Anläßlich dieser Folge der Serie habe ich noch einmal die beiden Artikel zu Westerwelles Nordafrika-Artikel nachgelesen, die ich Anfang des Jahres geschrieben hatte.
Man kann nur hoffen, daß Westerwelle nur seine persönliche Sicht und nicht die Linie des AA zu Papier gebracht hatte.
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
11.11.2012 11:39
#2 RE: Aufruhr in Arabien (33): Salafisten in Tunesien
Zitat von Zettel im Beitrag #1Anläßlich dieser Folge der Serie habe ich noch einmal die beiden Artikel zu Westerwelles Nordafrika-Artikel nachgelesen, die ich Anfang des Jahres geschrieben hatte.
Man kann nur hoffen, daß Westerwelle nur seine persönliche Sicht und nicht die Linie des AA zu Papier gebracht hatte.
Moin, moin, werter Zettel.
Die Schimäre des "arabischen Frühlings" mit Blitzdemokratisierung der islamischen Massen fand ich von Anfang an sehr lustig. Wishful thinking....
An der letztendlichen Machtergreifung der Islamisten bestand nicht nur für mich nie ein Zweifel. In deren Zusammenhang von "gemäßigt" zu sprechen, erinnert mich an das naive Ansinnen von Gabriel, man müsse in Afghanistan mit den "gemäßigten Taliban" reden.
"Gemäßigte Islamisten" sind eine Contradictio in adiecto. Es gibt Unterschiede in der Strategie zur Machtübernahme, aber nicht im Ziel: der Errichtung einer Sharia-konformen Gesellschaft...somit einer totalitären Gesellschaft, in der die von uns geteilten Menschenrechte nicht gelten.
Der vom Westen unterstützte "arabische Frühling" war nie in erster Linie Ausdruck eines breiten Wunsches nach Demokratisierung und Liberalisierung. Die Lebensbedingungen unter den ehemaligen, von den Militärs gestützen, Autokratien waren besser, als das, was die vom Westen in einen politischen "Frühling" phantasierten arabischen Gesellschaften zukünftig erleben werden. Dies gilt natürlich auch für Syrien.
Wenn ein deutscher Außenminister von "islamisch-demokratischen" Parteien schwafelt, kann man sich ungefähr vorstellen, auf welch irrationaler Basis deutsche Außenpolitik insgesamt betrieben wird.
Es mag nicht nett sein, aber jedesmal wenn ich von demokratisch-islamischen Kräften lese, denke ich an den Arbeitskreis kritischer Nationalsozialisten. Demokratie und Islam sind schlicht Gegensätze, im besten Fall ein Oxymoron, im schlechtesten Fall ein unfreiwilliger Witz.
Wer sich zum Islam bekennt, der bekennt sich dazu ein Gegner der Demokratie zu sein. Die Regierungsform des Islam ist die Theokratie. Und Theokratie ist nicht demokratisch, war nie demokratisch und wird nie demokratisch sein. Die Idee in einem Land mit islamischer Mehrheit eine Demokratie errichten zu wollen ist ähnlich sinnvoll wie darauf zu hoffen, dass sich ein kommunistisches Regime per Stimme die Macht entziehen lässt. Es ist schlicht absurd.
Es gibt historisch nicht ein einziges, man betone, nicht ein einziges Beispiel für eine islamische Gesellschaft die eine verfasste Demokratie hevorgebracht hat, die den Namen verdient. Aber immer wieder, wenn in einem islamischen Land die Machtverhältnisse kippen (was ja nicht so selten ist) kommt der eitle Westen und freut sich, dass jetzt bestimmt eine wahre Demokratie entsteht. Nee, wird nicht passieren. Gestern nicht, heute nicht, morgen nicht. Insofern ist da gar nichts offen, die einzige Frage ist eher wie schnell es gehen wird.
Llarian: Ich teile zwar Ihre pessimistische Einschätzung was die Entwicklung in der gegenwärtigen Situation anbelangt, aber mir ist nicht so recht klar, wie Sie zu Ihrem allgemeinen Urteil über Muslime kommen. Es gibt doch nun auch genug Christen, die Christen dem Namen nach sind, aber sich kaum tatsächlich nach Ihrer Religion richten. Warum sollte das gleiche nicht auch für den Islam möglich sein? In Israel wird meines Wissens heutzutage auch niemand für Ehebruch oder Abtritt vom Glauben gesteinigt, wie es das alte Testament eigentlich fordert. Warum sollte die gleiche Veränderung nicht auch für den Islam möglich sein?
Zitat von ratloser im Beitrag #2Die Schimäre des "arabischen Frühlings" mit Blitzdemokratisierung der islamischen Massen fand ich von Anfang an sehr lustig. Wishful thinking....
Ja, das war naiv.
Zitat von ratloser im Beitrag #2An der letztendlichen Machtergreifung der Islamisten bestand nicht nur für mich nie ein Zweifel.
Ja, da staune ich eben. Sie meinen, wie mir scheint, daß Sie in die Zukunft blicken können. Ich kann das leider nicht.
Konkret auf Tunesien bezogen: Wie stellen Sie sich diese Machtergreifung vor? Militär und Polizei sind weiterhin säkular. Die Ennahda besteht nicht aus Salafisten, sonst würde sie ja nicht von diesen bekämpft; allerdings gibt es dort Sympathisanten der Salafisten. Diese haben einen bewaffneten Arm, der aber für einen Aufstand viel zu schwach ist. Wie also, lieber ratloser, wird diese Machtergreifung, deren Sie so sicher zu sein scheinen, nach Ihrer Auffasung vonstatten gehen?
Zitat von ratloser im Beitrag #2In deren Zusammenhang von "gemäßigt" zu sprechen, erinnert mich an das naive Ansinnen von Gabriel, man müsse in Afghanistan mit den "gemäßigten Taliban" reden.
Alles in einen Topf zu werfen ist aber ebenfalls naiv. Erdogan ist kein Mursi, und Mursi ist kein Al-Zawahiri, der auf Video-Aufnahmen Köpfe abschneidet. Dazwischen liegen politische Welten.
Zitat von ratloser im Beitrag #2"Gemäßigte Islamisten" sind eine Contradictio in adiecto. Es gibt Unterschiede in der Strategie zur Machtübernahme, aber nicht im Ziel: der Errichtung einer Sharia-konformen Gesellschaft...somit einer totalitären Gesellschaft, in der die von uns geteilten Menschenrechte nicht gelten.
