist übrigens eine vorzügliche Quelle für Reiseberichte.

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

14.08.2007 12:10
#11 RE: Von Bagdad nach Stambul Antworten

In Antwort auf:
Allerdings müßtest du die doch eventuell im Internet bei Gutenberg oder der Karl-May-Gesellschaft lesen, denn ich vermute, daß die Bamberger Ausgabe da stark gekürzt und zensiert ist; habe es aber jetzt nicht nachgeprüft


Ich verfüge über eine billige Taschenbuchausgabe, die auf der historisch kritischen Ausgabe basiert: http://141.30.89.80/~thomas/maybuecher/r...ails.php?_id=10

Libero Offline



Beiträge: 393

15.08.2007 10:31
#12 RE: Gedanken beim Wiederlesen von Karl May Antworten

Lieber Herr Zettel

Opfer der gegenwärtigen Anschläge im Irak waren Jesiden, die man aus dem wilden Kurdistan kennt. Ist glaube ich Band II.

Herzlichst
Libero

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.09.2007 01:23
#13 Aktuelle Ergänzung Antworten

In der "New York Times" ist jetzt ein längerer Artikel erschienen, der die Leser mit Karl May und Winnetou vertraut macht.

Ich bin auf ihn aufmerksam geworden, weil er in der Liste der am häufigsten per e-mail verschickten Artikel der NYT im Augenblick auf Platz 9 steht!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.09.2007 11:16
#14 RE: Aktuelle Ergänzung Antworten

... und in diesem Zusammenhang möchte ich noch auf diesen Blog eines hier nicht ganz unbekannten Autors aufmerksam machen. Lesenswert auch für Freunde der Mathematik!

 Sprung  



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