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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 4 Antworten
und wurde 542 mal aufgerufen
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Paul Offline




Beiträge: 1.285

23.07.2015 07:04
Fundstück: Der iranische Deal und Doppeldenke Antworten

Das habe ich soeben gefunden. Es ist sehr Aufschlussreich.
https://backsp.wordpress.com/2015/07/23/...nd-doppeldenke/

Zitat
Was mit dem Iran-Deal falsch läuft (siehe hier und hier), kann man auch an Gebrauch und Missbrauch der Sprache ablesen, die rund um den Deal verwendet wird.

Es fällt schwer, es unter einen Hut zu bringen, dass die Führer der Islamischen Republik Iran unverblümt sagen, wir sollten nicht erwarten, dass sie sich in irgendeiner Weise ändern, und das von der USA geführte Verhandlungsteam dennoch die Bedeutung der Taten und Worte dieser Führer zu ignorieren scheint.



Bitte unbedingt lesen.

Mir kam es schleierhaft vor, dass Araber, gut, in diesem Fall sind es Perser (wo unterscheiden die sich von arabischer Mentalität?), plötzlich nachgegeben haben sollen?

Hier wird also der Schein für die Wirklichkeit genommen. Das ist in der Politik nichts wirklich Neues (München).

Dass Gabriel* diesen Schein sofort in reales Handeln umsetzt ist für mich erschütternd. Da fällt mir nur noch ein: "Die Spiele müssen weiter gehen."
Die Geschäfte müssen wirklich weiter gehen? Ja, das Leben kann schon grausam sein. Besonders, wenn es um die Durchsetzung von Eigeninteressen geht.

Guten Morgen allerseits, Paul

*Steinmeier in Gabriel korrigiert. 23.7.11:28

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JE SUIS JUIF

Paul Offline




Beiträge: 1.285

23.07.2015 14:53
#2 RE: Fundstück: Der iranische Deal und Doppeldenke Antworten

Dazu ergänzend habe ich bei heplev gerade den Artikel von Martin Shermann, Jerusalem Post, gefunden.
Wer den gelesen hat, weiß alles was er wissen muss.
Es ist schlimmer als ich es jemals dachte.
https://heplev.wordpress.com/2015/07/23/...n-barack-saete/

Zwei Zitate sollen das verdeutlichen:

Zitat
Kein Teufel im Detail

Immerhin: Je mehr man über die gerade in Wien ausgeheckte, nicht durchsetzbare, nicht verifizierbare Vereinbarung nachdenkt, desto plausibler scheint sie zu sein. So stellt Alan Dershowitz in einem Kommentar in der Jerusalem Post von dieser Woche heraus: „Der Teufel liegt nicht so sehr im Detail, sondern in den große Umrissen dieses Deals.“

Statt in den genauen Einzelheiten des Deals ist er in seiner Gesamtstruktur zutiefst fehlerhaft, was es so schwer macht ihn zu verstehen – außer die Motive für seine Schlüsse werden nachgeprüft. Denn wenn er nicht von kindlicher Naivität durchtränkt ist zu glauben, dass der tyrannische Klerus, der die totalitäre Theokratie in Teheran anführt, plötzlich angesichts seiner bestätigten trotzigen Unnachgiebigkeit und den riesigen ihm zur Verfügung stehenden weiteren Ressourcen plötzlich sein Weltbild ändert, ist das Bild der entstehenden Realitäten entschieden düster und verwirrend.

Das sich vor unseren Augen entfaltende Spektakel ist nach jedem rationalen Kriterium unfassbar.



Zitat
Dem Iran schickt es die eindeutige Botschaft, dass er die Bestimmungen des Vertrags ungestraft übertreten kann – denn wenn das, was er in Wien erlebte, alles ist, was der Westen gegen ihn aufbringen kann, was hat er dann zu fürchten? Es kann kaum Zweifel geben, dass das, was diese Woche in Wien ablief, Amerikas Ansehen im Nahen Osten geschreddert hat.

Mancher könnt sogar den Verdacht haben, dass das der Sinn der Übung war.



Ich empfehle aber es nicht bei diesen "Kostproben" zu belassen, sondern den ganzen Artikel zu lesen.

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

Nola Offline



Beiträge: 1.719

23.07.2015 15:07
#3 RE: Fundstück: Der iranische Deal und Doppeldenke Antworten

Zitat

Mir kam es schleierhaft vor, dass Araber, gut, in diesem Fall sind es Perser (wo unterscheiden die sich von arabischer Mentalität?), (..)



Es gab eine Zeit, lieber Paul, vor dieser/jetzigen Zeit, welche belegt, dass Persien Lichtjahre von Arabien entfernt gewesen sein muß. Nicht zuletzt durch Mohamad Reza Shah Pahlavi.

http://www.deutschlandradiokultur.de/die...ticle_id=232696

Zitat

Schah Mohammed Reza Pahlavi wollte den Iran nach westlichen Vorstellungen umgestalten. Am 11. Januar 1963 stellte er dafür ein umfassendes Reformprogramm vor, welches er die "Weiße Revolution" nannte. Das Programm verschärfte allerdings die Gegensätze im Land noch.

"Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, den Iran in den nächsten 20 Jahren auf den Stand der Zivilisation der fortschrittlichsten Länder der Welt zu heben. In den vergangenen zehn Jahren haben wir die Hälfte unseres Rückstands aufgeholt. Aber der schwierigste Teil des Weges liegt noch vor uns."



Aber Persien war ein gutes Stück vorangekommen, bevor es zum Iran wurde. Der folgende Film hätte, wären da nicht die baulichen Denkmäler in jedem anderen westlichen Land gedreht sein können.

Iran vor 1979
http://www.youtube.com/watch?v=ki6DT7y--EM

* Edit link eingefügt:
https://www.youtube.com/watch?v=dF47rrHd7wo



------------

Religionsfrei war das Land jedoch nicht. Dem Shah war es zwar gelungen, den Vielvölkerstaat weiter zu festigen und die verschiedenen Religionsausrichtungen des Islam soweit zu vereinigen, aber:

Zitat
Khomeini forderte die Abschaffung der Monarchie. Der Schah erwiderte:

"Diese Kräfte sind es, die den Fortschritt und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes behindern. Aber die Reaktionäre sind dem iranischen Volk glücklicherweise bekannt. Notfalls werden wir ihre Namen preisgeben."

Das war nicht mehr nötig, denn Ayatollah Khomeini trat Anfang Juni 1963 offen auf und verunglimpfte das Schah-Regime in seiner sogenannten "Rede gegen den Tyrannen unserer Zeit". Er prangerte die wachsende Korruption, die Gewalttätigkeit von Polizei, Militär und dem berüchtigten Geheimdienst SAVAK an.



Mit der Weißen Revolution wie Schah Mohammed Reza Pahlavi sein Reformprogramm nannte, sollte es ein Umbruch ohne Gewalt und ohne Tote werden.


Zitat
"Wenn ich mich entschlossen habe, über diese Reformen eine Volksabstimmung herbeizuführen, dann deshalb, weil ich verhindern will, dass unsere Bauern jemals wieder zu Leibeigenen werden, dass die Bodenschätze unseres Landes dem Gewinnstreben einiger weniger zugutekommen und dass die Bedeutung dieser revolutionären Veränderungen nicht mehr auf Betreiben einer Minderheit beeinträchtigt oder zerstört werden kann."

Bei der Volksabstimmung Ende Januar stimmten 99 Prozent der Wähler für die Reform. Es gehört zu den Widersprüchen der neueren iranischen Geschichte, dass selbst das nicht reichte, um die Gegner mundtot zu machen. Der mächtige schiitische Klerus fürchtete, die Kontrolle über das islamische Stiftungsland zu verlieren. Vor allem aber die pro-westliche Politik des Schahs war Khomeini zuwider. Er machte sich zum Sprachrohr einer kleinen Gruppe innerhalb der Geistlichkeit, die sich nun politisch radikalisierte.

In den Tagen darauf kam es zu landesweiten Demonstrationen und Unruhen mit Dutzenden Toten. Khomeini wurde verhaftet, unter Hausarrest gestellt und nach weiteren öffentlichen Stellungnahmen im November 1964 ausgewiesen.(...)




1967 wurde in Deutschland gegen den Besuch der persischen Kaiserfamilie demonstriert, wobei der Student Benno Ohnesorg erschossen wurde von einem Berliner Polizisten, der, wie man heute weis, bezahlter Stasi-Spitzel war. Wenn man bedenkt, welche Beweggründe (außer: wir sind gegen alles) den Studentenunruhen gegen den Besuch des Kaiserpaares zugrunde lagen, kann man heute nur noch den Kopf schütteln. Es ging um den Geheimdienst (hat jedes Land) und dessen "Verfehlungen" (hat auch jedes Land) es ging um goldene Wasserhähne, die das Bad des Kaiserpaars schmuckvoll zieren sollten (ich erinnere - von vielen Beispielen abgesehen - nur an die Aufnahmen aus der armen Ukraine, die nach Flucht des ukrainischen Präsidenten Janukowytsch von seiner "Residenz" gemacht wurden) es ging um Pomp und Poria wie es in jedem europäischen Königspalast zu finden gewesen wäre und es ging um die armen Bürger die im Gegensatz zur Elite ein karges Leben führten. Auch das alles mehr oder weniger wie heute, oder schon immer und überall. Und Linke Demonstranten bezogen damals wie heute daraus eine Scheinmoral.

Sturz des Shah und Zerfall des einstigen Persien haben sowohl mit außenpolitischen Falscheinschätzungen des Westens (hier insbesondere die eigene Vermarktung des Erdöls durch die Perser), sowie mit einer Unterschätzung des politischen Islam zu tun. Man (insbesondere die USA) hatte geglaubt, mit Khomeini wäre es ein leichtes, die Öl- und Gas-Ressourcen unter Kontrolle zu behalten.