Ihre contradictio in adiecto ist eine petitio principii.
Es wird schwer sein, uns zu verständigen, lieber ratloser.
Ich bin neugierig, versuche zu verstehen, sammle Informationen und gehe davon aus, daß wir wenig davon wissen, wie die Zukunft sein wird.
Sie scheinen die unerschütterliche Überzeugung zu haben, daß Sie durchblicken und daß Ihr Blick auf eine wunderbar einfache Welt fällt, in der zum Beispiel die Vielfalt des Islam, die Verschiedenheit der politischen Bewegungen, die derzeit in Arabien miteinander ringen, sich auflöst und durch einen Monolithen ersetzt wird.
Mir kommt das holzschnittartig vor angesichts der Komplexität der Realität, die ich zu verstehen suche. Zu Tunesien lese ich die französische und die französischsprachige tunesische Presse; ich informiere mich bei Stratfor, verfolge die Berichte in der Washington Post und der NYT. Was ich sehe, ist ein komplexes Bild.
Sie brauchen alle diese Informationen offenbar gar nicht, denn Sie wissen ja schon, was - um unseren Altkanzler zu zitieren - hinten herauskommt. Ich weiß das nicht.
Ihr Bild der politischen Strömungen in den islamischen Ländern, lieber ratloser, erinnert mich an das Amerikabild europäischer Linker, für die die GOP, die Tea Party, die Evangelikalen, die Neocons und der Ku Klux Klan dasselbe sind.
Zitat von Solus im Beitrag #4Llarian: Ich teile zwar Ihre pessimistische Einschätzung was die Entwicklung in der gegenwärtigen Situation anbelangt, aber mir ist nicht so recht klar, wie Sie zu Ihrem allgemeinen Urteil über Muslime kommen.
Es ist weit weniger ein Urteil über Muslime, liebe(r) Solus, es ist ein Urteil über den Islam. Der Muslim an sich ist ja der selbe Mensch wie der Christ oder Jude, nur ist sein Glauben ein diametral anderer. Entgegen der ewigen Beteuerungen der Islamverbände und Beschwichtiger sind Christentum und Islam gänzlich unterschiedliche Botschaften, sie gleichzusetzen ist ähnlich sinnig wie Adam Smith und Karl Marx gleichzusetzen, nur weil sich beide mit Wirtschaft beschäftigt haben.
Zitat Es gibt doch nun auch genug Christen, die Christen dem Namen nach sind, aber sich kaum tatsächlich nach Ihrer Religion richten. Warum sollte das gleiche nicht auch für den Islam möglich sein?
Weil die Idee (!) des Christentums keine Idee von "dieser Welt" ist. Christus stellt an mehr als einer Stelle klar, dass sein Königreich (wie immer man das verstehen will) nicht von dieser Welt ist. Für einen Christen besteht kein Widerspruch darin einen festen Glauben an ein zukünftiges Königreich Gottes zu haben und sich dennoch in einem demokratischen System zu organisieren. Sprich, die Säkularisierung widerspricht nicht der christlichen Idee. Der Islam nimmt hier aber eine völlig gegenteilige Rolle ein, der Islam ist absolut politisch mit einem glasklaren Anspruch auf politische Macht. Man betrachte die beiden zentralen Figuren des Islam und des Christentums und der Unterschied schreit einen an: Christus als Märtyrer, ohne Interesse an politischer Macht auf der einen Seite und Mohammed als Herscher, mit erklärtem Willen zu politischen Macht mit kriegerischen Mitteln.
Zitat Warum sollte die gleiche Veränderung nicht auch für den Islam möglich sein?
Daraus resultiert die Gegenfrage: Warum sollte es möglich sein ? Möglich ist erst einmal nahezu alles. Die Frage ist wie wahrscheinlich ist es ? Den Islam gibt es nun seit vielleicht 1400 Jahren und davon die meiste Zeit in weit mehr als einem Land dieser Welt. Wo ist diese Veränderung ? Man sollte meinen, man würde sie irgendwo sehen, aber nirgendwo ist dieser gemässigte Islam zu sehen. In den Ländern, die gerne als Kronzeugen angeführt werden (beispielsweise die Türkei) stellt man fest, dass es zu positiven Veränderungen dann und nur dann kam, wenn der Islam massiv bekämpft wurde (man lese mal die einschlägigen Aussagen von Attatürk über den Islam nach, dafür würde man in jeder deutschen politischen Auseinandersetzung gevierteilt). Aber in all den Ländern, wo der Islam eine Mehrheit einnimmt, sieht man sehr deutlich, wie demokratisch der Islam tatsächlich ist. Ich finde man sollte den Spiess einfach umdrehen: Statt immer davon auszugehen, irgendwann werde sich der Islam schon säkularisieren, sollte man guten Gewissens davon ausgehen, dass das nie passieren wird. Und dann kann jemand das Gegenbeispiel zeigen, wenn es denn existiert.
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
11.11.2012 22:26
#7 RE: Aufruhr in Arabien (33): Salafisten in Tunesien
Zitat von ratloser im Beitrag #2Die Schimäre des "arabischen Frühlings" mit Blitzdemokratisierung der islamischen Massen fand ich von Anfang an sehr lustig. Wishful thinking....
Ja, das war naiv.
Zitat von ratloser im Beitrag #2An der letztendlichen Machtergreifung der Islamisten bestand nicht nur für mich nie ein Zweifel.
Ja, da staune ich eben. Sie meinen, wie mir scheint, daß Sie in die Zukunft blicken können. Ich kann das leider nicht.
Ach nein? Aber Sie sind doch stolz wie Bolle auf Ihre Wahlvoraussage und erklärter Fan von Nate Silver! (sorry, der musste sein).
Voraussagen bezüglich historischer Entwicklungen werden natürlich um so unsicherer, je weiter die Projektion reicht. Die Deduktion von den herrschenden Bedingungen in den arabischen Ländern sowie der Natur des Islam auf die Folgen des "Frühlings" war jetzt allerdings leichter als Nate Silvers Wahlprognose! Falsch lagen nur die, die den Islam verkennen wollen...müssen...wie zum Beispiel unser größter aller Bundesaußenminister.
