In Antwort auf:Da wird jemand verurteilt aufgrund der Identifikation durch Zeugen, die sich mit zahlreichen Details ihrer Aussagen hinsichtlich Kleidung, der Tätowierungen des Killers und des Tatablaufs widersprechen, und obwohl einige Zeugen auch aussagten, daß der Verurteilte es nicht war. Da wird ignoriert, daß schon deshalb Zweifel an der Täterschaft des jetzt Hingerichteten aufkommen sollten, weil dieser bekannterweise an einer Fußlähmung litt, während alle Augenzeugen aussagten, daß der Mörder schnell und ohne zu humpeln drei Straßenblocks entlang gelaufen sei. Aber anstatt daß nun alle diese offensichtlichen Fakten anerkennen und sagen: "ok, da ist vielleicht etwas schief gelaufen, laßt uns das nochmal überprüfen", darf der Verurteilte nur in der Weise das Urteil anfechten, indem er geltend macht, daß sein Pflichtverteidiger ihn inadäquat vertreten hat. Und nachdem dann ein Gericht feststellte, daß die Verteidigung noch im Rahmen des akzeptablen gearbeitet hat, ist das Todesurteil besiegelt. Selbst wenn jemand im Grundsatz für die Todesstrafe ist, sollten ihm ob solch eines Ablaufs doch Zweifel kommen.
In Antwort auf:..obwohl ich mich sonst eher in der Rolle eines Verteidigers der Vereinigten Staaten finde. Sei's drum, es ist nicht alles schwarz oder weiss.
Waehrend ich durchaus nicht gegen die Todesstrafe bin, finde ich sie im Rechtssystem der USA fehl am Platze.
1. In den Vereinigten Staaten sind im Strafverfahren Staatsanwalt und Verteidiger entgegengesetzte Parteien. Der Staatsanwalt kaempft um die Verurteilung, der Verteidiger um den Freispruch. Richter bzw. Jury fungieren als Schiedsrichter. In Deutschland hingegen sind - teils ein Relikt der NS-Zeit - Verteidiger, Staatsanwalt und Richter dem hoeheren Gut der Wahrheitsfindung verpflichtet. Gerade die Staatsanwaltschaft hat auch zugunsten des Angeklagten zu ermitteln. Sie wird oft als "neutralste Behoerde der Welt" bezeichnet - und das nimmt man dort auch ernst.
2. Staatsanwaelte und Richter werden in den USA meist gewaehlt. Eine erfolgreich beantragte Todesstrafe ist ein Freifahrtsschein auf einen (dort hoechst prestigetraechtigen) Richterposten.
3. Das System der Pflichtverteidigung in den USA ist erbaermlich und resultiert auch in Verfahren, in denen die Todesstrafe droht, oftmals in inkompetenter Verteidigung
Die Kritik an amerikanischen Missständen fallen der linken Presse eben leichter, als Verfehlungen islamischer Staaten anzuprangern, zumal ja bestimmte Ausländer, unter anderem nämlich solche islamischen Glaubens, hier besonderen Schutz genießen und man daher ja auch nicht diese Länder in der Presse anprangern kann. Ein zutiefst ideologisch motiviertes Handeln, dass von vielen Menschen hier aber inzwischen durchschaut wird.
So sehr die Kritik an diesem amerikanischen Urteil berechtigt ist, so sehr vermisst man eben die dauerhafte Berichterstattung über Todesstrafen in islamischen Ländern.
Übrigens geben die genannten Zahlen über vollstreckte Todesstrafen im Iran ein falsches Bild ab. Die tatsächlich ausgeführten Todesstrafen gehen dort pro Monat in die Tausende!!!
Zitat von LiberoWaehrend ich durchaus nicht gegen die Todesstrafe bin, finde ich sie im Rechtssystem der USA fehl am Platze.
Die drei Punkte, die Sie - sehr zutreffende - aufführen, sind, so scheint mir, generelle Einwände gegen dieses Rechtssystem, unabhängig von der Todesstrafe. Man könnte allerdings - so interpretiere ich Sie - argumentieren, daß diese Schwächen besonders kritisch sind, wenn sie zu einem nicht wieder gutzumachenden Fehlurteil führen.
Nur, lieber Libero - gibt es Belege dafür, daß im US- Rechtssystem Fehlurteile häufiger sind als im, sagen wir, deutschen?
Es ist halt die - im germanischen Recht verwurzelte - Überzeugung, die dem US-Rechtssystem zugrundeliegt,
a) daß Durchschnittsbürger mit gesundem Menschenverstand eine mindestens so gute Chance bieten, daß gerecht geurteilt wird, wie akademisch ausgebildete Juristen. Dahinter steht die Erfahrung der Klassenjustiz im Feudalismus, deren Werkzeug die Richter waren. Dahinter steckt auch der angelsächsische Pragmatismus. Also vertraut man der Jury, also wählt man den District Attorney in einer Allgemeinen Wahl.
b) daß sich die Wahrheit am ehesten herausfinden läßt, wenn zwei Anwälte einander gegenüberstehen, die jeweils eine der Seiten vertreten, und wenn zwei unparteiische Instanzen - die Jury und der Judge - sich das anhören und sich dann nach bestem Wissen und Gewissen eine Meinung bilden.