Man kann es nicht oft genug aufzeigen, wohin ein politischer Islam führt, egal aus welchen Gründen. Binnen kürzester Zeit ist aus dem aufstrebenden westlich gewandten Persien ein Iran von Sharia und Koran streng geleiteter Staat geworden.


* Edit:
Habe einen Link eingefügt, der ursprünglich dort erscheinen sollte, und zwar Iran vor 1979. Gerade die Jüngeren werden nicht allzu viel darüber wissen.

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Paul Offline




Beiträge: 1.285

23.07.2015 15:29
#4 RE: Fundstück: Der iranische Deal und Doppeldenke Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #3



Danke, liebe Nola,
als ich das geschrieben habe:

Zitat
Mir kam es schleierhaft vor, dass Araber, gut, in diesem Fall sind es Perser (wo unterscheiden die sich von arabischer Mentalität?), (..)


Hatte ich die Zeit des Shah's überhaupt nicht im Gedächtnis.
Erst durch Ihren Beitrag ist mir bewusst geworden, dass ich die damalige Zeit des Iran als Persien erinnere. Seit Khomeini ist es für mich Arabien. Warum wohl?

Das sehe ich auch so wie Sie. Damals war Persien auf einem guten Weg. Ob die materiellen Lebensverhältnisse der "einfachen Leute" heute besser wären, wenn der Shah nicht entmachtet worden wäre, kann ich nicht beurteilen. Dazu weiß ich zu wenig.
Aber die humanitäre Situation wäre besser. Auf alle Fälle ginge es den Christen und Juden besser. Auch Homosexuelle würden sicherlich nicht an Baukränen aufgehängt.

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

23.07.2015 16:02
#5 RE: Fundstück: Der iranische Deal und Doppeldenke Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #3
Wenn man bedenkt, welche Beweggründe (außer: wir sind gegen alles) den Studentenunruhen gegen den Besuch des Kaiserpaares zugrunde lagen, kann man heute nur noch den Kopf schütteln.


Das liegt daran, daß einem heute die spezielle Motivmelange der politischen Fraktion der 68er nicht mehr so präsent ist: also die Abteilungen Frankfurt & Berlin. Für viele war das Politgaudi, allgemeines Ausprobieren der Aufmüpfigkeit (die Gärungsform des "wir-sind-gegen-alles"). Aber für die, die sich den Schah als Symbolfigur ausgeguckt hatten, passte da alles zusammen, was für sie die Übel des Westens, des Kapitalismus usf. ausmachte. (Israel war denen zu dem Zeitpunkt noch nicht auf dem Radar.) Persien galt als forcierte (also falsche) Modernisierung (weil "die Massen" nichts davon hatten: von daher der heute so befremdliche Jubel so vieler Linker, von Foucault bis taz über Khomeini 1979), als Marionette der USA: für alle Linken war es ausgemacht, daß der CIA den Putsch gegen Mossadegh 1953 inszeniert hatte, um seine Hauptölquelle nicht zu verlieren. (Die Gemengelage war in Nassers Ägypten natürlich genauso, aber der paktierte mit der Sowjetunion: da entfiel das.) Die programmatische Schrift, in der das richtig-Wallraffhaft gebündelt präsentiert wurde, war 4 Monate vorher als Taschenbuch in der rororo-Aktuell-Reihe herausgekommen: Bahman Nirumands Persien, Modell eines Entwicklungslandes oder Die Diktatur der Freien Welt - & das waren die einzigen politischen Schriften, die in den Kreisen wirklich von jedermann/frau gelesen wurden (das dröge Zeugs von Marx, Marcuse, Adorno stand nur im Regal & diente vielleicht mal als Fundgrube für einschlägige Zitate). Und natürlich waren die Tebartzigen Wasserhähne ein perfektes Symbol für den ganzen Tiersmondismus. Das Gewese, das die deutschen Illlustierten & das TV mit Farah Diba veranstalteten, war die schönste Illustration für den "Verblendungscharakter der Medien" (die Wendung konnten sie dann noch aus Marcuse rauspicken): Fortsetzung vom Heimatfilmkitsch à la "Försterliesel": Opas Kino, muffje Fuffzjer, anstatt dem saturierten Bürger (Haßobjekt No. 1 ) das Elend nahezubringen & damit aufzuklären (wenn wir seit 1970 nichts anders mehr als das Elend serviert bekommen, hat das hier seinen Grund). Und dann noch die "Jubelperser": Man kann den Augenzeugenberichten richtig anmerken, wie aufputschend das war, daß hier Harmlose StudentenTM endlich von der "nackten Fratze der Gewalt" Prügel bezogen, statt das nur an Papas Stories aus dem Krieg festzumachen.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

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