Chesterton meinte ja: "Journalism largely consists in saying "Lord Jones Dead" to people who never knew Lord Jones was alive" (in: The Wisdom of Father Brown [1914]).
In diesem Fall dürfte das für gefühlte 99,999+ % des Publikums zutreffen, obwohl John Dobson bei den Amateurastronomen (altfränkisch "Sternfreunden") eine Legende war, also bei denen, für die Teleskope dazu da sind, hindurchzuschauen. (Auf diese Idee würde ein professioneller Astronom niemals verfallen.) Eine der Schzwierigkeiten in diesem Metier ist, daß es Aufgabe der Optik, also der Linsen und/oder Spiegel, ist, mglichst viel schwaches Sternenlicht zu bündeln und somit für das menschliche Auge hinreichend zu verstärken. Die Professionellen haben es in dem Punkt kommoder, weil sie diese Aufgabe an Kameras delegieren können, mit denen man leicht stundenlang, im Weltraum sogar tagelang belichten kann. (Die "deep field"-Aufnahmen des Hubble Space Telescope, auf denen Galaxien bis hinunter zur 28-29ten Größenklasse sichtbar sind, haben bis zu einem vollen Monat Belichtungszeit angesammelt.)
Der Nachteil liegt darin, daß die Optik mit wachsendem Durchmesser exponentiell an Gewicht & Unhandlichkeit zunimmt; so daß größere Amateur-Teleskope von mehr als 12 oder 15 Zentimetern "freier Öffnung" der Logistik & Fuhrmöglichkeiten eines Transportunternehmers bedürfen; zu allem Überfluß braucht man für diese Leidenschaft auch noch einem Himmel fernab von der Lichtglocke moderner Ortschaften. Dafür haben moderne Ausführungen automatische Nachführungen & richten sich selbst auf Befehl aus; mittels GPS.
Dobsons Verdienst war, daß er mit einem schlichten Kniff denen zuhilfe kam, denen an all dem technishcen Schnickschnack nichts gelegen war & möglichst "viel Licht" begehrten ("aperture fever" heißt das im Englischen): dei der sogenannten "Dobson-Montierung" besteht des Teleskop allein aus einem leichten Tubus, an dessen Ende der schwere Spiegel tief über den Boden liegt, einem kistenförmigen Podest als Drehlager & der leichten Sekundaroptik an "anderen Ende des Rüssels" (frei nach Matthias Politycki). Das ist zwar das genaue Gegenteil von Hightech, ermöglicht es ehrgeizigen Amateurastronomen, über Teleskope mit einem Spiegeldurchmesser bis zu 50 Zoll zu verfügen; für die anderen ergibt sich der Vorteil eines unübertroffenen Preis-Leistungs-Verhältnisses.
Die Unkonventionalität mag mit der Lebensgeschichte zusammenhängen: Dobson war studierter Chemiker & schulte dann, ganz wie man sich "the California way of life" verstellt, mit Ende 20 auf Vedanta-Mönch um, fing aber an, seine Teleskope zu bauen, was ihn 1967 vor den Wahlzwang stellte, sich zwischen dem Betrachten ferner Sterne & der Kontemplation des eigenen Nabels entscheiden zu müssen (er optierte für ersteres), & widmete sich seitdem der Aufgabe, möglichst vielen Leuten, die nie im Leben auf den Gedanken gekommen wären, einen Blick durch ein Teleskop zu werden, ein solches umwerfendes Schlüsselerlebnis zu verschaffen, indem er in San Francisco die Amateurvereinigung der Sidewalk Astronomers gründete.
ZitatLA Times ____________ "He hitchhiked to San Francisco, where he began teaching and setting up his telescopes on street corners. With the air of a carnival barker, he enticed passersby to look deeply into the heavens. "Come see the sun!" he shouted, sometimes while twirling a lariat.
Brusque and witty, he explained the cosmos in easily understood terms. "If the sun were the size of a basketball," he often said, "Jupiter would be the size of a grape, and the Earth would be the size of a very small grape seed."" ____________
Ebenfalls mit der Philosophie des Vedanta mag zusammenhängen, daß Dobson sich nie mit der Theorie des Urknalls anfreunden konnte, sondern eine besonders schräge Variante der Steady-State-Theorie entwickelte, die ein ewiges Universum (& Leben seit Ewigkeit) postuliert. Die Tatsache, daß er damit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch lag, hat ihn niemandes Respekt gekostet. Wir lernen: bei richtig betriebener Wissenschaft ist es völlig egal, ob jemand Recht hat oder nicht (außer wohl für den entsprechenden Jemand).
Am vergangenen Mittwoch ist John Dobson im Alter von 98 Jahren gestorben. Hier ein deutscher Nachruf. Hier einer auf Amerikanisch; und ein optischer Eindruck.
Nb: Die "Astronomie als Liebhaberei" zum Beruf gemacht, scheint gesundheitsfördernd. Arthur C. Clarke (1917-2008), der ja nicht nur SF schrieb & den geostationären Satellitenorbit erfand, wurde 91; Chesley Bonestell (1888-1986), der die Darstellung astronomischer Sujets revolutionierte, 98. (Nur Architekten werden älter; die werden scheints allesamt über 100.) Vielleicht ist das geduldige Ausharren in nüchterner Nachtkälte leicht gesundheitsfördernder als ?
PS: Das Chesterton-Zitat im Zusammenhang: es handelt sich um die Erzählung "The Purple Wig" & die Gesamtsequenz lautet: "I know it is the practice of journalists to put the end of the story at the beginning and call it a headline. I know that journalism largely consists in saying "Lord Jones Dead" to people who never knew that Lord Jones was alive. Your present correspondent thinks that this, like many other journalistic customs, is bad journalism; and that the Daily Reformer has to set a better example in such things. He proposes to tell his story as it occurred, step by step. He will use the real names of the parties, who in most cases are ready to confirm his testimony. As for the headlines, the sensational proclamations—they will come at the end."
vielen Dank für diesen Hinweis. In diesem Fall haben Sie zumindest einen Leser gefunden, der den Namen Dobson kannte, allerdings der Meinung war, dessen Träger sei schon längst tot.
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