Zitat von Meister Petz in ZRdenn auch Nicht-Weihnachten-Feiern stellt einen vor unüberwindliche Herausforderungen.
Die Herausforderungen beim Silvester-Nichtfeiern sind größer. Man muss es meiner Erfahrung nach schaffen, bis spätestens 22 Uhr eingeschlafen zu sein, weil um diese Zeit der Hauptbeschuss beginnt. Falls einem das geglückt ist, wacht man während des mitternächtlichen Dauerfeuers zwar meistens dennoch auf, hat dann aber schon mal ca. 2 Stunden Schlaf auf dem Konto. Verpasst man das einschlafgünstige Zeitfenster, kann man seine Schlummerambitionen bis mindestens 1 Uhr begraben.
Im Vergleich dazu ist Weihnachtsabstinenz ein Kinderspiel.
Zitat von Meister Petz in ZRAllen Lesern und natürlich meinen Autorenkollegen frohe und gesegnete Weihnachten
Vielen Dank, lieber Meister Petz! Auch von mir frohe Weihnachten an alle Leser und die geschätzten Autorenkollegen. Und vielen Dank für den besinnlichen Artikel.
Das Problem mit den Erwartungen kenne ich zur Genüge, es war jahrelang die Ursache, dass Weihnachten einerseits herbeigesehnt wurde, aber eben auch gleichzeitig schwer gefürchtet war. Man macht sich die Illusion, dass Menschen, die ansonsten ein eher gespanntes Verhältnis miteinander haben, zu Weihnachten alle ganz lieb und freundlich zueinander sind, als wäre nie etwas gewesen. Schmutzige Scheidung, Geschwisterstreit, Ehekrise, an Weihnachten hat all das nicht zu existieren: Ach, was haben wir uns alle lieb.
Nein, haben wir nicht. Und genau da liegt auch die Lösung des Problems: Man muss sich eben nicht lieb haben, man muss auch keinen Frieden heucheln, man muss auch nicht alles und absolut richtig machen. Man sollte sich einfach ein paar ruhige Tage gönnen. Der Streit, den man mit seinen Geschwistern oder seinem Partner hat, ist eben nicht weg. Man muss ihn nicht thematisieren, aber man muss auch nicht so tun, als gäbe es ihn nicht. Und es muss auch nicht jeder in die Messe gehen, damit dem anderen die Weihnachtsstimmung nicht verlorengeht. Und schon gar nicht muss man an Weihnachten irgendetwas Festliches kochen, weil "das eben dazugehört". Dazu gehört genau das, was einem Spass macht. Das Weihnachten an das ich am liebsten zurückdenke war bei 30 Grad im Schatten, nix musste und ich habe den halben Tag faul in der Sonne gelegen (und am Abend mein Lieblingssacko durchgeschwitzt). Das war entspannend. Nicht weil es 30 Grad war, sondern weil keiner eine besondere Erwartung an die Tage hatte, kein Mensch in einen Tempel rennen musste und kein Mensch auf einen Braten im Ofen achten musste. Heute versuche ich meiner Familie genau das zu vermitteln: Zwingt Euch zu nix und macht das, was Euch Spass macht. Gönnt Euch die Ruhe. Und vor allem: Macht Euch keine Erwartungen. Funktioniert zumindest für mich und meine Familie sehr, sehr gut. Um den Kreis zum Thema zu ziehen: Wenn etwas totalitär ist, hilft manchmal, es nicht ernst zu nehmen.
Allen Zimmersleuten und Autoren eine frohe Weihnacht !
Manchmal hilft es, sich damit zu trösten, was einem durch die Gnade der falschen Geburt an fest verordneter Tradition erspart bleibt. Anders als in England gehören z.B. weder Dickens' A Christmas Carol noch der Kanon "Ringing of the Bells" zum eisernen Bestandteil rechtsrheinischen Brauchtums. Da kann man ein bißchen "Stille Nacht" noch verschmerzen.
