Das wurde kürzlich in Bezug auf das Nazi-Regime gefragt; es wurde in Bezug auf die DDR gefragt. Die Antworten mögen auf den ersten Blick erschreckend sein. Ich glaube aber, daß sie keinen Grund zur Besorgnis geben.
Äußerungen, dass unter den Nazis und der SED nicht alles schlecht war, muss man am laufenden Bande erleben. In Bezug auf die DDR habe ich sogar den Eindruck, dass dies kein Tabou ist. Mich lassen solche Bemerkungen regelmäßig erschaudern. Nicht weil ich häufig den Eindruck habe, die Menschen wünschen sich das jeweilige Regime wieder, sondern weil deutlich wird, es wurde nicht begriffen, dass man Dikaturen in der Gesamtheit betrachten muss. Man kann nicht einen Punkt losgelöst rauspicken, da jedes einzelne Teilchen ein Rädchen im Getriebe war.
Der viel beschworene menschliche Zusammenhalt in der DDR ist für sich betrachtet sicher schön gewesen. Aber warum gab es den? Diesen gibt es immer, wenn Menschen unterdrückt werden. Zu sagen, man fand den menschlichen Zusammenhalt gut, beinhaltet damit auch die Unterdrückung, ohne die es den Zusammanhalt nicht in der Form gegegeben hätten.
Das ist es, was diese Aussagen, selbst wenn der Gegenstand etwas an sich unverfängliches ist, so gefährlich macht. Etwas unter einer Diktatur zu loben, zieht immer nach sich, dass man die Dikatur relativiert. Weil eben einzelnen Punkte nicht losgelöst betrachtet werden können.
Hi Zettel, die Fragestellung fand ich so unverfroren, daß ich mir den "Stern" kaufte. Der Chefredakteur ist nicht gerade mein Liebling, aber er bekam die Kurve in Sachen Rechte auf Meinung - und im Laufe des Artikels selbst kam auch reichlich heraus, daß es überhaupt nicht um gute oder schlechte Systemfragen geht, sondern um die Möglichkeit, es sich doch einigermaßen gut einrichten zu können.- Und das lief voll ab: Da hatten "drüben" alle ihre Datscha und sich bei Bedarf voll innerlich abgemeldet. Die Nostalgie kommt deshalb auf, weil jetzt alle flexibel sein sollen und sein müssen. Da gibt jeder zu, daß sie vor der Wende alle mehr in Ruhe lebten und voll das Bewußtsein hatten, etwas geleistet zu haben. Grüßchen, Inger
Ich meinte damit, ich haben ganz selten den Verdacht, dass jemand diesen Zeiten hinterher trauert. Es ist meistens deutlich, diese Systeme werden abgelehnt.
volle Zustimmung zu diesem Beitrag. Die Fragestellung des Stern ist bemerkenswert suggestiv formuliert. Wer halbwegs logisch denkt und hier ehrlich antwortet, müßte eigentlich automatisch beim "Ja" landen. Nur weil doch viele Leute den Braten gerochen haben und sich wohl schon dachten, daß sie damit unter die Nazis gepackt würden, sind "nur" 25% rausgekommen.
Die ganze Geschichte ist höchst peinlich und journalistisch unterste Schublade.
Nach meinem kleinen Ausflug zu Frau Eva Herman im anderen Beitrag, ahnte ich ja schon, dass dieses Thema nun auch kommen müsse. Aber es ist absolut richtig, es musste tatsächlich kommen.
Meine Meinung hierzu ist folgende:
Deutschland hat auch 60 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges nicht gelernt, mit den damaligen Ereignissen, die heute nur noch geschichtliche Ereignisse sind, neutral und sachlich umzugehen. Ich behaupte, mindestens 80% der deutschen Bevölkerung hat eine schwere Psychose, in Form eines von Generation zu Generation weitergegeben Schuldkomplexes, wenn es um irgendein Thema geht, bei dem es auch nur im Entferntesten um das Dritte Reich geht. Dies muss man einkalkulieren, denn jede Befragung zu diesem Thema führt in jedem Fall in die Irre, so oder so.
Zur Befragungen selber: ich halte schon die Fragestellung für völlig missglückt, jedenfalls dann, wenn man den Autoren unterstellt sie wollten eine ehrliche Antwort haben, sie lautete:
"Hatte der Nationalsozialismus auch seine guten Seiten (Bau der Autobahnen, Beseitigung der Arbeitslosigkeit, niedrige Kriminalität, Förderung der Familie)?"