Zitat von Zettel im Beitrag #5Zitat:Konkret auf Tunesien bezogen: Wie stellen Sie sich diese Machtergreifung vor? Militär und Polizei sind weiterhin säkular. Die Ennahda besteht nicht aus Salafisten, sonst würde sie ja nicht von diesen bekämpft; allerdings gibt es dort Sympathisanten der Salafisten. Diese haben einen bewaffneten Arm, der aber für einen Aufstand viel zu schwach ist. Wie also, lieber ratloser, wird diese Machtergreifung, deren Sie so sicher zu sein scheinen, nach Ihrer Auffasung vonstatten gehen?
In Ägypten und Pakistan z.B. haben die islamistischen Gruppierungen in den letzten Jahren systematisch Nachwuchskader in die Führungsstäbe der Miltärs infiltriert. Das wird in Tunesien nicht anders sein. Sich auf die Säkularität/Staatstreue von Polizei und Militär zu verlassen, war schon immer ein gewagtes Spiel.
Zur Machtergreifung bedarf es keines Aufstands...das haben die Muslimbrüder längst verstanden und versuchen zu vermeiden, dass die zu strategischem Denken unfähigen Salafisten alles schwieriger machen, als notwendig. Sie glauben, die Ennahda strebt keine Sharia-konforme Gesellschaft an? Im Ernst? :-))
Zitat:
Zitat von ratloser im Beitrag #2In deren Zusammenhang von "gemäßigt" zu sprechen, erinnert mich an das naive Ansinnen von Gabriel, man müsse in Afghanistan mit den "gemäßigten Taliban" reden.
Alles in einen Topf zu werfen ist aber ebenfalls naiv. Erdogan ist kein Mursi, und Mursi ist kein Al-Zawahiri, der auf Video-Aufnahmen Köpfe abschneidet. Dazwischen liegen politische Welten.
Ja...politische Welten bezüglich der Machtergreifungsstrategie, nicht aber politische Welten bezüglich des angestrebten Ziels einer Sharia-konformen Gesellschaft..
Zitat
Zitat von ratloser im Beitrag #2"Gemäßigte Islamisten" sind eine Contradictio in adiecto. Es gibt Unterschiede in der Strategie zur Machtübernahme, aber nicht im Ziel: der Errichtung einer Sharia-konformen Gesellschaft...somit einer totalitären Gesellschaft, in der die von uns geteilten Menschenrechte nicht gelten.
Ihre contradictio in adiecto ist eine petitio principii.
nein, ist sie nicht! ;-)
Zitat Es wird schwer sein, uns zu verständigen, lieber ratloser.
Das betrübt mich, macht aber einen Austausch nicht von vornherein vergeblich.
Zitat Ich bin neugierig, versuche zu verstehen, sammle Informationen und gehe davon aus, daß wir wenig davon wissen, wie die Zukunft sein wird.
Das stimmt. Aber wir (könnten) wissen, wie die Religionsideologie Islam ist, welche soziokulturellen, individuell psychologischen und politischen Konsequenzen sie zeitigt...natürlich nur, wenn diese Erkenntnis nicht unser Weltbild zu zerkratzen droht.
Zitat Sie scheinen die unerschütterliche Überzeugung zu haben, daß Sie durchblicken und daß Ihr Blick auf eine wunderbar einfache Welt fällt, in der zum Beispiel die Vielfalt des Islam, die Verschiedenheit der politischen Bewegungen, die derzeit in Arabien miteinander ringen, sich auflöst und durch einen Monolithen ersetzt wird.
Lieber Zettel, meine Welt ist natürlich klein und reduktionistisch....der Islam dagegen ist groß und bunt und vielfältig, der Koran für Exegesen nach allen Seiten offen und demonstriert dies jeden Tag seit ca. 1500 Jahren.
En passant, wo beziehen Sie Ihre Erkenntnisse über den Islam eigentlich her? ;-)
Zitat Mir kommt das holzschnittartig vor angesichts der Komplexität der Realität, die ich zu verstehen suche. Zu Tunesien lese ich die französische und die französischsprachige tunesische Presse; ich informiere mich bei Stratfor, verfolge die Berichte in der Washington Post und der NYT. Was ich sehe, ist ein komplexes Bild.
Mein Islambild habe ich im Gegensatz zu Ihnen aus Readers Digest und dem Penthouse, lieber Zettel....das ist klar....ich hoffe aber, noch ein bißchen zusätzliches Material zum Schnitzen meiner kleinen Welt hinzuzubekommen....
Zitat Sie brauchen alle diese Informationen offenbar gar nicht, denn Sie wissen ja schon, was - um unseren Altkanzler zu zitieren - hinten herauskommt. Ich weiß das nicht.
Jetzt werden Sie offen arrogant, lieber Zettel. Denn über meinen Informationsstand, bzw. meine Informationsquellen wissen Sie nichts...aufgrund der Intensität Ihrer Unterstellungen nehme ich jedoch an, Sie hoffen, ich hätte keine! ;-)
Ih
Zitat r Bild der politischen Strömungen in den islamischen Ländern, lieber ratloser, erinnert mich an das Amerikabild europäischer Linker, für die die GOP, die Tea Party, die Evangelikalen, die Neocons und der Ku Klux Klan dasselbe sind.
Lieber Zettel...entscheidend ist auf dem Platz.
Ich messe den Islam an seinen dogmatischen theoretischen Grundlagen, der Selbsterklärung durch die islamisch religiösen Autoritäten, seiner Geschichte und an dem Sein der realen islamisch geprägten Gesellschaften.
Das reicht zu einer profunden und - wie Sie wissen - durchaus negativen Einschätzung meinerseits.
Aber ich ich schau mir im Gegensatz zu Ihnen ja auch nur Readers Digest an! ;-)
ebenfalls herzlich
ratloser
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
11.11.2012 22:32
#8 RE: Aufruhr in Arabien (33): Salafisten in Tunesien
Zitat von Solus im Beitrag #4Llarian: Ich teile zwar Ihre pessimistische Einschätzung was die Entwicklung in der gegenwärtigen Situation anbelangt, aber mir ist nicht so recht klar, wie Sie zu Ihrem allgemeinen Urteil über Muslime kommen. Es gibt doch nun auch genug Christen, die Christen dem Namen nach sind, aber sich kaum tatsächlich nach Ihrer Religion richten. Warum sollte das gleiche nicht auch für den Islam möglich sein? In Israel wird meines Wissens heutzutage auch niemand für Ehebruch oder Abtritt vom Glauben gesteinigt, wie es das alte Testament eigentlich fordert. Warum sollte die gleiche Veränderung nicht auch für den Islam möglich sein?