Zitat von ZRDa das Weihnachtsfest ja in seiner säkularen Minimalvariante weitgehend inhaltsleer ist, ist es eine Projektionsfläche geworden. In einer völlig pathosfreien Gesellschaft, die nicht einmal einen Nationalfeiertag zustande bringt, ist es das letzte Element kollektiver Emotionen, und man darf sogar Millionen von Bäumen fällen, ohne Rücksicht auf den Juchtenkäfer. Wie befreiend!
Weihnachten ist (für mich Agnostiker) einer der letzten Reste von Volkskultur. Unsubventioniert und für die Allermeisten als immer noch verteidigungswert angesehen. Lichterketten in den dunklen Tagen, Haus- und Fensterbeleuchtungen entgegen den allgemeingültigen Vorgaben der ökologistischen Zivilreligion. Hier schlägt das Herz noch konservativ und traditionalistisch, hier lässt sich das Abendland nicht unwidersprochen dekonstruieren oder kultursensibel anpassen. Ich finde das herrlich.
Weihnachtliche Grüße, Calimero
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat Die Entkopplung des Weihnachtsfestes von seinem religiösen Hintergrund wird zwar rituell von den Kirchen beklagt, aber letzten Endes ist man doch froh, mal wieder vor vollen Bänken zu predigen.
Ich kann hier keinen Gegensatz ("doch") erkennen: Der Kirchenbesuch ist ja gerade nicht Ausdruck einer Entkopplung, sondern im Gegensatz der einer Zugehörigkeit: Man verbindet "irgendwie" das Fest mit dem, was die Kirche feiert, und zwar so sehr, dass man die Opportunitätskosten eines solchen Besuchs in Kauf nimmt. Natürlich nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.
Es scheint, als versuchten viele Menschen zu Weihnachten einen Spagat: den zwischen Geschenkbesorgung. Zusammenkunftsvorbereitung und all den Erwartungen auf der einen und den letzten spirituellen Resten auf der anderen Seite. Die sich übrigens nicht zwangsläufig als christliche entpuppen müssen. Weihnachten ist doch eigentlich das Fest der Entschleunigung. Alles tritt auf die Bremse. Unternehmen arbeiten nur noch auf Sparflamme, frühe Dunkelheit und Schmuddelwetter laden nicht zu außerhäusigen Aktivitäten ein, und wie weiland der römische Kaiser zur Schätzung aufrief (halten wir uns mal an Lukas...), so ruft eine unsichtbare Stimme die von kapitalistischer Effizienz weltweit verstreuten Familenteile zur Einkehr an einen gemeinsamen Tisch, allen üblichen Tätigkeiten und Aufgaben Hohn sprechend.
Natürlich: Wenn so viele unterschiedliche Lebenswege, wenn so viele individuelle Geschichten unter so großen Erwartungen zusammenkommen, dann sind Konflikte vorprogrammiert. Hinzu kommt, dass viele anscheinend nur einen Gang kennen. Für die ist Herunterschalten keine Option. Und so wird die aus dem Alltag gewohnte Hektik geradezu zwanghaft auf die Festtage übertragen. Als ob es für die generalstabsmäßige Planung und perfekte Durchführung von Geschenkeinkauf, Baumschmücken oder Kochen und Backen irgendeinen Preis gäbe. Wer, der sich noch an vergangene Weihnachten erinnert, hat dabei zuerst den Fraß oder die Geschenke im Kopf? Ein uraltes Phänomen: Der Betrunkene sucht den verlorenen Schlüssel unter der Straßenlaterne, weil er da mehr Licht hat. Und wir konzentrieren uns auf das Mess- und Zählbare, weil wir sonst fürchten, keinen Halt zu finden. In vielen Unternehmen übrigens auch Alltag - wir sind also entsprechend konditioniert.
Dabei würde uns etwas mehr Zuhören beim Besuch der Christmette vielleicht sogar helfen. Denn Gott führt nicht Buch. Die Geburt des Kindes verspricht uns gerade die Freiheit zu Fehlern und zum Versagen, denn auf all das kommt es letztlich nicht an. Innehalten und einfach nur Mensch sein, z.B. ein Mensch, der sich einfach nur freut, dass liebgewonnene Personen, mit all ihren eigenen Macken und Fehlern, jetzt gerade mit ihm zusammen sind, das bringt uns wahrscheinlich selbst viel mehr als jeder Festtagsperfektionismus.