Bei dieser Fragestellung wird ja automatisch impliziert, dass das System positives getan hätte.
Besser wäre es gewesen man hätte gefragt in der Art: „ hat es zur Zeit des Nationalsozialismus auch positive Entwicklungen gegeben?“
Damit verknüpft sich eine positive Entwicklung nicht so unmittelbar mit dem politischen System.
Wie auch immer, Fakt ist, es hat natürlich auch positive Entwicklungen in der damaligen Zeit gegeben. Die Familie, Mütter und Kinder hatten selbstverständlich einen sehr viel höheren Stellenwert als das heute der Fall ist. Es ist auch eine völlig fehlgeleitete Kritik, wenn angemerkt wird, dass das politische System der Nationalsozialisten Kinder nur wegen des Krieges hofierte. Die Aussage ist zwar richtig, ändert aber nichts am positiven Familienbild.
Ganz abgesehen davon verbindet auch unser heutiger demokratischer Staat mit seinem Förderprogrammen für Kinder ideologische Gründe, zum Beispiel die Renten.
Ebenso verhält es sich mit den schon vielfach angesprochenen Autobahnen. Der Bau dieser Schnellstraßen war positiv, die Gründe für den Bau aber natürlich auch alles andere als friedlich, sondern es war die Vorbereitung der Militärtransporte gen Osten für den Krieg.
Dennoch profitieren wir heute von den damals schon gebauten Autobahn.
Auch Forschung und Wissenschaft hatte zur Zeit der Nationalsozialisten einen extrem hohen Stellenwert und es sind extrem viele Erfindungen in Deutschland von deutschen Forschern zu dieser Zeit gemacht worden. Diese damaligen Forschungsergebnisse waren absolut positiv und nützen der Wissenschaft weltweit bis heute, auch hier war es selbstverständlich nicht so, dass man der Wissenschaft einen Gefallen tun wollte, sondern man versuchte sich einen Vorteil im Krieg zu beschaffen.
Und so gibt es sicherlich jede Menge weiterer Beispiele.
Es ist also reiner Unsinn pauschal zu behaupten alles zur damaligen Zeit sei schlecht gewesen, bestimmte Entwicklungen waren durchaus positiv, wenn auch eben nicht uneigennützig. Eine pauschale Abwertung der damaligen Zeit wird der Sache genauso wenig gerecht wie die Behauptung das alte Preußen sei ausschließlich ein reiner Kriegstreiberstaat gewesen.
Es ist nach meiner Ansicht auch falsch nur deshalb bestimmte Aspekte die positiv waren unter den Tisch fallen zu lassen, weil sie in einer Diktatur geschahen und man glaubt wenn man die positive Dinge erwähnt, würde man deshalb die Diktatur beschönigen. Man kann nach meiner Ansicht einfach nur die Einzelfakten bewerten.
Wichtig ist vielmehr, dass im täglichen Leben und in der Politik die völlig unangebrachten Emotionen beim Thema Drittes Reich rausgenommen werden, man diese gesamte Diskussionen in die Hand von Profis legt, das sind eben Historiker und dass man endlich anfängt die Zeit neutral zu bewerten, in ihrem ganzen Spektrum, aber eben sachlich und nicht emotional.
Davon ist Deutschland allerdings meilenweit entfernt, die gesamte übrige Welt geht mit diesem Thema sehr viel neutraler um.
Die Zeit des Nationalsozialismus muss historisch verstanden werden, das bedeutet nüchtern analysiert werden, um daraus zu lernen und Schlüsse zu ziehen. In Deutschland hat man nach dem Zweiten Weltkrieg genau das Gegenteil getan. Auf Grund der Schuldkomplexe hat man die Zeit möglichst totgeschwiegen, was soweit ging, dass der Geschichtsunterricht selbst in den Gymnasien bei der Weimarer Republik endete und erst wieder mit Gründung der NATO weiter ging. Zu meiner Gymnasiumszeit, sechziger Jahre und Anfang der siebziger war dies so, ob es heute noch so ist weiß ich nicht.
Wie auch immer, eine solche Handhabung der Geschichte ist äußerst gefährlich, weil das Wissen um die Geschehnisse von Generation zu Generation abnimmt, weil die Fakten gar nicht mehr gelehrt werden und logischerweise die Zeitzeugen, die noch etwas privater dazu sagen könnten, aussterben.