Ist einem klar, dass es - im Gegensatz zu anderen monotheistischen Religionen - eine Emanzipation nur vom, aber nicht im Islam geben kann, hat man das wichtigste über den Islam schon gelernt, lieber Solus.
Diese Einschätzung teilen übrigens auch alle islamischen Renegaten, die ich kenne. Also alle, die im Penthouse schreiben.
Lediglich der einem fiktiv romantisierten Islambild anhängige moralisch aufrichtige Gutmensch weiss von relevanter ideologischer Diversität, Toleranz und Entwicklungspotential des Islam zu berichten.
Zitat von Solus im Beitrag #4Llarian: Ich teile zwar Ihre pessimistische Einschätzung was die Entwicklung in der gegenwärtigen Situation anbelangt, aber mir ist nicht so recht klar, wie Sie zu Ihrem allgemeinen Urteil über Muslime kommen. Es gibt doch nun auch genug Christen, die Christen dem Namen nach sind, aber sich kaum tatsächlich nach Ihrer Religion richten. Warum sollte das gleiche nicht auch für den Islam möglich sein? In Israel wird meines Wissens heutzutage auch niemand für Ehebruch oder Abtritt vom Glauben gesteinigt, wie es das alte Testament eigentlich fordert. Warum sollte die gleiche Veränderung nicht auch für den Islam möglich sein?
Ist einem klar, dass es - im Gegensatz zu anderen monotheistischen Religionen - eine Emanzipation nur vom, aber nicht im Islam geben kann, hat man das wichtigste über den Islam schon gelernt, lieber Solus.
Diese Einschätzung teilen übrigens auch alle islamischen Renegaten, die ich kenne. Also alle, die im Penthouse schreiben.
Lediglich der einem fiktiv romantisierten Islambild anhängige moralisch aufrichtige Gutmensch weiss von relevanter ideologischer Diversität, Toleranz und Entwicklungspotential des Islam zu berichten.
Es gibt da schon einige Gruppen, bei diesen handelt es sich aber um Minderheiten in einer Minderheit, nämlich Unterströmungen der Shia. Aber deren Lehren sind hauptsächlich histortischen Besonderheiten geschuldet, man ist von diesen Lehren meisten höchstens überzeugt, wenn es schon die Eltern waren. Von anderen Muslimen zu erwarten diese Konfessionen anzunehmen, wäre so wie darauf zu hoffen, dass alle Katholiken irgendwann der koptischen Kirche beitreten würden: Warum sollte man das tun? Womit sollten die Kopten die Katholiken überzeugen? Damit näher an der Ursprungslehre Jesu zu sein als die römisch-katholische Kirche? Das könnte natürlich ein Argument sein, sollte es stimmen. Ich weiß es in Bezug auf die Kopten nicht, habe micht nicht viel mit deren Lehre beschäftigt. Aber in Bezug auf die Minderheitenströmungen im shiitischen Islam stimmt es bestimmt nicht, deren Lehre ist nicht näher am Religionsgründer Mohamed, im Gegenteil. Wer sollte in einer Welt mit Hintergrundwissen über Mohamed dazu konvertieren? Entweder glaubt man daran, dass Mohamed ein Prophet Gottes war oder halt nicht. Aber sich einen Wunschmohamed gegen besseres Wissen zusammenzubasteln, wie soll man die Breiten Massen davon überzeugen einen solche bewussten (!) Selbstbetrug zu übernehmen. Nein, diese Konfessionen gehört auf lange Sicht fast nur an, wer rein geboren wird. Aber sollte jemand im Einzelfall doch die Konfession zu einer solchen, potentiell toleranten Minderheitenströmung wechseln wollen, dann wäre dies natürlich vollkommen in Ordnung.
“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and those which are not." -Thomas Jefferson Quelle: The Public Domain, p. 21, http://www.thepublicdomain.org/download/
Zitat von ratloser im Beitrag #2In deren Zusammenhang von "gemäßigt" zu sprechen, erinnert mich an das naive Ansinnen von Gabriel, man müsse in Afghanistan mit den "gemäßigten Taliban" reden.
Das war nicht Gabriel, sondern Kurt Beck, aber auch Guttenberg
Zitat von Zettel im Beitrag #5Alles in einen Topf zu werfen ist aber ebenfalls naiv. Erdogan ist kein Mursi, und Mursi ist kein Al-Zawahiri, der auf Video-Aufnahmen Köpfe abschneidet. Dazwischen liegen politische Welten.
Das war nicht Aiman al-Zawahiri, sondern Abu Musab al-Zarqawi. Al-Zawahiri ist ein moderater Jihadist.
"Among the things which the feelings of the Muslim populace who love and support you will never find palatable ... are the scenes of slaughtering the hostages"
Zitat von newsmaxIn the letter, Zawahiri, a 54-year-old Egyptian, sets out plans for taking control of as much of Iraq as possible after American forces leave, spreading the jihad to neighboring secular countries including Egypt and the Levant -- Syria and Lebanon -- and establishing an Islamist superstate in the Middle East, culminating in a final showdown with Israel.
The proposed Islamic caliphate, he writes, "is like a bird whose wings are Egypt and Syria, and whose heart is Palestine."
Zwischen Erdogan, Mursi und al-Zawahiri haben mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes, der Unterschied liegt lediglich in der Vorgehensweise. Sowohl die Türkei als auch Ägypten unterstützen neben Saudiarabien und den Golfstaaten die Kämpfer von al-Zawahiris Truppe.
Zitat von Zettel im Beitrag #5Alles in einen Topf zu werfen ist aber ebenfalls naiv. Erdogan ist kein Mursi, und Mursi ist kein Al-Zawahiri, der auf Video-Aufnahmen Köpfe abschneidet. Dazwischen liegen politische Welten.
Das war nicht Aiman al-Zawahiri, sondern Abu Musab al-Zarqawi. Al-Zawahiri ist ein moderater Jihadist.
Zitat von Zettel im Beitrag #5Konkret auf Tunesien bezogen: Wie stellen Sie sich diese Machtergreifung vor? Militär und Polizei sind weiterhin säkular. Die Ennahda besteht nicht aus Salafisten, sonst würde sie ja nicht von diesen bekämpft; allerdings gibt es dort Sympathisanten der Salafisten. Diese haben einen bewaffneten Arm, der aber für einen Aufstand viel zu schwach ist. Wie also, lieber ratloser, wird diese Machtergreifung, deren Sie so sicher zu sein scheinen, nach Ihrer Auffasung vonstatten gehen?
