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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 6 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.01.2013 15:47
Zitat des Tages: Verhaltenskontrolle Antworten

Welch eine freudige Überraschung, in "Zeit-Online" einmal einen klugen und liberalen Artikel zu lesen.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

19.01.2013 17:09
#2 RE: Zitat des Tages: Verhaltenskontrolle Antworten

Zitat von Zettel
Wem es verbietet, einen leeren Joghurtbecher in den Restmüll zu befördern statt in den Gelben Sack, der wird das nicht tun, selbst wenn weit und breit kein Beobachter da ist, der das rügen könnte.


Der Joghurtbecher gehört in den Restmüll. Mach ich so, und steht so in der offiziellen Wiener Trenn-Bibel: http://www.wien.gv.at/umwelt/ma48/beratu.../mistabc.html#j
Alternativ, um es mit den Worten Hubert von Goisern zu sagen: brenna tuans guat

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

19.01.2013 17:29
#3 RE: Zitat des Tages: Verhaltenskontrolle Antworten

Zitat von ZR
Tugend per Verbot zu erzwingen, das ist der gröbste, sozusagen der unspsychologischste Weg.
(…)
"Denn mehr noch als eine Verbotskultur wirkt hierzulande eine Kultur der freiwilligen strengen Selbstkontrolle".
(…)
Eine Gesellschaft, die von "Planern" und "Managern" derart gesteuert wird, daß jeder automatisch das tut, was das Beste für die Gesellschaft ist; … die Beziehungen zwischen Verhalten und Belohnung, von den Oberen entsprechend festgelegt und ständig optimiert werden.


Die deutsche Obrigkeit geht auf Nummer sicher und arbeitet mit allen drei Kontrollstufen:
Verbieten von "falschem" Verhalten, Ausbildung eines schlechten Gewissens durch Erzeugung von Angst und Belohnung von "richtigem" Verhalten.
Für Müll gibt es eigentlich nur zwei Wege: Komposthaufen oder gelber Sack.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

19.01.2013 17:34
#4 RE: Zitat des Tages: Verhaltenskontrolle Antworten

Lieber Zettel, Skinner war übrigens nicht nur ein begabter Essayist, sondern auch ein talentierter Zeichner. Ich erinnere mich an ein Cartoon, das ihn selbst, durchaus karikaturistisch überzeichnet, vor einer Skinner-Box zeigt, in der zwei Ratten, in betont lässiger Haltung, zu sehen waren und eine zur anderen sagt: "Junge, hab ich den Typen konditioniert; jedes mal wenn ich diesen Hebel drücke, schmeißt der ne Futterpille hier rein".
Als strenger Behaviorist hätte Skinner aber wohl so etwas wie "Gewissensregungen" ins unbekannte Reich der "Black box" verschoben oder als Ergebnis verketteter Lernprozeduren interpretiert, was aus heutiger Sicht wohl zu kurz gesprungen wäre.

Mir scheint, daß die vielen Rufe nach Verboten und freiwilliger Selbstbeschränkung noch eine andere Ursache haben. Der kognitive Psychologe und Psychotherapeut Albert Ellis postuliert einen angeborenen(!, nicht gelernten) Hang des Menschen, sog. "irrational belief systems" zu entwickeln. Diese führen zu pathologischen emotionalen Reaktionen, die wiederum handlungssteuernd wirken. Diese bestehen in einer Übersteigerung von Wünschen und Präferenzen zu absolutistischen Forderungen (an die eigene Person, die Mitmenschen, die Lebensumstände). Verkürzt gesagt gibt es drei dieser "Belief systems":
1. Ich muß unbedingt perfekt und fehlerfrei sein und Anerkennung erhalten, ansonsten ist meine Wertlosigkeit bewiesen.
2. Andere müssen mich unbedingt respektvoll, freundlich und fair behandeln, so wie ich es will, ansonsten gehören sie verdammt und bestraft und
3. Meine Lebensumstände müssen unbedingt so beschaffen sein, daß ich alles, was ich will, mit Leichtigkeit, in Sicherheit, ohne Rückschläge und ohne hart arbeiten zu müssen erreiche, ansonsten ist das Leben ein elendes Jammertal (=niedrige Frustrationstoleranz).