Auch das heutige Problem der Neonazis halte ich für ein Folgeproblem dieser Geschichtslosigkeit, mit gefährlichen Aspekten.
Die Forderung muss also klar lauten, Beendigung des Schuldkomplexes, saubere historische Aufarbeitung, und klare sachliche Lehrpläne an den Schulen, die den Nationalsozialismus genauso nüchtern aber präzise abarbeiten, wie die Französische Revolution.
Zitat von Stefanie GallaMich lassen solche Bemerkungen regelmäßig erschaudern. Nicht weil ich häufig den Eindruck habe, die Menschen wünschen sich das jeweilige Regime wieder, sondern weil deutlich wird, es wurde nicht begriffen, dass man Dikaturen in der Gesamtheit betrachten muss.
Vollkommen einverstanden. Ich habe das in dem Artikel mit Unterschieden in der "Tiefe der Analyse" auszudrücken versucht.
Zitat von Stefanie GallaZu sagen, man fand den menschlichen Zusammenhalt gut, beinhaltet damit auch die Unterdrückung, ohne die es den Zusammanhalt nicht in der Form gegegeben hätten.
So ist es. Und die "KdF-Reisen" und die "FDGB-Reisen" waren jeweils den Systemtreuen und Angepaßten vorbehalten. In den Kinderkrippen wurde indoktriniert. Die "Förderung der Familie" bedeutet zugleich, daß Frauen die Emanzipation verwehrt wurde. Die "Friedenspolitik" der DDR war in Wahrheit eine Militarisierung der ganzen Gesellschaft; schon die Pioniere wurden ja teilweise prämilitärisch gedrillt. Und so fort.
Zitat von Stefanie GallaEtwas unter einer Diktatur zu loben, zieht immer nach sich, dass man die Dikatur relativiert. Weil eben einzelnen Punkte nicht losgelöst betrachtet werden können.
Es ist nur halt nicht ganz einfach, zu dieser Einsicht zu kommen. Solche Zusammenhänge müßten in der Schule, müßten in den Medien wohl ausführlicher behandelt werden. Und freimütig diskutiert.
Zitat von Ingerdie Fragestellung fand ich so unverfroren, daß ich mir den "Stern" kaufte.
Ja, so geht's - am Ende hat der "Stern" auch noch an meiner Kritik Geld verdient.
Zitat von IngerDa hatten "drüben" alle ihre Datscha und sich bei Bedarf voll innerlich abgemeldet. Die Nostalgie kommt deshalb auf, weil jetzt alle flexibel sein sollen und sein müssen.
Es ist, liebe Inger, glaube ich so wie oft, wenn Ersehntes plötzlich Realität wird.
Der "Westen", das war nach meinem Eindruck ein fern-nahes Paradies; irgendwie unwirklich. Der Reichtum, die Freiheit, diese ganze Glitzerwelt (wie Westberlin sie ja auch regelrecht darzustellen versuchte). Das eigene, das richtige Leben der DDR-Bürger dagegen war grau, bescheiden, aber halt real und auch - wenn man sich anpaßte, wenn man sich verhaustieren ließ - gar nicht mal so schlecht. In Unmündigkeit gehalten zu werden hat auch seine angenehmen Seiten.
Und dann wurde man sozusagen mit einem kräftigen Stoß ins Paradis befördert. Einerseits war es noch überwältigender, als man es sich vorgestellt hatte (wir sind Weihnachten 1989 mit unseren Verwandten durch die Warenhäuser gegangen, und sie konnten es nicht fassen). Andererseits erfuhr man dann zunehmend die andere Seite des Kapitalismus: Konkurrenz, Leistungsdruck, Lebensrisiko. Die einen packten das und sind jetzt zufrieden; die Mehrheit. Aber eine Minderheit hat es nicht gepackt und trauert jetzt der bescheidenen Sicherheit in der DDR nach.
Zitat von IngerDa gibt jeder zu, daß sie vor der Wende alle mehr in Ruhe lebten und voll das Bewußtsein hatten, etwas geleistet zu haben.