In Ägypten und Pakistan z.B. haben die islamistischen Gruppierungen in den letzten Jahren systematisch Nachwuchskader in die Führungsstäbe der Miltärs infiltriert. Das wird in Tunesien nicht anders sein. Sich auf die Säkularität/Staatstreue von Polizei und Militär zu verlassen, war schon immer ein gewagtes Spiel.
Zur Machtergreifung bedarf es keines Aufstands...das haben die Muslimbrüder längst verstanden und versuchen zu vermeiden, dass die zu strategischem Denken unfähigen Salafisten alles schwieriger machen, als notwendig.
Sie sehen, wie mir scheint,die Welt aus der Sicht der Islamisten. Was diese sich erträumen, das scheinen Sie als die Realität zu sehen.
Natürlich versuchen die Salafisten, die Gemäßigten in der Ennahda und bei den ägyptischen Moslembrüdern vor sich herzutreiben. Es ist das alte Spiel, wie wir es zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten kennen. Und wie die SPD einen linken Flügel hat, der mit den Kommunisten sympathisiert, gibt es bei den Moslembrüdern und in der Ennahda auch einen fundamentalistischen Flügel, der mit den Salafisten sympathisiert. Jedenfalls sagt das Stratfor, auf das man sich im allgemeinen verlassen kann.
Und natürlich würden die Moslembeüder gern Ägypten und würde die Ennahda gern Tunesien kontrollieren; unter Fernhaltung sowohl der Salafisten als auch der Säkularen von der Macht. Die Salafisten wollen ihrerseits gern an die Macht, so wie das die Kommunisten einst gegen die regierende Weimarer Koalition wollten.
Und die Säkularen wollen weder die einen noch die anderen die Gesellschaft kontrollieren sehen. Sie, die Säkularen, haben in beiden Ländern nach wie vor den Machtapparat in der Hand. In Algerien haben sie bekanntlich damit die FIS, die die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hatte, nahezu vollständig besiegt.
Wer gewinnt, weiß niemand; nicht in Tunesien, nicht in Ägypten, auch nicht in Libyen. Ich korrigiere: Niemand außer Ihnen, lieber ratloser.
Herzlich, Zettel
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
12.11.2012 08:16
#13 RE: Aufruhr in Arabien (33): Salafisten in Tunesien
Zitat von Zettel im Beitrag #5Konkret auf Tunesien bezogen: Wie stellen Sie sich diese Machtergreifung vor? Militär und Polizei sind weiterhin säkular. Die Ennahda besteht nicht aus Salafisten, sonst würde sie ja nicht von diesen bekämpft; allerdings gibt es dort Sympathisanten der Salafisten. Diese haben einen bewaffneten Arm, der aber für einen Aufstand viel zu schwach ist. Wie also, lieber ratloser, wird diese Machtergreifung, deren Sie so sicher zu sein scheinen, nach Ihrer Auffasung vonstatten gehen?
In Ägypten und Pakistan z.B. haben die islamistischen Gruppierungen in den letzten Jahren systematisch Nachwuchskader in die Führungsstäbe der Miltärs infiltriert. Das wird in Tunesien nicht anders sein. Sich auf die Säkularität/Staatstreue von Polizei und Militär zu verlassen, war schon immer ein gewagtes Spiel.
Zur Machtergreifung bedarf es keines Aufstands...das haben die Muslimbrüder längst verstanden und versuchen zu vermeiden, dass die zu strategischem Denken unfähigen Salafisten alles schwieriger machen, als notwendig.
Sie sehen, wie mir scheint,die Welt aus der Sicht der Islamisten. Was diese sich erträumen, das scheinen Sie als die Realität zu sehen.
Natürlich versuchen die Salafisten, die Gemäßigten in der Ennahda und bei den ägyptischen Moslembrüdern vor sich herzutreiben. Es ist das alte Spiel, wie wir es zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten kennen. Und wie die SPD einen linken Flügel hat, der mit den Kommunisten sympathisiert, gibt es bei den Moslembrüdern und in der Ennahda auch einen fundamentalistischen Flügel, der mit den Salafisten sympathisiert. Jedenfalls sagt das Stratfor, auf das man sich im allgemeinen verlassen kann.
Und die Säkularen wollen weder die einen noch die anderen die Gesellschaft kontrollieren sehen. Sie, die Säkularen, haben in beiden Ländern nach wie vor den Machtapparat in der Hand. In Algerien haben sie bekanntlich damit die FIS, die die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hatte, nahezu vollständig besiegt.
Wer gewinnt, weiß niemand; nicht in Tunesien, nicht in Ägypten, auch nicht in Libyen. Ich korrigiere: Niemand außer Ihnen, lieber ratloser.
Herzlich, Zettel
Lieber Zettel,
die Prognose, der arabische "Frühling" werde letztendlich zu einer islamistischen Transformation der betroffenen Gesellschaften führen, wurde und wird von vielen Leuten vertreten, die Publikationen nicht nur lesen, sondern schreiben.... ;-)
Vielleicht nicht unbedingt in der Washington Post oder der NT, beides aber auch nicht wirklich die erste Adresse, was ideologiefreie Informationen zum Thema Islam im Besonderen und zu außenpolitischen Themen im Allgemeinen angeht. ;-)
Wenn Sie die Hoffnung auf die "Gemäßigten von Ennahda und den Moslembrüdern" setzen, haben Sie das Grundkonzept dieser Gruppierungen nicht verstanden. Dabei müssten Sie sich nur an deren Selbsterklärungen orientieren. Es gibt keine "gemäßigten" Islamisten...genausowenig, wie es letztendlich einen "gemäßigten" Islam geben kann.
Sie werfen mir ziemlich unverblümt Unwissen und Ignoranz vor, aber ich habe den Eindruck, Ihr "Wissen" von dieser Religionsideologie beruht auf Hoffnung, Projektion und Hörensagen. Sind Sie etwa Said geschädigt?
@ C.
Danke, hätte aber auch Gabriel gesagt haben können, oder? ;-)
Zitat von ratloser im Beitrag #13Sie werfen mir ziemlich unverblümt Unwissen und Ignoranz vor, aber ich habe den Eindruck, Ihr "Wissen" von dieser Religionsideologie beruht auf Hoffnung, Projektion und Hörensagen.