Zitat In einer völlig pathosfreien Gesellschaft, die nicht einmal einen Nationalfeiertag zustande bringt, ist es das letzte Element kollektiver Emotionen
Es sind doch gerade keine kollektiven Emotionen, sondern individuelle. Zu Weihnachten sucht man nicht die Menge, sondern die Abgeschiedenheit, Innigkeit. Dass dies viele tun, macht daraus noch nichts Kollektives. Zu Weihnachten geht der Blick nach innen, statt nach außen, und gerade das trägt dann seinen Teil zu den Konflkten bei. Bremsen, Innehalten - wer das dann wirklich halbwegs praktiziert, mitunter gezwungen, der fängt unweigerlich an, sich Gedanken zu machen über sich selbst und seine Position unter den Menschen, die ihm nahe stehen. Es gibt viele Menschen, die es nur schwer ertragen können, was aus diesen Überlegungen resultiert. Weil wir darauf nicht vorbereitet sind. Das ganze Jahr geht es ruckzuck, und wenn wir auf einmal ins Nachdenken kömmen (manche ereilt das sogar erst in ihrer letzten Stunde, als lobet Weihnachten!), sind wir plötzlich geschockt.
Weihnachten begegnen wir immer auch uns selbst. Das ist nicht totalitär, aber eine der entscheidenden Begegnungen unseres Lebens.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Vielen Dank für die klugen, treffenden Gedanken! Ich denke auch, dass die Beschäftigung mit Hegel unsere Lage klären hilft. In unserem Blog bekommen geisteswissenschaftliche (Verzeihung für das hohe Wort) Beiträge weniger Kommentare als politische und naturwissenschaftliche. Wir stecken noch sehr in der Verdauung der biologischen und zoologischen Aufklärung. Die Kirchen in Deutschland reden dabei nicht im Zentrum mit, sondern laufen mit dummen Jahrmarktsthemen hinterher wie "Mach's wie Gott, werde Mensch", "Gott bejaht den Menschen." Progressive Christen haben sozusagen in der Futterkrippe den Religionenpluralismus liegen: neben dem Jesusbaby mindestens noch einen kleinen Buddha, einen kleinen Muhammad. Was Ihr Thema betrifft,die selbstauferlegte absolute Verpflichtung der Postchristen zu einer Rest-Ethik der Familienwerte und einer Feierkultur,hat tatsächlich auch eine tröstliche Seite: Der 'Weltgeist' hat dazugelernt. Ich will in ein paar Wochen anlässlich eines Jubiläums (Tod Fichtes am 29. 01. vor 200 Jahren)Hegels Erbe weiter befragen. Danke nochmals, Ludwig Weimer
Zitat von RaysonWeihnachten ist doch eigentlich das Fest der Entschleunigung.
Mein Eindruck ist da oft ein anderer. Googlesuche nach "Weihnachtsstreß" ergibt 1,2 Mio hits . Und damit ist sicher nicht nur der vorweihnachtliche Streß gemeint. Hier auf dem Land sieht es standardmäßig so aus: Heiligabend kommen die Eltern und am 1. Feiertag steht Besuch bei den Schwiegereltern an (Reihenfolge kann variieren ). Beides wird meiner Wahrnehmung oft eher als "lästige Pflicht" erlebt, die, wenn man sie nicht erfüllt, tatsächlich zu schwerden innerfamiliären Zerwürfnissen führen kann. Es ist für viele buchstäblich undenkbar, sich mal drei Tage mit der eigenen (Kern)Familie ganz zurückzuziehen. Begleitet wird das ganze von Perfektionsstreben, das auch sonst, zu Weihnachten aber verstärkt, befriedigt werden will. Sieht der Baum auch wirklich schön auch? Letztes Jahr war er irgendwie schöner. Ist das Essen auch auf den Punkt fertig?