Der deutsche Staatsanwalt, dessen seltsam ambivalente Funktion Sie treffend charakterisieren, spielt im Grund eine sehr problematische Rolle: Er soll anklagen, wie der amerikanische State Attorney, aber er soll zugleich bei der Wahrheitsfindung helfen, also auch Entlastendes ermitteln und vortragen.
Im US-Rechtssystem wird der Strafprozeß im Grunde wie ein Zivilprozeß geführt - "The State of Virginia vs John Doe".
Nicht der Staat ist der Richter, sozusagen der Stellvertreter der Gerechtigkeit auf Erden. Sondern er ist Partei, wie der Angeklagte. Richter ist das Volk selbst, vertreten durch den von ihm gewählten Judge sowie durch die vom Los aus der Gesamtheit der freien Bürger bestimmten Mitglieder der Jury.
Mir kommt das, lieber Libero, erheblich demokratischer vor als das stark vom römischen Recht beeinflußte deutsche Strafrecht. Ob es zu weniger oder mehr Fehlurteilen führt - diese entscheidende Frage würde mich sehr interessieren.
Sie ist natürlich schwer zu beantworten. Ob es aussagekräftige empirische Untersuchungen dazu gibt?
ich vergaß hinzufügen, daß es sich um Leserbriefe auf den Artikel in der FAZ handelt. Die darin enthaltenen Informationen hielt ich für wichtig genug, auf sie als Ergänzung zum Artikel hinzuweisen.
Ich finde es noch problematischer, wenn ein Ankläger entlastende Informationen zurückhält und ein Verteidiger belastende Informationen und man darauf vertrauen muß, daß entweder die Gegenseite oder Richter und Jury die Informationen finden bzw Unstimmigkeiten auffallen. Wenn bei der Pflichtverteidigung der Verteidiger lustlos ist, wie es anscheinend der Fall war, werden Argumente gegen den Angeklagten als Täter nicht vorgebracht und der Angeklagte wird nur deshalb zum Thema verurteilt, weil es seinem Verteidiger schlicht und einfach gleichgültig ist. Ein Mord ist meistens ein unentschuldbares Verbrechen. Ein Justizmord im Namen des Volkes auch.
1. Mit Hinrichtungen können Sie unerwünschte Handlungen nicht verhindern. Ob den Widerstand der Bevölkerung gegen die Tyrannen noch die Morde in einer Demokratie. Hinrichtungen wirken nicht abschreckend.
2. Abschnitt Versprechungen nicht eingelöst Die Menschen, die Mahmud Ahmadineschad unterstützten, wenden sich gegen ihn. Auch Hinrichtungen können sie nicht aufhalten
Was macht ein Tyrann, der seine Anhängerschaft verliert? Er sucht nach Unterstützern, die ihm seine Herrschaft stabilisieren und die sein Schicksal an das Schicksal der Nation oder der Religion binden. Er erreicht sein Ziel, wenn Reaktionen von Außen von der Bevölkerung als Angriffe auf die Nation oder die Religion wahrgenommen werden.
Man muß sehr genau zwischen dem Tyrann Mahmud Ahmadineschad und dem Iran und dem Schiismus trennen, auch wenn zahlreiche ranghohe Geistliche nicht besser sind als ihr gelehriger Schüler Mahmud Ahmadineschad. In der Bevölkerung muß der Gedanke wachsen, uns geht es schlecht, weil Mahmud Ahmadineschad an der Macht ist. Mahmud Ahmadineschad versucht, es umzukehren. Den Iraner geht es schlecht, weil der Westen gegen den Iran und den Islam ist. Damit ist er leider erfolgreich.
Wenn Berichte über den Iran erscheinen, muß Mahmud Ahmadineschad angegriffen werden. Der Tyrann Mahmud Ahmadineschad lässt Menschen hinrichten, die sich gegen ihn auflehnen. Der Tyrann Mahmud Ahmadineschad lässt Polizei und Armee in Menschenmengen schießen
Zitat von LiberoIch finde es noch problematischer, wenn ein Ankläger entlastende Informationen zurückhält und ein Verteidiger belastende Informationen und man darauf vertrauen muß, daß entweder die Gegenseite oder Richter und Jury die Informationen finden bzw Unstimmigkeiten auffallen.
Der Verteidiger hat ja auch in Deutschland nicht die Pflicht, auch auf belastende Informationen hinzuweisen.
Er ist ausdrücklich Partei - und manche Verteidiger, wie die in den RAF-Prozessen, haben das ja zum Exzess getrieben. Hingegen trägt der Staatsanwalt gewissermaßen zwei Hüte - den des Anklägers und den des Hilfsrichters.