Nein, lieber ratloser, das werfe ich Ihnen nicht vor.
Ich konstatiere nur etwas, das mich in anderen Zusammenhängen mein Leben lang verwundert hat: Diese Sicherheit, mit der Sie Ihre Meinung vertreten.
Ich bin nun einmal ein Skeptiker und kein Dogmatiker. Ich bin geprägt von Denkern wie Aristoteles, Descartes, Hume und Kant. Ich glaube nicht daran, daß man sich seines Wissens sicher sein kann. Die Realität ist meistens anders, als wir uns das ausdenken.
Ich sehe in Ihnen einen klugen Gesprächspartner; sonst würde ich ja nicht so ausgiebig mit Ihnen diskutieren. Aber ich staune eben über diese Sicherheit. Es ist ja, psychologisch gesehen, dieselbe Sicherheit, die auch die Islamisten haben. Es ist dieselbe keinen Zweifel duldende Sicherheit wie diejenige der Marxisten.
Mir als Naturwissenschaftler liegt dieses Denken sehr fern. Wer sein erwachsenes Leben mit dem Erdenken, Durchführen und Auswerten von Experimenten und mit dem Versuch verbracht hat, zu verstehen, was sie bedeuten, der weiß, wie oft man sich irrt. Wie auch die plausibelsten Ideen sich als falsch erweisen, weil nun einmal die Daten nicht so sind.
Wir lernen, das war ja bekanntlich die Grundidee Poppers, durch unsere Irrtümer. Nichts habe ich mein Leben lang spannender gefunden als Experimente, deren Daten völlig anders waren als vorhergesagt. Das bringt die Erkenntnis voran. Nicht die Überzeugung, alles ohnehin zu wissen.
Zitat von ratloser im Beitrag #13 Danke, hätte aber auch Gabriel gesagt haben können, oder? ;-)
Ich traue das jedem Politiker zu. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass es irgendwo einen moderaten Taliban geben könnte, er hält sich nur versteckt und wartet darauf, dass er von Roger Willemsen und Jürgen Todenhöfer entdeckt wird.
Der Riesling gehört zu Deutschland.
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
12.11.2012 11:38
#16 RE: Aufruhr in Arabien (33): Salafisten in Tunesien
Zitat von ratloser im Beitrag #13Sie werfen mir ziemlich unverblümt Unwissen und Ignoranz vor, aber ich habe den Eindruck, Ihr "Wissen" von dieser Religionsideologie beruht auf Hoffnung, Projektion und Hörensagen.
Nein, lieber ratloser, das werfe ich Ihnen nicht vor.
Ich konstatiere nur etwas, das mich in anderen Zusammenhängen mein Leben lang verwundert hat: Diese Sicherheit, mit der Sie Ihre Meinung vertreten. Ich bin nun einmal ein Skeptiker und kein Dogmatiker. Ich bin geprägt von Denkern wie Aristoteles, Descartes, Hume und Kant. Ich glaube nicht daran, daß man sich seines Wissens sicher sein kann. Die Realität ist meistens anders, als wir uns das ausdenken.
Lieber Zettel,
ich bin u.a. Mitglied in der GWUP und ein robuster Skeptizismus ist mir schon seit Jugendjahren eigen. Das hindert mich jedoch nicht daran, auch Überzeugungen...entschiedene Meinungen zu vertreten, wenn es meiner Kenntnislage und Erfahrung entspricht.
Dies mit Dogmatik zu verwechseln (oder es als solche zu diffamieren?), trifft es nicht, da meine Überzeugungen und Meinungen keinesfalls unumstößlich...unkorrigierbar sind.
Ich habe in den letzten dreißig Jahren viele meiner ursprünglichen grundlegenden Annahmen über die Menschen und die Welt korrigiert, habe diesbezüglich aber seit längerer Zeit einen in den Grundzügen steady state erreicht.
Ihr dekonstruktivistischer Realitätsbegriff hat mehr auf einer abstrakt reflektiven, als auf einer real pragmatischen Ebene Bedeutung.
Zitat Zitat:Ich sehe in Ihnen einen klugen Gesprächspartner; sonst würde ich ja nicht so ausgiebig mit Ihnen diskutieren. Aber ich staune eben über diese Sicherheit. Es ist ja, psychologisch gesehen, dieselbe Sicherheit, die auch die Islamisten haben. Es ist dieselbe keinen Zweifel duldende Sicherheit wie diejenige der Marxisten.
Meine Wesensverwandtschaft zu Dogmatikern links wie rechts oder gar zu verbitterten Neuen Rechten haben Sie ja nun schon oft genug betont. ;-)
Zitat Mir als Naturwissenschaftler liegt dieses Denken sehr fern. Wer sein erwachsenes Leben mit dem Erdenken, Durchführen und Auswerten von Experimenten und mit dem Versuch verbracht hat, zu verstehen, was sie bedeuten, der weiß, wie oft man sich irrt. Wie auch die plausibelsten Ideen sich als falsch erweisen, weil nun einmal die Daten nicht so sind.
Wir bewegen uns aber nicht im Raum der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung (ich habe übrigens selber einen naturwissenschaftlichen Hintergrund). Ihr Problem scheint mir zu sein, dass Ihnen die Ebene der schlecht operationalisierbaren Faktoren wenig zugänglich ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Faktoren für die politischen Entwicklungen im weitesten Sinne keine wesentliche Rolle spielen.
Zitat Wir lernen, das war ja bekanntlich die Grundidee Poppers, durch unsere Irrtümer. Nichts habe ich mein Leben lang spannender gefunden als Experimente, deren Daten völlig anders waren als vorhergesagt. Das bringt die Erkenntnis voran. Nicht die Überzeugung, alles ohnehin zu wissen.
Poppers kenne ich auch, dass sind doch die Dinger, wo einem schwindelig wird?!
Lieber Zettel, ich bin vielleicht mitunter blöd, aber ich bin nicht doof. ;-)
Da sind wir uns doch einig, lieber Zettel. Das ist doch banal.
Die Frage ist doch im vorliegenden Zusammenhang, wie wir den Charakter der Religionsideologie Islam einschätzen. Und davon ableitend die konkreten Konsequenzen für islamisch sozialisierte aka indoktrinierte Menschen in Bezug auf ihre Weltsicht...Bedürfnisse...Entwicklungsmöglichkeiten.