Ich sehe es ähnlich wie Llarian. Es ist ein Erwartungsthema. Vor allem Erwartungen an das Verhalten der anderen. Darüber hinaus, scheint mir, gibt es "alle Jahre wieder" eine Art Ist-Soll-Diskrepanz, die letztlich ein Gedächtniseffekt ist. Viele denken zu Weihnachten unbewußt (nicht freudsch gemeint) an die eigene Kindheit, an die ersten bewußt verbrachten Weihnachten zurück. Was war das für ein Hammer! Es ist für Kinder aber weder friedlich noch besinnlich; vielmehr kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus: die Lichter, die Musik und natürlich die Geschenke, all die kleinen Rituale, die Kinder so sehr lieben. Das ist früh konditioniert und "sitzt" bombenfest zwischen den Ohren. Dieser "Zauber" geht später unweigerlich verloren. Zusammen mit der "Rosaroten Brille", als Eigenschaft des Langzeitgedächtnisses, und dessen bemerkenswerter Fähigkeit, auch die damals i. d. R. ebenfalls grünen Weihnachten weiß einzufärben, kann das reale Weihnachten fast nur enttäuschen. Ich glaube, die einzige Möglichkeit, dem zu entgehen ist, dem Fest in seiner eigentlichen, sprituell-religiösen Dimension zu begegnen. Dann kann, so meine Vermutung, auch endlich die Entschleunigung einkehren, von der du schreibst. Aber das ist vielen Menschen augenscheinlich nicht gegeben.
Zitat von Doeding im Beitrag #9Mein Eindruck ist da oft ein anderer.
Dass das im Ist anders aussieht, schrieb ich ja auch. Deswegen "eigentlich".
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Post festum noch ein freundlicher Gruß in der Runde!
Aus meiner ostzonalen und konfessionslosen Erfahrung ist das Fest ein angenehmes und entspanntes Familientreffen, wo mal wieder alle beieinander sind, jung und alt, auch mal ein neues Gesicht. Reichlich traditionelle Küche, aber ohne besonderen Ehrgeiz. Insbesondere die angeheiratete Westverwandtschaft :-) scheint zufrieden.
Ein schöner Artikel, auch wenn ich den Anmerkungen des Mitglieds Rayson im Hinblick auf die Individualität des Weihnachtsfestes eher folgen möchte. Es ist wohl die Individualität des Ereignisses, die für mich das Weihnachtsfest zu einem Hoffnungsträger macht.
Das Zitat welches mich sehr ansprach in Ihrm Artikel war:
Zitat von Meister Petz im Beitrag #1...man darf sogar Millionen von Bäumen fällen, ohne Rücksicht auf den Juchtenkäfer. Wie befreiend!
Nachdem was ich bei Rayson las, wurde mir auch klar warum ich es so schön finde: Es ist "ein kleines bisschen Sieg des Individualismus über die gleichgeschaltete Weltenrettung".
Ihnen allen ein paar wunderschöne, verbleibende Tage in 2013 und einen guten Start ins neue Jahr.
Herzlichst
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Calimero im Beitrag #6Hier schlägt das Herz noch konservativ und traditionalistisch, hier lässt sich das Abendland nicht unwidersprochen dekonstruieren oder kultursensibel anpassen. Ich finde das herrlich.
Es ist ja sogar umgekehrt, daß hier sich andere ans Abendland anpassen - und zwar von Herzen gern. Die europäische, fast könnte man sagen, die deutsche Weihnacht ist ein erstaunlich erfolgreicher weltweiter "Exportartikel". Manchmal nur teilweise, meistens sehr oberflächlich rezipiert - aber es kommt immer eine sehr positive Grundstimmung rüber.
Ein besonders schönes Beispiel finde ich die Weihnachtstreffen von in Deutschland aufgewachsenen Türken in Istanbul und anderen Städten der Türkei. Da wird mit Tannenzweigen und Kerzen dekoriert, es werden Plätzchen gebacken und deutsche Weihnachtslieder gesungen. Weil das einfach so herzerwärmend schön und heimatlich ist.
Das ist etwas, daß die "Sonne-Mond-und-Sterne-Fest"- und "Jahresendflügelfigur"-Anhänger nie verstehen werden ...
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