Das ist wohl ein wichtiger Aspekt. Die DDR hatte ja - auch das natürlich Ausdruck der Unmündigkeit der Bürger - ein gewaltiges Belohnungssystem entwickelt. Ich habe mal eine Sendung über Orden und Auszeichnungen in der DDR gesehen. Man mußte offenbar schon sehr dämlich sein, um nicht irgendwo geehrt, ausgezeichnet, belobigt zu werden. Ersatz natürlich dafür, daß Leistung sich ansonsten kaum lohnte.
Immerhin, das schuf wohl schon einen gewissen Stolz. Hinzu kam der nicht unerhebliche Stolz, besser zu leben als die "Brüder" im Warschauer Pakt. Das ist jetzt weg, und aus den Besten im Sozialistischen Lager sind die Schlechtesten in der Bundesrepublik geworden. Nicht einfach.
Zitat von M.Schneiderich halte schon die Fragestellung für völlig missglückt, jedenfalls dann, wenn man den Autoren unterstellt sie wollten eine ehrliche Antwort haben, sie lautete: "Hatte der Nationalsozialismus auch seine guten Seiten (Bau der Autobahnen, Beseitigung der Arbeitslosigkeit, niedrige Kriminalität, Förderung der Familie)?" Bei dieser Fragestellung wird ja automatisch impliziert, dass das System positives getan hätte. Besser wäre es gewesen man hätte gefragt in der Art: " hat es zur Zeit des Nationalsozialismus auch positive Entwicklungen gegeben?"
Das wäre sicher besser gewesen. Noch besser wäre es in einem solchen Fall, statt eines Statements, das man nur bejahen oder ablehnen kann, Alternativen zur Auswahl zu stellen. Hier also etwa:
1. Der Nationalsozialismus hatte keine guten Seiten. Was er scheinbar Positives geleistet hat, wurde durch seine negativen Seiten erkauft.
2. Der Nationalsozialismus hatte auch gute Seiten, war aber insgesamt eine verbrecherisches System.
3. Der Nationalsozialismus hatte seine gute Seiten, weil diese Weltanschauung auch positive Inhalte hatte.
Die Art, wie stattdessen Forsa gefragt hat, ist kein Ruhmesblatt für dieses Institut. Für mich ist damit seine Seriosität in Frage gestellt.
Ich glaube auch, wie hier jemand geschrieben hat, daß das bei der DDR weniger tabu ist, was - zusammen mit der zeitlichen Nähe, die höhere "Zustimmung" zur DDR miterklären dürfte.
Die Fragestellung ist suggestiv, nicht nur durch die mitgelieferten Antworten, sondern auch weil ja unscharf vom "Nationalsozialismus" geredet wird. Ist damit die Ideologie, das Regime oder einfach die Zeit 1933-45 gemeint?
Ein Phänomen scheint mir noch erwähnenswert: viele wollen mit solchen Angaben ausdrücken, daß sie unter diesem oder jenem System auch ihr Leben gelebt haben. Dies ist ein Signal für die Grenzen der Durchsetzung der jeweiligen totalitären Ideologie, denn diese verlangt ja eigentlich die vollkommene innere Zustimmung. Ist nun nicht aber ein posthumer Totalitarismus, wenn nach dem Abgang der jeweiligen Dikataturen, solche Antworten als Zustimmung zum System (sei es Nazismus oder Kommunismus) gewertet wird?
Von der hochphilosophischen Frage, ob das Schlechte oder Böse ohne das Gute überhaupt existieren kann, mal ganz abgesehen.
erstmal Glückwunsch nicht nur zu deinem wie immer gelungenen Beitrag, sondern auch zur Qualität der bisherigen Kommentare.
Mal abgesehen von der Umfrage, die ihr gewünschtes Ergebnis nicht deutlicher hätte mitteilen können, scheinen sich mir die Zustimmungen vor allem aus zwei Quellen zu speisen: Missverständnis und Unwissen.
Missverständnis, was die Frage angeht: Wenn ich auf "War in XY alles schlecht?" an Dinge denke, die völlig unabhängig und unbehelligt von der in XY herrschenden Ideologie (und selbst die "totalitären" konnten nicht alles durchdringen) vonstatten gingen und die Frage deswegen verneine, habe ich zwar logisch gesehen recht, die Antwort wird aber anders interpretiert, weil der Ideologie zugeschrieben. Eine deutlichere Formulierung wäre da hilfreich.