Diese "Muß-Forderungen", Ellis nennt das treffend auch "mußturbieren" (musturbate) oder auch "Müßte, sollte, darf nicht-Tyranneien" bilden laut Ellis ein zentrales Element dysfunktionaler Emotionen und Handlungen. Wenn eine oder mehrere dieser "Forderungen" nicht erfüllt wird, wird dies dann nicht etwa als "unangenehm" oder "verdrießlich" bewertet, sondern als "schrecklich", "furchbar" und "unerträglich", eine "absolute Katatstrophe" also. Diese Bewertung führt zu extremen emotionalen Reaktionen (Wut, Haß, Panik, Depression), die wiederum auf das folgende Verhalten zurückwirken, das eben oft in einer erneuten Verbotsforderung (muß, sollte, darf nicht) mündet.

Mir scheinen die offensiv und aggressiv vorgetragenen Verbotswünsche meist auf das oben genannte Belief system No 2 zurückzugehen, während die subtilere Form, die von Ihnen, lieber Zettel, und im Artikel von Tanja Dückers beschrieben wird, eher auf Belief system No 1 zurückzugehen scheint.
Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.01.2013 18:20
#5 RE: Zitat des Tages: Verhaltenskontrolle Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #4
Lieber Zettel, Skinner war übrigens nicht nur ein begabter Essayist, sondern auch ein talentierter Zeichner. Ich erinnere mich an ein Cartoon, das ihn selbst, durchaus karikaturistisch überzeichnet, vor einer Skinner-Box zeigt, in der zwei Ratten, in betont lässiger Haltung, zu sehen waren und eine zur anderen sagt: "Junge, hab ich den Typen konditioniert; jedes mal wenn ich diesen Hebel drücke, schmeißt der ne Futterpille hier rein".

Könnte es sein, lieber Andreas Doeding, daß Sie sich an diesen Cartoon erinnern? Ich bin allerdings nicht sicher, daß Skinner ihn gezeichnet hat.

Ansonsten stimme ich zu; wie ich Ihnen übrigens meist bei Ihren Beiträgen zustimme. Wenn ich das nicht eigens vermerke, dann liegt es daran, daß ich mich beim Schreiben a bisserl einschränken muß.

Herzlich, Zettel

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

19.01.2013 18:28
#6 RE: Zitat des Tages: Verhaltenskontrolle Antworten

Zitat
Könnte es sein, lieber Andreas Doeding, daß Sie sich an diesen Cartoon erinnern? Ich bin allerdings nicht sicher, daß Skinner ihn gezeichnet hat.



Jap, den meinte ich und bin offenbar einer "false memory" aufgesessen, indem ich ihn Skinner zugeschrieben und das Bild innerlich um seine Person angereichert habe. Aber in meinem Gehirn sah das nett aus ;)
Viele Grüße und danke,
Andreas Döding

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

21.01.2013 19:56
#7 RE: Zitat des Tages: Verhaltenskontrolle Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #3
Die deutsche Obrigkeit geht auf Nummer sicher und arbeitet mit allen drei Kontrollstufen: Verbieten von "falschem" Verhalten, Ausbildung eines schlechten Gewissens durch Erzeugung von Angst und Belohnung von "richtigem" Verhalten.


Exakt. Für all diejenigen, welche auf das im Guten unterbreitete Angebot zur Verhaltensänderung nicht eingehen wollen, stellt man schon mal die Rute ins Fenster.

Ich habe hier wohl schon öfter geschrieben oder angedeutet, dass dies für mich wie eine Rückkehr zum aufgeklärten Absolutismus wirkt. Vater Staat gibt seinen Kindern eine Anleitung für ein gelingendes Leben; wer sich diesen Empfehlungen verweigert, wird zwangsbeglückt und/oder bestraft.

Für die damaligen Untertanen mag er vergleichsweise ein Segen gewesen sein: Aber aus der Ex-post-Perspektive halte ich den aufgeklärten Absolutismus für ein Übel, das bis heute unsere deutsche Vorstellung vom Staat heimsucht. Der Vergleich mit der angelsächsischen Welt mag erhellend sein: Ein Absolutismus-Apologet wie Hobbes bezeichnet den Staat nicht als Vater, sondern als Leviathan, mithin als Ungeheuer, das de facto nur so lange über Legitimität verfügt, wie es seine Friedenssicherungsfunktion effektiv wahrnimmt. Und die Locke'sche Idee, dass dem Staat keine Generalvollmacht erteilt wurde, sondern dass gewisse Lebensbereiche von seiner Kompetenz ausgeklammert blieben, hat sich hierzulande nicht wirklich durchgesetzt. Es ist unsere Tradition des aufgeklärten Absolutismus, aus der die deutsche Staatsgläubigkeit und die marginale Bedeutung des Liberalismus hierzulande erwächst.

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