Die Infrastruktur in Deutschland verfällt. Es wird zu wenig Geld in sie investiert. Dabei muss sie ständig unterhalten werden, man kann sich nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen.
Scheinbar wäre das in Deutschland aber nur auf Pump möglich. Das Geld würde sonst fehlen. Gerne wird diese Notwendigkeit auch als Einfallstor für Keynes und nachfrageorientierte wirtschaftspolitische Forderungen genutzt. Nun sind Investitionen auf Kredit nicht zwangsläufig schlecht, auch unabhängig vom alten Keynes. Aber warum hat Deutschland das nötig, die Schweiz dagegen nicht? Was macht Deutschland anders?
Da in der deutschen Rentenversicherung Überschüsse erwirtschaftet wurden, hätte man die Abgabenlast senken können. Wenn jemand meint, dies könne man sich nicht leisten, da der Staat ja die notwendige Grundlage für eine starke Industrie in Form von Infrastruktur schaffen muss, der Staat werde durch die "neoliberale" Wirtschaftspolitik zu lasten unserer wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit ausgeblutet, bitte, dann soll das Geld in Infrastruktur investiert werden. Geschieht aber nicht: Das Geld wird für neue Wohltaten des Wohlfahrtsstaates ausgegeben: Mütterrente, Lebensleistungsrente und Rente mit 63 trotz steigender Lebenserwartung und besserer (und teurer) Gesundheitsversorgung.
Könnte es daran liegen, das jeder Euro Überschuss, der irgendwo erwirtschaftet wird, gleich vom Wohlfartsstaat in Beschlag genommen wird?
Wenn jeder Euro an neuen Mehreinnahmen, an den die Politik herankommt, gleich in Wohltaten zur Besänftigung der Wohlfartsindustrie fliest, um danach über Geldknappheit für notwendig Investionen zu klagen und höhere Einnahmen zu fordern, die dann vermutlich auch wieder in der ausufernden Sozialindustrie oder Wohltaten versickern, um weitere Einnahmenerhöhungen zu fordern, dann wäre es fahrlässig dem Wunsch nachzugeben. Es würde nur einen Teufelskreis in Gang setzen, der unsere Wirtschaft samt unseres Wohlstandes ganz schnell aus wohlstandverwöhnter Überheblichkeit in den Orkus zieht.
Zitat Könnte es schlicht sein, das jeder Euro Überschuss, der irgendwo erwirtschaftet wird, in Deutschlang gleich von einem Wohlfartsstaat mit seiner Wohlfartsindustrie in Beschlag genommen wird, der sich auf Kosten aller anderen Staatsaufgaben immer weiter Ausbreitet?
Es ist leider so. Ich habe einige Wochen lang mit einem US-Demokraten und einem in Island lebenden italienisch-britischen Banker über Austerität und die european sovereign debt crisis diskutiert. Die beiden wollten das auch nicht begreifen - und zitierten ständig Krugman, der ja auch nicht nur denkt, dass Schulden gut sind, sondern dass mehr Schulden dann noch besser sind. Keynes mag ja durchaus in der Theorie recht gehabt haben, aber sobald er auf real existierende (deutsche) Politiker trifft, kommt eine Katastrophe raus.
Zitat Auch solchen Staatsaufgaben, ja insbesondere solchen Staatsaufgaben, die auch unter Liberalen unumstritten sind?
Aber natürlich insbesondere. Vergessen wir doch nicht, dass die wenigsten Staatsdiener und Politiker liberalen Wertvorstellungen anhängen. Liberal - insbesondere im Sinne von "nicht-etatistisch" - ist für den klassischen leitenden Staatsangestellten und den klassischen Innenpolitiker nicht gut, denn ein solches Denken könnte ihn weniger mächtig werden lassen. Also müssen auch vor allem solche Staatsaufgaben kannibalisiert werden, die "der Feind" für richtig hält. Denn damit schlägt man dann mehrere Fliegen mit einer Klappe: einer Schuldenaufnahme für Infrastruktur würde eine liberale Partei höchstwahrscheinlich im Moment auch zustimmen - und dann kann man diese schön dafür kritisieren, dass sie "umgefallen" sei. Ist der Ausbau erfolgreich, reklamiert die etatistische Partei den Erfolg für sich. Verfällt dann die Infrastruktur trotzdem, wird auf der liberalen Partei herumgehackt. Eine Win-Win-Situation für die Etatisten: in jedem Fall kann man die Liberalen vorführen.
Zitat Könnte es daran liegen, das jeder Euro Überschuss, der irgendwo erwirtschaftet wird, gleich vom Wohlfahrtsstaat in Beschlag genommen wird?
Lieber Techniknörgler,
nicht nur das, schon seit Jahrzehnten ist eine Umschichtung in den Etats zu besichtigen, die dazu führt, daß die Kernaufgaben des Staates zugunsten der Konsumption vernachlässigt werden. Dazu gehört eben nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die Verteidigung und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Man sehe sich nur die Aufklärungsquoten bei Einbruchsdiebstahl an oder das, was Einwohner in unseren östlichen Grenzgebieten erleben müssen. Fast alle Vorsorgepolster sind bereits geplündert und nun richtet sich die Begehrlichkeit bereits auf die Sparguthaben und die Vermögen der Privatleute um die Folgen der staatlichen Verschwendungssucht zu mildern. Und wieder stellt sich heraus, daß die Neuverschuldung "leider" höher ausfällt als versprochen und der Schuldenabbau auf spätere Legislaturperioden verschoben werden "muß". Wer sich da über mangelnde Glaubwürdigkeit wundert, ist nicht von dieser Welt.