Unwissen, was die Logik von Ideologien betrifft. Da gibt es nämlich nichts à la carte, da bekommt alles im ideologischen Zusammenhang erst seinen Sinn. Die "Errungenschaften" der Ideologien erweisen sich schnell als deren Stützen, als unverzichtbare Teile im "Gesamtkunstwerk". Es gibt eben zig gute Gründe, warum diese in Demokratien nicht verwirklicht wurden. Im Wesentlichen, weil letztlich die Menschen, wenn sie sich frei entscheiden können, auch andere Varianten wählen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
"Etwas unter einer Diktatur zu loben, zieht immer nach sich, dass man die Dikatur relativiert. Weil eben einzelnen Punkte nicht losgelöst betrachtet werden können."
Hm... wenn´s danach geht,müsste ja auch das 1936 eingeführte Kindergeld dämonisiert und abgeschafft werden....
Zitat von RaysonUnwissen, was die Logik von Ideologien betrifft. Da gibt es nämlich nichts à la carte, da bekommt alles im ideologischen Zusammenhang erst seinen Sinn. Die "Errungenschaften" der Ideologien erweisen sich schnell als deren Stützen, als unverzichtbare Teile im "Gesamtkunstwerk". Es gibt eben zig gute Gründe, warum diese in Demokratien nicht verwirklicht wurden. Im Wesentlichen, weil letztlich die Menschen, wenn sie sich frei entscheiden können, auch andere Varianten wählen.
Das sehe ich exakt genauso. Ich habe es schon in der Antwort auf einen anderen Beitrag geschrieben: Diese Einsicht, daß man sich aus dem, was du "Gesamtkunstwerk" nennst, nicht sozusagen die besten Stellen heraussuchen, sich nicht die Rosinen aus dem Kuchen picken kann (wenn's denn Rosinen sind und nicht eher eingebackene Kieselsteine) - diese Einsicht ist ja nicht trivial.
Da muß man geschichtliches, gesellschaftliches Verständnis haben; die Kenntnis von Zusammenhängen.
Und daran hapert's wohl. Ich habe keine Ahnung, wie es heute im Geschichtsunterricht in den Schulen zugeht. Zu meiner Schulzeit wurde das Dritte Reich (entgegen einer weitverbreiteten Meinung) zwar nicht ausgespart (jedenfalls nicht in den Schulen, auf denen ich war). Aber es wurde wenig Verständnis für das Funktionieren eines totalitären Herrschaftssystems geweckt; auch die Ähnlichkeiten zwischen der realsozialistischen und der nationalsozialistischen Variante des Totalitarismus kamen kaum zur Sprache.
Das ist natürlich immer ein schmaler Grat. Die Schule darf nicht indoktrinieren, aber sie soll Verständnis für Zusammenhänge wecken. Nur, was ist, wenn das, was du und ich als Verständnis sehen, von anderen als Indoktrination verstanden wird?
Es gibt ja sogar nicht wenige kluge Leute, die bestreiten, daß Kommunismus, Faschismus und Nazismus überhaupt drei Spielarten des Totalitarismus waren, die sich nur in Nuancen unterschieden. Und daß heute der Islamismus als vierte Spielart hinzugetreten ist.
es hat ja nunmal eben nichts mit "Nazi-Verherrlichung" oder "Nazi-Verharmlosung" zu tun, wenn man Leistungen aus dem Dritten Reich herausstellt, die, wenn auch in abgewandelter Form, auch heute noch Bestand haben.
- Autobahnen... laut Schleimschnecke Kerner "gehen die nicht" (schonmal ne gehende Autobahn gesehen ? Wat´n Vollpfosten ). Nix geht, was nicht ins eigene Weltbild passt, und es kann nicht sein, was nicht sein darf. OK, die Autobahnen waren keine "Erfindung" des 3. Reichs - die Avus wurde schon in den 20´ern gebaut - aber seit ´33 fand der Bau eines Teils der Autobahnen statt, die auch heute noch genutzt werden. Nun kann man darüber diskutieren, daß sie als schnelle Nachschublinien und damit zur Kriegsvorbereitung dienten. Allerdings... Autobahnen sind auch heute schnelle Nachschublinien; sollte es bei uns nochmal Krieg geben, wird man dort hauptsächlich Militärfahrzeige fahren sehen, bestenfalls noch Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr.
- Düsenflugzeuge... hier wurde ein Großteil der Pionierarbeit im 3. Reich geleistet. Auch hier für kriegerische Zwecke, wie die Me 262. Dennoch aber werden sie heute sowohl militärisch als auch zivil genutzt.