Entlastende Momente müssen natürlich bei der Voruntersuchung berücksichtigt werden. Wenn aber der Staatsanwalt anklagt, dann ist er ja überzeugt, den Täter zu haben. Also ist er auch überzeugt, daß es keine Indizien oder sonstige Informationen gibt, die seine Unschuld beweisen oder wahrscheinlich machen. Es erscheint mir nur konsequent, wenn er auch im Prozeß eindeutig als Partei auftritt.
In Antwort auf:Wenn bei der Pflichtverteidigung der Verteidiger lustlos ist, wie es anscheinend der Fall war, werden Argumente gegen den Angeklagten als Täter nicht vorgebracht und der Angeklagte wird nur deshalb zum Thema verurteilt, weil es seinem Verteidiger schlicht und einfach gleichgültig ist.
Keine Frage. Nur gibt es auch in unserem Rechtssystem lustlose Pflichtverteidiger.
Liebe Libero, ich bin durchaus der Meinung, daß die Gefahr eines Fehlurteils ein weiteres Argument gegen die Todesstrafe ist; nur sehe ich weniger einen Zusammenhang mit dem Unterschied zwischen amerikanischem und deutschem Recht.
Ein weiteres Argument in meinen Augen deshalb, weil es triftigere Argumente gegen die Todesstrafe gibt. Sie ist archaisch, wie alle Körperstrafen. Ich habe nie verstanden, warum Befürworter der Todesstrafe nicht auch dafür sind, Hände abzuhacken und Augen auszustechen.
Sie ist grausam, denn sie umfaßt ja nicht nur das Sterben, sondern die unter Umständen jahrelange Todesangst des Delinquenten.
Und sie ist unwürdig; übrigens auch für den Henker. Nicht zufällig war das in fast allen Gesellschaften der unehrenhafteste Beruf.
Zitat von Zettel Ein weiteres Argument in meinen Augen deshalb, weil es triftigere Argumente gegen die Todesstrafe gibt. Sie ist archaisch, wie alle Körperstrafen. Ich habe nie verstanden, warum Befürworter der Todesstrafe nicht auch dafür sind, Hände abzuhacken und Augen auszustechen.
Lieber Herr Zettel
das ist ein Mißverstehen des Grundsatzes Auge um Auge, der das Maß der Strafe begrenzte und durch Geldstrafen ausgeglichen werden konnte, selbst bei Blutrache. Der Schuster Vogt wurde in Preussen nicht nach diesem Grundsatz verurteilt.
In Antwort auf: Sie ist grausam, denn sie umfaßt ja nicht nur das Sterben, sondern die unter Umständen jahrelange Todesangst des Delinquenten.
Was dann in einem Menschen vorgeht, hat Bela Szasz in Freiwillige für den Galgen beschrieben
In Antwort auf: Und sie ist unwürdig; übrigens auch für den Henker. Nicht zufällig war das in fast allen Gesellschaften der unehrenhafteste Beruf. Herzlich, Zettel
Das gibt mir Gelegenheit, auf eine ausgezeichnete Biographie hinzuweisen. Juristen sind ja oft auch Literaten. Der Jurist, den ich hier erwähnen will, hieß Paul Ronge. Er war einer der bekanntesten Strafverteidiger nach dem 2. Weltkrieg und hat über sein Leben in dem Buch "Im Namen der Gerechtigkeit" geschrieben. In einem Kapitel beschreibt er einen Mandaten, einen Henker mit wechselnden Arbeitsort, der ihn wegen einer Scheidung konsultierte. Eine interessante Persönlichkeitsstudie. Auch in der Nazizeit standen die Henker außerhalb der Gesellschaft. Dem Mann blieb nichts weiter übrig als ebenfalls Henker zu werden. Sein Beruf war auch der Grund für die Scheidung. Allerdings wollte die Gattin auf die anteiligen Henkergebühren nicht verzichten.
Paul Ronge hat zweimal Mandaten vor dem sicheren Galgen bzw dem Zuchthaus bewahrt. Vorverurteilte Mörder, die nicht Mörder waren.
nur eine Mini-Marginalie, die von diesem düsteren Thema wegführt:
Zitat von LiberoJuristen sind ja oft auch Literaten.
Ja, das ist interessant, nicht wahr? Goethe, E.T.A Hoffmann, Heinrich Heine, Theodor Storm, Franz Kafka; heute Bernhard Schlink zum Beispiel.
Woran liegt's?
Vielleicht sind Literaten gar nicht - in Relation - häufiger Juristen als, sagen wir, Ärzte (Conan Doyle, Gottfried Benn, Alfred Döblin, Hans Carossa, Ernst Augustin zum Beispiel)?
Vielleicht liegt's daran, daß viele Juristen Beamte sind, also Zeit zum Schreiben haben?
Oder steckt wirklich was Ernstes dahinter? Die Konfrontation mit dem Abgründigen im Menschen?
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