Zitat Könnte es daran liegen, das jeder Euro Überschuss, der irgendwo erwirtschaftet wird, gleich vom Wohlfartsstaat in Beschlag genommen wird?
Aber, aber, lieber Techniknörgler, über diesen Zustand sind wir doch längst hinaus. Schon lange wird der Wohlfahrtsstaat auch ohne jegliche Form von "Überschuss" immer weiter bedient.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Ich hätte dazu eine Frage. Bei der Infrastruktur wird ja fast nur von Mängeln in den sog. alten Bundesländern gesprochen. Nun ist ja mit erheblichem Aufwand der ganz erhebliche Infrastrukturmangel in den neuen Bundesländern angegangen worden und dazu sind ja auch Mittel umgelenkt worden.
Kann es nicht sein, daß es im Westen diese Mängel gibt, weil die Gelder in den Osten umgelenkt wurden um dort die Verwüstungen des RealExSoz auszugleichen??
Zitat von AldiOn im Beitrag #5Ich hätte dazu eine Frage. Bei der Infrastruktur wird ja fast nur von Mängeln in den sog. alten Bundesländern gesprochen. Nun ist ja mit erheblichem Aufwand der ganz erhebliche Infrastrukturmangel in den neuen Bundesländern angegangen worden und dazu sind ja auch Mittel umgelenkt worden.
Kann es nicht sein, daß es im Westen diese Mängel gibt, weil die Gelder in den Osten umgelenkt wurden um dort die Verwüstungen des RealExSoz auszugleichen??
Zum Teil ja, das wird auch in dem Artikel der Washington Post angesprochen.
Das erklärt aber nur die Vernachlässigung auf Kosten der westdeutschen Infrastruktur in der Vergangenheit, die sich nun in den letzten 8 Jahren in einem wahrnehmbaren Zerfall niedergeschlagen hat.
Die heutige (und zukünftige) Vernachlässigung rechtfertigt das nicht. Die hat andere Ursachen.
Es mag ja in Deutschland tatsächlich ein Infrastruktur-Problem geben.
Die Quelle für diese Aussage (bzw. deren Methodik) finde ich aber zweifelhaft.
Wenn ich die Methodik des WEF richtig verstanden habe, dann basiert die Beurteilung fast ausschließlich auf einer Befragung. Die Befragten stammen aus dem jeweiligen Land. Es werden also Deutsche nach ihrer Meinung zur deutschen Infrastruktur gefragt und Südkoreaner zur südkoreanischen Infrastruktur.
(Typische Frage: "Port facilities and inland waterways in your country are (1=underdeveloped) .... (7=as developed as the world's best)"
Das große Problem dabei ist, dass es keinen einheitlichen Bewertungsmaßstab gibt. Was Südkoreaner ganz toll finden, mag aus Sicht der Deutschen eine Katastrophe sein. Oder umgekehrt. Oder vielleicht ist die deutsche politische Kultur auch nur einfach selbstkritischer?
Zweites Problem: Es ist mir nicht klar, in wie weit die verschiedenen Jahres-Studien intertemporal vergleichbar sind. Sofern z.B. in Deutschland in 2013 andere Leute gefragt wurden als 2006, könnte eine gemessene Verschlechterung auch einfach an einem schwankenden Beurteilungsmaßstab liegen. (Vielleicht war 2013 der Anteil der Logistik-Unternehmer unter den Befragten höher als 2006? Diese würden die Infrastruktur ggf. kritischer beurteilen als sagen wir mal Uni-Professoren).
Drittens: Objektiv messbare Kriterien (sagen wir mal: durchschnittliches Alter des Straßennetzes, Investition pro Straßenkilometer, etc.) gibt es in der Studie nicht. Sondern fast nur Befragungen. Eine Befragung liefert aber immer nur subjektive Eindrücke. Und nicht jeder ist auf jedem Gebiet ein Experte. Von den befragten Deutschen dürfte z.B. kaum jemand sich schon mal mit der deutschen Binnenschifffahrt beschäftigt haben. Geschweige denn diese mit der besten der Welt vergleichen können. Das dürfte wahrscheinlich sogar jemand überfordern, der von Beruf Binnenschiffer ist.
Wenn man von diesen massiven Problemen der Methodik absieht, dann würde ich im übrigen auch die Schlussfolgerung nicht teilen. Deutschland hat also nach dieser Studie die 10.beste Infrastruktur der Welt. Das ist grundsätzlich mal ein sehr, sehr guter Wert und ganz sicher kein Krisen-Symptom. Ok, vom extrem guten 3.Platz 2006 ist man etwas abgerutscht. Das kann aber auch daran liegen, dass andere besser geworden sind. Eine objektive absolute Verschlechterung der deutschen Infrastruktur mag es zwar vielleicht geben. Aus den Studienergebnissen kann man das aber nicht ableiten.
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