- Raketen... wo wären die USA ohne Wernher von Braun ?
- Kindergeld. 1936 eingeführt. Wer unter 185 Reichsmark verdiente, bekam eine staatliche Unterstützung von 10 Euro, ab dem 5. Kind. Mittlerweile abgewandelt und ab dem 1. Kind gezahlt, aber die Sozialleistung Kindergeld besteht nach wie vor.
- Ehegattensplitting. 1891 eingeführt, 1920 wurde das Prinzip der gemeinsamen Veranlagung abgeschafft, 1934 wieder eingeführt. 1951 fortgeführt und zwangsweise geändert, nachdem das BVerfG das Gesetz erstmal einkassiert hat. Seit 1957 wieder in Kraft, diesmal verfassungskonform.
Wer weiß, vll. kommen künftige Regierungen noch auf die Idee, das Ehestandsdarlehen wieder einzuführen .
Hallo! Die Debatte kratzt ein bissel an der Oberfläche des Themas. Also mal umgedreht das Ganze: Waren Autobahnbau, Familienpolitik, Technologieförderung, etc. spezifische Leistungen des Nazisystems? Waren Kinderbetreuung usw. spezifische Leistungen der DDR-Diktatur? War dazu jeweils eine totalitäre Ideologie notwendig, um solche Dinge zustande zu bringen? Natürlich nicht! Diese Gegebenheiten waren keine Spezifika der beiden Diktaturen. Genausogut könnte man sagen: Aber das Bier seinerzeit, erste Sahne! Und der Käsekuchen bei den Genossenschaftsfeiern! Das Spezifische beider deutscher Diktaturen waren da doch andere Dinge... Im Übrigen wundert es mich, dass sich manche Mythen zäh halten, z.B. Familienförderung der Nazis war prima. Es gab da kleine Fußnoten: Die Familien-Darlehen wurden u.a. auch unter dem Aspekt der "Rassehygiene" vergeben. Was dazu führte, dass man die angestrebte "Bestandsvermehrung" der "Herrenrasse" gefährdete. Dies führte dann zu Dingen wie "Ehemündigkeitserklärung" für Frauen unter 16 Jahren, "Volksnotehe" (die Zweitfrau wird möglich), Lebensborn, Förderung auch unehelicher Kinder bei "rassisch und erblich hochwertigen" Frauen. Familienpolitik war Rassenpolitik. Autobahnen: 1926 gab´s schon die HAFRABA, eine Gesellschaft die eine Autobahn von HAmburg über FRAnkfurt nach BAsel plante. Hitler hat sie nach seiner Machtübernahme einfach verstaatlicht und konnte mit fertigen Plänen loslegen. Dass er seine Autobahnen zügig bauen konnte, lag, u.a., daran dass die notwendigen Genehmigungsverfahren aus gewissen Gründen wenige Probleme bereiteten. Buchempfehlung zum Thema: Als Hitler die Atombombe baute. Lügen und Irrtümer über das Dritte Reich. von Friedemann Bedürftig. Gibt´s derzeit billig als Restexemplar bei http://www.jokers-online.de Was stört mich noch an der "früher war alles besser" -Debatte in unserer Öffentlichkeit? Man kapriziert sich vor allem auf die Nazis, wobei die Neonazis eher noch eine gesellschaftliche Randgruppe sind. Sie treten immer noch zu dumm und plump auf, sind leicht durchschaubar. Was die Ex-DDR und ihre Epigonen angeht, so sind diese schon längst wieder salon- und mehrheitsfähig. Bei der Darstellung der DDR in den Medien und bei der öffentlichen Wahrnehmung der DDR, dank des Wirkens der Medien, hat man manchmal den Eindruck "DDR" war BRD minus Bananen minus Mallorca. Hier verschwindet ein Unrechtsstaat komplett hinter dem diffusen Schleier von "Es war ja nicht alles schlecht". Mischa Wolff war kein Massenmörder mehr sondern ein talkshowfähiger Kochbuchautor. Dass der Stasi-Knast auch nicht besser war als der Gestapo-Knast, scheint völlig vergessen zu sein. Dass die Stasi eine etwa sieben mal höhere (offizielle) Spitzeldichte hatte als die Gestapo (zitiert aus o.g. Buch), hat mich doch sehr überrascht. Man könnte dies noch fortführen. Angesichts des politischen Einflusses von "DIE LINKE", sollte man sich mal ein bissel mehr um die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit kümmern. Ich finde es beispielsweise auch sehr erstaunlich, dass Ex-Gewerkschafter in einer Partei sind, deren Mutterpartei SED die Gewerkschaften gleichgeschaltet hatte. War bei den Nazis nicht anders. Oder dass manche Kreise der SPD gerne mit "DIE LINKE" paktieren würden, bzw. dies schon tun. Kurt Schumacher sah das noch anders. Für ihn waren die SED-Genossen noch "rotlackierte Faschisten".
