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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 3 Antworten
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Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.551

22.04.2015 15:03
K. J. Parker ist in Wirklichkeit... Antworten

... Tom Holt.

Wieder eins der Großen Geheimnisse der Genreliteratur weniger.
Nachdem wir wissen, wer B. Traven, Cordwainer Smith & James Tiptree, Jr. waren, erweist sich auch dies als antiklimaktisch. Schade nur, daß jetzt jeder neue Text eines der absolut hervorragenden neuen Verfassers von Fantasy als Werk des Autors von "Who's Afraid of Beowulf?", also eines eher bescheideneren Terry-Pratchett-Epigonen, gelesen werden wird.

http://www.phantastiknews.de/joomla/inde...ratur&Itemid=56

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

22.04.2015 15:48
#2 RE: K. J. Parker ist in Wirklichkeit... Antworten

... und ein deutsches Büchlein dieser mehrfach ausgezeichneten "Autorin" gibt es bei meinem Hausverlag:
http://golkonda-verlag.de/cms/front_cont...dcat=134&lang=1

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EDIT
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Vor drei Jahren war übrigens mal jemand ganz dicht dran:
http://nethspace.blogspot.ca/2012/03/who-is-kj-parker.html

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.551

22.04.2015 21:04
#3 RE: K. J. Parker ist in Wirklichkeit... Antworten

Als angedachte Möglichkeit läuft das seit dem Sommer 2010 um, als Parker für das Netzmagazin des englischen Kleinverlags Subterranean Press von ... Tom Holt interviewt wurde:

Interview with K. J. Parker by Tom Holt

Zitat
TH; First things first, I guess. K J Parker isn’t your real name.

KJP: No. Parker is, well, a pen name. I’d like to be able to say KJ stands for Kathleen Joanne, in honour of a writer I respect, admire and steal from. Unfortunately, I was KJP while JKR was still nursing a lukewarm latte in the coffee bars of Edinburgh.

TH: Why the secrecy? It’s not like you’re in danger of people stopping you in the street.

KJP: Well, for a start my regular name, which I hate, doesn’t have that ring, you know? It’s like Norma Jean Mortensen and Marilyn Monroe. I don’t think I could write under my own name. It wouldn’t feel right. When I write, I need to be somebody else.



Im Genre des Phantastischen (der Kritiker John Clute bezeichnet dieses Terrain zwischen SF, der Fantasy à la Tolkien, dem Schrecken, ob nun übernatürlich oder psychologisch, und dem Magischen Realismus mit dem übergreifenden Terminus "Fantastika") ist der Gebrauch eines Pseudonyms ja gängig; in der Regel sind das aber entweder bekannte Autoren, die zB das eine oder andere Buch für ein jugendliches Publikum schreiben, das nichts mit ihrer Stammleserschaft zu tun hat; oder aber Autoren, die die alltägliche bzw. berufliche Existenz streng getrennt halten wollen. Bei "Parker", wo ja eine vollumfängliche Autorentätigkeit vorliegt (13 Romane bislang - 3 umfangreiche Trilogien & 4 Solitäre; No. 14 erscheint im Sommer) deutete immer alles auf den zweiten Fall hin. "Parker" hat nie explizit eine weibliche Identität behauptet (anders als "James Tiptree Jr." beim Namen & Erzählgestus), sondern dezente Fingerzeige gelegt ("married to a lawyer"), die gern in diese Richtung gelesen worden sind. Und dieses Rätsel: Wer ist das denn nun? Hat keine Präsenz, keine Fotos, nur Texte: das hat durchaus seinen eigenen Reiz für die Leser.

Für Leser, denen weder der Name Holt noch Parker etwas sagen, ist der Fall natürlich Hekuba. Für Genreleser, die sich im Bereich des Englischen auf dem Quivive halten & zurecht Angesagtes goutieren, sieht das leicht anders aus: Tom Holt ist ab Ende der 80er mit leichten Fantasyromanen in Erscheinung getreten, zumeist Parodien klassischer Mythenstoffe, im Stimmung & Machart nicht unähnlich "Orpheus in der Unterwelt" oder "Monty Python & der Hl. Gral", wo ja auch der Artusmythos veräppelt wird (von Pferdeäppeln kann da ja erinnerlich keine Rede sein): daß King Arthur im Albion der Gegenwart ohne gültige Kontonummer keine Tafelrunde finanziert kriegt & besser nicht mit dem Schwert in der Öffentlichkeit rumläuft (das war lange vor Lee Rigby). Tropen der Fantasy, burlesk, mitunter amüsant, aber ohne Tiefsinn. Nachdem sich die Scheibenweltromane in England wie warme Semmeln verkauften, war er nicht der einzige: Robert Rankin & Christopher Moore liegen auf dieser Schiene.

Parker # 1, der/die Romanautor/in, war/ist von ganz anderem Zuschnitt: ernsthafte, ziemlich düstere historische Abenteuer, deren Fantasy-Anteil hauptsächlich darin besteht, daß es genau-diese Länder, diese Kriege auf dem technischen Niveau der Frührenaissance, nicht gegeben hat: aber gespickt voll mit Atmosphäre, mit technischen Details: wer wissen will, wie ein Schwert geschmiedet wird, eine Belagerung durchgeführt wird, welche Möglichkeiten einem Chirurg hat (praktisch keine: Parker schildert die Brutalität dieser Zeit absolut anschaulich: das ist Lichtjahre jenseits aller Wanderhuren). Die Romane haben ihr Publikum, aber es ist kein großes: da fehlt das, was den Großteil der Fantasy-Leser anzieht, die Leser von Historienschinken mögen keine imaginären Erzählkosmen; die Romane sind außerhalb England praktisch nicht verlegt & schon gar nicht beworben worden & "Geheimtipp-Leser" suchen nicht auf diesen Regalen der Buchhandlungen. Außerdem sind die alle als Taschenbuch erstveröffentlicht worden: das ist heute, anders als bis in die frühern 80er Jahre, auch für die Verkaufszahlen ein Hemmschuh.