Das können Sie experimentell nicht klären. Da hilft nur Empirie und Deduktion. Mein Eindruck ist, dass Sie sich mit der Ideologie des Islam nicht wirklich vertraut gemacht haben.
Natürlich kann es auf lange Sicht zu einer zunehmenden Säkularisierung, zu einer Emanzipation vom Islam kommen...auch wenn es um die säkularisierungsfördernden Faktoren in den islamischen Gesellschaften sehr schlecht bestellt ist.
Aber es hat im Islam seit Manifestation dieser Ideologie keine wirkliche Reform gegeben...und eine solche wäre auch definitiv gegen das islamische Dogma der Vorgegebenheit...der Endgültigkeit. Wenn Sie von gemäßigten islamistischen Kräften sprechen und auf diese Ihre Hoffnung setzen, liegt meines Erachtens ein Mißverständnis Ihrerseits bezüglich des Charakters des Islam und den grundlegenden Zielen von mehr oder auch weniger gewalttätigen islamistischen Gruppierungen vor.
Sie werden das Video kennen:
In the video, which was first broadcast last April and re-broadcast October 9th, Ghannouchi said, “The secularists are still controlling the media, economy and administration. Therefore, controlling them would require more time.” He added that “the police and army’s support for Islamists is not guaranteed, and controlling them would also require more time.”
The Ennahda leader said, “We’ve met with Hizb ut-Tahrir, and the salafists, including Sheikh Abou Iyadh and Sheikh al-Idrissi.”
Abou Iyadh, also known as Seif Allah Ben Hassine, is currently wanted by Tunisian police in connection with the September 14th attack on the US embassy.
He also told the salafists about achievements that were made for them after Ennahda came to office. “The government is now at the hands of Islamists, the mosques are ours now, and we’ve become the most important entity in the country,” he said.
Zitat von ratloser im Beitrag #16 Natürlich kann es auf lange Sicht zu einer zunehmenden Säkularisierung, zu einer Emanzipation vom Islam kommen...auch wenn es um die säkularisierungsfördernden Faktoren in den islamischen Gesellschaften sehr schlecht bestellt ist.
Einmal an die Macht gekommen werden Muslimbruderschaft und deren Freunde diese nicht kampflos durch Wahlen wieder abgeben. Bis zu den nächsten Wahlen werden nach und nach die politischen Gegner ausgeschaltet oder zermürbt werden.
Zitat von ahramonlineA complaint was filed with the prosecutor general on Sunday by forty Egyptian lawyers, accusing renowned reform campaigner Mohamed ElBaradei of offending Islamists, of being against Islamic sharia law and of having insulted prominent Islamist preachers
.
Obwohl es sich hier um einen Friedensnobelpreisträger handelt, der lediglich das Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnimmt, hat diese meldung weniger Potential in die Schlagzeilen zu kommen als ein paar Hupfdohlen beim Punkgebet.
Der Riesling gehört zu Deutschland.
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
12.11.2012 12:38
#18 RE: Aufruhr in Arabien (33): Salafisten in Tunesien
Zitat von ratloser im Beitrag #16 Natürlich kann es auf lange Sicht zu einer zunehmenden Säkularisierung, zu einer Emanzipation vom Islam kommen...auch wenn es um die säkularisierungsfördernden Faktoren in den islamischen Gesellschaften sehr schlecht bestellt ist.
Einmal an die Macht gekommen werden Muslimbruderschaft und deren Freunde diese nicht kampflos durch Wahlen wieder abgeben. Bis zu den nächsten Wahlen werden nach und nach die politischen Gegner ausgeschaltet oder zermürbt werden.
Zitat von ahramonlineA complaint was filed with the prosecutor general on Sunday by forty Egyptian lawyers, accusing renowned reform campaigner Mohamed ElBaradei of offending Islamists, of being against Islamic sharia law and of having insulted prominent Islamist preachers
.
Obwohl es sich hier um einen Friedensnobelpreisträger handelt, der lediglich das Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnimmt, hat diese meldung weniger Potential in die Schlagzeilen zu kommen als ein paar Hupfdohlen beim Punkgebet.
Die Frage ist ja, wie sich "die Massen" verhalten...ob es innerhalb der Massen eine prodemokratisch und damit antislamistische Mehrheit gibt, wie Zettel es hofft.
Meiner Kenntnis nach handelt es sich bei den abgrenzbaren antiislamistischen Gruppierungen, die sich öffentlich zu äußern trauen, im wesentlichen um säkularisierte, linke Gruppen (wie nach der Machtübernahme im Iran).
Die Masse selbst ist indifferent, aber grundsätzlich islamisch indoktriniert. Der "arabische Frühling" (ein sooo schöner Euphemismus) hatte seine Wurzeln in akutem Nahrungsmittelmangel, den dauerhaft prekären materiellen Lebensumständen und der langfristigen Agitation islamistischer Gruppen, insbesondere der Muslimbruderschaft, nicht in einem breitem Bedürfniss nach Freiheit und Demokratie.
Was mit den linken Opponenten Khomeinis geschah, ist ja allseits bekannt.
Und wenn es im Iran schon nicht gelang, eine wirklich breite Oppositionsbewegung gegen die islamistische Repression und Transformation zu entwickeln, dann wird es in Ländern wie Ägypten und Tunesien - aus dem Volk heraus - schon gar nicht gelingen.
Llarian: Wenn wir uns nur an die schriftlichen Grundlagen halten, trifft Ihre Einschätzung sicherlich zu. Nur vernachlässigen Sie da meiner Ansicht nach den Einfluss der menschlichen Natur. Bisher ist jede der Weltreligionen, mit Ausnahme vielleicht des Islam, im Laufe der Jahrhunderte zu einem morschen Baum verkommen - er steht vielleicht noch, aber er ist innerlich verfault. Es scheint mir sehr unwahrscheinlich, dass den Islam nicht letztlich das gleiche Schicksal ereilen sollte. Ist doch schon in der Schöpfungsgeschichte der Bibel das Motiv zu finden als Eva vom Baum der Erkenntnis isst. Ich denke sie unterschätzen in der Hinsicht die Fähigkeit der Menschen, die Schriften nach Ihrem Belieben auszulegen. Freilich, die Frage ob sich daraus ein demokratischer Staat ergibt ist eine ganz andere. Aber was den Islam allein anbelangt, erlaube ich mir hier einmal, auch eine Prognose abzugeben: Innerhalb der nächsten hundert Jahre wird der Islam in zumindest der Mehrheit der nordafrikanischen Staaten dominant werden. Letztlich wird diese Episode in Revolutionen enden, in deren Verlauf den Islamisten die Köpfe abgeschnitten werden. Die Menschen werden langfristig die Schariah in etwa so akzeptieren, wie sie die Alkoholprohibition akzeptiert haben. Was ist schon bei einem Glas Wein. Und wen kümmerts wenn ich die Nachbarsfrau ficke? Auf die Gefahr hin, mich Zettel's Kritik an Gewissheit auszusetzen: Auf lange Frist wird immer die menschliche Neigung zum Laster siegen. Der Mensch ist schlecht und keine Religion oder Ideologie wird daran wirklich dauerhaft etwas ändern.