vielen Dank, daß Sie sich noch ein mal die Mühe gemacht haben, auf diesen geradezu selbstverständlichen Sachverhalt hinzuweisen! Ich kann's mittlerweile nur noch mit Sarkasmus ertragen. Natürlich sind Autobahnen kein genuiner Beitrag des Faschismus - es gibt erheblich effizientere politische Organisationen, deren Bau zu ermöglichen! Aber daß ihre Existenz immer noch ursächlich mit Hitler verschmolzen wird ist doch ein Zeichen für einen ziemlich weit verbreiteten ökonomischen Unschuldszustand.
Zitat von F. HoffmannWas stört mich noch an der "früher war alles besser" -Debatte in unserer Öffentlichkeit? Man kapriziert sich vor allem auf die Nazis, wobei die Neonazis eher noch eine gesellschaftliche Randgruppe sind. Sie treten immer noch zu dumm und plump auf, sind leicht durchschaubar. Was die Ex-DDR und ihre Epigonen angeht, so sind diese schon längst wieder salon- und mehrheitsfähig. Bei der Darstellung der DDR in den Medien und bei der öffentlichen Wahrnehmung der DDR, dank des Wirkens der Medien, hat man manchmal den Eindruck "DDR" war BRD minus Bananen minus Mallorca. Hier verschwindet ein Unrechtsstaat komplett hinter dem diffusen Schleier von "Es war ja nicht alles schlecht".
Das sehe ich genauso. Man hat der Adenauer-Zeit oft vorgeworfen, daß damals die alten Nazis wieder in Ämter kamen, daß man nicht hinreichend versuchte, die Nazi-Zeit aufzuarbeiten. Beides ist heute in Bezug auf die DDR viel schlimmer.
Daß ein Spitzenmann der DDR-Nomenklatura - Gysi war ja immerhin der Vorsitzende der Kollegien der Rechtsanwälte in der DDR, also einer der wichtigsten Funktionäre des DDR-Justizsystems - in der Bundesrepublik nicht nur unbeanstandet Politik machen, sondern sogar zum Medienstar aufsteigen konnte, ist im Grunde ein Skandal. Auch Bisky war ein Top-Funktionär des Regimes, erst als Professor am Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, dann als Rektor der Filmhochschule. Man stelle sich vor, daß nach 1949 vergleichbare Nazi-Spitzenfunktionäre als Vorsitzende einer umbenannten NSDAP in den Bundestag eingezogen wären!
Und was die Aufarbeitung angeht - haben Sie einmal gesehen, unter welchen jämmerlichen Bedingungen das "Haus am Checkpoint Charlie" seine Arbeit tut? Wo sind die Filme über die Verbrechen der Kommunisten, in die Schulklassen geführt werden, so wie wir in den fünfziger Jahren gemeinsam den erschütternden Film "Nacht und Nebel" gesehen haben?
Es ist schon deprimierend. Zumal sich ja immer deutlicher abzeichnet, daß die umbenannte SED demnächst nicht nur in Ländern, sondern auch im Bund als Bündnispartner der Sozialdemokraten akzeptiert werden wird.
Herzlich, Zettel
P.S. Lieber F. Hoffmann, ich habe mich über Ihren Beitrag gefreut. Als noch in "Zettels Raum" kommentiert werden konnte, waren Sie ja ein häufiger Kommentator. Schön, jetzt auch hier etwas "aus Ihrer Feder" zu lesen.
Im Nouvel Observateur dieser Woche geht der satirisch-politische Kolumnist Delfeil de Ton auf die "Stern"- Umfrage ein. Er berichtet über die Affäre Eva Herman und kommt dann auf die Umfrage:
Là-dessus, un grand hebdomadaire allemand, voyant là un sujet intéressant, commande un sondage a un institut spécialisé. C'est maintenant que les choses se corsent. Il ne s'agira plus de l'opinion d'une vedette du spectacle télévisuel, il s'agira de l'opinion du peuple allemand. Bonjour monsieur, bonjour madame, si je vous demande si le nazisme a eu aussi de bons côtés comme la construction d'un réseau d'autoroutes, l'élimination du chômage, l'abaissement du taux de criminalité et sa politique familiale, direz-vous que vous êtes d'accord ou pas d'accord ?