Das änderte sich, als ab 2010 kürzere Texte erschienen (Parker # 2, bzw. Holt # 3), mit der Frequenz von 2-3 pro Jahr, in der Druckfassung 30-60 Seiten lang. (Alte Oberlehrer haben für das Format die Bezeichnung "Novelle"; nur hängen an der Vokabel normative & ästhetische Erwartungen à la Paul Heyses "Falkentheorie", die noch gräßlicher sind als der dort sonst übliche Tinnef über die "amerikanische short story"): prägnanter, und wesentlich zynischer im Ton; der Anteil der phantastischen Elemente ist höher, die meisten spielen in einem urbanistischen Milieu, das technologisch und zivilisatorisch im etwa unserem 18. Jahrhundert entspricht, in einem universitären Umfeld, das viel von der Scholastik bewahrt hat. Der Erzählgestus ist pikaresk; die Protagonisten allesamt zwielichtig; für sie sind das allesamt Geschichten des Scheiterns & der Desillusion (im Gegensatz zum Leser, dem es wie Sancho Pansa bei Kafka geht); als Vergleich für Leser von George RR Martin: der ebenso zynische wie melancholische Erzählton entspricht genau dem der Kapitel über Tyrion Lannister in A Song of Ice and Fire (das ist die Buchfassung; "Game of Thrones" ist die TV-Version [/]). Das war der Zeitpunkt, als sich auch abgeklärtere Leser ("eigentlich lese ich sowas ja nicht/nicht mehr, aber das hier ist die Ausnahme" *) sich auf die Hinterhufe gesetzt haben & den neuentdeckten Autor zur - hedonistischen - Pflichtlektüre vorgemerkt haben. Dafür haben auch 2 dieser Texte, ganz zurecht, den World Fantasy Award erhalten, "A Small Price to Pay for Birdsong" 2011 & "Let Maps to Others" ein Jahr später. Das gehört mit zum Besten, neben Lucius Shepards Erzählungen um den Drachen Griaule, den Kurztexten von Avram Davidson, R. A. Lafferty & Peter S. Beagle und den beiden ersten Gormenghast-Romanen von Mervin Peake, was dieses Genre, wenn es barock musiziert, zu bieten hat.

Der von Frank Böhmert verlinkte Kurzroman "Purpur und Schwarz" fällt auch in diese Gruppe (in der 2014 erschienenen Erzählsammlung "Academic Exercises" umfasst sie die Seiten 281-365; ich stelle fest, daß mein Exemplar von KJ Parker signiert ist: *Krakel 1x auf/1x ab* ): die ausnahmslos höflichste Korrespondenz zwischen einem nicht vorgesehenen, aber aufgeklärten Monarchen (purpur), den eine Verschwörung auf den Thron befördert hat & einem der Königsmörder, der als General (schwarz) eine gebirgige Grenzregion vor den Nachbarn schützen soll, dessen Revolte, weil er in der brutalen Macht nur noch die Tyrannis sieht, & das Fazit, daß Seine Majestät allen Grund hatte, seine Spießgesellen ans Messer zu liefern. Am Ende sitzt S.M., des Augenlichts beraubt, in einer Mönchszelle & kondoliert seinem Widersacher, der das Schwarz gegen den Purpur vertauscht hat & den nun das gleiche Schicksal erwartet. Tyrion Lannister, fürwahr.

Für manche anglophonen Leser ist die Wirkung wohl so, als wenn sich plötzlich herausstellen würde, daß es sich bei, sagen wir "Uwe Tellkamp" in Wirklichkeit um ein Pseudonym von Wladimir Kaminer handelte. Oder von Akif P. Dem Netzrauschen zufolge dürfte ich nicht der einzige gewesen sein, dem beim Lesen der Nachricht die Kinnlade hörbar auf die Tischplatte fiel.

* Das ist ja bei Genreprodukten nicht selten: "eigentlich sehe ich keine Pferdeopern, aber wenn der Western von Sergio Leone ist -", oder der Krimi von Rex Stout, oder der italienische Schlager von Paolo Conte...

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.551

22.04.2015 22:15
#4 RE: K. J. Parker ist in Wirklichkeit... Antworten

Hier ein 70-minütiges Interview von Jonathan Strahan & Gary K. Wolfe mit Tom Holt in Sachen "Parker":

http://www.jonathanstrahan.com.au/wp/201...ry-of-a-writer/

2:30: "I wanted to write something meatier, perhaps."
3:00: "I enjoyed being K. J. Parker more than I enjoyed being Tom Holt."
11:00: "I had my first book published when I was 13. It was a volume of poetry, God help me." *
27:00: "I was seven years at university. As I use to say, you get less for robbery."
36:00f. zur Frage des "weiblichen" Pseudonyms & zum Legen von Irrspuren.
47:00f. zu "Purple and Black" - "I went to the dictionary and looked up what a 'novella' was."
59:00 JS: "I don't trust Wikipedia much - but it says you wrote a biography of Margaret Thatcher." TH: "That was not a biography; it was a spoof autobiography. Steven Allen [of Spitting Image] wanted a collaborator."

* = "Poems by Tom Holt" (Oct 1973), M & J Hobbs, 0-7181-1181-8, £1.25, 52 pp.
http://www.isfdb.org/wiki/images/4/4e/PMSBTMHLTX1973.jpg

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