Zitat von Solus im Beitrag #19Der Mensch ist schlecht und keine Religion oder Ideologie wird daran wirklich dauerhaft etwas ändern.
Der Mensch kann als Produkt der Natur per se nicht schlecht sein. Die menschliche Beurteilung seiner Handlungen verleiht ihm erst die Attribute von gut und böse. Es ist also eine ethische Frage ob ein Mensch gut oder schlecht ist und diese kann für den gleichen Menschen so oder so ausfallen, je nach moralischen Grundsätzen.
Zitat von Solus im Beitrag #19Der Mensch ist schlecht und keine Religion oder Ideologie wird daran wirklich dauerhaft etwas ändern.
Der Mensch kann als Produkt der Natur per se nicht schlecht sein. Die menschliche Beurteilung seiner Handlungen verleiht ihm erst die Attribute von gut und böse. Es ist also eine ethische Frage ob ein Mensch gut oder schlecht ist und diese kann für den gleichen Menschen so oder so ausfallen, je nach moralischen Grundsätzen.
Ah, das war wohl etwas unscharf ausgedrückt. Lassen Sie es mich genauer formulieren: Der Mensch wird im Laufe der Zeit jede Ideologie zerbrechen, die ihm etwas anderes gebietet, als nur genau das zu tun, was er will, was ihm aus seinem tiefsten Inneren heraus beliebt zu tun.
Zitat von Solus im Beitrag #19 Bisher ist jede der Weltreligionen, mit Ausnahme vielleicht des Islam, im Laufe der Jahrhunderte zu einem morschen Baum verkommen - er steht vielleicht noch, aber er ist innerlich verfault.
Das sehe ich überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, ich denke das ganz wesentliche Teile der (bisherigen) zivilisatorischen Überlegenheit des Westens mit den zugrunde liegenden Religionen zusammenhängt. Eine Gesellschaft braucht ein ethisches Fundament und sowohl das Judentum wie auch die christliche Religion haben sich in westlichen Gesellschaften als solide Basis erwiesen. Aufgrund der Popularität des Atheismus, gerade auch in Deutschland, wird das gerne negiert, es erscheint mir allerdings aus unserer Geschichte heraus geradezu zwingend zu sein. Wir werden uns noch sehr umgucken, wenn wir feststellen, wenn uns diese Grundlage mehr und mehr flöten geht.
Zitat Ich denke sie unterschätzen in der Hinsicht die Fähigkeit der Menschen, die Schriften nach Ihrem Belieben auszulegen.
Ganz im Gegenteil, das ist einer der zentralsten, wenn nicht sogar der zentrale Unterschied zwischen Judentum und Christentum auf der einen und dem Islam auf der anderen Seite. Das Christentum, ebenso wie das Judentum, war schon immer eine Religion der Interpretation. Schon Christus hat die Bilder des alten Testamentes verwendet und nicht zuletzt haufenweise Gleichnisse aufgestellt, die nur interpretiert werden können. Gerade am Ende des neuen Testamentes geht das Interpretierbare geradezu ins Groteske ab, wenn man sich die Fieberphantasien von Johannes ansieht. Im Islam dagegen wird nicht interpretiert, es wird die Schrift gelehrt wie sie ist. Schon eine Übersetzung ist eigentlich ein Sakrileg. Die Idee das die Anweisungen Mohammeds offen für Interpretation sind kann in den entsprechenden Ländern am nächsten Baukran enden.
Zitat Letztlich wird diese Episode in Revolutionen enden, in deren Verlauf den Islamisten die Köpfe abgeschnitten werden. Die Menschen werden langfristig die Schariah in etwa so akzeptieren, wie sie die Alkoholprohibition akzeptiert haben.
Ich erlaube mir meine Propehtie dagegen zu setzen: Es wird in der Tat Umwerfungen geben, in deren Verlauf die Islamisten jede Menge Köpfe abschneiden (!) werden. Und am Ende wird man die Scharia so akzeptieren, wie sie in anderen islamischen Ländern akzeptiert wird. Und wer sich das ansehen möchte ist eingeladen sich in den Iran oder nach Pakistan zu begeben.
Zitat Auf lange Frist wird immer die menschliche Neigung zum Laster siegen. Der Mensch ist schlecht und keine Religion oder Ideologie wird daran wirklich dauerhaft etwas ändern.
Das ist nicht der Punkt. Ob der Mensch schlecht oder gut ist, ist irrelevant (es sind ohnehin moralische Begriffe, die nicht wirklich weiterführen). Der Islam etabliert ein Herrschaftssystem, in dem einige über viele herschen. Dieses System ist zutiefst faschistoid, es ist frauenverachtend und es ist ausgesprochen agressiv. Ob die Herscherkaste es sich erlaubt mit anderer Frauen zu schlafen, Alkohol zu trinken oder fünfmal am Tag nicht zu beten ist für die Quintessenz dessen, was in dieser Gesellschaft ist, irrelevant. Der Punkt ist die Unterdrückung von Freiheit, von freier Meinung, von freiem Glauben, von vermeintlich Minderwertigen und nicht zuletzt von Frauen. Und das sind keine Laster, die sich über die Hintertür wieder reinschleichen. Simpel gesagt: Die Freiheit ein Glas Wein zu trinken ist ziemlich unwichtig, und eine Gesellschaft wird nicht dadurch frei, dass es irgendwo noch eine Flüsterkneipe gibt. Die wirklich wichtigen Dinge, die Freiheit zu sagen was man denkt, die Freiheit zu glauben was man will, die Freiheit in Frieden vor dem Nachbarn zu leben, diese Freiheit existieren im Islam faktisch nicht.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.