Le résultat du sondage ne dit pas combien de sondés ont foutu leur poing dans la gueule du sondeur pour oser leur poser une question de cette nature sous une forme de cette nature. Il ne semble pas qu'il y en ait eu, ça se serait su, ce qui montre que l'après-68 n'est pas complètement venu à bout des marques élémentaires de la civilité.
Darauf bestellt eine große deutsche Wochenzeitschrift, die da ein interessantes Thema erkennt, bei einem Fachinstitut eine Umfrage. Und nun wird es spannend. Es geht jetzt nicht mehr um die Meinung eines TV-Stars, es geht um die Meinung des deutschen Volks. Guten Tag, wenn ich Sie frage, ob der Nazismus auch seine guten Seiten hatte, wie den Bau der Autobahnen, die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, die Senkung der Kriminalität und seine Familienpolitik - würden Sie sagen, daß Sie zustimmen oder daß Sie nicht zustimmen?
Das Ergebnis der Umfrage sagt nicht, wieviele der Befragten dem Befrager die Faust ins Gesicht geschlagen haben, weil er es wagte, ihnen eine Frage dieser Art in dieser Form zu stellen. Das scheint nicht geschehen zu sein, man hätte es sonst erfahren, was beweist, daß der Nach-Achtundsechziger noch nicht alle elementaren Merkmale der Zivilisiertheit hinter sich gelassen hat.
Gut gebrüllt, Löwe!
Seit mehr als dreißig Jahren lese ich, wenn ich den neuen Obs bekomme, immer zuerst die Kolumne von Delfeil de Ton.
Hier stimme ich ihm mal wieder aus vollem Herzen zu - kein Wunder, denn er schreibt ja im Prinzip dasselbe wie ich in ZR. Bemerkenswert finde ich aber, daß er sich - sehr im Unterschied zu den meisten deutschen Kommentatoren - den genauen Wortlaut der Frage besorgt hat.
Interessant, nicht wahr, daß ein französischer Kolumnist diese deutsche Umfrage sorgfältiger liest und treffender kommentiert als fast unisono die deutschen Medien?
In Antwort auf:- Düsenflugzeuge... hier wurde ein Großteil der Pionierarbeit im 3. Reich geleistet. Auch hier für kriegerische Zwecke, wie die Me 262. Dennoch aber werden sie heute sowohl militärisch als auch zivil genutzt.
Auch die Alliierten hatten Düsenflugzeuge im Einsatz: Die Gloster Meteor Nur hatten die Allierten keinen so großen Druck noch nicht einsatzreife Fluzeuge in den Krieg zu schicken.
In Antwort auf:Die freie Gattenwahl wurde mit dem Blutschutzgesetz 1935 abgeschafft. Und der privatrechtliche Charakter des Eherechts 1938. Natürlich fehlte es auch nicht an einem ZwangssterilisationsG (von dem übrigens zu bemerken ist, dass es in fast gleicher Fassung bereits vor der Machtübernahme Hitlers den Preußischen Landtag passierte - und dabei nur zwei Gegenstimmen zu zählen waren, die einer liberalen Ärztin und die eines gläubigen Pfarrers (der das G im Gegensatz zu seinen ach-so-gläubigen Kollegen ablehnte). Die freie Gattenwahl und die freie Entscheidung für oder gegen Nachwuchs war den NSlern verhasst (Verbot von Verhütungsmittels, Zwangsabtreibungen...), und gerade im WK, als die Geburtenrate wieder sank, verteufelte man die Liebesheirat und pochte darauf, dass ursprünglich die arrangierte Ehe im Germanantum vorherrschte. Es wurden dann auch Ehevermittlungsstellen eingerichtet, natürlich nicht ohne die Männer und Frauen an ihre Pflicht zu erinnern: Erbstrom.
Im Transatlantik-Forum wird heute dieses Thema aufgegriffen; mit Bezug auf einen Artikel in der FAZ, in dem es besonders um das angeblich gute Bildunsssystem der DDR geht.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.